(m)ein fataler Verdacht:

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Johannes B.
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(m)ein fataler Verdacht:

#1

Beitrag von Johannes B. »

seit vielen Jahren treibe ich Scharen von Hörgeräteakustikern zur Verzweiflung, weil ich - trotz allerlei Bemühungen - immer wieder schlecht verstehe.
konkret:
früher hörte ich noch recht gut - was heute auch nicht mehr uneingeschränkt zutrifft - aber ich verstand nicht verlässlich richtig.
ich dachte bisher, dass ich - weil ich mir stets aus Satzfragmenten das Gesagte zusammenreimen musste - etwas langsam im Durchdenken des Gesagten sei.
inzwischen keimt ein befremdlicher Verdacht:
bin ich vielleicht langsam im denken und verstehe DESHALB schlecht?
genauer:
fehlt mir die Multitaskingfähigkeit, mit Thema 1 im Kopf beschäftigt zu sein und gleichzeitig Thema 2 nicht nur zu hören, sondern auch zu begreifen und nunmehr eines von beiden Themen quasi im Vorratsspeicher für später zwischenzuspeichern?
gibt´s sowas?
kennt DAS jemand auch von sich, wenn sie/er mal gezielt drüber nachdenkt?
"8samkeit ist praktizierte Hörhilfe" :sm(89):
Bachianer
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Re: (m)ein fataler Verdacht:

#2

Beitrag von Bachianer »

Johns hat geschrieben:fehlt mir die Multitaskingfähigkeit,
Hi,

jau nee... https://www.zeit.de/karriere/beruf/2012 ... rnleistung

Andreas
Dani!
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Re: (m)ein fataler Verdacht:

#3

Beitrag von Dani! »

Johns, es hängt halt davon ab, wie gut du noch hörst.
Je schlechtet du hörst, umso länger bist du mit der Verarbeitung desselben beschäftigt. Mit dem sich Zusammenreimen kann man viel kompensieren, kostet aber eben viel Energie, die dir anderweitig sbgeht.
Wenn du bislang die Akustiker auf Trab hälst, hast du womöglich die Geräte bzw. Einstellung nicht lange genug getestet, bis sich dein Kopf an den Klang gewöhnt hat und einen Nutzen aus dem Mehr an Information zieht. Das geht nicht bei jedem gleich schnell.
Dominik
R: 20.2.20: Med-el Sonnet2
L: 16.12.20: Med-el Sonnet2
Vorsicht bissig.
KatjaR
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Re: (m)ein fataler Verdacht:

#4

Beitrag von KatjaR »

Das ist ein sehr komplexes Thema, was auch zur Zeit intensiv erforscht wird, unter dem Aspekt, welchen Einfluss das Hören auf die kognitive Entwicklung im Alter hat. Wie es sich liest bestehen die Verständnisprobleme schon länger, was zum Beispiel daran liegen kann, dass nur hohe Töne betroffen waren, was man noch nicht als schwerhörig wahrnimmt, aber das Verstehen schon beeinträchtigen kann.
Wenn das dann nicht adäquat versorgt wird, weil man vorschnell Geräte als nicht hilfreich einordnet, kann es sein, dass die Fähigkeit zur Frequenzunterscheidung in bestimmten Bereichen verlernt wird, was dann zu einer immer länger dauernden Gewöhnungsphase bei Hörgeräten führt. Wie Dani schon schrieb, muss man sich dran gewöhnen, auch in den verschiedenen Situationen und da hilft nur Tragen. Fakt ist aber auch, dass das Hören in schwierigen Situationen auch eine Konzentrationssache ist, die eine begrenzte Ressource ist. Wenn man schon viel von dieser begrenzten Energie für das Verstehen braucht, leidet das Arbeitsgedächtnis und es wird immer schwieriger zum Beispiel komplexe Sätze und Sachverhalte zu verstehen. Dann funktioniert paralleles Zuhören/Verstehen und gleichzeitig andere Inhalte parallel kognitiv zu bearbeiten noch schlechter. Arbeitsgedächtnis und Verarbeitungsgeschwindigkeit sind Bereiche, die im Laufe des Lebens nachlassen und Hörprobleme, verstärken das noch. Daher beeinträchtig sich das alles interaktiv und kann nicht nur in eine Kausalrichtung gesehen werden. Wichtig ist dann eine gute Hörgeräteversorgung und vor allem das Tragen der Geräte. Es ist nicht das teuerste Gerät oder die 100. Einstellung entscheidend, sondern wie konsequent man bereit ist sich auf das neue Hören einzulassen und dieses zu trainieren. Ansonsten droht zu der sensorischen Deprivation auch zunehmende soziale Isolation, was über längere Zeit auch zur kognitiven Deprivation führen kann. Ich wünsche viel Erfolg bei Hörgeräteversorgung und Gewöhnung. Gruß Katja
Langjährige CI-Trägerin (AB) Das Leben und dazu eine Katze, das gibt eine unglaubliche Summe.
(Rainer Maria Rilke)
Holunder60
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Re: (m)ein fataler Verdacht:

#5

Beitrag von Holunder60 »

Liebe Katja,
ein sehr interessanter Beitrag. Leider kann ich diesem inhaltlich nicht gut folgen, da für mich mit zu vielen Fremdwörtern versehen :( Geht das auch in "leichter Sprache" ;)
Vorab schon mal DANKE :) Wobei, sehr interessantes Thema bzw. Forschungsgebiet.
Ich wünsche noch einen schönen Sonntag.
LG Holunder60
Jani
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Re: (m)ein fataler Verdacht:

#6

Beitrag von Jani »

Hallo Holunder60,

falls du den Fachbegriff "Deprivation" meinst, ist damit der Verlust gemeint. Also in Katjas Ausführungen geht es einmal um die sensorische Deprivation, d.h., dass ein Verlust im sensorischen Bereich wie etwa dem Hören vorliegt. Mit der kognitiven Deprivation ist der Verlust in kognitiver Hinsicht gemeint.

Ich hoffe, ich konnte dir jetzt etwas weiterhelfen, sodass du Katjas Ausführungen besser verstehst. :-)

Auch ich wünsche allen noch einen schönen Sonntag!

Liebe Grüße Jani
Seit nach Geburt hörgeschädigt.

rechts: Naída Q70 CI seit 2001
links: Naída Q90 CI seit 2018

"Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar." (Antoine de Saint-Exupéry) :blume1:
Johannes B.
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Re: (m)ein fataler Verdacht:

#7

Beitrag von Johannes B. »

moin Holunder60,

ich schildere dir mal, was ich aus dem Beitrag von KatjaR verstanden zu haben glaube:
ich glaube, dass sie zum Ausdruck bringen will:
1.
ob langsames denken Schuld am schlechten verstehen ist, beantwortet sie nicht.
2.
aber langsames denken und schlechtes hören schaukeln sich gegenseitig auf.
3.
ihr Fazit: Hörgeräte kaufen und üben, üben, üben
anstelle:
Hörgeräte tragen zur Verbesserung geistiger Trägheit so viel bei wie eine Brille ;-)

Liebe Grüße
Johns
Zuletzt geändert von Johannes B. am 19. Jul 2020, 15:17, insgesamt 1-mal geändert.
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Johannes B.
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Re: (m)ein fataler Verdacht:

#9

Beitrag von Johannes B. »

danke für dieses "Butter bei die Fische" ;-)
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KatjaR
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Re: (m)ein fataler Verdacht:

#10

Beitrag von KatjaR »

