braucht es künftig noch Hörgeräteakustiker?

Faber

braucht es künftig noch Hörgeräteakustiker?

#1

Beitrag von Faber »

moin,
das künftige Szenario:
1)
Hörgeräte würden von Krankenkassen gleich behandelt wie Brillen.
2)
der HNO erstellt die Audiogramme und speichert die Werte auf digitale Weise.
3)
der Patient bestellt sich die zu diesem Audiogramm passenden Hörgeräte seiner Wahl bei einem Internetanbieter seiner Wahl.
4)
die Hörgeräte werden - standardmäßig auf 70 dB begrenzt - dem - jetzt Kunden - zusammen mit der passenden Konfigurationssoftware - in´s Haus geliefert.
5)
der Kunde startet die Software, spielt die elektronischen Audiogrammdaten ein, die Software bietet aufgrund ihrer Algorithmen schon sehr gutes first-fit und das Ergebnis wird drahtlos an die Hörgeräte übermittelt.
6)
der interessierte Kunde kann - darüber hinaus - jederzeit - nach eigenem Gutdünken - unterhalb der vom Arzt festgestellten MPO, denjenigen "Höroutput" selber konfigurieren, der IHM als der geeignete erscheint.
Vorteile:
* Krankenkassenbeiträge sinken (weil der ganze "HGA-Rattenschwanz" entfällt),
* Gerätepreise sinken auf "Aldi-Angebot-Niveau",
* "Anpassungszeitsouveränität": man macht´s sich dann (so), wann und wie und wo man selbst es will",
* damit entfällt auch der ganze Abstimmungsstress und Zeitaufwand für HGA-Besuche,
* Kunden sind zufriedener ("man weiß ja selbst am besten, was einem gut tut")
UND:
* Ein weiterer ganzer Vergangenheitsberufsstand kämpft jetzt mit für das bedingungslose Grundeinkommen :)

ein nach-denkens-wertes "Wort zum Sonntag"
von
Gewichtl
Zuletzt geändert von Faber am 17. Sep 2017, 10:45, insgesamt 1-mal geändert.
svenyeng
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Re: braucht es künftig noch Hörgeräteakustiker?

#2

Beitrag von svenyeng »

Hallo!

Das ist völliger Unsinn, zu mal nicht jeder in der Lage ist sowas selber zu machen!

Für Computerfreaks sicher nicht das Problem.
Nur, ein Hörgerät anpassen ist nicht einfach nur ein Audiogramm einzuspielen.
Der Akustiker wird nicht umsont ausgebildet. Da ist auch viel Fachwissen nötig.
Wie soll denn bitte Oma Erna (80) oder Opa Hans (90) das selber machen?

Resound geht mit den Linx 3D ja schon einen Schritt weiter.
Und zwar kann der Kunde selber Firmware Updates einspielen.
Weiterhin kann man über die App auch dem Akustiker bei Problemen Infos zu kommen lassen, so das der dann die Programmierung anpasst und die neue Config via Cloud zur App schickt. Der Kunde spielst die neue Config dann selber ein. Das spart Wege zum Akustiker.
Das ist sicherlich eine gute Ergänzung, aber ersetzt mir nicht den Akustiker.

Dann kommt ja noch dazu das man auch mal zum Akustiker geht, wenn ein externen Hörer nicht mehr geht, ne Otoplastik kaputt ist, Schallschlauch gewechselt werden muss, etc.

Beispiel: Externer Hörer ist defekt. Du müsstest den bei Deinem Hörgeräteshop bestellen. Lieferzeit 3 Tage. Also 3 Tage ohne Hörgerät.
Ich gehe zum Akustiker. Der hat sowas immer im lager und tauscht mir das kostenlos und ich kann sofort wieder hören.
Du feierst dann auf Kosten aller 3 Tage krank, da Du ja nichts hörst und so nicht arbeiten kannst. Gespart hat dann niemand was.

Gruß
sven
akopti
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Re: braucht es künftig noch Hörgeräteakustiker?

