Anpassen des GdB - Profitieren einer Sonderregel im Nachhinein

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werdas34
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Anpassen des GdB - Profitieren einer Sonderregel im Nachhinein

#1

Beitrag von werdas34 »

Hallo,

ich überprüfe gerade, ob mein Schwerbehindertenausweis noch passend ist.
Ich richte mich nach diesem Dokument (http://www.hae-server.de/files/behindertenausweis.pdf).

Aktuell habe ich GdB 70 und nach Auswertung des letzten Hörtests vom HNO-Arzt habe ich linksseitig 99% und rechtsseitig 100% Hörverlust.
Dazu erfülle ich auch die Anforderung zu WHO4 und habe dies bei meiner neuen Hörgeräteversorgung mit einfließen lassen. Dies bekommt man nur wenn mind. eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit vorliegt (https://www.hoergeraete-kaefertal.de/who4).
Insgesamt würde ich mit Taubheit eingestuft werden und dies führt zu einem GdB von 80. Nun gibt es ja diese Sonderregeln (Kinder unter 7 Jahre).

Aktuell bin ich 25 Jahre. Ich trage seit meinem vierten Lebensjahr Hörgeräte. Ob ich seit meiner Geburt hörgeschädigt bin kann man nicht mehr nachweisen, aber man kann davon ausgehen.
Bei Kindern wird der BERA-Test durchgeführt, der eben nicht sehr genau ist (Seite 1, mittig).
Darauf kann man auch schließen, da ich ne zeitlang nur befristet den Schwerbehindertenausweis, auch teilweise mal gar nicht hatte bzw GdB 30 oder 40. Und wenn ich ihn hatte dann auch lange 50 bis ich vor 5 Jahren nochmal durchchecken ließ und letztlich GdB von 70 erhalten habe. Also mein Status hat in meiner Kindheit und Jugend sehr geschwankt.

Kinder unter 7 Jahren (Seite 3):
5.1
Angeborene oder in der Kindheit erworbene Taubheit oder an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit mit Sprachstörungen
angeboren oder bis zum 7. Lebensjahr erworben
(schwere Störung des Spracherwerbs, in der Regel lebenslang)........................100


Ich war schon immer hochgradig schwerhörig. Vielleicht auch schon an Taubheit grenzend (Verwechslung der Begriffe oft ein Problem) und mein HNO-Arzt hat über die Jahre nie eine Verschlechterung meines Hörvermögens festgestellt. So würde ich argumentieren, das die BERA-Test zu ungenau waren, was sich auch an der ständig wechselnden GdB-Zahl zeigt. Und ich bereits damals mindestens 70 GdB hätte bekommen müssen, was dann zu GdB von 100 führt.

Selbst wenn mein Hörvermögen über die Jahre schlechter geworden ist (eher unwahrscheinlich), dann hätte ich vorher auch schon an Taubheit grenzend sein müssen. Da ich aktuell mit Taubheit eingestuft werde.

Punkt Sprachstörung:
Im nächsten Absatz heißt es "Die Sprachstörungen (die Rede ist nicht von „schweren“ Sprachstörungen) sind i.d.R. sehr leicht nachzuweisen - ein Bericht vom Logopäden, der Schule oder eines Arztes sollten ausreichen um Schwächen in der Aussprache und dem Wortschatz zu dokumentieren."
Ich war als Kind sehr oft bei Logopäden, es waren welche bei uns Zuhause und meine Eltern haben mit mir stundenlang Übungen durchgeführt.
Nun wird gerne argumentiert, das durch diese Extrastunden eine "Heilung" stattgefunden habe. Und deshalb kann ein niedrigeres GdB vergeben werden.
Auf Seite 4 heißt es dazu: "Hier muss den Sachbearbeitern klar gemacht werden, dass es keine „Heilung“ der Sprachstörungen geben kann, wenn eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit besteht."

