Hörgerät oder Software ?

Jochenvl
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Hörgerät oder Software ?

#1

Beitrag von Jochenvl »

Hallo zusammen,

muss es wirklich ein Hörgerät sein? Diese Frage stelle ich mir immer stärker.

Zur Situation: M, 54J, volles Hörvermögen mit folgenden Ausnahmen:
1) Telefon-/Videokonferenzen mit englischsprechenden Franzosen, schottischen Akzenten oä
2) Volle Restaurants
3) Hallende Treppenhäuser
4) Hintergrundgeräusche (Wasserkocher vs Fernseher etc)

Die größte Einschränkung resultiert aus den Telkos, davon habe 6-8h pro Tag. Das war auch der Grund, daß ich zum Arzt gegangen bin und in der Folge zum Akustiker. Und danach bin ich im Sog der nicht gehaltenen Industrieversprechen gelandet, von denen hier sehr viele Leute schreiben.

Nach einigem Ausprobieren und Enttäuschungen stehe ich jetzt vor folgendem Gedankengang:
- Punkt 1 ist kritisch, 2-4 könnte ich noch ein paar Jahre mit leben
- Für Punkt 1 brauche ich ohne wenn und aber eine Technik, die den Ton in Frequenzbänder zerlegt und individuell verstärkt – zB ein Hörgerät.
- Diese Technik kostet mit Akku, klein, Bluetooth und und und 5000 EUR für 2 Ohren. Ich bin bereit, das zu bezahlen, aber nicht, wenn ich kurz darauf merke, daß es anders gegangen wäre
- Aber eigentlich – wenn ich mal mein technisches Verständnis bemühe, sind das doch kleine Computer, die den Ton digital zerlegen. Und sie sind so teuer, weil sie klein, Akku, etc etc
- Ein Computer, sogar ein großer, ist doch ohnehin im Spiel, wenn ich eine Videokonferenz mache.
- Daraus folgt: Kennt jemand eine Software, welche die Funktion eines Hörgerätes ohne die Hardware übernimmt und die sich einfach in die Tonleitung zwischen Microsoft Teams / Skype und meinem Kopfhörer/Headset/Sprachstein einschleifen würde???

Mir ist völlig klar, daß diese Frage den Akustikern die Marge auf die Geräte klauen würde und entsprechend von diesen keine Hilfe zu erwarten ist (wobei ich durchaus bereit wäre, einen Akustiker auf Stundenbasis zu bezahlen, aber das ist in Deutschland in vielen Branchen schlicht und einfach nicht Kultur). Aber es gibt für jeden Mist eine App und das neueste Tablet einer Freundin (Samsung S7) hat etwas ähnliches im Standard drin (Tonsteuerung altersabhängig – man kann das Alter eingeben und in späten Jahren werden die höheren Töne verstärkt) – da ist der Schritt doch nicht mehr weit.

Ich wäre auch bereit, für eine solche Software ein paar Hundert Euro zu zahlen, da ich ja in der Folge die 5000 sparen würde. Ich würde auch mit der Software zu einem Akustiker zu gehen und für die optimale Anpassung erneut Geld da lassen. Ich will niemanden über den Tisch ziehen, sondern alle, die Teil meiner Lösung sind, sollen fair entlohnt werden. Die Einsparung resultiert aus der nicht benötigten Hardware für schweineteure, akkubetriebene Kleinstcomputerhardware.

Für die Schwarmintelligenz:
- Sind meine Gedanken schlüssig oder enthalten sie einen Denkfehler?
- Kennt jemand entsprechende Software (für Windows und Android)?

Freue mich auf Kommentare
Jochenvl
akopti
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Re: Hörgerät oder Software ?

#2

Beitrag von akopti »

Funktioniert der PC auch im Restaurant?
Ohrenklempner
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Re: Hörgerät oder Software ?

#3

Beitrag von Ohrenklempner »

Hi

jetzt wart mal kurz, da ist für mich dein Gedankengang nicht ganz schlüssig.
Du sagst, Hörgeräte mit Echo-/Nachhallunterdrückung legt man 5000 Euro auf den Tisch. Das stimmt soweit. Um diese 5000 Euro zu sparen, willst du aber eine Hörhilfen-Software auf dem PC installieren. Damit kann man aber schlecht durch hallende Treppenhäuser laufen. ;)

Wenn du eine Verbesserung nur bei Telefonkonferenzen brauchst, nimm Kopfhörer.

