Vorsicht: Lang, aber für ernsthafte Marvel-Tester meines Erachtens wichtig und deshalb lesenswert.
Jetzt habe ich mein M90-312 genau 11 Tage und möchte ein - natürlich vorläufiges - Resümee machen. Mir kommt die Zeit übrigens viel länger als 11 Tage vor, was sicher auch daran liegt, dass ich mich sehr intensiv mit dem
HG und seiner Optimierung beschäftige. Mir ist das Thema HG sehr wichtig und Gott-sei-Dank habe ich auch satt Zeit dafür.
Sicherheitshalber: meinen Wunsch nach einer optimalen Musikwiedergabe (zu dem ich ja auch einiges gepostet habe und vermutlich auch in Zukunft noch werde), lasse ich hier jetzt
komplett raus, weil das ein anderes Thema ist.
Mein Resümee gebe ich in 2 Teilen. Den ersten positiven Teil kann ich ziemlich kurz machen:
Das M90
als Hörgerät gefällt mir immer noch sehr gut, besser als alles, was ich vorher hatte. Die Sprachverständlichkeit unter verschiedenen Umständen ist Top, die Automatiken für die verschiedenen Geräuschkulissen scheinen es auch zu sein (also wenig "Lästigkeit"), und die Bedienbarkeit mit den Wipptasten ist super-bequem. Die 312-er Batterien halten gute 65 Stunden.
Eine besondere Erwähnung verdient das Handsfree-Telefonieren, das es meines Wissens so (noch) bei keinem anderen
HG gibt: das M90 gibt nicht nur den Gesprächspartner direkt ins HG im Ohr aus, sondern es nimmt zusätzlich auch die eigene Stimme mit den HG-Mikrofonen auf. Das bedeutet in der Praxis: wenn mich jemand anruft, dann klingelt es in meinem HG, ich drücke kurz eine der Wipptasten, und schon bin ich verbunden und kann sprechen und hören. Ohne mein iPhone auch nur aus der Hosentasche zu ziehen oder überhaupt angefasst zu haben. Wirklich schön, und ich vermute (weiss es aber nicht definitiv), dass das so oder ähnlich auch für Android-Telefone gilt.
Und jetzt kommt mit dem zweiten Teil eine Kritik, die es aus heutiger Sicht sogar denkbar macht, dass ich schlussendlich nicht beim Marvel bleibe(n kann)! Mir war das zunächst mal überhaupt nicht aufgefallen und später in seiner Bedeutung noch nicht klar. Ähnlich mag es anderen Marvel-Testern gehen, weshalb ich das hier so ausführlich darlege.
In Post #125 hatte ich ein seltsames und mir zunächst unklares Verhalten angesprochen, zu dem ich in späteren Posts noch Interpretationen nachgereicht hatte, die aber auf den normalen Leser vermutlich ziemlich diffus gewirkt haben mögen, und die er deshalb vielleicht garnicht gelesen hat. Mittlerweile habe ich mich mit diesen Punkt intensiv beschäftigt und u.a. auch Phonak/Sonova in der Schweiz kontaktiert (die meine Beobachtungen bestätigt haben, aber keine wirkliche Lösung beitragen konnten). Anders als noch in meinem frühen Post
https://hoergeraete-info.net/marvel-mit ... aming-bug/ kann ich mittlerweile auch ziemlich einfach erklären, was passiert:
Man koppelt das Marvel (ganz genau: "Falk's Hörsystem - R") ja einmalig am Anfang mit dem iPhone, und es bleibt dann auch auf Dauer (also auch über mehrere Tage und Ein/Ausschaltvorgänge hinweg) verbunden.
Von Bluetooth verstehe ich nicht allzu viel, aber mittlerweile habe ich Grund zu der Annahme, dass dieses "Verbinden" zunächst mal nur ein erster
BT-Protokollschritt ist (vielleicht ein Austausch von Identifiern, aber das weiss ich als Laie nicht, und es sollte mich auch nicht interessieren müssen), und dass sich beide in diesem ersten Schritt noch nicht auf die Etablierung eines konkreten BT-Profils für den Datenaustausch festlegen, sondern das noch offen bleibt. Soweit, so gut, und bisher passiert auch nichts Negatives, sondern das Marvel bleibt in seinem tollen Hörprogramm mit all den schönen Automatiken.
Wenn ich dann aber später irgendwann eine App auf dem iPhone aufrufe, die Audio nur ausgeben
könnte, z.B. die Tastentöne der Standard-Apple-Rechner-App, dann scheint (wieder meine laienmässige
BT-Interpretation) das iPhone beim grundsätzlich schon verbundenen Marvel das BT-Profil A2DP zu etablieren (so sagt es auch Phonak/Sonova). Daraufhin schaltet sich das Marvel automatisch in den Bluetooth-Streaming-Modus und das entsprechende AutoSense 3.0 Unterprogramm. In diesem Programm wird der Mikrofon-Input um 6db abgesenkt, die Wipptasten bekommen andere Funktionen, und vermutlich ändern sich auch alle möglichen Automatiken...
