Tips zum Beginn der Suche

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wwwho
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Tips zum Beginn der Suche

#1

Beitrag von wwwho »

Hallo,

bin absoluter Neuling auf dem Gebiet Hörhilfen. Meine Einschränkung ist hauptächlich links und da im Bereich der Hoch-mitteltöne. Die Schwerhörigkeit besteht schon lange. Aber ich habe die Kassengrenze von ich glaube 40 dB erst letztes Jahr gerissen. Sprachverstehen ist subjektiv auf dem linken Ohr aber richtig schlecht. Die Unterscheidung von S/F, T/D, M/N usw. sehr schwierig.

Die Bandbreite an Geräten ist nun ziemlich erschlagend, die Preise hoch und die Frist, auf die man sich festlegen muss recht lang. Alles Faktoren, die einem Anfänger die suche recht schwer macht. Die Frage nach einem guten Akustiker habe ich ja in einem Anderen Thread schon gestellt. Gibt es denn noch weitere Tips, die die Reise zu einer guten Lösung vielleicht etwas abkürzen könnten?

Vielen Dank schon im Voraus!
Nanni
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Re: Tips zum Beginn der Suche

#2

Beitrag von Nanni »

Guten Morgen,
das erste was Du einplanen solltest ist Zeit und Geduld. So eine Anpassung ist nicht in ein paar Tagen erledigt. Was die Auswahl des Akustiker angeht, kann man nicht pauschal sagen, nimm den oder den. Die Chemie muss stimmen. Gucke Dir verschiedene Läden an, achte auf Ausstattung und Equipment. Lass Dich in einem ersten Gespräch beraten und entscheide dann, zu welchem Du gehst um die Anpassung machen zu lassen. Eine gute Erreichbarkeit wäre mir auch wichtig. Die Auswahl der Geräte kommt ja erstmal auf den Hörverlust an, da wird der Akustiker eine Auswahl treffen. Du solltest Dir überlegen, in welchen Situationen Du besonderen Wert auf gutes Verstehen Wert legst. Dann wäre es sinnvoll, vorab zu klären, ob Du Bluetooth benötigst, möchtest um Fernsehen, Musik, Telefon direkt auf die Geräte streamen zu können. Braucht oder will vielleicht nicht jeder, ist Geschmackssache, kostet aber meistens mehr. Für viele Geräte gibt es auch entsprechendes Zubehör, was ggf. über die Rentenversicherung finanziert werden kann.
Die Testgeräte solltest Du von Anfang so oft wie möglich tragen, am besten morgens rein, abends raus. Schreib Dir auf in welchen Situationen Du klar kommst und in welchen nicht. Der Aku benötigt genaue Angaben, Beschreibungen, was geht und was nicht. Da diskutiert man halt auch über banale Sachen wie Kaffeemaschine oder Klospülung.
Teste verschiedene Geräte, dann wirst Du merken, womit Du klar kommst. Lass Dich nicht unter Druck setzen, manche haben nach 2 Geräten Ihren Favoriten gefunden, manche testen 7 und mehr, bevor sie sich entscheiden. Ist alles möglich. Wichtig ist, dass Dein Bauch sagt, "ok, die passen" und nicht " die nehme ich jetzt, weil ich keine Lust mehr habe".
Wenn Du die richtigen gefunden hast, wirst Du merken, wie viel mehr Lebensqualität Du bekommst. Ich möchte meine Ohren nicht mehr missen, auch wenn die Prozedur manches Mal an meinen Nerven und meinen Verstand gezerrt hat.
Viele Grüße
Nanni
AlfredW
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Re: Tips zum Beginn der Suche

#3

Beitrag von AlfredW »

Hallo,

Nanni hat ja schon das Wesentliche und Richtige geschrieben.
Ich würde nur noch anmerken:
- bei der Erstberatung mußt Du keine Verodnung des HNO abgeben. Und wenn dann nur eine Kopie
- die Original-Verordnung gibst Du dem Akustiker bei dem Du deine Hörgeräte kaufst
- es ist nicht die Frage, ob Du Bluetooth haben möchtest, sondern ob es Dir in der Situation (telefonieren, TV) hilft entspannter zu hören. letztendlich mußt Du entscheiden, ob es Die den Aufpreis wert ist.