Bei allen anderen Hörsituationen ist es so: Ich vermute mal, dass du einen Hochton-Hörverlust hast, die Sprache also nicht mehr deutlich genug an die Ohren kommt. Was du brauchst, ist im Grunde nur eine Verstärkung in den Frequenzbereichen, die du nicht mehr gut hörst. Störende Geräusche stören dann ganz automatisch nicht mehr. Das geht auch mit dem günstigsten Hörgerät, welches von der Krankenversicherung bezahlt wird.
Johannes B.
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Re: Hörgerät oder Software ?

#4

Beitrag von Johannes B. »

moin Jochenvl,
ich danke für deinen Beitrag und deine für mich absolut schlüssigen Überlegungen und schließe mich vollumfänglich deiner Meinung an.
Meine Erfahrung - wenn dein Hörverlust nicht groß ist:
Für Telefon- u. Videokonferenzen - und Musikgenuss - volle, große Über-Ohr-Kopfhörer mit pro Ohr regulierbarer Lautstärke benutzen.
Für Störgeräuschumfeld (Restaurant) bestmögliche Hörgeräte OHNE Aufzahlung (z.B. Fielmann) und diese geschlossen anpassen lassen.
Zur Eingewöhnung diese Hörgeräte etwa ein halbes Jahr lang ganztägig tragen.
Danach situationsbedingt.
Das ist meine Meinung nach 20 Jahren Hörgeräteerfahrung mit den absolut ungenügenden Wirkungen von Hörgeräten im "Partynoiseumfeld".

Herzliche Grüße
Johannes B.
"8samkeit ist praktizierte Hörhilfe" :sm(89):
Jochenvl
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Re: Hörgerät oder Software ?

#5

Beitrag von Jochenvl »

Zunächst mal vielen Dank für die schnellen Reaktionen. Mir gefällt dieses Forum, die Antworten sind idR kompetent und zielführend. Prima!

@akopti: Nein, der PC funktioniert nicht im Restaurant. Ich hatte weiter oben geschrieben, daß ich für die Telkos eine Lösung brauche und alles andere (auch Restaurant) ggfs. noch etwas warten dürfte. Nichtsdestotrotz: eine gute Restaurantlösung wäre natürlich ein tolles "nice to have" - und wenn ich das jetzt nicht mache, kommt die Suche in 5 Jahren von alleine zu mir zurück

@Ohrenklempner: Das gleiche Thema: Mit dem Hall kann ich noch ein paar Jahre leben, aber auch hier: Wenn es eine gute Lösung gibt, bin ich bereit, für ein "nice to have" dafür zu zahlen. Ich hatte aber gestern Besuch im Treppenhaus und hatte die Paradise P30 drin - und das ging ganz eindeutig NICHT. Und wenn ich die Funktionsumfänge lese, dann muß ich hoch auf P70 oder gar P90, um den Hall zu unterdrücken?? Das ist dann schon seeehr viel Technik für sehr wenig Schwerhörigkeit, oder?

@Johannes B: Ich habe bei Kopfhörern und Sprachsteinen schon sehr viel probiert - aber es reicht offenbar einfach nicht, alles zu verstärken. Ich brauche die Verstärkung von gezielt steuerbaren Frequenzbändern - im Prinzip eine computerisierte Version dessen, was die Hifi-Anlage meines Vaters als Equalizer hatte (viele Regler und ich als Kind wußte nicht, wofür die gut waren)


Gruß und vielen Dank
Jochenvl
Johannes B.
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Re: Hörgerät oder Software ?

#6

Beitrag von Johannes B. »

Jochenvl hat geschrieben: 21. Mai 2021, 10:30 Hallo zusammen,

muss es wirklich ein Hörgerät sein? Diese Frage stelle ich mir immer stärker.

- Ein Computer, sogar ein großer, ist doch ohnehin im Spiel, wenn ich eine Videokonferenz mache.
- Daraus folgt: Kennt jemand eine Software, welche die Funktion eines Hörgerätes ohne die Hardware übernimmt und die sich einfach in die Tonleitung zwischen Microsoft Teams / Skype und meinem Kopfhörer/Headset/Sprachstein einschleifen würde???

Freue mich auf Kommentare
Jochenvl
täte es nicht schon ein herunterladbarer Equalizer in dem du selbst die Frequenzen einstellen kannst?
Übrigens: im Treppenhaus und Waschküche verstehe ich noch am besten, wenn ich nur EIN Hörgerät trage ;-)
"8samkeit ist praktizierte Hörhilfe" :sm(89):
Captain
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Re: Hörgerät oder Software ?

