Weil das ja ein Forum ist, wo man gerne Dinge fragen darf und soll, antworte ich natürlich gerne!
wolf2else hat geschrieben: ↑27. Sep 2022, 12:44
Ohrenklempner hat geschrieben: ↑22. Sep 2022, 11:02
... Es funktioniert aber nicht, wenn eine Behauptung aufgestellt wird (Kostenvoranschlag unter 2000 Euro Eigenanteil für zwei High-End-Hörgeräte), und wenn man es gut meint und der Sache auf den Grund gehen will, dann ist es angeblich nicht möglich, mal einen KV abzufotografieren, sensible Stellen wegzuradieren und hier hochzuladen. Suspekt.
Dein Beitrag geht m.E. in die völlig falsche Richtung und lässt tief blicken.
Niemand muss hier irgendetwas beweisen und niemand muss hier irgendetwas glauben. Verdächtigungen schaden all denen, die sich eine eigene Meinung bilden wollen.
Sorry, das hab ich vielleicht falsch aufgefasst. Ich fand einfach die Aussage "unter 2000 Euro für zwei High-End-Hörgeräte" nicht plausibel, vermutete einen Fehler in der Berechnung oder dass im Angebot/Kostenvoranschlag der Wurm drin ist. Daher auch die Bitte, das Angebot einfach mal zu zeigen. Wenn man Rat oder Hilfe sucht, sollte man auch genauere Auskünfte geben, sonst wird das nichts.
- Hast du jemals darüber nachgedacht, wie ein in China zusammengebautes Hörgerät, das höchstens 100 Euro kostet, plötzlich zu einem Hörgerät von 2.500 Euro beim Endverbraucher wird?
- Weißt du, wie diese zauberhafte Wertsteigerung zustande kommt? Kannst du mich aufklären?
Ja, weiß ich:
Es gibt Menschen, die diese Produkte designen, die die Hardwarearchitektur und die Software entwickeln und die Forschung betreiben.
Dann gibt es Menschen, die diese Produkte als Medizinprodukt prüfen und zulassen.
Es gibt jene, die die Produkte beim Lieferanten ordern, sie in Lagern oder Logistikzentren deponieren, die Lagerung verwalten, Bestellungen entgegennehmen und bearbeiten, verpacken, verschicken und abrechnen.
Dann sind da noch die Akustiker, die Läden gemietet haben, Personal für sich arbeiten lassen, die entsprechenden Produkte bestellen, kommissionieren, nach gewissen (vertraglich vereinbarten) Standards einstellen, Hörgeschädigte beraten und deren Hörgeräteversorgung betreuen, nebenbei im Schwerhörigenforum schreiben
, kostenlose Ausprobe verschiedener Hörgeräte ermöglichen (inklusive Programmierung aller dieser Hörgeräte) und sich nebenbei noch mit Krankenkassen, Präqualifizierungen, Reparaturen und Serviceterminen herumschlagen dürfen.
Alle die genannten Leute sind aber nicht alleine, sie brauchen jeweils Räumlichkeiten mit Strom und Heizung, IT-Infrastruktur, Mitarbeiter für Rechts-, Personal-, Vertriebs-, Marketing-, Steuer-, Abrechnungs-, Verwaltungsangelegenheiten (u.v.m.), Versicherungen und so weiter.
Tja, und alle diese Menschen würden in ihrem Job gerne Geld verdienen. Ich auch, so wie jeder qualifizierte Handwerksmeister seine Kompetenz und Arbeitskraft gegen Geld eintauschen möchte.
- Gibt es eine gesellschaftliche Diskussion (etwa auch in diesem Forum) darüber, wie hoch die Marge sein darf, wenn es um Gesundheitsprodukte für Menschen mit Hörverlust geht?
Wir leben ja nicht in einer sozialistischen Planwirtschaft, daher steht es jedem Unternehmen frei, welche Marge erwirtschaftet werden soll. Nur weil ich notwendige Produkte an Menschen mit einer Behinderung verkaufe, soll ich mir deshalb vorschreiben lassen, dass ich maximal Betrag X verdienen darf? Ich glaube nicht. Dann wäre ich doch lieber Arzt gewor... ach nee. Schlechtes Beispiel.
(Beim Apple iPhone und anderen Geräteklassen ist das im Prinzip ähnlich. Ich erinnere mich, dass das iPhone 8 Plus seinerzeit 250 Euro in der Herstellung kostete und für ca. 1000 Euro von Apple verkauft wurde. Das Verhältnis zwischen Herstellungskosten und Verkaufspreis, die Marge, ist bei Apple extrem hoch, aber im Verhältnis zu Hörgeräten wesentlich geringer und angemessener.)
Nein, ist sie nicht.
Wie verkauft man ein iPhone? So: "Guten Tag, ich hätte gerne das neuste iPhone." -- "Bitteschön, das macht 1000 Euro, Vielen Dank, auf Wiedersehen."
Wie werden Hörgeräte verkauft? (Rhetorische Frage, beantworte ich jetzt nicht)
- Sind diese teilweise hohen Preisunterschiede bei exakt gleichen Geräten für den Verbraucher transparent?
Irgendwo kommen die Preise ja her, und jeder Akustiker muss schon selbst wissen, warum er wie viel Geld für ein Hörgerät verlangt. Als Verbraucher hat man ja die Wahl. Ist ein Hörgerät zu teuer, nimmt man ein günstigeres Gerät oder man kauft woanders.