Ich habe mal meine Unterlagen durchforstet und der älteste Hörtest den ich fand ist von 2006, da war ich 9 Jahre alt.
Dies wurde von meinem Akustiker durchgeführt und dort komme ich linksseitig auf 87% und rechtsseitig auf 90% Hörverlust. Das führt dann zu Taubheit grenzend.
Weitere Test die von meiner damaligen Schule 2006 durchgeführt wurden, kommen auf ähnliche Hörkurven. Mal etwas besser, mal etwas schlechter.

Nun meine Frage:
Kann ich im Nachhinein von dieser Regel profitieren und GdB von 100 beantragen?
Wie würdet Ihr diesen Fall bewerten?
Was könnte man noch darlegen, damit die Chance auf GdB 100 steigt?
Wie sind eure Erfahrungen bei Anpassen des GdB-Status?

Vielen Dank.

mfg werdas34
muggel
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Re: Anpassen des GdB - Profitieren einer Sonderregel im Nachhinein

#2

Beitrag von muggel »

Hallo,
welchen Hörtest hast du denn als Grundlage genommen? Das Tonaudiogramm?
Wenn ja, dann ist der dadurch bestimmte GdB nicht unbedingt richtig. Für die GdB Bestimmung zählt nämlich der Verlust des Sprachgehörs und nicht des Tongehörs, d.h. der GdB wird anhand des Sprachaudiogramms ermittelt.

Ansonsten stellt sich für mich die Frage, was du dir vor Nachteilsausgleiche bei GdB 100 versprichst?
Für das Versorgungsamt sind nicht deine Ausführungen ("ich nehme an, dass ich seit Kindheit schon an Taubheit grenzend ist, denn ich habe die seit xy Jahren keine Hörverschlechterung gehabt und folglich muss ich schon als Kind so stark hörgeschädigt sein"), sondern ärztliche Unterlagen. Ohne einen Nachweis von ärztlicher Seite, dass du als Kind schon eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit hattest, hast du eigentlich mMn kaum Chancen.

Das Weitere ist, dass inzwischen auch viele von Geburt an Hörgeschädigte, die eine gute Sprachentwicklung erfahren haben (durch Logopädie etc) keinen dauerhaften Anspruch auf GdB 100 haben, sondern in der Regel auf GdB 80 heruntergestuft werden.
Hintergrund ist, dass die Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben bei der Beurteilung des GdB eine wesentliche Rolle spielt. Personen, die sich mit anderen Leuten verständlich unterhalten können zudem keinen eingeschränkten Wortschatz haben bzw sich nur schwer verständlich ausdrücken können (das liegt bei dir nach dem obigen Posting nicht vor) haben deutlich mehr Einschränkungen im Leben und für diese ist der GdB von 100 angedacht. Für Personen, die dank Logopädie, guter Hörsystemversorgung (insbesondere CI) kein schweren Sprachprobleme haben, bekommen heute oft nur den GdB von 80 anerkannt.

Es stellt sich halt die Frage, was du dir von einem GdB 100 (statt 80?) versprichst.
Oder kann es vielleicht sein, dass du in Hessen lebst und Gehörlosengeld beziehen möchtest? Dann würde ich deinen Wunsch sogar verstehen können. Wenn jedoch nicht, dann lohnt sich der ganze Aufwand meiner Meinung nach nicht.
Auf mehrfachen Wunsch einer bestimmten Moderatorin hier die Warnung:
Achtung, auch gelegentlich bissig!
KatjaR
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Re: Anpassen des GdB - Profitieren einer Sonderregel im Nachhinein

#3

Beitrag von KatjaR »

Hallo Werdas,

ich stimme Muggel voll zu mit dem was sie schreibt. Selbst wenn man im Nachhinein von einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit ausgehen würde, vor dem 7. Lebensjahr, müßtest du trotzdem zusätzlich einen Nachweis über die andauernde SCHWERE Sprachstörrung erbringen. Schwächen in der Aussprache und dem Wortschatz zu dokumentieren zu lassen reicht nicht aus. Erforderlich dafür wäre der Nachweis einer schwer verständlichen Lautsprache und eines geringen Wortschatzes. Im von dir zitierten Passus heißt es ja auch "In der Regel" was keine Allgemeingültigkeit hat, wenn es eine bessere Entwicklung gab, als vom Hörstatus her zu erwarten wäre. Eine gänzliche "Heilung" ist nicht erforderlich, um nicht mehr die Kriterien einer schweren Sprachstörung zu erfüllen.