Gruß

Alfred
bds Innenohrschwerhörigkeit ca. 80 dzb
Phonak Audeo R P50 13T UP + TV-Link
Bert667
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Re: Tips zum Beginn der Suche

#4

Beitrag von Bert667 »

Noch was:
Teste unbedingt IdO UND HdO Geräte. Lass dich vom Akustiker nicht in eine Richtung quatschen sondern bestehe darauf, beides zu testen.

Und nochwas:
Bestehe bei HdO auf angepasste Otoplastiken von Anfang an. Der Klang- und Comfortunterschied ist riesig und ich finde, man sollte genau so testen, wie man es nachher 6 Jahre tragen wird.
wwwho
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Re: Tips zum Beginn der Suche

#5

Beitrag von wwwho »

Hallo,

tut mir leid, dass ich mich so spät zurückmelde. Ganz Lieben Dank für die ausführlichen Antworten!

Bezüglich der Otoplastiken bin ich unsicher. Ich habe ja primär ein Hochtonschwerhörikeit. Meiner Vorstellung nach sollte das Hörgerät daher nicht das Ohr verschließen. Ich möchte ja möglichst viel 'Naturschall' weiterhin wahrnehmen können. Deswegen hatte ich IdOs eigentlich schon quasi ausgeschlossen. Otoplastiken schließen das Ohr doch auch komplett ab oder?

Was die IdOs angeht frage ich mich allerdings ob der Sitz in der Ohrmuschel einen Vorteil bringt, was z.B. Sprachverstehen angeht, weil das HG die Hörmuschel mitnutzt?

Viele Grüße!
Der Akustiker
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Re: Tips zum Beginn der Suche

#6

Beitrag von Der Akustiker »

Hallöchen,

also ich kann mich den Vorrednern größtenteils anschließen.

Kette oder klein, ist völlig egal, solange die Chemie stimmt.

Je nachdem, wie der Hörverlust aussieht (Mitten und Hochton minimal wegen den 40 dB), würde ich keinesfalls eine Otoplastik oder ein IdO empfehlen. Ich würde alles, was über die Natur ins Ohr kommt so belassen und quasi nur den Rest durch das Hörsystem "beimischen".

Dahingehend würde ich einen "weichen" Hersteller bevorzugen -> Signia / Audio Service oder Oticon / Bernafon. Allerdings ist das nun wirklich Geschmackssache. Jeder Mensch ist anders und deswegen bitte einfach ausprobieren!

Wenn Fragen sind, bitte einfach Fragen. Nur Vorsicht: Viele haben ein gefährliches Halbwissen, also bitte genau schauen, was von wem geschrieben wird.

Als kleines Tutorial:

Es gibt 11 Hersteller aber nur 6 Klangbilder. Man such also nicht den Hersteller sondern erst einmal das richtige Klangbild aus.

Die Gruppen, die jeweils das gleiche Klangbild haben (bzw. unterscheiden sich nur minimal)
- Phonak / Unitron / Hansaton
- Signia / Audio Service
- Oticon / Hansaton
- ReSound / Interton
- Starkey
- Widex

Dann gibt es je Hersteller im Schnitt 7 Technikstufen:
Stufe 1 -> Vertragsgerät der Krankenkasse
Stufe 2-4 -> haben meistens (je nach Hersteller) einen neueren Chipsatz
Stufe 5-7 -> haben den neusten Chipsatz
Zuletzt geändert von Der Akustiker am 28. Jan 2020, 12:27, insgesamt 1-mal geändert.
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rabenschwinge
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Re: Tips zum Beginn der Suche

#7

Beitrag von rabenschwinge »

Hier sind die Otoplastik Bauformen mal aufgelistet: http://www.pahl-Otoplastik.de/produkte/ ... Otoplastik

