Hörgeräte beugen Demenz vor?
Verfasst: 4. Okt 2015, 10:43
Ich möchte beispielhaft einen Artikel, wie er in dieser oder ähnlicher Form zu Hauf im Web anzutreffen ist, heraus greifen und einige Aussagen kommentieren.
http://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/S ... en140.html
"Das Gehirn gewöhnt sich an das geringere Hörvermögen, so wird der Hörverlust beschleunigt."
Wo bleibt der Beleg für diese Behauptung (ich interpretiere die Aussage so, dass mittels Hörgeräten Hörverlust entgegengewirkt werden könne)?
Ich kenne jedenfalls Studien, auf Grund derer Ergebnisse der gegenteilige Schluss gezogen werden muss: Das Tragen von Hörgeräten verschlechtert das Hörvermögen zusätzlich.
(Link: http://www.tandfonline.com/doi/abs/10.3 ... 013.847976)
Das weiss natürlich bspw. der Hörgerätehersteller Phonak längst, wie folgende Textstelle zeigt:
"...und, weil die Gefahr lärminduzierte Hörschäden bei niedrigen Eingangspegeln hervorzurufen am geringsten ist..."
Heisst also, dass Phonak (wie ich schon lange) der Ansicht ist, dass durch eine Hörgeräteversorgung eine Gefahr besteht, lärminduzierte Hörschäden hervor zu rufen - diese ist bei niedrigen Eingangspegeln am geringsten (also kann sie auch bei diesen nicht ausgeschlossen werden und nimmt sogar zu höheren Eingangspegeln hin zu).
Zu finden ist das Zitat unter folgendem Link auf s. 7:
https://www.phonakpro.com/content/dam/p ... ion_DE.pdf
Zurück zum Text. Dort heisst es weiterhin:
"Experten bezeichnen eine nicht versorgte Altersschwerhörigkeit sogar als Hauptrisikofaktor für Altersdemenz und Altersdepression."
Auch hier wird auf keine Studie verwiesen. Wenn man googlet, findet man leider lauter Beiträge, welche die selbe (meiner Ansicht nach unbewiesene) Leier predigen - erstellt vorwiegend von Hörgeräteverkäufern bzw. -Herstellern.
"Es ist also wichtig, eine Schwerhörigkeit früh zu erkennen, um gegenzusteuern."
Hm, die Studien, welche ich mir (bisher nur kurz) angesehen habe, stellen einen Zusammenhang zwischen Hörverlust und einem erhöhten Risiko für Demenz fest. Inwiefern das Tragen von Hörgeräten das Risiko verändert, wurde nicht untersucht. Da aber der Einfluss von Hörgeräten auf die Hörfähigkeit untersucht wurde (und Hörgeräte diese verschlechtern), muss (zumindest nach meinem aktuellen Wissensstand zunächst) die Schlussfolgerung gezogen werden, dass eine Hörgeräteversorgung das Risiko für Demenz erhöht (das heisst aber nicht, dass es zwingend so sein muss - nur liegt der Schluss (zunächst) nahe, wobei für den Beweis der gegenteiligen Aussage der (direkte) Einfluss einer Hörgeräteversorgung auf das Risiko für eine Demenzerkrankung untersucht werden müsste)).
Des Weiteren heisst es im Artikel:
"Heutzutage werden viele leistungsstarke Geräte angeboten, die kaum mehr zu sehen sind."
Gerade bei diesen Geräten besteht eine erhöhte Gefahr, dass zusätzlicher Hörverlust auftritt, wobei die Schäden bis in die zentralen Hörbahnen reichen und das Sprachverstehen verschlechtern können - was zunächst ein mal kaum der Vorbeugung von Demenz dienlich scheint.