Das ist auch so schon richterlich entschieden worden.
"Weitere Tatbestandsvoraussetzung von Teil B Nr. 5.1 VMG sind aber nach dem eindeutigen Wortlaut Sprachstörungen. Deren Bedeutung zeigt sich auch in der Zusammenschau mit Teil B Nr. 5.2.4 VMG. Beidseitige Taubheit bedingt gemäß Teil B Nr. 5.2.4 VMG einen GdB von 80. Erst die hinzukommenden Sprachstörungen erlauben eine höhere Bewertung. Der Abstufung in Teil B Nr. 5.1 VMG liegt der Gedanke zugrunde, dass die Sprachstörung umso ausgeprägter ist, je früher die Taubheit entsteht. Die Tatbestandsalternativen von Teil B Nr. 5.1 VMG, die einen GdB von 100 bedingen, setzen eine “schwere Störung des Spracherwerbs” bzw. “schwere Sprachstörungen” voraus". https://vmginfo.de/l-13-sb-340-18/

Gruß Katja
Langjährige CI-Trägerin (AB) Das Leben und dazu eine Katze, das gibt eine unglaubliche Summe.
(Rainer Maria Rilke)
rhae
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Re: Anpassen des GdB - Profitieren einer Sonderregel im Nachhinein

#4

Beitrag von rhae »

Also ich bin nicht ganz bei Euch. In den VersMedV steht wie oben zitiert:

Angeborene oder in der Kindheit erworbene Taubheit oder an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit mit Sprachstörungen
angeboren oder bis zum 7. Lebensjahr erworben


also keine schweren Sprachstörungen. Das Wort "schwer" kommt erst in der Erklärung in Klammern vor und verdeutlicht den Grund für die Vergabe des GdB von 100, denn das sind die "schweren Störungen des Spracherwerbs". Diese schweren Störungen hat ein Kind mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit eben wegen der Hörstörung. Das ist ja gerade der Grund für die lebenslange Vergabe des GdB 100.

Als Nachweis für die Vergabe von 100 statt 80 GdB muss aber schon etwas Offizielles her, also ein Gutachten, Diagnose einer Klinik oder ähnliches und das muss natürlich bescheinigen, dass die an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit vor dem 7. Lebensjahr begonnen hat.

VG Ralph

PS: wenn ein Erwachsender die GdB 100 bekommen will, muss er schwere Sprachstörungen nachweisen, das steht u.a. auch in Katjas Urteil
KatjaR
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Re: Anpassen des GdB - Profitieren einer Sonderregel im Nachhinein

#5

Beitrag von KatjaR »

Lieber Ralph,
lies dir mal das verlinkte Urteil dazu durch.
Es gibt weitere dazu.
"Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 21.09.2018 abgewiesen. Statthaft sei eine reine Anfechtungsklage. Der GdB sei nach Maßgabe von Teil B Nr. 5.1 VMG und aufgrund des Gutachtens von Dr. I mit 90 zu bewerten. Sowohl aus dem Beschluss des Sachverständigenbeirats Versorgungsmedizin beim BMAS vom 6./7.11.2008, als auch aus den VMG selbst ergebe sich, dass es auf das Ausmaß von Spracherwerb bzw. Sprachstörung ankomme. Die beim Kläger verbliebene Sprachstörung sei nicht schwer".
Grade in Bezug auf CI wird das heute neu festgelegt.
LG Katja
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Re: Anpassen des GdB - Profitieren einer Sonderregel im Nachhinein

#6

Beitrag von rhae »

Ja da gibt es eine nicht öffentliche Zusatzregelung bei Menschen, die in frühester Kindheit mit CI versorgt wurden. Diese Personen haben Dank CI eine gute Sprachentwicklung und bei denen (und nur bei denen) wird der GdB auf 80, mit etwas Verhandlungsgeschick auch auf 90, reduziert. Ich habe da auch ein Urteil vor einigen Jahren dazu lesen können. Um ein CI seit frühester Kindheit geht es bei "werdas34" aber nicht.