#7

Beitrag von Captain »

Die Software die wir Akustiker nutzen um Hörgeräte einzustellen ist zwar auf unseren Computern installiert aber nur nutzbar um eben Hörsysteme einzustellen.
Wie Johannes schon sagt wäre ein Headset am PC mit Equalizer eine Übergangslösung.

5000,- für ein Paar Hörsysteme ist durchaus realistisch aber es gibt auch deutlich günstigere Hörsysteme mit Akku, Bluethoot und kleinem Gehäuse.
Goggel mal nach dem Modell Styletto 1X (Hersteller Signia)
Das ist meiner Meinung nach ein sehr schönes Hörgerät
Ohrenklempner
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Re: Hörgerät oder Software ?

#8

Beitrag von Ohrenklempner »

Sehr hallige Umgebungen sind schon eine große Herausforderung. Da gibt's die beiden Möglichkeiten: Günstige Hörgeräte tragen, mit der gleitenden Anpassung immer an der Gewöhnung/Akklimatisierung dranbleiben, evtl. mit einem extra Hörprogramm mit einer optimierten Klangeinstellung für hallige Räume (wenig Kompression/viel Dynamik) arbeiten. Der bequemste Weg ist eine Technik mit Nachhallunterdrückung, aber das kostet halt. ;)
Ich gehe davon aus, dass du noch in der Gewöhnungsphase bist. Da darf man keine Wunder erwarten. Es werden keine neuen Ohren eingepflanzt, sondern ein Hilfsmittel wird angepasst.
Was gute, günstige Geräte mit ein paar "Nicetohaves" angeht, geht ich mit dem Kollegen Captain mit. Neben dem Styletto 1X (wiederaufladbar, Design-Bauform) kann man noch das Pure 312 1X probieren (günstiger, da mit Batterie). Alternativ hätte z.B. Bernafon das Zerena 1 jetzt im Einstiegsbereich als günstiges Modell mit Bluetooth im Angebot, oder wenn es mit Akku sein soll, der Nachfolger Viron 1.
Wenn Bluetooth interessant ist, kommt's auch darauf an, was mit Bluetooth gemacht werden soll. Nur als Fernbedienung per App, das kann heute fast jedes Modell. Beim Streaming vom Handy in die Hörgeräte gibt's Unterschiede je nach Hersteller und Smartphone-Typ.

Preislich ist halt alles möglich, man muss eben nur auf gewisse Schmankerl verzichten. Ein Paar schicke, bluetoothfähige Hörgeräte bekommt man schon für unter 2000 Euro. Wenn es die beste Technik sein soll, ist unter Umständen auch schon das Signia 7X für 4.500 Euro zu haben. Signia und Phonak sind aber die einzigen, die ich kenne, die auch eine Nachhallunterdrückung haben, und jeweils nur in der höchsten Technikstufe. (Privatpreise für zwei Geräte ohne evtl. Krankenkassen-Kostenübernahme)

Jetzt hab ich hier ein paar Mal rumeditiert, Sorry. ;)
Robert Wilhelm
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Re: Hörgerät oder Software ?

#9

Beitrag von Robert Wilhelm »

muss es wirklich ein Hörgerät sein? Diese Frage stelle ich mir immer stärker.
Für Fernseher, Computer, Telefon gibt es nichts Besseres als ein Hörgerät. Hallige Räume, laute Unterhaltungen, Lokale - nicht immer vorteilhaft. Da geht's "Normalhörenden" aber auch nicht anders.
P.S: Zitat aus "HearingTracker": "Sometimes I don't hear my wife (some might say a feature)".
Also ich muss ja nicht alles hören...
Ich habe sehr gute Kopfhörer, aber für Wortbeiträge z.B. auf Youtube benutze ich trotzdem den Equalizer vom Realtek Audio Manager
Jochenvl
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Re: Hörgerät oder Software ?

#10

Beitrag von Jochenvl »

Hallo zusammen,

vielen Dank für die Hinweise, das hilft mir auch, mich selbst zu sortieren.