#3

Beitrag von akopti »

Hallo Gewichtl

interesanter Ansatz.

zu 1 und 2)
Seit dem die Brille, für über 18-jährige, aus dem Leistungskatalog der Krankenkasse gestrichen wurde, haben Augenärzte damit begonnen nur noch eine "medizinische Messung" der Fehlsichtigkeit durch zu führen. Auf dem Zettel stand meistens drauf: Es handelt sich um eine medizinische Ermittlung der Fehlsichtigkeit. Die Werte sind nicht zur Anfertigung einer Sehhilfe geeignet.
Damit wollen die Ärzte sich aus der Verantwortung stehlen, falls die Werte nicht zu einem deutlichen und Komfortablen Sehen führen. Oftmals steht auf dem Zettel noch: Feinabgleich durch den Optiker notwendig.
Zudem habe ich noch nie in meinem Berufsleben eine wirklich komplett ausgefüllte Verordnung eines HNO-Artzes gesehen, obwohl sie schon heute dazu verpflichtet wären. Es werden weder U-Schwellen für Töne noch für Sprache gemessen. Auch die vernünftige Messung der Knochenleitung unter Berücksichtigung der Vertäubungsregeln habe ich noch nicht gesehen. Die werden aber benötigt, damit die Anpasssoftware den richtigen Verstärkungsbedarf einstellen kann.

Zum HGA-Rattenschwanz: Es gibt verkürzten Versorgungsweg, wobei der HNO zusammen mit einer HG-Gesellschaft direkt in der Praxis Hörsysteme anpasste, dabei wird die Anpassung durch ein/e Artzhelfer/in mit online Unterstützung durchgeführt.

Die Otoplastik ist ein wichtiger Bestandteil der Hörsystemanpassung und kann in vielen Fällen nicht durch das "Hütchen" ersetzt werden. Die richtige Otoplastik kann den Klang wesentlich beeinflussen und zu einer Akzeptanz einer Anpassung führen.
Auch die Lage von akustischen Filtern in Schallweg können die Anpassung optimieren.
Es ist erstaunlich, dass diese eher handwerklichen Dinge machmal mehr bewirken können, als die Software je in der Lage wäre.
* Gerätepreise sinken auf "Aldi-Angebot-Niveau"
Genau wir bei den Brillen?

Gruß

Dirk
Faber

Re: braucht es künftig noch Hörgeräteakustiker?

#4

Beitrag von Faber »

moin Dirk,
"ich tu doch nix, ich will nur stänkern".
aber mal Ernst beiseite und DEINE Argumente beachtet:
1.
dass Ärzte ihren Verpflichtungen NICHT nachkommen, rechtfertigt aber NICHT einen zusätzlichen Berufsstand.
2.
die Abformung für die Otoplastik kann künftig in der HNO-Praxis durch dafür extra ausgebildete Fachkräfte durchgeführt werden, wie heute die professionelle Zahnreinigung in Zahnarztpraxen.
3.
die auf dieser Basis zu fertigenden Otoplastiken können dann gleich mitbestellt, oder im Copyshop am 3D-Drucker ausgedruckt werden.
Also:
WAS kann künftig noch HGA, was nicht auch anders ginge?
Ich verstehe gut das Beharrungsvermögen der Zunft, das ging aber dem Schumacherhandwerk ähnlich :)
LG
Gewichtl
akopti
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Registriert: 17. Aug 2016, 23:06
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Re: braucht es künftig noch Hörgeräteakustiker?

#5

Beitrag von akopti »

Genau, und ich bin weg.
Crackliner
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Re: braucht es künftig noch Hörgeräteakustiker?

#6

Beitrag von Crackliner »

Welchen Zweck verfolgt diese Forum?
Nur fantasielose flüchten in die Realität.
Faber

Re: braucht es künftig noch Hörgeräteakustiker?

#7

Beitrag von Faber »

Crackliner hat geschrieben:Welchen Zweck verfolgt diese Forum?
dem Erfahrungsaustausch und der Wissensvermittlung? :)
RemyRiver
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Re: braucht es künftig noch Hörgeräteakustiker?

#8

Beitrag von RemyRiver »

Gewichtl hat geschrieben:moin Dirk,
"ich tu doch nix, ich will nur stänkern".
aber mal Ernst beiseite und DEINE Argumente beachtet:
1.
dass Ärzte ihren Verpflichtungen NICHT nachkommen, rechtfertigt aber NICHT einen zusätzlichen Berufsstand.
2.
die Abformung für die Otoplastik kann künftig in der HNO-Praxis durch dafür extra ausgebildete Fachkräfte durchgeführt werden, wie heute die professionelle Zahnreinigung in Zahnarztpraxen.
3.
die auf dieser Basis zu fertigenden Otoplastiken können dann gleich mitbestellt, oder im Copyshop am 3D-Drucker ausgedruckt werden.
Also:
WAS kann künftig noch HGA, was nicht auch anders ginge?
Ich verstehe gut das Beharrungsvermögen der Zunft, das ging aber dem Schumacherhandwerk ähnlich :)
LG
Gewichtl
1) Der HNO hat dafuer ueberhaupt gar keine Zeit, der hat ganz andere Faelle bei sich sitzen die um einiges akuter sind.