Ich trage Otoplastiken in Ringform und komme gut damit zurecht. Allerdings bin ich im Hochtonbereich an Taubheit grenzend schwerhörig.
andreas7-2
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Re: Tips zum Beginn der Suche

#8

Beitrag von andreas7-2 »

Hallo Akustiger,
Könntest du die 6 Klangbilder irgendwie in Worten beschreiben, wenigstens von der Tendenz?
Vielen Dank Andreas
sky
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Re: Tips zum Beginn der Suche

#9

Beitrag von sky »

Ich trage auch Otoplastik in Ringform aus Thermotec mit einer Riesen Belüftung. Das natürliche Hören im Tieftonbereich wird nicht beeinträchtigt. Weiter oben hab ich auch nur eine leichte Hörschädigung.
Vorteile: Die ex-Hörer liegen immer gleich im Ohr, ich hab die Hörer nicht so weit drin wie mit Schirmchen, sie fallen nicht raus, sind angenehm zu tragen und stören weniger als die Schirmchen.
Ich höre: links 30dB @125Hz bis 50 dB @8kHz | rechts 25dB @125Hz bis 40dB @8Khz
Ich nutze: HG Signia Pure Charge&Go 5X mit Thermotec Otoplastik in Ringform
Marion Schmidt
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Re: Tips zum Beginn der Suche

#10

Beitrag von Marion Schmidt »

Hallo Akustiker,

mich würden die verschiedenen Klangbilder, die Du "angesprochen" hast, auch sehr interessieren- da ich auch ein Neuling bin und noch in der Testphase stecke.

Und- was meinst Du mit "weichen" Herstellern? Ich habe gerade die Marvel 90 von Phonak.

LG
M.Schm.
Treehugger
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Re: Tips zum Beginn der Suche

#11

Beitrag von Treehugger »

@DerAkustiker

Um Halbwissen geht es ja hier auch. ;-)
Gemischt mit dem Wissen von "Profis"
Macht eine gute Mischung zur Meinungsbildung.

Ich habe auch eine Otoplastik,
aber zum Testen der "Klangbilder"
Sehr tolle Beschreibung gepaart mit der Otoplastik Übersichtsseite !!
haben mir Ex Hörer mit Schirmchen gereicht. (Schallschlauch hatte ich auch mal eine Woche)

Zumal man die ersten 4 bis 8 Wochen (bei manchen sogar länger) eh ganz andere Sogen hat, als die sich manchmal verschiebenden Hörer.
weil die Welt auf einmal wieder komplett anders klingt.

Treehugger
Bert667
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Re: Tips zum Beginn der Suche

#12

Beitrag von Bert667 »

Bzgl. Otoplastik:
Diese können auch sehr offen mit großer Belüftungsbohrung gebaut werden. Dann kommt da genug "echter" Schall von außen rein.

Ich finde Otoplastiken vom Tragekomfort einfach mit Abstand am besten.
Der Akustiker
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Re: Tips zum Beginn der Suche

#13

Beitrag von Der Akustiker »

Bitte immer daran denken. Jeder Mensch ist anders! Und jeder Mensch empfindet anders! Das was ich hier beschreibe ist ein Zusammenschluss von Herstellerdaten gepaart mit Kundenaussagen und aus eigene objektiven, wie subjektiven Faktoren und Messungen.

Als kleines Tutorial:

Es gibt 11 Hersteller aber nur 6 Klangbilder. Man such also nicht den Hersteller sondern erst einmal das richtige Klangbild aus.

Die Gruppen, die jeweils das gleiche Klangbild haben (bzw. unterscheiden sich nur minimal)
- Phonak / Unitron / Hansaton -> Klang mittel bis hart
- Signia / Audio Service -> Klang weich
- Oticon / Bernafon -> Klang mittel bis weich
- ReSound / Interton -> Klang mittel bis hart
- Starkey -> Klang hart
- Widex -> Klang viel Volumen, weniger Mitten, viele Höhen

Klangbild bedeutet immer wieviel Höhen benutzt der Hersteller. Wenn man von allen Herstellen je ein Gerät der gleichen Klasse nehmen würde und alle nach exakt den gleichen Parametern einstellen würde, würden alle unterschiedlich klingen.