Zunächst zurück zum Thema des Threads:

- Es sieht so aus, als ob die Funktion, die ich benötige, ein Equalizer ist. Davon gibt es dann je nach PC Standard oder Extrasoftware.
- Das probiere ich gleich mal auf meinem Privat PC aus, um es dann ggfs. auf den FirmenPC zu übertragen.
-Ich verstehe das so, daß ich das Hörprofil vom HNO nehme und dort, wo ich Schwächen habe, den Equalizer hochdrehe.
- Wie funktioniert das mit db? Wenn ich 50db Verlust habe, muß ich dann 50db zuführen oder greift Prozentrechnung und ich muß 100 zuführen, um wieder auf normal zu sein?

Zu den Geräten (falls es denn eines wird):
- Ich habe ein neues Wort gelernt: "Nachhallunterdrückung", Danke Ohrenklempner.
- Ich verstehe, daß ich damit im Treppenhaus meine Probleme löse, daß ich dafür aber innerhalb der Geräteklassen technisch und preislich ganz nach oben greifen muss :(
- Das ist offenbar weit oberhalb des Ausmaßes meiner Hörschwäche, denn die Akustikerin gibt mir Geräte der Einsteigerklasse (Marvel 30, Paradise 30, Signia 2X)
- Alternative: Akustikerin tauschen, weil sie mir etwas nicht gibt, was benötigt wird??? Oder belobigen, weil sie mir nicht das teuerste Gerät anbietet, wenn meine Ohren es (mit Ausnahme des Treppenhauses) schlicht nicht benötigen???

- Wenn ich auf Nachhallunterdrückung verzichte, dann wird es günstiger und ich kann sogar in den Bereich ohne Zuzuahlung gehen.
- Dann brauche ich im wesentlichen etwas, was vom PC streamen kann - das lösen die Paradise 30 momentan schon recht gut, aber da ist Luft nach oben (Stabilität der Verbindung, echtes Freisprechen mit Hören und Sprechen, ...) und mein Gefühl ist, daß ich außerhalb von Apple kaum etwas besseres finden werde


Also mache ich jetzt mal mit Equalizern rum - mal sehen, ob das reicht :)

Vielen Dank!!

Jochenvl
Akustik Alex
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Re: Hörgerät oder Software ?

#11

Beitrag von Akustik Alex »

Moin Jochen,

bei dem EQ ist deine erste Vermutung grundlegend richtig. Hier muss du nur auf die dB-Werte achten. Der Equalizer wird vermutlich dB SPL anzeigen. Der Hörtest wird in dB HL dargestellt. Die Abweichung von HL zu SPL ist in den Tonaudiogrammen idR angezeigt.

Bild

Die dünne schwarze gebogene Linie oben gibt die Abweichung an. Bei 1,5kHz ist es in HL und SPL also gleich, bei 8kHz hingegen entsprechen 0dB (HL) 20dB (SPL). Hier müsstest du also deinen Messpunkt ablesen und noch 20 dB draufpacken um im Equalizier entsprechend zu verstärken. Bei anderen Einheiten findest du Umrechnungstabellen ;)
Natürlich in Abhängigkeit vom Eingangspegel! Nicht dass dir nachher die Ohren bluten. 8-)

Besten Gruß,
Alex
Zuletzt geändert von Akustik Alex am 21. Mai 2021, 17:42, insgesamt 3-mal geändert.
Ohrenklempner
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Re: Hörgerät oder Software ?

#12

Beitrag von Ohrenklempner »

Jochenvl hat geschrieben: -Ich verstehe das so, daß ich das Hörprofil vom HNO nehme und dort, wo ich Schwächen habe, den Equalizer hochdrehe.
- Wie funktioniert das mit db? Wenn ich 50db Verlust habe, muß ich dann 50db zuführen oder greift Prozentrechnung und ich muß 100 zuführen, um wieder auf normal zu sein?
Die dB sind ein guter Ansatz, aber du musst es dir anders vorstellen.
Ich spekuliere mal, dass bei dir die hohen Töne fehlen. Nehmen wir zum Beispiel bei 6 kHz fehlen dir 50 dB.
Man kann einen Equalizer nun nicht einfach bei 6 kHz auf +50 dB hochdrehen, das ist weit außerhalb des Regelbereichs. Die meisten EQs gehen bis +/- 12 dB.