2) Du willst also den Berufszweig Akustiker(meister) entfernen und diese als Fachangestellte in die Arztpraxen schicken?

Was ist der Gewinn fuer den Kunden? Kaengere Wartezeiten bei den Terminen, da Raeumlichkeiten in den Arztpraxen ja nicht automatisch mitwachsen, ungenauere Einstellungen gerade bei Atypischen Hoerverlusten die nun mal mehr Zeit brauchen, damit auch ein unschoeneres Klangergebnis, mehr Arbeit fuer den Kunden, denn das HG ist noch Arbeitsaufwendiger als ohnehin schon. Ich kann mir meine HGs nicht selber aussuchen bzw. Nicht selber bestimmen welchen der freien Anbieter ich nutze, sondern bin andie Modelle gebunden die mein HNO anbietet.

Was ist der Gewinn fuer den Arzt? Mehr Termine, in einem eh schon ueberfuellten Terminkalender eines Fachartztes, mehr Personal auf weniger Platz, mehr Arbeit in der gleichen Zeit.

Was ist der Vorteil fuer die Akustiker? Nicht mehr Selbststaendig, trotz Meister die gleiche bezahlung wie eine Fachkraft beim Arzt, weniger Platz und Zeit fuer jeden Kunden. Durch den engen Terminplan weniger Moeglichkeiten mit verschiedenen Modellen Erfahrungen zu sammeln, ggf. keine freie Modellwahl, da man sich nicht durch mehrere Laeden finanzieren kann sondern darauf angewiesen ist das der Hersteller gute Preise macht.

Ich sehe in deinem Szenario keinen Gewinn. Wer vom Arzt HGs haben moechte kann das ja tun, gibt durch aus HNOs die sowas anbieten.
Zuletzt geändert von RemyRiver am 18. Sep 2017, 07:10, insgesamt 1-mal geändert.
Hz 125 250 500 750 1000 1500 2000 3000 4000 6000 8000
dbR 20_25_35_60__60__60__60__50_25___5__15
dbL 10_10_10_10___5___5___5___5___5___5__15
Faber

Re: braucht es künftig noch Hörgeräteakustiker?

#9

Beitrag von Faber »

drei Anmerkungen:
1.
ich "will" nicht die künftige Entwicklung - ich beschreibe sie.
2.
dieser Thread soll dazu provozieren, dass - wie von dir gerade begonnen - herausgearbeitet wird, was der wirkliche Mehrwert eines HGA-Fachgeschäftes ist, und warum es sich lohnt, der Zunft weiterhin Vertrauen zu schenken und auch gern Zuzahlungen für seine eigene Hör- u. Versteherleichterung zu bezahlen.
3.
mit zunehmend unredlich-schäbigen Manipulationsmätzchen manipuliert sich die Branche jedenfalls selbst ins AUS.
Meine Meinung.
Moin,
und
LG
Gewichtl
svenyeng
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Re: braucht es künftig noch Hörgeräteakustiker?

#10

Beitrag von svenyeng »

Hallo!

Mein HNO hatte mal einen Akustiker in seiner Praxis beschäftigt.
Aber das stellte sich nicht als sinnvoll heraus. Und das aus verschieden Gründen.
Was man auch bedenken sollte ist der Platzbedarf, nicht jede HNO Praxis hat dafür die Räumlichkeiten.

Die Akustiker müssen bleiben, weil der Service und das Fachwissen gebraucht werden. Ein Hörgerät anpassen ist nicht einfach nur das eingeben einer Hörkurve in die Anpass-Software. Da gehört einiges mehr dazu.
Es sind immer spezielle Einstellungen nötig.
Und wie ich schon schrieb, die junge Generation kann sicherlich das eine und andere selber machen, aber die älteren Menschen, die mit Computern nichts am Hut haben brauchen den Akustiker.

Gruß
sven
AkustikerMeister
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Re: braucht es künftig noch Hörgeräteakustiker?

#11

Beitrag von AkustikerMeister »

Moin Gwichtel

Nun hast Du es geschafft, dass ich mich doch noch einmal in einem Deiner Threads zu Wort melde. Noch erstaunlicher ist der Grund dafür: Deine Frage halte ich für berechtigt.

Kleiner Ausflug zu Deinem Nachbar:
Hier in der Schweiz könntest du solange mit deinem Paragraphen rumfuchteln wie Du möchtest.
Hierzulande bekommst Du bis zum 64. Lebensjahr (Frau) bzw. 65 Lebensjahr (Mann) von der IV 840Fr. für eine monaurale - bzw. 1650 Fr. für eine binaurale Versorgung.
Danach bezahlt die AHV 630 Fr. pauschal. Egal ob monaural oder binaural.