Zumindest gemäss der unter folgendem Link abrufbaren Studie:
http://www.diss.fu-berlin.de/diss/servl ... _aslan.pdf
Zitat s. 76 unten:
"Die Schallintensität des Versuchsaufbaus der vorliegenden Arbeit betrug 115 dB SPL und wurde gewählt, weil dies der Intensität von hochverstärkenden Hörgeräten entspricht. Diese werden unter Umständen bei Patienten eingesetzt, deren Hörbahn durch Lärm bereits verletzt wurde. Dieses Szenario sollte durch den Versuchsaufbau in Teilen simuliert werden. Besonders dem Teilergebnis in der vorliegenden Arbeit, dass die TUNEL-positiven Zellen, die im MGB der Doppeltrauma-Gruppe gefunden wurden,
im Zusammenhang mit einem schlechteren Sprachverständnis stehen, sollte klinisch Beachtung geschenkt werden. Patienten, die mit hochverstärkenden apparativen Hörhilfen versorgt wurden, könnten ihr Sprachverständnis, vor allem im Störgeräusch mit der Zeit deutlich verschlechtern. Bevor eine Schädigung von zentralen auditorischen Strukturen auftritt, wäre die Versorgung mit alternativer Hörtechnik (z.B. Cochlea Implantat mit elektro-akustischer Stimulation) zu diskutieren."
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch noch folgende Textstelle:
Zitat s. 54 unten:
"Immer wieder wird Deprivation als Grund für die Veränderungen der Hörbahn nach einem Lärmtrauma diskutiert [102]. Nach einer vollständigen unilateralen auditorischen Deprivation durch Entfernen der Cochlea konnte nachgewiesen werden, dass der
Einfluss auf die Neuronendichte im AVCN stark mit dem Alter des Tieres zum Zeitpunkt der OP zusammenhängt. Untersucht wurden die Tiere zwei Wochen nach der Operation. Bei jungen Tieren fanden sich nach zwei Wochen hochsignifikante Verluste.
Bei Tieren mit einem zum Operationstermin ausgereiften Hörsystem fand sich zwischen ipsi- und kontralateraler Seite kein signifikanter Unterschied [103]. Offensichtlich setzen
die Effekte der Deprivation beim Erwachsenen später oder gar nicht ein."
Ich halte es also für gut möglich, dass das Schreckgespenst "Deprivation durch unversorgten Hörverlust" wirklich das ist, als was es bezeichnet wird (eben ein Gespenst (oder vielleicht sogar Gespinst?), und mehr nicht...).
Natürlich gelten meine Aussagen und Ansichten nur für Erwachsene, bei welchen der Prozess der Hörbahnreifung weitgehend abgeschlossen ist (wobei Demenz bei Kindern ein nicht all zu grosses Thema sein dürfte).
Gruss fast-foot
http://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/S ... en140.html
"Das Gehirn gewöhnt sich an das geringere Hörvermögen, so wird der Hörverlust beschleunigt."
Wo bleibt der Beleg für diese Behauptung (ich interpretiere die Aussage so, dass mittels Hörgeräten Hörverlust entgegengewirkt werden könne)?
Ich kenne jedenfalls Studien, auf Grund derer Ergebnisse der gegenteilige Schluss gezogen werden muss: Das Tragen von Hörgeräten verschlechtert das Hörvermögen zusätzlich.
(Link: http://www.tandfonline.com/doi/abs/10.3 ... 013.847976)
Das weiss natürlich bspw. der Hörgerätehersteller Phonak längst, wie folgende Textstelle zeigt:
"...und, weil die Gefahr lärminduzierte Hörschäden bei niedrigen Eingangspegeln hervorzurufen am geringsten ist..."
Heisst also, dass Phonak (wie ich schon lange) der Ansicht ist, dass durch eine Hörgeräteversorgung eine Gefahr besteht, lärminduzierte Hörschäden hervor zu rufen - diese ist bei niedrigen Eingangspegeln am geringsten (also kann sie auch bei diesen nicht ausgeschlossen werden und nimmt sogar zu höheren Eingangspegeln hin zu).
Zu finden ist das Zitat unter folgendem Link auf s. 7:
https://www.phonakpro.com/content/dam/p ... ion_DE.pdf
Zurück zum Text. Dort heisst es weiterhin:
"Experten bezeichnen eine nicht versorgte Altersschwerhörigkeit sogar als Hauptrisikofaktor für Altersdemenz und Altersdepression."
Auch hier wird auf keine Studie verwiesen. Wenn man googlet, findet man leider lauter Beiträge, welche die selbe (meiner Ansicht nach unbewiesene) Leier predigen - erstellt vorwiegend von Hörgeräteverkäufern bzw. -Herstellern.
"Es ist also wichtig, eine Schwerhörigkeit früh zu erkennen, um gegenzusteuern."