Stell dir vor, ruhig artikulierte Sprache hat im Bereich 6 kHz eine Intensität von ca. 30 dB, das sind vor allem die Zischlaute. Wenn man ohne Anstrengung hören möchte (Fernsehen, Videokonferenzen, Telefonanrufe etc.), macht man es aber ohnehin ein wenig lauter, sagen wir mal um 10 dB. Jetzt zischen die Zischlaute immerhin schon mit 40dB aus den Lautsprechern und du müsstest über den EQ nur noch um 10 dB verstärken, damit es am Ohr klar und verständlich wird. Zusätzlich kann es hilfreich sein, die Frequenzen unterhalb 250 Hz etwas zu dämpfen.

Bei Filmen, TV-Produktionen, Musik usw. ist die Sprache möglicherweise schon so bearbeitet, dass die Zischlaute ohnehin schon lauter und deutlicher zu hören sind, da genügen dann kleine Korrekturen.

Dazu muss ich noch sagen, dass es bei lauteren Lautstärken dann sehr schrill werden kann, weil die Verstärkung des EQs linear ist. Das heißt, auch laute hohe Töne werden munter weiter mit 10 dB verstärkt, was für deine Ohren aber unangenehm sein kann. Darum arbeiten Hörgeräte mit Dynamikkompression: Leises wird mehr verstärkt (damit man es hört) und Lautes wird nur noch wenig bis gar nicht verstärkt, weil es laut genug ist. Das Lautstärkeempfinden bei einer Innenohr-Schwerhörigkeit ist anders als bei einer Normalhörigkeit. Du hörst z.B. die 6 kHz bei 50 dB gerade mal so, bei 70 dB ist es für dich vielleicht schon sehr laut, wo es für einen Normalhörenden noch eher moderat laut ist.

Prinzipiell ist das Audiogramm aber zur Orientierung nützlich, damit du weißt, in welchen Frequenzen etwas fehlt.

Das ist offenbar weit oberhalb des Ausmaßes meiner Hörschwäche, denn die Akustikerin gibt mir Geräte der Einsteigerklasse (Marvel 30, Paradise 30, Signia 2X)
- Alternative: Akustikerin tauschen, weil sie mir etwas nicht gibt, was benötigt wird??? Oder belobigen, weil sie mir nicht das teuerste Gerät anbietet, wenn meine Ohren es (mit Ausnahme des Treppenhauses) schlicht nicht benötigen???
Vielleicht eher letzteres. ;)
Man spricht ja in der Beratung über Defizite, Wünsche, das Budget und so weiter. Und wie schon gesagt, ist es vom Standpunkt der Vernunft und Wirtschaftlichkeit besser, die Ohren langfristig an die Verstärkung zu trainieren als den bequemen Weg über viele Zusatzfunktionen zu gehen. Die Frage ist: Braucht man das, will man das, will man dafür bezahlen? Ich verstehe es absolut, wenn einige Leute gerne das Beste vom Besten haben wollen und dafür tief in die Tasche greifen. Klar, es klingt ja auch besser, Sprache lässt sich so schön mühelos verstehen usw... Komfort kostet eben extra. Wenn du bereit bist, deine Ohren auf das Abenteuer einzulassen, brauchst du keine teure Technik.

- Dann brauche ich im wesentlichen etwas, was vom PC streamen kann - das lösen die Paradise 30 momentan schon recht gut, aber da ist Luft nach oben (Stabilität der Verbindung, echtes Freisprechen mit Hören und Sprechen, ...) und mein Gefühl ist, daß ich außerhalb von Apple kaum etwas besseres finden werde
Jeder Hersteller bietet Streaminggeräte an, die ein integriertes Mikrofon haben und sich per Bluetooth mit alles und jedem koppen können. Signia hat zum Beispiel das StreamLine Mic. Bei Phonak gibt es so ein Gerät nicht, da die Geräte selbst sich per normalem Bluetooth koppel können.
Jochenvl
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Re: Hörgerät oder Software ?

#13

Beitrag von Jochenvl »