VG Ralph
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Re: Anpassen des GdB - Profitieren einer Sonderregel im Nachhinein

#7

Beitrag von KatjaR »

Trotzdem zählt das Ausmaß der verbliebenen Störungen für die Rechtsprechung, nicht wie schwer das erworben wurde, das ist auch für Kinder mit CI oft sehr schwer.
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Re: Anpassen des GdB - Profitieren einer Sonderregel im Nachhinein

#8

Beitrag von KatjaR »

"Auch bei vor dem 7. Lebensjahr erworbener Taubheit richtet sich der GdB zumindest nach Vollendung des 18. Lebensjahres nach dem Ausmaß der Sprachstörung.

Ein gleich aus welchem Grunde erfolgter Spracherwerb wirkt sich auf den GdB für das Gehör mindernd aus."

https://versorgungsmedizinische-grundsa ... %20CI.html
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Re: Anpassen des GdB - Profitieren einer Sonderregel im Nachhinein

#9

Beitrag von rhae »

Der komplette Absatz aus den VersMedV ist so:
5.1
Angeborene oder in der Kindheit erworbene T aubheit oder an T aubheit grenzende
Schwerhörigkeit mit Sprachstörungen
angeboren oder bis zum 7. Lebensjahr erworben
(schwere Störung des Spracherwerbs, in der Regel lebenslang)........................100

später erworben (im 8. bis 18. Lebensjahr) mit schweren
Sprachstörungen (schwer verständliche Lautsprache,
geringer Sprachschatz)........................................................................................100
sonst je nach Sprachstörung...........................................................................80–90
Also bekommen Menschen die vor dem 7. Lebensjahr an Taubheit grenzend SH waren in der Regel die GdB 100. Hierzu muss die Schwerhörigkeit nachgewiesen werden und vorhandene Sprachstörungen (keine schweren Sprachstörungen). Es müssen später aber nicht regelmäßig Sprachstörungen nachgewiesen werden, ist ja lebenslang im Normalfall.

bis 18 Jahren müssen noch schwere Sprachstörungen nachgewiesen werden.

über 18 bekommt man die GdB 100 praktisch nicht mehr,auch nicht mit schweren Sprachstörungen.

VG Ralph

PS: der CI-Sonderfall ist eine Zusatzregelung, die hier aber nicht zum Tragen kommt
KatjaR
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Re: Anpassen des GdB - Profitieren einer Sonderregel im Nachhinein

#10

Beitrag von KatjaR »

Siehe Urteil Ralph:
"Ein gleich aus welchem Grunde erfolgter Spracherwerb wirkt sich auf den GdB für das Gehör mindernd aus."

Es gibt daher keinen, nur auf CI bezogenen Sonderfall, sondern es kommt auf das Ergebnis an.
Die Regelungen der VersMedV sind veraltet und durch Rechtssprechung aktualisiert.

LG Katja
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werdas34
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Re: Anpassen des GdB - Profitieren einer Sonderregel im Nachhinein

#11

Beitrag von werdas34 »

@Beitrag 2 - muggle
Ich habe mich an dem Dokument von oben orientiert, welches meines Wissens nach noch aktuell ist. Dort wird die Bestimmung des GdB mit dem Tonaudiogramm vorgenommen.
Ich wüsste auch nicht wie man dies bei einem Sprachaudiogramm ermittelt.

Edit: Ist offenbar nicht mehr aktuell.

Was ich mir von GdB 100 verspreche?
Momentan garnichts. Aber nachdem ich das Dokument gelesen habe und ich möglicherweise Anspruch auf 100 GdB hätte, wurde ich diese gerne beanspruchen.
Ich wohne auch nicht in Hessen, aber man weiß nie was in der Zukunft für Änderungen noch kommen auch hinsichtlich des Ausgleiches durch den GdB.