Und das war`s auch schon.
Einfach und zweckmässig ist das Stichwort. Nicht individuell und bestmöglich.

Damit darfst Du dann anstellen was Du möchtest.
Du kannst dir in einer Apotheke einen nicht einstellbaren Hörverstärker kaufen. Du kannst auch mehrere tausend Fr. drauf zahlen und dir bei einem Akustiker ein highend Hörgerät mit Allem was dazu gehört kaufen. Auch Alles dazwischen ist erlaubt.

Das läuft bei uns schon so seit 2011.

Deshalb die Antwort auf Deine Frage: Jein.

Ich gehe mit dir einig, dass der Markt sich verändern wird.
Meiner Meinung nach verlieren wir die "einfachen" Kunden. Also die "Firstfit und ciao" - Kunden.
Allerdings habe ich persönlich diese Kunden gar nicht. Die werden gerne zu den Ketten überwiesen.

Auch denkbar ist, dass über remotefittig die Hörgeräte durchs Internet verkauft werden:
Du bestellst die Hörgeräte im Internet. Erhältst ein Programmierinterface und verbindest dich per Skype oder dergleichen mit einer "Fachkraft" aus Ungarn oder Polen oder so.
Dieser drückt dann für dich den Firstfitbutton.

Selbstverständlich sind dann Dinge wie Nachbetreuung kostenpflichtig. Wenn es sie denn überhaupt noch gibt.

Auch dass der Staat das Zepter übernimmt wie in England halte ich bei euch für möglich:
Der Staat macht einen Deal und sucht sich das beste Angebot. Zbsp. Phonak würde das Cassia Hörgerät (von 2011) in riesigen Mengen günstig anbieten.
Der Staat kauft sich diese Geräte und sie werden Dir in der Klinik angepasst.
Dann wartest Du monatelang auf einen Fistfittermin und thats it.

Die komplizierten Fälle werden den Akustikern erhalten bleiben.
All jene, die entweder nicht in der Lage sind oben genanntes selbst durchzuführen, oder jene deren Hörsituation professionelle Betreuung verlangt, werden weiterhin zum Akustiker gehen.

Das wird bestimmt vielen Betrieben die Luft zum atmen nehmen. Allerdings zum Teil vielleicht auch zu recht?! Survival of the fittest...

Einen Denkfehler solltest Du allerdings nicht begehen:
Es wir dir evt. etwas Genugtuung verschaffen, wenn gewisse Betriebe schliessen müssen.
Der Leidtragende am Ende ist allerdings immer der Kunde.
Auch wenn für einen Prozentsatz eines dieser Marktsysteme vielleicht gut funktionieren würde, wird es immer ein grossen Teil geben, der in die Röhre schaut.
Für die ist nämlich Alles schlechter als vorher.

Bevor Du jetzt darüber nachdenkst mir zu unterstellen ich würde Alles dramatisieren:
Bei uns läuft das schon so...ist also vergebens.

Trotzdem habe ich heute 11 Kundentermine.
Crackliner
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Re: braucht es künftig noch Hörgeräteakustiker?

#12

Beitrag von Crackliner »

Zitat von Crackliner:

Welchen Zweck verfolgt diese Forum?

dem Erfahrungsaustausch und der Wissensvermittlung? Smiling

Das Gefühl habe ich nicht.
Nur fantasielose flüchten in die Realität.
Ohrenklempner
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Re: braucht es künftig noch Hörgeräteakustiker?

#13

Beitrag von Ohrenklempner »

Es gibt viele Länder auf der Welt, in denen es kein Akustikerhandwerk gibt, wo die Geräte über den "Deppenmodus" der Anpass-Software eingestellt werden. Ja, kann funktionieren. Ich für meinen Teil bin aber froh, dass das Handwerk in Deutschland hervorragend ausgebildet und nebenbei ein bedeutender Wirtschaftszweig ist.

Meine Gedanken: Ich habe drei Jahre lang (für einen Hungerlohn) ein solides Handwerk gelernt; danach eine Meisterausbildung absolviert, einen Teil der Kosten auch selbst getragen. Ich habe Familie, meine Kinder hatten in den Ausbildungsjahren über manche Strecken gar nichts von mir. Ich bin sehr gut und umfassend in Theorie und Praxis ausgebildet: Akustik, Elektrotechnik, Physiologie, Otoplasik, Gehörschutz, Phonetik, Psychologie, Berufs- und Arbeitspädagogik, Gewerbe-, Handwerks-, Wirtschafts-, Erb-, Gesellschafts-, Steuer-, Arbeits- und Familienrecht -- um nur mal ein paar Themen zu nennen.