Die Frage ob langsames Denken schlechtes Verstehen zur Folge habne kann, ist meiner Ansicht nach durch diesen Passus beantwortet: "Daher beeinträchtig sich das alles interaktiv und kann nicht nur in eine Kausalrichtung gesehen werden". "Langsames Denken" ist ein zu unscharfer Begriff um dazu eine klarere Aussage treffen zu können. Nachlassende Verarbeitungsgeschwindigkeit kann eine Rolle spielen, aber davon wären auch andere Bereiche betroffen, wie Motorik und Sehen. Am ehesten würde ich eine verringerte Kapazität des Arbeitsgedächtnisses vermuten, was natürlich auch zu einem schlechteren Verstehen führt.
"Das Arbeitsgedächtnis begrenzt die Menge an Informationen, die wir gleichzeitig bearbeiten können. Da längere Sätze und Gesprächsinhalte schon viel Kapazität einfordern, bleibt für zusätzliche Gedanken zu einem anderen Thema nicht genug Speicher. Studien haben übrigens einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Kapazität des Arbeitsgedächtnisses und abschweifenden Gedanken nachgewiesen, wobei das Arbeitsgedächtnis die Menschen in ihren alltäglichen Planungen dadurch unterstützt, dass diese während einer automatisch ablaufenden Betätigung an etwas anderes denken können. Die Ergebnisse zeigen auch einen Zusammenhang zwischen der Kapazität des Arbeitsgedächtnisses und freiem Gedankenlauf, denn Menschen mit größerer Kapazität des mentalen Arbeitsspeichers können ihren Gedanken während Routineaufgaben wie Erdäpfelschälen, Turnen oder Kaffeekochen freien Lauf lassen und erledigen die Aufgaben dennoch fehlerlos. Eine begrenzte Kapazität des Arbeitsgedächtnisses erklärt übrigens, warum es so schwierig ist, sich an die Melodie eines Lieds zu erinnern, während man ein anderes hört. Schichtaufnahmen des Gehirns zeigen, dass die Frontallappen aktiv sind, wenn sich die zentrale Exekutive auf komplexes Denken konzentriert, und dass die Areale in den Parietal- und Temporallappen, die dazu beitragen, die auditiven und visuellen Informationen zu verarbeiten, auch aktiv sind, wenn sich solche Informationen in unserem Arbeitsgedächtnis befinden". (Stangl, 2020).

Verwendete Literatur
Stangl, W. (2020). Stichwort: 'Arbeitsgedächtnis'. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
WWW: https://lexikon.stangl.eu/1724/arbeitsg ... ng-memory/ (2020-07-19)

Einfach ausgedrückt heißt das, dass das Kurzeitgedächtnis eine beschränkende Fähigkeit dafür ist, Informationen wie Hören zu verarbeiten, was zu schlechterem Verstehen führen kann, wenn die Kapazität nachlässt. Andersrum führt die erhöhte Anstrengung beim Verstehen ebenfalls dazu, dass das Kurzzeitgedächtnis weniger Informationen speichern kann.
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rabenschwinge
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Re: (m)ein fataler Verdacht:

#11

Beitrag von rabenschwinge »

Katja, ich würde das gar nicht mal am Hören festmachen wollen sondern am Zustand zwischen den Ohren.
mirochen
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Re: (m)ein fataler Verdacht:

#12

Beitrag von mirochen »

Kann nicht sehr produktiv teilnehmen am Gespräch, aber einen Hinweis möchte ich doch in die Runde werfen.

Du schilderst, dass du manchmal denkst, vielleicht bisse einfach zu langsam oder "doof", um das Gesagte schnell genug zu "parsen"/zu verstehen oder zu entschlüsseln. Weil du die Worte zwar irgendwie mitbekommst, mit ihnen aber nichts anzufangen weißt.

Ich kenne das Gefühl zu 100 %. Ja, beinahe noch mehr, wenn es denn ginge.

Und in aller Bescheidenheit darf ich dir sagen und als Gegenbeispiel dienen: Es liegt nicht daran, dass ich begriffsstutzig wäre. "Ich wurde getestet" würde jetzt Sheldon sagen ;)

Aber leider - und da wird es eben leider wenig produktiv - kann ich dir auch nicht sagen, woran es jetzt genau liegt oder wie man das Problem löst. HG probiere ich ja momentan erst einmal nur aus, möchte mich da noch nicht so aus dem Fenster lehnen (auch wenn sich bei mir innerhalb von den paar Tagen schon ganze Welten aufgetan haben an Lösungen und Perspektiven, unfassbar).
42
ohrenmaus
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Re: (m)ein fataler Verdacht:

#13

Beitrag von ohrenmaus »