Der eine Hersteller ist etwas härter. Das bedeutet, dass in der Berechnung mehr Höhen gegeben werden um ein besseres Sprachverstehen zu generieren. Dafür klingt es teilweise unnatürlich bzw. blechern.

Der nächste Hersteller versucht ein gutes Gleichgewicht zwischen Höhen und gutem Klangbild zu finden, indem weniger Höhen und dafür mehr "Volumen" gegeben wird.

Der nächste zieht die hohen Frequenzen stärker raus um einen sehr "natürlichen" Klang zu generieren.

=> Man darf nur einfach nie vergessen, je mehr ich wegnehme, desto schlechter wird irgendwann das Verstehen! Der Trick ist es das Klangbild zu finden, wo der Klang angenehm und das Verständnis gut ist. Das muss sich halt die Waage halten, bzw. jeder hat ja da andere Präferenzen.

Außerdem spielt auch die Wahl der Lautsprecher (bei Ex-Hörern) eine große Rolle. Auch wenn man die stärkeren Lautsprecher nicht benötigt, so erzeugen diese doch mehr "Volumen" und einen angenehmeren Klang ohne den Hersteller zu wechseln. Aber auch da: Je größer der Lautsprecher, desto weniger Höhen (Details), und die eigene Stimme wird auch lauter.
Zuletzt geändert von Der Akustiker am 31. Jan 2020, 08:45, insgesamt 2-mal geändert.
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Dani!
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Re: Tips zum Beginn der Suche

#14

Beitrag von Dani! »

"Oticon / Bernafon" statt "Oticon / Hansaton"
Dominik
R: 20.2.20: Med-el Sonnet2
L: 16.12.20: Med-el Sonnet2
Vorsicht bissig.
andreas7-2
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Re: Tips zum Beginn der Suche

#15

Beitrag von andreas7-2 »

Hi Akustiger
Ich bedanke mich für die guten Ergänzungen und Erklärungen
Andreas
Zuletzt geändert von andreas7-2 am 30. Jan 2020, 20:18, insgesamt 1-mal geändert.
Der Akustiker
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Re: Tips zum Beginn der Suche

#16

Beitrag von Der Akustiker »

Dani! hat geschrieben:"Oticon / Bernafon" statt "Oticon / Hansaton"
huch, Schreibfehler.
Hören kann man mit jeden System...Verstehen nur, wenn das Gehirn es akzeptiert und trainiert ist! Akustiker aus Leidenschaft...
Der Akustiker
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Re: Tips zum Beginn der Suche

#17

Beitrag von Der Akustiker »

andreas7-2 hat geschrieben:Hi Akustiger
Ich bedanke mich für die guten Ergänzungen und Erklärungen
Andreas
sehr gerne
Hören kann man mit jeden System...Verstehen nur, wenn das Gehirn es akzeptiert und trainiert ist! Akustiker aus Leidenschaft...
Marion Schmidt
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Re: Tips zum Beginn der Suche

#18

Beitrag von Marion Schmidt »

Hallo Akustiker,

Von mir ebenso ein herzliches Dankeschön für Deine Ausführungen!

Liebe Grüße,

M.Schm.
Pfadi_
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Re: Tips zum Beginn der Suche

#19

Beitrag von Pfadi_ »

Danke an Der Akustiker für das Tutorial.

Ich habe eine Frage an alle Experten: müsste sich mit Resound-Geräten ein vergleichbares Sprachverstehen erzielen lassen wie mit Starkey-Geräten (ohne Berücksichtigung des Edge-Modus)?.

Oder kommt dies auf so viele individuelle Themen (Hörkurve etc.) an, dass sich das nicht pauschal beantworten lässt?

Viele Grüße

Pfadi
Starkey Evolv AI 2400 ITC R
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