Ich finde es persönlich falsch von einer "Heilung" auszugehen. Ich kann deinen Punkt verstehen, dass ich dann GdB 100 bekommen wurde, aber dennoch vergleichsweise "normal" am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann, dank Hörversorgung und Logopädie. Aber dann muss man die Verteilung anpassen und andere Kriterien festlegen.
Ich kann nur von mir aus sprechen, dass ich viele Wörter und deren Aussprache/Verständnis nur auswendig gelernt habe. Im deutschen geht das ganze noch ganz gut, da viele Wörter so gesprochen werden wie geschrieben. Wir hatten einmal in der Schule (Förderschule speziell für Hörgeschädigte) einen Audiotest und sollten die Wörter richtig schreiben. Alle Schüler haben das Wort "Lounge" falsch geschrieben, außer ich. Das lag daran, dass ich das Wort aus der Zeitung her kannte und konnte dies zuordnen. Sonst hätte ich es falsch geschrieben.
Ich merke es selbst stark bei Fremdsprachen. Im englischen werden viele Wörter anders ausgesprochen als geschrieben. Dort habe ich massiv Schwierigkeiten das Wort aus dem akustischen Laut zu entnehmen.
Oder die Maskensituation die wir aktuell haben. Meine normal hörenden Freunden haben auch Probleme beim Verstehen, aufgrund der Masken. Ich habe massive Einschränkungen, einerseits fehlende Mimik/Gestik als auch akustische Verständnisschwierigkeiten. Bei Gruppenrunden von fünf oder sechs Leuten, konnte ich mich früher gut beteiligen. Mit der Maske verstehe ich nur meine Nebenleute und das nur bei größter Konzentration.
Heilung sieht für mich anders aus.
Anders Beispiel welches es besser verdeutlicht: Rechtschreib-/Lesestörung
Ich habe eine Freundin, die unter dieser leidet. Sie hat sich dann mit viel Arbeit, die häufigsten Wörter, die sie falsch schrieb, aufgeschrieben und die korrekte Schreibweise gelernt. Wenn man mit ihr heute schreibt, merkt man von der Störung garnichts.
Sollte sie nun mit einem anderen Wortschatz zu tun bekommen (z.B. Wechsel der Arbeitsstelle, die auf einen anderen Bereich spezialisiert sind), dann besteht das Problem wieder. Sie müsste die Wörter auswendig lernen.
Bei einer Heilung gehe ich davon aus, dass man bei einer neuen Situation keine Nachwirkungen vom "Nachteil" erfährt.
Das ist definitiv nicht der Fall!

Ich kann deinen Punkt verstehen, aber da sehe ich das Problem eher bei der Vergabe als das man von einer Heilung sprechen kann.

@Beitrag 4 - rhae (Ralph)
So lese ich das auch. Das einzige was ich mich frage, ist ob man im Nachhinein von dieser Regel profitieren kann? Natürlich vorausgesetzt ich habe offizielle Dokumente von einem Arzt.

--

Nach dem Studium der Rechtsurteile scheint ein GdB von 80 angebracht.
Wobei ich das auch bisschen komisch finde, man ist vor dem 7. Lebensjahr ertaubt, bekommt GdB von 100 lebenslang. Und dann muss man sich quasi mit 18 nochmal prüfen lassen, ob der Spracherwerb gravierend ist.
Wurde da mal zusammenfassend erklärt, wie das aktuell aussieht. Denn aktuell würde man einmal lebenslang 100 bekommen, was aber nicht lebenslang ist.

Und zu muggle "Heilung"sgeschichte:
Die Vergabe wurde angepasst. So profitiere ich nicht mehr von der Sonderregel.

Das Merkzeichen GL würde mir aufgrund des Spracherwerbs auch nicht zustehen? Sehe ich das richtig?
Dann hätte der Sprung von 70 auf 80 keine nennenswerte Vorteile oder übersehe ich was?

mfg werdas34
muggel
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Registriert: 19. Jun 2013, 13:34
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Re: Anpassen des GdB - Profitieren einer Sonderregel im Nachhinein

#12

Beitrag von muggel »

Hallo,
ich habe nie von Heilung geschrieben.
Die GdB Vergabe baut inzwischen auf die ICF auf. Hier geht es nicht um Diagnosen oder Therapien, sondern um die Beeinträchtigung am gesellschaftlichen Leben.
Die Auswirkungen der Beeinträchtigung soll sich im GdB widerspiegeln. Es geht dabei nicht darum, wie schwer es jemand hatte etwas zu erlernen, sondern wie der IST- Zustand ist.
Und glaubst du wirklich, dass alle Normalhörenden englische Worte sofort gut verstehen und wissen, wir man sie schreibt? Mitnichten - das müssen sie genau so lernen wie du!

