Schwerhörig am Gymnasium

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cosinus
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Schwerhörig am Gymnasium

#1

Beitrag von cosinus »

Hallo!
Ich bin zwar selbst nicht hörgeschädigt, schreibe aber eine Seminarfacharbeit zu dem Thema.
Da es mich total interessiert, wie sich Schüler/innen mit Hörgerät an der weiterführenden Schule, besonders in höheren Klassen fühlen, wie sie im Unterricht mitkommen und wann sie wo Hilfe brauchen, frage ich das hier.
Habt ihr schnell Freunde gefunden? Sorry für die Frage, aber in meinen Theoriebüchern steht halt sowas wie: Hörgeschädigte Schüler finden oftmals keinen Anschluss und werden diskriminiert. :help:
ich kann mir das nicht vorstellen, da an meiner Schule ein Mädchen ist, welches viele Freunde hat und auch so einen offenen eindruck macht. :)
kann mir jemand villeicht einfach von seinen Erfahrungen in der weiterführenden Schule erzählen?

LG cosinus
Zuletzt geändert von cosinus am 19. Jan 2018, 18:25, insgesamt 1-mal geändert.
Coffee
Beiträge: 39
Registriert: 27. Nov 2015, 18:18
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Re: Schwerhörig am Gymnasium

#2

Beitrag von Coffee »

Hallo Cosinus,

ich glaube nicht, dass man dazu allgemeingültige Aussagen treffen kann, die einer wissenschaftlichen Arbeit genügen.
Meine Erfahrung mit Mobbing ist eher die, dass sich die Mobber auf die Leute stürzen, die "anders" sind- in erster Linie, was das Verhalten angeht.

Wer sich kleidet wie die anderen, ähnliche Interessen hat (Fußball zB), selbstbewusst rüberkommt, wird eher akzeptiert, als jmd der nicht behindert ist,
aber schüchtern und sich mit Dingen beschäftigt, die den Rest nicht interessiert.
Oder wer als Streber vorsticht, wird auch eher weniger akzeptiert.

Ich hatte in meiner Klasse immer wieder mal Leute mit merklichen Einschränkungen (Diabetes, Stottern, Rheuma...), von denen wurde niemand (deswegen) gemobbt oder ausgeschlossen.
Der, der gestottert hat, hatte zusätzlich richtig üble Segelohren und war trotzdem in der coolen Clique, die mit Diabetes hat sich für Anime interessiert, trug billige Kleidung und gehörte dementsprechend eher zu den Außenseitern. Wegen der Behinderung wurde bei uns aber nie jemand gemobbt, das würde ich tatsächlich eher in
die niedrigeren sozialen Schichten und damit Richtung Hauptschule schieben (keine Ahnung ob das stimmt).

Mir merkt man keine Hörprobleme an (zumindest nicht wenn man nicht darauf achtet und häufig mit mir zu tun hat). daher glaub ich nicht dass mein Mobbing damals daran lag- eher daran, dass ich anders war als die anderen.
Streberhaft, kein Interesse an Mode, einfach anders.

Zum Thema mitkommen in der Schule:
hast du dich bzgl. FM Anlagen eingelesen?
die sind vor allem für hochgradig Hörgeschädigte eine große Hilfe.

Probleme machen natürlich vor allem laute Situationen ("Störschall"), demzufolge kanns schwierig sein, im Sportunterricht die Anweisungen zu verstehen. Auch Gruppenarbeiten (wenn alle durcheinander reden) sind eher schwierig. Und Fremdsprachen können auch Probleme machen, zB Hörverstehen (da hatte ich immer Probleme) oder wenn man die Aussprache nicht richtig hört, aber dennoch lernen soll, die Wörter richtig auszusprechen.

Ich hoff dir antwortet noch jemand mit ner klassischen Schwerhörigkeit, ich bin ja eher ein Sonderfall mit meinen Hörverarbeitungsproblemen.