Ohrenklempner hat geschrieben: Leises wird mehr verstärkt (damit man es hört) und Lautes wird nur noch wenig bis gar nicht verstärkt, weil es laut genug ist.
Das leuchtet ein. Das heißt aber auch, daß mein Ansatz "Equalizer ersetzt Funktion Hörgerät" hinfällig ist. Ich benötige also eine Software, die die volle Funktionalität des Hörgerätes simuliert, inkl. eben dieser Lautstärkekompression.
Ohrenklempner hat geschrieben:Wenn du bereit bist, deine Ohren auf das Abenteuer einzulassen, brauchst du keine teure Technik.
Heißt das, ich muß/kann "Treppenhaus mit Hörgeräten" üben und es wird sich auch verbessern, und es ist kein Ausschlußkriterium, wenn das Testgerät es nicht kann? Ist ja spannend.
Ohrenklempner hat geschrieben:Signia hat zum Beispiel das StreamLine Mic. Bei Phonak gibt es so ein Gerät nicht, da die Geräte selbst sich per normalem Bluetooth koppeln können.
Sehr spannend. Die Akustikerin hat mir bisher Phonak gegeben mit der Ansage "Sie wollen Bluetooth Konnektivität und da gibt es nix besseres". Aber die Phonaks können nicht sauber mit meinem PC, Hören geht, sprechen nicht (habe das in einem anderen Thread thematisiert). Ich habe jetzt mal das StreamLineMic gegoogelt, das klingt genau nach "will ich haben" :). Das werde ich wohl mal erfragen....


Grundsätzlich:: VIELEN DANK für die Anfängerhilfen!!!
Captain
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Re: Hörgerät oder Software ?

#14

Beitrag von Captain »

Lieber Jochenvl, was spricht für dich eigentlich gegen ein Hörgerät?

Für deine beschriebenen Probleme gibt es eine Lösung - Hörgerät- ! Alles andere sind gebastelte Teillösungen
Ohrigami
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Re: Hörgerät oder Software ?

#15

Beitrag von Ohrigami »

Man müsste halt mal sehen, wie groß der Hörverlust ist! Gibt es vielleicht ein Audiogramm? Ansonsten würde ich am PC einen Equalizer einsetzen, oftmals wird dieser bereits in der Systemsteuerung angeboten. Falls nicht, kann man den PC mit ner Soundkarte nachrüsten, welche eine EQ bietet. Es gibt auch in-ear-BT-Hörer, z.B. den Jabra 65 Elite, mit diesem hatte ich auch mal geliebäugelt, hab aber nun doch HG's.

LG Ohrigami
Jochenvl
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Re: Hörgerät oder Software ?

#16

Beitrag von Jochenvl »

Ohrigami hat geschrieben:Man müsste halt mal sehen, wie groß der Hörverlust ist! Gibt es vielleicht ein Audiogramm?
Audiogramm.JPG
(143.61 KiB) Noch nie heruntergeladen
Audiogramm anbei. Und wenn mir jemand die untere Grafik noch erklären kann, freue ich mich sehr :crazy:

Captain hat geschrieben:Lieber Jochenvl, was spricht für dich eigentlich gegen ein Hörgerät? Für deine beschriebenen Probleme gibt es eine Lösung - Hörgerät- ! Alles andere sind gebastelte Teillösungen
Hi Captain, ich bin gerade dabei, zu realisieren, daß Du Recht hast, aber noch nicht voll da. Um Deine Frage zu beantworten "Was spricht dagegen?". Ich bin mir halt nicht sicher, ob ich nicht mit Kanonen auf Spatzen schieße. Warum sollte ich viel Geld für mobile Kleinstcomputer ausgeben, wenn 80% meiner Probleme bei Videokonferenzen auftreten, wo ein Großcomputer ohnehin immer dabei ist. Das war die Ausgangsfrage in diesem Thread - sicherlich gegen den Strom geschwommen, aber der Strom der heutigen Zeit treibt einen ja ohnehin immer dahin, wo jemand anders Geld verdient. Ich habe halt den Anspruch, zu verstehen und zu hinterfragen.

Gruß
Jochen
Ohrenklempner
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Re: Hörgerät oder Software ?

#17

Beitrag von Ohrenklempner »

Du hast doch bestimmt einen Kostenträger an deiner Seite, der für Hilfsmittel aufkommt.
Laut deinem Audiogramm hast du eine mittelgradige Hochton-Schallempfindungsschwerhörigkeit, und ich spekuliere mal ganz frech, dass du keine 30 mehr bist. Ich würde mal raten und auf ca. 60 tippen. ;)
Das Gehör wird nicht mehr besser sondern perspektivisch schlechter, und wenn du noch 20 Jahre wartest, wird es immer schwieriger, sich an ein verändertes Klangbild zu gewöhnen, das dir Hörgeräte an die Ohren bringen. Momentan würde dein Gehör die nötigen 20-30 dB Hochtonverstärkung noch gut akzeptieren. Wenn es aber irgendwann hochgradig wird und ein Hörakustiker dir Kraft seiner Wassersuppe ein Hörgerät auf 100% Zielverstärkung einstellt, kippst du vom Stuhl. ;)