Weiterhin: ein GdB wird niemals lebenslang vergeben. Auch bei unbefristetem Schwerbehindertenausweis kann das Versorgungsamt jederzeit nach aktueller VersMedV prüfen und die Prüfung ist immer ergebnisoffen. Es ist daher möglich, dass bei einer Änderung der VersMedV bereits anerkannte Merkzeichen und der anerkannte GdB aberkannt werden.

Wie der GdB anhand des Sprachaudiogramms berechnet wird steht ebenfalls in der VersMedV. Da du daraus hier Passagen zitierst, gehe ich davon aus, dass du diese zumindest bzgl Hörschädigung gelesen hast.
Dann ist deine Frage hinsichtlich Merkzeichen GL eigentlich auch beantwortet - denn die Voraussetzungen für das Merkzeichen GL stehen ebenfalls in der VersMedV.

Hast du die VersMedV nicht gelesen, sondern betreibst "Rosinenpicken":
Der GdB für Hörschädigungen wird mit Hilfe des Sprachaudiogramms bestimmt. Hierzu werden die Einsilberverstehquoten von 60, 80 und 100 dB addiert. In einer Tabelle in der VersMedV kann man dann auf Basis des Hörverlusts für Zahlen und der so berechneten Gesamtverstehquote den Hörverlust in % berechnen.
Liegt dieser bei oder unterhalb von 40%, so muss man anstelle des einfachen Gesamtwortverstehens das gewichtete Gesamtwortverstehen nehmen. Siehe VersMedV Anlage zu $2, Teil B, Punkt 5.2.1.
Wegen Merkzeichen GL: die Voraussetzungen für das Merkzeichen liegen dann vor, wenn man eine beidseitige Taubheit hat (Hörverlust 100% beidseitig!) oder eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit und dazu schwere Sprachstörungen nachweisen kann.
Hat man eine Schwerhörigkeit von 95-99%, so hat das Versorgungamt hinsichtlich der Einstufung des %-tualen Hörverlusts Spielraum, dh sie können dieses als an Taubheit grenzende SH oder als Taubheit einstufen. Siehe Anlage zu $2, Teil B, Punkt 5.2.4. Die Voraussetzungen für Merkzeichen GL findet man in der Anlage zu $2, Teil D, Punkt 4.


PS: Da ich auf dem Handy kein Paragraphensymbol habe, habe ich das $-Zeichen benutzt.

PPS: Und zu deinen Vergleichen: ich verstehe auch ohne Maske nichts in einer Gruppe von 6 Leuten - und ich habe "nur" GdB 80 für die Taubheit anerkannt bekommen.
Maske etc ist momentan für alle ein Problem.. und Wörter, die man nicht kennt, schreibt man in der Regel falsch. Auch Normalhörende. Kannst ja mal nen Test machen... was glaubst du, wieviele von 10 Personen das Wort "Portemonnaie" falsch schreiben? Nur diejenigen, die es gelernt haben, schreiben es richtig.
(geht auch mit anderen, eher unbekannten Wörtern wie Toilettenpapier usw).
Kurzum: es ist toll, was du trotz Hörschädigung geschafft hast - da kannst du stolz drauf sein. Keine Frage! Aber für den GdB ist das irrelevant, da es keine Einschränkungen zur Folge hat (genau wie jemand, der durch jahrelanges Training das Laufen gelernt hat und heute vlt mit merkwürdigem Gangbild aber ohne große Probleme laufen kann, die Voraussetzungen für den Schwerbehinderungenparkausweis nicht erfüllt)
Auf mehrfachen Wunsch einer bestimmten Moderatorin hier die Warnung:
Achtung, auch gelegentlich bissig!
Patrick68
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Re: Anpassen des GdB - Profitieren einer Sonderregel im Nachhinein