Liebe Grüße
und viel Erfolg bei deiner Arbeit!
Norbert_S
Beiträge: 222
Registriert: 10. Feb 2008, 14:05
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Wohnort: Baden-Württemberg

Re: Schwerhörig am Gymnasium

#3

Beitrag von Norbert_S »

Hallo Cosinus!
Ich schreibe gewissermaßen vom Lehrerpult aus ;) .
Seminarfacharbeit? Das dürfte eher ein Thema für eine groß-angelegte statistische Arbeit sein … Jeder Fall liegt anders.
SH-Schüler sind nicht zwangsläufig eine Problemgruppe. In jedem Klassenverband gibt es noch einen Rattenschwanz von anderen, oft viel gravierenderen Problemlagen. Hörprobleme sind ein definiertes Feld, Verhaltens- und Leistungsprobleme eher nicht.

Coffee hat schon sehr präzise geschrieben! Gruppenarbeit und Fremdsprachen sowie die Sicherheit im Sportunterricht sind bekannte Problemfelder.
Es kommt auch darauf an, wie die Lehrer damit umgehen. Sie geben der Klasse das Vorbild für den Umgang mit besonderen Schülern. Im günstigsten Falle werden Klassenkameraden mit Handicap von der Klassengemeinschaft geradezu „adoptiert“.
Heute sind Schüler mit Handicap (Stichwort Inklusion) in Regelklassen einfach normal. (Wie alt sind deine Theoriebücher?) Ausgeschlossen wird (wie an jedem Arbeitsplatz), wer sich ziegig aufführt.

@ Coffee: Mobbing? Wirklich gut, dass du deinen Verdacht in Richtung Hauptschule gleich mit Fragezeichen versiehst ;-). Sooo einfach ist das nämlich wirklich nicht. Hauptschüler (wo gibt es die noch?) sind da recht sensibel, denn sie gehören ja einer bereits „abgeschichteten“ Gruppe an. Richtiges Mobbing (blödes Rumgepöble ist was Anderes) setzt bei den „Tätern“ ein gewisses sprachliches Niveau voraus. Du weißt selbst in welchen Schularten das am ehesten gegeben ist.
Konnte ich helfen?
Norbert_S
Coffee
Beiträge: 39
Registriert: 27. Nov 2015, 18:18
8

Re: Schwerhörig am Gymnasium

#4

Beitrag von Coffee »

Hallo Norbert,

ich war selber nie auf der Hauptschule, kenns nur von Erzählungen und da sollen Leute
mit offensichtlichen Einschränkungen wohl schlechtere Karten zu haben, als bei mir
am Gymie.
Mein Gymnasium hat in halb Bayern (da gibts übrigens noch Hauptschulen... oder gabs
vor wenigen Jahren noch, ich rätsel grad ob unsere Dorfhauptschule mittlerweile auch
in "Mittelschule" umgetauft wurde) den Ruf als üble Mobbingschule- ich hab aber
tatsächlich kein einziges Mal mitgekriegt, dass jemand ausdrücklich wegen seinen
Einschränkungen blöd angemacht wurde.
Ich glaube auch dass Gymnasiasten eher mit Einschränkungen umgehen können, sie
lernen in Biologie zumindest immer wieder mal was über Behinderungen und in den
höheren Bildungsschichten wird wohl auch mehr über sowas geredet?
Die blöden Sprüche resultieren ja eher aus Unsicherheit und der Unfähigkeit sich
passend Auszudrücken oder?
Ausdrücke wie "du Spast" "bist du behindert" etc. kenn ich auch nur von Leuten aus
der örtlichen Hauptschule.

Das sind aber nur meine Beobachtungen aus meiner Schulzeit (bis 2014 ;) und aus Gesprächen
mit Leuten aus anderen Schulen. Kann natürlich in anderen Gegenden/an anderen Schulen ganz
anders sein.

Liebe Grüße
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