Was kann ich meinem Kunden damit bieten? Eine umfassende Beratung, und zwar aus medizinischer, audiologischer, soziologischer und technischer Sicht. Ich drücke nicht nur eine paar Knöpfe, sondern mache mir Gedanken. Als Handwerker kann ich Otoplastiken selbst fertigen, anstatt sie drucken zu lassen. Ich kann Hörgeräte reparieren (ja, mit Schraubendreher und Lötkolben!) anstatt sie einzuschicken. Ich weiß, was geschieht und warum, wenn ich eine Zusatzbohrung verlängere oder vergrößere. Ich weiß, wie es sich aufs Hören und Verstehen auswirkt, wenn ich am "Mischpult" im Anpassprogramm spiele. Ich weiß, was zu tun ist, wenn es im Ohr drückt, rauscht, fiept, schmerzt, dröhnt, rumpelt oder rauscht. Ich biete umfassende Nachbetreuung, Wartung und Service.

Das soll auch so bleiben. Remote-Fitting oder Home-Fitting oder was man auch immer alles machen könnte... kann man halt machen und schauen, was dabei herauskommt. Ich hol mir ja auch keinen Maler ins Haus, wenn ich ne Wand tapezieren und streichen will. Lampen schließe ich auch selbst an. Zum Reifenwechsel muss man auch nicht in die Werkstatt fahren. Aber: Wenn's gut werden soll, geht man zum Handwerker! :)
Faber

Re: braucht es künftig noch Hörgeräteakustiker?

#14

Beitrag von Faber »

Moin,
schön dass jetzt auch mal gute Gründe FÜR die Hörgerätevertriebsbranche kommen.
Diese guten Gründe in Gottes - und DEREN - Gehörgang :)
Es reicht eben nicht, Gutes zu können, man muss es auch anwenden WOLLEN :)
Ich überlege ja auch die ganze Zeit, wie man die eigenen Zuzahlungen rechtfertigen kann.
Was haltet ihr von folgender Begründung:
"die Kasse zahlt für unerhörten Störverdruss,
der HGA macht daraus ungestörten Hörgenuss,
aber: alles hat seinen Preis"
LG
Gewichtl
Ohrenklempner
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Re: braucht es künftig noch Hörgeräteakustiker?

#15

Beitrag von Ohrenklempner »

Ohne mein Wissen und Können anzuwenden, läuft der Laden nicht. Ich muss also mein Gelerntes "gezwungenermaßen" auch handwerklich umsetzen. ;)

Der Zuzahlungsslogan klingt sehr nett... aber er klingt wie "Die Kasse zahlt für Schrott, wenn du vernünftig hören willst, musst du was bezahlen."

Ich fahre hiermit ganz gut: "Ihre Krankenkasse zahlt für ordentliche Hörgeräte. Wenn es aber kleiner, schicker, bequemer, schöner (...) sein soll, kostet es extra."
Lchtschwrhrg
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Re: braucht es künftig noch Hörgeräteakustiker?

#16

Beitrag von Lchtschwrhrg »

Da gebe ich Dir vollkommen recht, Ohrenklempner -
das, was da Vorgenerationen in Jahrhunderten aufgebaut haben - eine breite Ausbildung zum Verständnis der Sache, das was man tut, was automatisch dafür sorgte, dass Weiterbildung und -entwicklung im Selbstverständnis des Meisters war, ist hier bei uns komplett vor die Hunde gegangen.
Es wird immer jemand geben, der es billiger macht- aber nicht besser, und der Computer kann sicher vieles - aber es wird nicht nicht das sein, was das "Gegenüber" eines Menschen ist. Auch wenn das manchmal etwas schwieriger sein dürfte als eine Maschine.
TomBerlin
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Registriert: 6. Apr 2014, 17:42
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Wohnort: Berlin

Re: braucht es künftig noch Hörgeräteakustiker?

#17

Beitrag von TomBerlin »

Ich denke das die Fähigkeiten der Umsetzung einer begrenzten Selbstprogrammierung bei den neuen Alten (Babyboomerjahrgängen) einfacher werden wird. Ich denke eine größere Transparenz der Leistungen würde schon vieles erleichtern, d.h., die Kosten nach Gerätepreis, Anpassleistung und Erhaltungsservice wird dem Versorgten gegenüber ausgewiesen.
Das macht es transparenter und jeder Zuzahlungswillige weiss wofür er zahlt.
Ich finde es schade das die Akustikerzunft immer zu den Neuerungen hingtragen werden muss, auch Data Logging und Selbstanpassungen der HG wurden als Teufelswerk abgelehnt und als unnötig angesehen da es doch Akustiker gibt. Ich denke wir werden immer mündiger werden als Nutzer schon allein weil es weltweit keine solche Ausbildun für Akustiker gibt und die Unternehme ihre Produkte weltweit vermarkten und auch ein Schmalspur ausgebildeter amerikanischer oder indischer Audiologist die Software beherschen muss ohne das Gehör seiner Kunden ins Nirwahna zu schießen. Beste Grüße aus Berlin Tom
bds ototoxische Innenohrschwerhörigkeit, WHO4, Phonak NAIDA V90 SP m. ROGER + ROGER Pen’s,+ ComPilot II + TV-Link II +PilotOne II
AkustikerMeister
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7