Das bedeutet, dass sich die Wahrnehmung der Hörumgebung
sehr signifikant ändert. Und wenn sie vorher optimal war, dann kann sie es rein logisch betrachtet danach nicht mehr sein. Und so ist es auch. Obwohl ich die Rechner-App ganz harmlos ohne Tonausgabe nutze (technisch gesprochen ist sie im Mute-Modus), wirft sie meine vorher schöne Hörumgebung regelrecht um. Erst wenn ich die App im iPhone verlasse (es reicht dafür auch, dass ich eine andere verwende, so dass hier die Rechner-App in den Hintergrund geht), dann scheint der A2DP-Verbindungsstatus wieder aufgehoben zu werden, und mein ursprüngliches Hörerlebnis kehrt zurück. Entsprechend kehrt das alte Hörprogramm/Hörerlebnis übrigens auch zurück, wenn ich das iPhone ausschalte (Standby reicht).
Es kommt aber noch schlimmer: unter manchen Umständen (unklar, dürfte von irgendwelchen IOS-Caching-Mechanismen abhängen) reicht es schon, dass ich das iPhone überhaupt aktiviere, also nur aus dem Standby-Modus erwecke, ohne überhaupt eine Audio-fähige App aufzurufen, und das Marvel kriegt anscheinend trotzdem schon eine A2DP-Aufforderung und geht in das Streaming-Programm. Ausserdem reicht es manchmal sogar, dass das iPhone einfach nur kurz eine Mitteilung auf dem Sperrbildschirm anzeigt, und solange diese Meldung sichtbar bleibt, ist das Marvel wieder in das Streaming-Programm gekippt. Kehrt daraus automatisch zurück, wenn sich das iPhone bei fehlende Benutzerinteraktion wieder in Standby begibt.
Das Ganze ist nicht einfach nur ein kleiner etwas nerviger Diskomfort, sondern eine ganz wesentliche Einschränkung des ansonsten so schönen subjektiven Hörgefühls. Vor allem weil es so unkontrolliert und immer wieder zwischendrin passiert. Es ist, als wenn "jemand" willkürlich immer wieder zwischendurch aus einem guten Hörgerät ein ziemlich beschissenes (weil nicht passendes) macht...
Man kann sich ein wenig zu behelfen versuchen, indem man über die Remote-App Einstellungen ändert und auch akzeptiert, dass in diesem Modus die Wipptasten halt andere Funktionen haben und damit eine andere Bedienung erfordern. Aber wie ich mittlerweile weiss, ist das mühsam, weil nicht voll deterministisch, und so kann ich damit vermutlich nicht meinen Seelenfrieden machen... Da reisst es auch die ansonsten superbe Leistung des Marvel als
HG nicht heraus... Und vermutlich noch nicht mal der einmalig komfortable Handsfree-Telefoniermodus...
Es gibt aus meiner Sicht 2 alternative Umgehungen (Bypasses):
a) Zum einen kann ich (wie in
https://hoergeraete-info.net/marvel-mit ... aming-bug/ ausführlich beschrieben) die Verbindung des Marvel als potenzielles Streaming-Gerät schlicht ausschalten. Dafür muss ich im iPhone-Kontrollzentrum die normale Airplay-artige Ausgabezuordnung auf "Falk's Hörsystem R" z.B. auf "iPhone" umschalten. in der Folge kann ich auf dem iPhone dann machen, was ich will, ohne dass es das Marvel irgendwie berührt. Das bleibt einfach im optimalen
HG-Modus. Sogar das tolle Handsfree-Telefonieren funktioniert aber noch, und nach dem Auflegen ist alles wieder im normalen Hörmodus.
Komma Aber Doppelpunkt Wenn ich jetzt Audio ausgebe, sei es z.B. von der Musikplayer-App oder über Airfoil vom Notebook, dann kommt die Ausgabe halt schlicht und einfach nur auf den iPhone-Lautsprechern. Es sei denn, dass ich über das Kontrollzentrum meinen Bypass wieder ausschalte. Das tut's aber eben nicht irgendwie automatisch, so wie es beim stinknormalen MFI-fähigen Oticon gewesen war, sondern dafür muss ich mein iPhone aus der Tasche kramen und die Rück-Umstellung im Kontrollzentrum machen. Insgesamt also ein Schritt zurück, mit einer Güterabwägung zwischen der bei diesem Bypass dann weiter führenden Marvel-Hörgerätqualität und dem beim MFI-Oticon besseren automatischen Streaming-Komfort...
b) ich könnte vom HGA sämtliche Parameter (und die Wipptasten-Belegung) des Bluetooth-Streaming-Modus exakt so einstellen lassen (falls das überhaupt vollständig geht), wie das im "normalen" AutoSense-Modus der Fall ist. In diesem Fall, wenn das so gehen würde, würde die automatische Umschaltung des Marvel in den Streaming-Modus zwar passiren, aber ich würde sie garnicht bemerken. Welche potenziellen Nachteile diese Art der Umgehung eventuell wiederum hätte, kann ich mangels Ausprobieren jetzt nicht sagen, aber es würde mich wundern, wenn es keine gäbe... Denn sonst wäre der Streaming-Modus ja nicht von vornherein per Default ganz anders parametriert...
Immerhin muss ich feststellen, dass nach jetzigem Einschätzungsstand für mich als iPhone-Benutzer ein stinknormaes MFI-Hörgerät diese Art von Problemen zumindest nicht hat.
Wie man sich vorstellen kann, bin ich ziemlich am Grübeln...
P.S.: über Entsprechendes im Zusammenwirken des Marvel mit Android-Telefonen kann ich natürlich nicht berichten. Aber es würde mich verdammt wundern, wenn es da nicht auch Artverwandtes gibt... Vermutlich fällt das den Android-Usern beim frühen Ausprobieren auch erstmal nicht auf, so wie es bei mir ja auch gewesen war...