Ach, noch zu der Grafik unten: Das ist das Sprachaudiogramm. Da steht, du hast ca. 20 dB Hörverlust für Zahlwörter. Das heißt, du musst um 20 dB lauter machen, damit du genau so gut die Zahlwörter verstehst wie jemand mit gesunden Ohren. Die Punkte und Linien weiter unten sind die Verstehensquoten für einsilbige Wörter. Da hast du bei 65 dB 70% rechts und 65% links verstanden. Bei höheren Pegeln ist die Verstehensquote natürlich besser, und beide Ohren schaffen noch 100%. Das ist gut. ;)
Die 65-70% sind übrigens noch verhältnismäßig gut und das erklärt, warum du in normalen, ruhigen Unterhaltungen keine Verstehprobleme hast. die 30% fehlende Informationen reimt sich dein Kopf mühelos zusammen. Wird das Umfeld aber lauter oder hallig, oder wendet sich ein Sprecher ab oder spricht in 10 Metern Entfernung, wird es schwierig und dein Kopf kann sich die fehlenden Informationen nicht mehr zusammenreimen.
Johannes B.
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Re: Hörgerät oder Software ?

#18

Beitrag von Johannes B. »

Ohrenklempner hat geschrieben: 22. Mai 2021, 16:30 Die 65-70% sind übrigens noch verhältnismäßig gut und das erklärt, warum du in normalen, ruhigen Unterhaltungen keine Verstehprobleme hast. die 30% fehlende Informationen reimt sich dein Kopf mühelos zusammen. Wird das Umfeld aber lauter oder hallig, oder wendet sich ein Sprecher ab oder spricht in 10 Metern Entfernung, wird es schwierig und dein Kopf kann sich die fehlenden Informationen nicht mehr zusammenreimen.
Moin Ohrenklempner,
ab wieviel Prozent Verstandenem lässt sich erfahrungsgemäß der Rest noch ohne übermäßigen Verstandesausgleichsaufwand ziemlich "treffsicher zusammenreimen"? 70%, 60% oder reichen schon 50% oder gar weniger?
"8samkeit ist praktizierte Hörhilfe" :sm(89):
Jochenvl
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Re: Hörgerät oder Software ?

#19

Beitrag von Jochenvl »

Ohrenklempner hat geschrieben:Das Gehör wird nicht mehr besser sondern perspektivisch schlechter, und wenn du noch 20 Jahre wartest, wird es immer schwieriger, sich an ein verändertes Klangbild zu gewöhnen, das dir Hörgeräte an die Ohren bringen. Momentan würde dein Gehör die nötigen 20-30 dB Hochtonverstärkung noch gut akzeptieren. Wenn es aber irgendwann hochgradig wird und ein Hörakustiker dir Kraft seiner Wassersuppe ein Hörgerät auf 100% Zielverstärkung einstellt, kippst du vom Stuhl.
Zwischen den Zeilen lese ich: "Vergiß Deine Gedanken mit Equalizern und halben Lösungen, ein Hörgerät JETZT ist das richtige für Dein Audiogramm." Richtig verstanden?

Und ja, ich bin 54.

Und vielen Dank für die Erklärungen der unteren Grafiken, sehr verständlich. Einzig schade, daß ich das im Forum lerne und nicht beim HNO oder Aku..... :(


Tja, wie oben geschrieben: Ich komme mehr und mehr zu der Einschätzung, daß es wohl ein Gerät wird. Womit ich jetzt das Thema der Auswahl angehen muß :D :D

Vielen Dank!!
Ohrenklempner
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Re: Hörgerät oder Software ?

#20

Beitrag von Ohrenklempner »

Ich würde sagen, je nachdem wie fit man noch im Kopf ist, reichen 25 bis 50 Prozent.

Und ja genau, ich will damit wärmstens ans Herz legen, mit einer Hörgeräteversorgung zu starten. Es macht wirklich keinen Spaß, erst viel später damit zu beginnen. Die Erwartungen sind dann viel zu hoch, der Erfolg ist zu Beginn bescheiden und der Weg ist mühsam.
Ohrigami
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Re: Hörgerät oder Software ?