Re: braucht es künftig noch Hörgeräteakustiker?

#18

Beitrag von AkustikerMeister »

Gewichtl hat geschrieben:Moin,
schön dass jetzt auch mal gute Gründe FÜR die Hörgerätevertriebsbranche kommen.
Diese guten Gründe in Gottes - und DEREN - Gehörgang :)
Es reicht eben nicht, Gutes zu können, man muss es auch anwenden WOLLEN :)
Ich überlege ja auch die ganze Zeit, wie man die eigenen Zuzahlungen rechtfertigen kann.
Was haltet ihr von folgender Begründung:
"die Kasse zahlt für unerhörten Störverdruss,
der HGA macht daraus ungestörten Hörgenuss,
aber: alles hat seinen Preis"
LG
Gewichtl
Naja...wie gesagt...genau so läuft das in der Schweiz. Aber möchtest Du das wirklich!?
Aus Kundensicht kann ich dafür keineswegs Werbung machen.
Der Markt in der Schweiz ist seither weiter gewachsen nur mit dem Unterschied, dass die Kunden einen viel grösseren Teil der Kosten selber tragen müssen.
Der Betroffene wird hier zulande ziemlch alleine gelassen und das finde ich nicht gerade fair.
Euer System ist da deutlich kundenfreundlicher.
svenyeng
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Re: braucht es künftig noch Hörgeräteakustiker?

#19

Beitrag von svenyeng »

Hallo!

Also das was Resound mit den neuen Linx 3D angefangen hat, ist glaube ein guter Kompromiss, denn hier wird auf jeden Fall der Akustiker mit seinem Fachwissen gebraucht, aber der Kunde muss nicht mehr wegen jeder Kleinigkeit zum Akustiker fahren: http://www.resoundpro.com/de-DE/assist

Aber auch das kann den Besuch beim Akustiker auf keinen Fall komplett ersetzen. Ich finde das persönliche Gespräch mit meinem Akustiker enorm wichtig.
Ich muss sagen das es manchmal verlockend wäre, die Software die der Akustiker nutzt auch zu Hause auf dem Rechner zu haben.
Aber andererseits braucht man dazu eben auch Fachwissen, denn mittlerweile kann immens viel eingestellt werden. Das kann kein Laie.

Bei der Selbstanpassung würden vermutlich auch die Hersteller nicht mitspielen.
Wie soll das grade in der Testphase vernünftig laufen?
Was, wenn der Kunde die Testgeräte nicht zurückschickt?
Viel Zeit usw. spare ich da auch nicht, denn ich muss ja Geräte sauber einpacken und zurückschicken.
Was man auch noch bedenken muss: Montage und Auswahl von Hörern, etc.
Weiterhin muss ich mich als Hörgeräteträger bei allen Herstellern informieren, etc. Man ist doch nicht ständig mit dem Markt vertraut, denn neue Hörgeräte gibt es normal alle 6 Jahre.
Auch möchte ich mich in Garantie- und/oder Gewährleistungsfällen an sich nicht mit dem Hersteller auseinandersetzen müssen.

Also mein Fazit ist ganz klar:
Ich brauche meinen Akustiker vor Ort, der mich immer gut berät und mir sehr guten Service bietet!

Gruß
sven
Starsky
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Re: braucht es künftig noch Hörgeräteakustiker?

#20

Beitrag von Starsky »

Hm, ich sag teils teils, ganz abwegig ist es nicht, ganz zutreffend auch (noch) nicht.
Ich denke schlichtweg es wird ein Mischsystem vielleicht mal geben, ähnlich der Brillen. Es ist aber m.E. schwieriger.
Kurzer Exkurs zu Brillen, ich hab mal online eine Ersatzbrille bestellt. Optik ganz gut, merke ich keinerlei Unterschied, ABER es muss halt auch am Kopf passen und so gut einstellen wie das ein erfahrener Optiker macht, gelang mir nicht. Also zu einem gegangen, ihm gesagt, das wäre eine aus dem Internet und ich zahl ihm einen 5er. Wollte er nicht nehmen, habs ihm aber einfach auf dem Tisch lassen und es war perfekt danach.