#13

Beitrag von Patrick68 »

Die Vorteile von GdB 70 zu 80 sind hauptsächlicher finanzieller Natur, da du einen höheren Steuerfreibetrag erhältst und eine Fahrtkostenpauschale von € 900 beantragen kannst. Ich habe vor knapp zehn Jahren einen Verschlimmerungsantrag gestellt und neben der Erhöhung von 70 auf 80 auch noch das Merkzeichen Gl erhalten. Hier war für mich der entscheidende Vorteil, die Möglichkeit, bundesweit (fast) kostenlos den ÖPNV nutzen zu können.
Seit dem 01.06.2023 glücklicher Träger von zwei Signia Motion Charge&Go SP 3X

_Hz 250 500 1000 2000 3000 4000 6000 8000
dbR 105_95__90___95__95___95__110__90
dbL 105_80__90___90__100__ X___ X___X
Crackliner
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Re: Anpassen des GdB - Profitieren einer Sonderregel im Nachhinein

#14

Beitrag von Crackliner »

Beim Verschlimmerungsantrag wird der körperliche Zustand neu bewertet. Das kann auch eine Herunterstufung vom GdB bedeuten, da erst einmal alles auf Null gestellt wird. Danach erfolgt die neue Bewertung.
Nur fantasielose flüchten in die Realität.
Patrick68
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Re: Anpassen des GdB - Profitieren einer Sonderregel im Nachhinein

#15

Beitrag von Patrick68 »

Crackliner hat geschrieben: 27. Feb 2022, 11:54 Beim Verschlimmerungsantrag wird der körperliche Zustand neu bewertet. Das kann auch eine Herunterstufung vom GdB bedeuten, da erst einmal alles auf Null gestellt wird. Danach erfolgt die neue Bewertung.
Ja, das Risiko geht man natürlich ein. Aber dieses war bei mir zu der Zeit nicht gegeben, da mein Hörvermögen sich durch mehrere Hörstürze verschlechtert hatte und ein Tinnitus hinzugekommen war. Man muss sich allerdings in der Tat darüber informieren, ob sich die Bewertungskriterien/-maßstäbe geändert haben, um ggf. eine mögliche Herabstufung zu vermeiden. Bei mir hat es glücklicherweise geklappt und ich würde auch eine keine Neubewertung durch das Versorgungsamt fürchten, falls dieses auf die Idee kommen sollte, eine solche vornehmen zu wollen.
Seit dem 01.06.2023 glücklicher Träger von zwei Signia Motion Charge&Go SP 3X

_Hz 250 500 1000 2000 3000 4000 6000 8000
dbR 105_95__90___95__95___95__110__90
dbL 105_80__90___90__100__ X___ X___X
Dani!
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Re: Anpassen des GdB - Profitieren einer Sonderregel im Nachhinein

#16

Beitrag von Dani! »

Portmonaie wurde vor einiger Zeit eingedeutscht und schreibt sich mittlerweile
Portmonee 😉

@80-110dB
Du hast Glück gehabt, dass du noch Gl erhalten hast. Dein Antrag stammt offenbar von vor der letzten Änderung der VO

Einen GdB100 zu erhalten ist ansonsten recht einfach. Man braucht neben der Hörschädigung nur Einschränkungen oder Komplettversagen eins oder besser mehrerer innerer oder äußerer Organe. Selbst in Sumne kommt man damit niemals über 100. Es finden sich bestimmt etliche, die mit dem TE gerne tauschen würdeb, auch unter kompletten Verzicht auf einen GdB.

Aufs Hören erhalte ich auch nur einen GdB80, obwohl ich nachweislich vor dem 7. Lebensjahr hochgradig Schwerhlrig war. Ist aber auch schon wieder 4 Jahrzehnte her.
Dominik
R: 20.2.20: Med-el Sonnet2
L: 16.12.20: Med-el Sonnet2
Vorsicht bissig.
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