#21

Beitrag von Ohrigami »

Hallo Jochen, prima, dass du dein Audiogramm eingestellt hast. Hier sieht man doch gleich mal, dass man sich selbst ein wenig falsch eingeschätzt hat, du dachtest, du hättest ohne Störeinflüsse noch volles Hörvermögen. Wenn ich mir dein Audiogramm so ansehe, dann ist dies fast identisch mit dem Meinigen. Vielleicht liegst du bei 6kHz noch 10dB über mir, aber ich würde dir auf jeden Fall Hörgeräte ans Herz legen. Ich möchte die meinigen nicht mehr missen, habe sie seit etwa Dezember. Ich war das ständige Nachfragen satt, wenn ich etwas nicht verstanden hatte und auch meine Frau meinte, es sei doch mal Zeit für einen Akustiker.
Du kannst deine Telefonkonferenzen dann auch via Bluetooth machen, bei meinen Phonak P30 geht so eine MS Teams Sitzung wunderbar. Du brauchst auch keine 5000€ auf den Tisch zu legen, ich hab für meine Geräte 1600€ Zuzahlung leisten müssen.

Viele Grüße
Ohrigami
Skater
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Re: Hörgerät oder Software ?

#22

Beitrag von Skater »

Hallo Zusammen,
in den letzten Monaten wurde ich ebenfalls mit langen Videokonferenzen beglückt.
Hörgeräte Hinter dem Ohr und Otoplastik.
Ich habe ein On-Ear Stereo Bluetooth Headset mit ANC und den Equalizer APO auf dem PC.
Das Headset hat quasi (fast) keine Funktion.
Das passt. Auch für längere Konferenzen.
Praktisch fände ich OFFLINE LIVE-Untertitel und LIVE-Übersetzung. Sicherheit.
Gruß Frank
PS
Jetzt, wo ich das Schreibe fällt mir, dass ich meine HG direkt mit dem PC koppeln könnte.
Ich hatte das mal, jedoch verworfen.
Hochtonschwäche, Phonak Audeo P90-R
Moonriseoverhill
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Re: Hörgerät oder Software ?

#23

Beitrag von Moonriseoverhill »

Hi,

Ich würde auch empfehlen Nicht warten !!!!
Es ist wichtig das Gehör wieder zu trainieren,
das ist eine absolut verbesserte Lebensqualität.

5000€ muss man nicht ausgeben. Auch günstiger und auch als Auslaufmodell bekommt ein Paar für unter 1000- 2000€ beim Akustiker. Eine mittlere Technikstufe reicht definitiv.

Wenn man technisch fit ist mit EQs umgehen kann, kann man sich auch ein neuwertiges gebrauchtes
Hörgerät und Ein Noahlink zum Programmieren kaufen und muss mit etwas Geduld und Suche nicht mehr als ein paar Hundert Euro investieren. Mehr oder weniger mache ich das seit 12 Jahren so. Es muss auch nicht immer die neuste Technik sein. Ich merke z.b. keinen Unterschied zw. Signia X und dem Vorgänger NX im Sprachverständnis.

Beim Aku habe ich nur einmal ein Set Hörgeräte als Auslaufmodel gekauft nur weil ich welche verloren hatte.


LG Micha
rent67
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Re: Hörgerät oder Software ?

#24

Beitrag von rent67 »

Hier eine Anfrage zum Einstellen eines Equalizers: Ich habe einen von Behringer mit dynamischen Kompressor, den ich aber nicht mehr
anwende wegen der unangenehmen Verstärkung der Zischlaute. Die obige Einschätzung hinsichtlich Fernsehen etc. gibt mir da eigentlich recht, aber nun bin ich doch unsicher geworden.
Wenn in den Hörgeräten die Kompression eingesetzt wird, dann müsste das doch auch durch den Equalizer-Kompressor eigentlich bessere
Ergebnisse bringen und ich stelle nur falsch ein? Muss Musik v.a. klassische Musik wirklich komprimiert werden?
Ohrenklempner
Beiträge: 8750
Registriert: 20. Feb 2015, 13:08
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Re: Hörgerät oder Software ?

#25

Beitrag von Ohrenklempner »

Wo und wie stark und vor allem wie schnell komprimiert wird, ist abhängig vom Hörverlust und vom Eingangssignal.
Klassische Musik würde ich mit langsamer Regelzeit komprimieren (damit leise Passagen hörbar bleiben), zeitgenössische Musik würde ich so dynamisch wie möglich lassen. Bei Sprache würde ich die hohen Signalanteile mit schneller Kompression verarbeiten, die tieftonigen nicht.
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