Hörgeräte, ja wünschte ich mir auch mitunter, da mehr selbst versuchen zu dürfen "meine Akustikerin ist wohl etwas genervt langsam". Also ich könnte die Feineinstellung auch mal selbst probieren, das vermisse ich ehrlich schon etwas. Ich bin kein Akustiker, aber ich weiß wie ich höre, was ich gut und schlecht finde. Das erstmal genau zu benennen ist oftmals schwierig und sehr zeitraubend (für beide Seiten). Hier wäre es schön, wenn der Kunde mehr Einstellungsmöglichkeiten hätte, ohne sein Gehör zu zerschießen. Das meinte Gwichtl doch? Also die Begrenzung darf der Kunde nicht auf 150db selbst anheben (nur mal so übertrieben formuliert). Aber er kann damit "spielen". Es ist für den Kunden ja wichtig gut zu hören, also kann er dies und das ausprobieren (Grundeinstellungen sind vorhanden und können immer resettet werden!). Warum nicht? Ich glaube ich weiß besser wie es klingt, als ich es vermitteln kann. Ergo lieber spiel ich mich damit 10 Std. rum, als 5-10 Termine beim Akustiker. Beraten gerne, Ersteinstellung gerne, aber den Feinschliff, die zusätzlichen Modis, das täte ich gerne mal probieren.

Und sorry, ja sicher gibts welche die das lieber dem Aku voll überlassen, insbesondere ältere Kunden, aber warum nicht versuchen? Ein Aku kann nur das machen was ich ihm schildere, aber manchmal fehlen die genauen Worte um es hinreichend genau zu eruieren.
Daher verstehe ich das schon. Nur finde ich z.B. die Frage nach "höherer Klasse" und Block von der AKU schon etwas "nervig". Weil wenn Kunde das versuchen will, dann soll er das auch bekommen. Nicht von vornherein abwehren und max. Mittelklasse aufzeigen. Genau wie andersrum.

Das ist mein Denken, es sollte etwas offener sein in dem Metier, mitunter kommts mir deutlich zu geheimnisvoll vor (Preise, was trag ich gerade, was teste ich). Manche Leute, obwohl kein AKU können dennoch gut denken und selbst eben ihre Höreindrucke bewerten. Das fehlt mitunter beim AKU.

Schönen Gruß
Starsky

PS: Man darf nie vergessen, es gibt "normale" Hörprobleme und welche die etwas "komisch" sind. Ich habe z.B. ab 10000 Hz eine ziemlich gute Hörleistung (darüber wird eh nimmer geprüft), Da verschiebt sich einiges an Tonspektren und DAS zu erklären ist sehr schwer. Verstehen z.T. nur sehr gute HNO-Ärzte die auch Ahnung von Neurologie haben.
Zuletzt geändert von Starsky am 19. Sep 2017, 20:58, insgesamt 1-mal geändert.
svenyeng
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Re: braucht es künftig noch Hörgeräteakustiker?

#21

Beitrag von svenyeng »

Hallo!

@starsky:
So wie Du das beschreibst, ist das sicherlich nicht verkehrt.
Der Kunde sollte dann eine abgespeckte Anpass-Software bekommen wo er eben nur eingeschränkt "schrauben" kann.

@all:
Ich glaube aber, das eines vergessen wurde:
Jeder Hersteller hat eine eigenen Software und teils auch Programmiergeräte.
Ich meine damit die Verbindung zum PC.
Da müsste der Kunde dann auch erstmal für viel Geld das sogenannte Interface kaufen. Wenn das über nen Standard Bluetooth Interface geht, prima!
Das wäre wohl auch die sauberste Lösung. Nur das wird günstigeren Geräten eben nicht implementiert.

Jetzt kommt noch ein weiterer Aspekt ins Spiel:
Wer supportet dem Kunden zu Hause die Technik?
Also der Kunde sitzt zu Hause am PC, installiert die Software, dabei treten Fehler auf, oder die Software läuft, aber die Hörgeräte verbinden nicht, ...
Ich als Fachinformatiker komme das vermutlich klar, aber ein normaler Anwender, der mit seinem PC gut umgehen kann, aber eben dann auch an seine Grenzen stößt, hat dann ein großes Problem, denn an diesem Punkt legt man dann das vorher eingesparte wieder drauf.
Ggf. muss der Computerservice her. Der darf dann ggf. auch noch mit dem Hörgerätehersteller kommunizieren usw. usf.

