Hamburger bilinguale Schulversuch?

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rhae
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Hamburger bilinguale Schulversuch?

#1

Beitrag von rhae »

Aus dem Fragebogen von Nina (http://www.schwerhoerigenforum.de/ninamo.html):

Frage> Kennen Sie den momentan durchgeführten Hamburger bilingualen Schulversuch?

Ähm nein, was hat es denn damit auf sich? Und was versteht man denn unter diesen Gebärden, so dass die sogar als eigene Sprache gehandelt werden? Jeder Mensch benutzt mehr oder weniger häufig Zeichen und Gebärden, bei den Schwerhörigen ist das natürlich etwas ausgeprägter, aber muss man da so einen Wirbel drum machen?

Viele Grüße Ralph :computer:
Nina M.
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Re: Hamburger bilinguale Schulversuch?

#2

Beitrag von Nina M. »

Ralf es geht ja nicht nur um Schwerhörige, sondern auch um Gehörlose.
Und die DGS (Deutsche Gebärdensprache) ist eine vollwertige Sprache mit einer ganz eigenen Grammatik und allem.

In Hamburg läuft momentan ein Schulversuch, bei dem die Kinder bilingual unterrichtet werden in DGS und Lautsprache.

Viele hocgradig SH und GL Kinder haben enorme Probleme die Lautsprache als erste Sprache zu lernen. Manchmal kommt es dadurch dann auch zu Verzögerungen in der allgemeinen Entwicklung, weil die Kinder eben nicht richtig kommunizieren können und dadurch ja irgendwo auch ihr Wissenszuwachs behindert wird.
In Hamburg wurde laut Zwischenbericht bisher die Erfahrung gemacht, dass die bilinguale Erziehung offenbar sehr gut funktioniert. Die Kinder lernen DGS als Basissprache und kommen dann darüber zur Lautsprache.

Wen es interessiert, der "Zwischenbericht zum Hamburger bilingualen Schulversuch" von K.-B. Günter kann beim Verlag hörgeschädigte Kinder in Hamburg bestellt werden.

Gruß,
Nina :)
Schwerhörig seit dem 11. Lebensjahr, beidseitig mit CI's versorgt (1. CI 6/2003, 2.CI 10/2006)
rhae
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Re: Hamburger bilinguale Schulversuch?

#3

Beitrag von rhae »

Nina> Ralf es geht ja nicht nur um Schwerhörige, sondern auch um Gehörlose.

Das scheint eben immer für Zündstoff zu sorgen, ein Schwerhöriger ist ja nicht Gehörlos, zumindest wenn er seine Hörgeräte bzw. CI trägt. Ein Sehbehinderter ist auch nicht blind und niemand würde auf die Idee kommen einem Sehbehinderten die Blindenschrift beibringen zu wollen. :o

Und dann kommt es immer auf den Grad der Beeinträchtigung an. Bei uns im Raum Karlsruhe gibt es nur eine Grund- und Hauptschule für alle Orte im Umkreis von ca. 40 km. Da werden alle Kinder zusammengezogen, die nicht an einer Regelschule untergekommen sind. So müssten dann auch Kinder diese Gebärdensprache lernen, die das von ihrem Grad der Hörbehinderung eigentlich nicht bräuchten. Manche Kinder haben damit sicher kein Problem, etwas zu lernen ist schliesslich immer gut. Andere, evtl. auch Kinder von Ausländern, sind damit bald an ihrer Leistungsgrenze angelangt und haben dann keine Lust/Energie mehr sich um den Schulstoff zu kümmern.

Viele Grüße Ralph :computer:
Birgit
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Re: Hamburger bilinguale Schulversuch?

#4

Beitrag von Birgit »

. Ein Sehbehinderter ist auch nicht blind und niemand würde auf die Idee kommen einem Sehbehinderten die Blindenschrift beibringen zu wollen.

Hallo Ralf, da liegst du nicht ganz richtig. Claudia kann inzwischen mit ihrem Lesegerät, bzw. am PC ganz große Schwarzschrift lesen. Sie lernt aber trotzdem Punktschrift, da sie nur damit ein höheres Lesetempo erreichen kann und außerdem ist auch das Schreiben mit der Punktschriftmaschine für sie leichter als von Hand.
2 verschiedene Systeme sind eben oft doch hilfreich. Wichtig finde ich nur, dass man eben keines als das "alleinseligmachende" empfindet und Scheuklappen gegen alles andere bekommt.
Ich bin trotzdem ein Lautsprachfan, aber ich finde Gebärden schon auch sinnvoll. Genau wie bei nichtsprechenden Normalhörenden Kindern auch Tafeln, Talker etc. eingesetzt werden und diese dann damit zu einer Kommunikationsfähigkeit kommen und als Wunschziel eben auch zur Lautsprache...
Liebe Grüße Birgit
Birgit +
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Claudia 10/92, an Taubheit grenzend,fast blind und....
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Ulli
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Re: Hamburger bilinguale Schulversuch?

#5

Beitrag von Ulli »

Hallo Ralph,
Sehbehinderung ist nicht gleichzusetzen mit einer Hörbehinderung, falls du die Sehbehinderung so auslegst, dass sie mit Hilfe einer Brille korrigiert werden kann.
Die Brille hilft Sehbehinderten, wieder alles scharf zu sehen, während Hörgeschädigte durch Einsatz ihres Hörgerätes noch lange nicht alles klar und deutlich hören.
Um mich in die Lage meines Sohnes hineinzuversetzen, stelle ich mir vor, dass die Leute um mich herum alle Englisch mit mir sprechen und ich ab und zu zwar mal die eine oder andere mir bekannte Vokabel heraushöre, aber den Inhalt des Gesprächs überhaupt nicht begreife. Sprechen die Leute etwas langsamer und deutlich, verstehe ich schon sehr viel mehr, da ich Zeit habe, mein Hirn nach schon fast vergessenen Vokabel zu durchforsten und in den Zusammenhang des Satzes zu bringen.
Würden sich viele Leute über meinen Kopf hinweg auf Englisch unterhalten, würde ich irgendwann frustiert das Handtuch schmeißen und gehen, weil ich nichts verstehe.
Ich denke, so ergeht es oft genug meinem Sohn und ich würde es an seiner Stelle dankend annehmen, wenn es Möglichkeiten gäbe, sich ohne große Anstrengung verständigen zu können. Natürlich ist es auch notwendig, dass er die Lautsprache lernt und sich darüber verständigen kann. Aber ich als Mutter halte es schon fast für meine Pflicht, ihm auch Alternativformen der Verständigung aufzuzeigen, in der er ohne Probleme und Stolpersteine kommunzieren kann, wenn er möchte. Leider bin ich überhaupt nicht fit in der Gebärdensprache. Ich lerne sie zwar gerade in der VHS, bin aber noch in den Anfängen und kann sie nicht vermitteln.
Aber ein paar "Vokabeln" können wir zumindest und auch seine große Schwester hat Riesenspaß daran, wenn bei uns ein wenig gebärdet wird.
Und wie du schon meintest, lernen kann man nie genug. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich mit 30 noch mal eine Sprache erlerne, aber ich freue mich auf die Herausforderung und kann nur sagen, dass die Gebärdensprache eine tolle Sprache ist.

Lieben Gruß
Ulli
Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden.
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