Hallo Johns,

ich kenne das Problem leider auch sehr gut. Ich vergleiche es gerne mit einer Fremdsprache, da muss man ja auch manchmal einen Moment überlegen, bis man das Gehörte auch verstanden hat.
Was Dir eventuell helfen könnte, wäre ein Hörtraining, das kann man beim Akustiker machen. Es kostet glaube ich um die 300 €, jedoch sind die Erfolge sehr unterschiedlich.
Mukketoaster
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Re: (m)ein fataler Verdacht:

#14

Beitrag von Mukketoaster »

Hallo Johns

ich schliesse mich Ohrenmaus an. Ich denke ein Hörtraining würde dir helfen. Eigentlich ist das kein wirkliches Hörtraining, sondern ein Aufmerksamkeitstraining. Das gibt es in verschiedenen Varianten. Von einem kleinen Trainingscomputer bis hin zur App, die du auf deinem Tablet installieren kannst.
Bekannte Vertreter sind Warnke-Hörfit, Terzo, Koj und etliche andere. Sie haben alle ihre Relevanz und bringen gute Ergebnisse. Allerdings musst du diese Übungen konsequent durchziehen, sonst bringt das nix.
Johannes B.
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Re: (m)ein fataler Verdacht:

#15

Beitrag von Johannes B. »

moin Leute,
ich danke Euch für Eure Gedanken zu der Thematik:
"denkt man langsam, weil man schlecht hört - oder hört man schlecht, weil man (zu) langsam denkt?"
ich denke:
ich bemühe mich jetzt mal um eine REHA in Rendsburg.
Eine Einrichtung, die - nach eigener Aussage - europaweit einzig im deutschsprachigen Raum, ein ganzheitliches Therapiekonzept mit diesem Schwerpunkt anbietet.

Liebe(und)Grüße
Johannes

übrigens:
meine Beiträge hier im Forum sind fast nie nur für mich und zu meinem Nutzen gedacht, sondern sollen stets zugleich auch von Allgemeinnutzen sein 🙂
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Jani
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Re: (m)ein fataler Verdacht:

#16

Beitrag von Jani »

Johns hat geschrieben: ich denke:
ich bemühe mich jetzt mal um eine REHA in Rendsburg.
Eine Einrichtung, die - nach eigener Aussage - europaweit einzig im deutschsprachigen Raum, ein ganzheitliches Therapiekonzept mit diesem Schwerpunkt anbietet.
Es gibt so einige Reha-Einrichtungen in Europa und hier in Deutschland. Ob Rendsburg europaweit einzig in Deutschland mit welchem auch immer von die angesprochenen Therapiekonzept mit welchem (??) Schwerpunkt, ist, kann ich nicht beurteilen. Fakt ist, dass es neben Rendsburg noch weitere Einrichtungen gibt, die sich mit dem Thema Hörschädigung befassen. Man sollte also nicht zu sehr pauschalisieren. Nur mal so als Tipp.
Seit nach Geburt hörgeschädigt.

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Re: (m)ein fataler Verdacht:

#17

Beitrag von Johannes B. »

Jani hat geschrieben:
Johns hat geschrieben: ich denke:
ich bemühe mich jetzt mal um eine REHA in Rendsburg.
Eine Einrichtung, die - nach eigener Aussage - europaweit einzig im deutschsprachigen Raum, ein ganzheitliches Therapiekonzept mit diesem Schwerpunkt anbietet.
Es gibt so einige Reha-Einrichtungen in Europa und hier in Deutschland. Ob Rendsburg europaweit einzig in Deutschland mit welchem auch immer von die angesprochenen Therapiekonzept mit welchem (??) Schwerpunkt, ist, kann ich nicht beurteilen. Fakt ist, dass es neben Rendsburg noch weitere Einrichtungen gibt, die sich mit dem Thema Hörschädigung befassen. Man sollte also nicht zu sehr pauschalisieren. Nur mal so als Tipp.
moin Jani,

ich hatte lediglich auf die Eigenaussage der Reha-Klinik Rendsburg hingewiesen.
mehr nicht.
Pauschalierungen sind nicht mein Ding.
hier zur Selbstüberzeugung der entsprechende Link:
http://www.hoergeschaedigt.de/das-reha-zentrum/

Liebe(und)Grüße
Johannes
nur ein Perzeptionist
wie wohl jeder Mensch nur ein solcher ist 🙂
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