Hm, die Studien, welche ich mir (bisher nur kurz) angesehen habe, stellen einen Zusammenhang zwischen Hörverlust und einem erhöhten Risiko für Demenz fest. Inwiefern das Tragen von Hörgeräten das Risiko verändert, wurde nicht untersucht. Da aber der Einfluss von Hörgeräten auf die Hörfähigkeit untersucht wurde (und Hörgeräte diese verschlechtern), muss (zumindest nach meinem aktuellen Wissensstand zunächst) die Schlussfolgerung gezogen werden, dass eine Hörgeräteversorgung das Risiko für Demenz erhöht (das heisst aber nicht, dass es zwingend so sein muss - nur liegt der Schluss (zunächst) nahe, wobei für den Beweis der gegenteiligen Aussage der (direkte) Einfluss einer Hörgeräteversorgung auf das Risiko für eine Demenzerkrankung untersucht werden müsste)).
Des Weiteren heisst es im Artikel:
"Heutzutage werden viele leistungsstarke Geräte angeboten, die kaum mehr zu sehen sind."
Gerade bei diesen Geräten besteht eine erhöhte Gefahr, dass zusätzlicher Hörverlust auftritt, wobei die Schäden bis in die zentralen Hörbahnen reichen und das Sprachverstehen verschlechtern können - was zunächst ein mal kaum der Vorbeugung von Demenz dienlich scheint.
Zumindest gemäss der unter folgendem Link abrufbaren Studie:
http://www.diss.fu-berlin.de/diss/servl ... _aslan.pdf
Zitat s. 76 unten:
"Die Schallintensität des Versuchsaufbaus der vorliegenden Arbeit betrug 115 dB SPL und wurde gewählt, weil dies der Intensität von hochverstärkenden Hörgeräten entspricht. Diese werden unter Umständen bei Patienten eingesetzt, deren Hörbahn durch Lärm bereits verletzt wurde. Dieses Szenario sollte durch den Versuchsaufbau in Teilen simuliert werden. Besonders dem Teilergebnis in der vorliegenden Arbeit, dass die TUNEL-positiven Zellen, die im MGB der Doppeltrauma-Gruppe gefunden wurden,
im Zusammenhang mit einem schlechteren Sprachverständnis stehen, sollte klinisch Beachtung geschenkt werden. Patienten, die mit hochverstärkenden apparativen Hörhilfen versorgt wurden, könnten ihr Sprachverständnis, vor allem im Störgeräusch mit der Zeit deutlich verschlechtern. Bevor eine Schädigung von zentralen auditorischen Strukturen auftritt, wäre die Versorgung mit alternativer Hörtechnik (z.B. Cochlea Implantat mit elektro-akustischer Stimulation) zu diskutieren."
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch noch folgende Textstelle:
Zitat s. 54 unten:
"Immer wieder wird Deprivation als Grund für die Veränderungen der Hörbahn nach einem Lärmtrauma diskutiert [102]. Nach einer vollständigen unilateralen auditorischen Deprivation durch Entfernen der Cochlea konnte nachgewiesen werden, dass der
Einfluss auf die Neuronendichte im AVCN stark mit dem Alter des Tieres zum Zeitpunkt der OP zusammenhängt. Untersucht wurden die Tiere zwei Wochen nach der Operation. Bei jungen Tieren fanden sich nach zwei Wochen hochsignifikante Verluste.
Bei Tieren mit einem zum Operationstermin ausgereiften Hörsystem fand sich zwischen ipsi- und kontralateraler Seite kein signifikanter Unterschied [103]. Offensichtlich setzen
die Effekte der Deprivation beim Erwachsenen später oder gar nicht ein."
Ich halte es also für gut möglich, dass das Schreckgespenst "Deprivation durch unversorgten Hörverlust" wirklich das ist, als was es bezeichnet wird (eben ein Gespenst (oder vielleicht sogar Gespinst?), und mehr nicht...).
Natürlich gelten meine Aussagen und Ansichten nur für Erwachsene, bei welchen der Prozess der Hörbahnreifung weitgehend abgeschlossen ist (wobei Demenz bei Kindern ein nicht all zu grosses Thema sein dürfte).
Gruss fast-foot