Gruß
sven
Faber

Re: braucht es künftig noch Hörgeräteakustiker?

#22

Beitrag von Faber »

nun,
Bedenkenträger gab es immer und die wird es auch - im Gegensatz zu aussterbenden Branchen - immer geben, und sie werden stets schwer an ihren Bedenken zu tragen haben :)
aber:
Hörgeräte-Erwerb im Internet ist nicht Pflicht, das ginge dann beispielsweise genauso gut im Elektronikfachmarkt der Zukunft :)
und:
ich wiederhole mich:
ich wünsche mir diese Entwicklung nicht - ich sehe sie gnadenlos kommen.
und:
ich frage mich:
ist künftig für Hörgeräteanpassungs-Hotline nicht tatsächlich ein IT u./o. Elektronikfachmännchen sinnvoller als ein herkömmlicher Handwerksmeister? :)
LG
Gewichtl
svenyeng
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Re: braucht es künftig noch Hörgeräteakustiker?

#23

Beitrag von svenyeng »

Hallo!

@gewichtl:
Zu Deiner Frage:
Nein, denn ein IT- oder Elektronikfachmann hat keine Ahnung von Akustik.

@starsky:
Zu dem was Du zum Thema Brille geschrieben hast:
Ich bin ja selber Brillenträger, käme aber nie auf die Idee im Internet eine Brille zu bestellen.
Ich habe aktuell eine Gleitsichtbrille mit guten Zeissgläsern.
Ich wüsste nicht, wie man sowas im Internet bestellen soll.
Das wir alles genau vermessen und ist sehr individuell.
Der Optiker ist da eben nicht ersetzbar.

Eine einfache Lesebrille ist was anderes. Die kann man sich sicherlich mal eben im Internet bestellen.

Gruß
sven
Ohrenklempner
Beiträge: 8658
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9

Re: braucht es künftig noch Hörgeräteakustiker?

#24

Beitrag von Ohrenklempner »

In unserem kombinierten Optik-Akustik-Geschäft ist das alltäglich, dass die Leute ihre Brille online bestellen und damit irgendwie nicht ganz klar kommen.
In der Akustik gibt es ja schon Vertriebswege wie Audibene. Da erfolgt eine zentrale Beratung per Internet oder Telefonhotline, die Anpassung geschieht dann aber beim Akustiker.
Brillen.de macht das ja auch so. Die verkaufen online Fassungen und Gläser und die Messung und Anpassung macht der Optiker.
Wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass der unbedarfte Kunde sich online das Hörgerät aussucht, was ihm am besten gefällt und sich das dann mit Erfolg anpassen lässt. Das wird nicht gut funktionieren -- kenne ich ja aus dem Alltag. Da kommt Herr XY, testet Widex und findet es super. Dann kommt Herr YZ (gleiches Alter, gleiches Audiogramm, gleicher Typ Mensch) und kommt mit Widex absolut nicht klar. Es ist und bleibt individuell.
Starsky
Beiträge: 124
Registriert: 16. Aug 2017, 18:27
6

Re: braucht es künftig noch Hörgeräteakustiker?

#25

Beitrag von Starsky »

svenyeng hat geschrieben: @starsky:
Zu dem was Du zum Thema Brille geschrieben hast:
Ich bin ja selber Brillenträger, käme aber nie auf die Idee im Internet eine Brille zu bestellen.
Ich habe aktuell eine Gleitsichtbrille mit guten Zeissgläsern.
Ich wüsste nicht, wie man sowas im Internet bestellen soll.
Das wir alles genau vermessen und ist sehr individuell.
Der Optiker ist da eben nicht ersetzbar.

Eine einfache Lesebrille ist was anderes. Die kann man sich sicherlich mal eben im Internet bestellen.

Gruß
sven
Sorry aber das stimmt so nicht, ich habe eine Fernbrille gekauft und die Optik und auch die Fassung ist tadellos, das Problem war eher, dass die Bügel etwas kurz waren und das biegen hab ich nicht kapiert (wollte sie nicht kaputt machen). Der Optiker hat 2 Minuten gebraucht fürs Biegen.
Und glaub mir, bei den Werten, die sind Standard, das wird nicht extra geschliffen, sondern das ist vorhandene Ware, nur die Bohrungen (z.B. bei rahmenlosen) wird ggfs. eben noch genau gemacht, je nach Bügel. Aber so ne Wahnsinnsleistung bei ner Fernbrille sicher nicht. Bei Gleitsichtgläsern ists aufwendiger. Wenn der Augenarzt gut ist oder (!) er einen Optiker in der Praxis hat (hatte ich mal). mißt der supergenau.

Grüße
Roman
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