- Hat ein Akustiker ein Eigeninteresse an einer Auflösung der Undurchsichtigkeit der Marktpreise?
EIN Akustiker kann sicherlich nicht die Preise der Mitbewerber rechtfertigen, höchstens seine eigenen. Fragt mich jemand, was bei mir Hörgeräte von Hersteller XY kosten, geb ich ihm ne Preisliste und fertig. Ich weiß, dass es in der Konkurrenz die meisten anders halten: Das kann/darf ich nicht sagen, kommen Sie erstmal vorbei zur Beratung, blabla...
Hörgeräte (und auch Brillen) sind Produkte mit einer der höchsten Margen im gesamten Einzelhandel. Ich wundere mich daher überhaupt nicht, wenn behauptet wird, dass sich Akustiker und Hörgerätehersteller "dumm und dämlich" an ihren "Kunden" verdienen.
Hörgeräte und Brillen sind kein reines Handelsgeschäft, sondern ein Handwerksgeschäft. Wir verkaufen keine Brillen und Hörgeräte über den Ladentisch. Willst du deine Räume tapezieren und streichen lassen, kannst du ja auch nicht die reinen Materialkosten von Tapete und Farbe heranholen und die mit der Handwerkerrechnung vergleichen. Gegenfrage: Wie sieht denn die Marge da aus?
Woran könnte diese Einstellung liegen?
Ich würde jetzt unterstellen, dass du glaubst, ich würde ein Hörgerät für 100 Euro einkaufen und 3000 Euro verkaufen, und zwar innerhalb weniger Minuten. Ja, das wäre wirklich eine unheimlich gute Marge und nach dem Verkauf von vier Hörgeräten mach ich den Rest des Monats Urlaub. Ganz so ist es aber nicht.
Außerdem: Im Jahr 2021 waren bundesweit rund 15.000 Hörakustiker in etwa 7.000 Hörakustik-Betrieben beschäftigt. Im Jahr 2021 gab es allein in der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahre rund 3,02 Millionen Personen, die ein Hörgerät trugen. Nur von diesen Zahlen ausgehend kämen damit 430 Hörgeräteträger auf einen Akustikfachbetrieb bzw. 200 Hörgeräteträger auf einen Akustiker. Das gibt mir zu denken und erzeugt bei mir Fragen.
Was denn für Fragen und was für Bedenken?
Macht es Sinn, wenn Hersteller und Händler (Akustiker sind Händler) nichts gegen Baugleichheiten in vielfachen Bezeichnungen einzuwenden haben?
Was sollte man auch dagegen haben können... okay, man kann es schon verwirrend finden. Aber auf welcher Grundlage will man denn einem Hersteller verbieten, seine Produkte in verschiedene Packungen zu stecken? Wenn ich Kugelschreiberhersteller bin, kommen auch die Händler auf mich zu und wollen ihr persönliches Kugelschreibermodell in ihrer Farbe und mit ihrem Namen drauf. Eine Molkerei verkauft ihre Produkte auch nicht unter ihrem Namen sondern verpackt die Käsescheiben schön in den Farben des Händlers (Aldi, Lidl, Edeka usw.). Waschmaschinen von Bosch und Siemens sind auch SEHR ähnlich. Mein Ikea-Geschirrspüler ist ein Modell von AEG Electrolux. Na und?
Welcher Facharzt oder Akustiker empfiehlt seinem Kunden ein Einblick in die Datenbank „GKV-Hilfsmittelverzeichnis (REHADAT)“ bzw. nennt den Link
https://www.rehadat-gkv.de/ unter Angabe der Produktgruppe 13, Anwendungsort 20?
Für wen könnte dies von Vorteil sein?
Das weiß ich auch nicht. Der Kunde freut sich, dass er plötzlich eine Auswahl von über 10.000 Hörgeräten auf dem Bildschirm hat. Toll, und jetzt?
Und hier stellt sich vor allem die Frage, wie lange beispielsweise die GKV (Gesetzliche Krankenversicherung) bzw. Beihilfestellen dies zu Lasten ihrer Versicherten mitmachen wollen. Menschen mit einer Hörbehinderung brauchen oft Unterstützung in ihren verschiedenen Lebensbereichen. Diese Unterstützung sollen insbesondere die Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Bundesteilhabegesetz gewährleisten. Das Ziel ist eine möglichst selbstbestimmte Teilhabe am Leben. Sollte diese Zielsetzung nicht auch für Hörbehinderte gelten, die es schon schwer genug haben?
Die GKVs zahlen eine komplette Hörgeräteversorgung ohne Mehrkosten für die Versicherten. Wälze doch mal aus Spaß die Versorgungsverträge und schau nach, was eine Hörgeräteversorgung alles beinhaltet.
- Ist es in diesem Sinne hinnehmbar, wenn der Geldbeutel bestimmt, wieviel Hilfe für einen Hörbehinderten möglich ist und welche Hilfen er mangels finanzieller Leistungskraft nicht erhält?
- Muss beispeilsweise die Höhe der monatliche Altersrente darüber bestimmen, welche Lebensqualität für den Bezieher einer kleinen Altersrente möglich ist oder auch eben nicht?
Gleiche Antwort wie eben.
Wer oder was ist also wirklich suspekt, lieber Ohrenklempner?
Ich verstehe, dass dir einiges suspekt vorkam, nachdem ich deine Fragen, Vermutungen und Annahmen gelesen habe. Ich hoffe, dass ich dir ein bisschen weiterhelfen konnte.