Unbehaglichkeitsschwelle definieren?

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thegrobi
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Unbehaglichkeitsschwelle definieren?

#1

Beitrag von thegrobi »

Hi zusammen,
obwohl ich seid zig Jahren selbst meine Phonaks einstelle, bin ich mir letztendlich nicht sicher, ob etwas mehr Verstärkung drin wäre.
Die Unbehaglichkeitsschwelle hatte ich immer so gewählt, dass ich die jeweilige Frequenzlautstärke nicht für längere Zeit höhren "möchte".
Ohne Probleme gingen aber noch 5-10 dB mehr für alle Frequenzen, ohne richtig unangenehm zu klingen. Im realen Leben beträfe es ja wahrscheinlich nur laute kurze Tonspitzen.
Wie definieren Profis (wo ich seid zig Jahren nicht mehr war) die jeweiligen Level, bei dem der Patient die Hand heben soll: Jetzt !!!
Kann man "Unangenehm" irgendwie etwas anschaulicher beschreiben?

Möglicherweise habe ich durch meine jahrelang eher vorsichtige Programmierung weitere Hörschädigungen hinausgezögert.
Jetzt könnte ich jedoch mehr Power brauchen, möchte aber eben auch nichts riskieren.
Ohrenklempner
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Re: Unbehaglichkeitsschwelle definieren?

#2

Beitrag von Ohrenklempner »

"Unbehaglich" ist tatsächlich kein treffender Ausdruck für diese Schwelle. Morgens um acht finde ich 75 dB schon recht unbehaglich. Abends um neun im Proberaum macht's hingegen ab 80 dB erst Spaß. :D
Ich sage meinen Kunden, dass wir jetzt mit lauteren Tönen messen. Die Töne werden laut und werden sehr laut, und wenn es dann zu laut wird, bitte "Jetzt" sagen (oder Knöpfchen drücken), dann nehme ich den Ton sofort weg.
Das funktioniert so ganz prima.
Mukketoaster
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Re: Unbehaglichkeitsschwelle definieren?

#3

Beitrag von Mukketoaster »

Mach bis du es nicht mehr aushalten magst. So schnell machste damit nichts kaputt, wenn du den Ton dann schnell wieder wegnimmst.
akopti
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Re: Unbehaglichkeitsschwelle definieren?

#4

Beitrag von akopti »

Der Vorteil beim Gang zum Profi ist nicht nur die passende Einweisung, sodern dass der Akustiker seinem Probanden bei der Messung ins Gesicht sieht und da auch eine Reaktion ablesen kann.

Gruß
Dirk
Ohrenklempner
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Re: Unbehaglichkeitsschwelle definieren?

#5

Beitrag von Ohrenklempner »

akopti hat geschrieben: 1. Nov 2022, 11:45 Der Vorteil beim Gang zum Profi ist nicht nur die passende Einweisung, sodern dass der Akustiker seinem Probanden bei der Messung ins Gesicht sieht und da auch eine Reaktion ablesen kann.
Auf jeden Fall! Die "richtige" Unbehaglichkeitsschwelle erkennt man am Gesichtsausdruck des Testsubjekts. :D
Man braucht die Probanden eigentlich gar nicht einzuweisen. Einfach Pegel erhöhen, und wenn sich die Gesichtsmuskeln verziehen, ist es die U-Schwelle. :D
Ist natürlich nur Spaß.
Chocolate
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Re: Unbehaglichkeitsschwelle definieren?

#6

Beitrag von Chocolate »

Ich glaube da kann man nicht wirklich gut genau definieren, da für die einen die Schwelle dort liegt, wo es schmerzhaft wird, und für andere schon dort wo sie es einfach nicht mehr haben mögen. Unbehaglichkeit ist sehr subjektiv.
Beidseits mittlerweile hochgradig bis an Taubheit-grenzend SH
(Progredient, "Badewannen"kurve)
Versorgt mit (re) Marvel CI von AB 03/23 und (li) Phonak Naida Link M
Ohrbert
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Re: Unbehaglichkeitsschwelle definieren?

#7

Beitrag von Ohrbert »

Die Frage ergibt für die Anpassung schon Sinn. Aus der Hörkurve, Anpassformel und eben Unbehaglichkeitsschwelle wird von der Anpasssoftware eine Verstärkung vorausberechnet. Wenn man es bei der Unbehaglichkeitesschwelle zu bequem macht dann verschenkt man durchaus Spielraum wo man sonst vielleicht noch eine bessere Sprachverständlichkeit erreichen könnte. Oder einen besseren Klang wegen weniger Kompression.
Phonak P70
Mukketoaster
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Re: Unbehaglichkeitsschwelle definieren?

#8

Beitrag von Mukketoaster »

Also prinzipiell ist es oft wirklich so, dass die Kunden zu früh reagieren. Oftmals weil sie den Ton an sich nicht mögen. Die Augenlidreaktionb ist tatsächlich oftmals ein besserer Indikator.... Ein Dozent sagte mal zu mir, unter 95dB HL brauchste nix glauben.
Ohrenklempner
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Re: Unbehaglichkeitsschwelle definieren?

#9

Beitrag von Ohrenklempner »

Der beste Indikator ist der Schreireflex. :D
thegrobi
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Re: Unbehaglichkeitsschwelle definieren?

#10

Beitrag von thegrobi »

Aus euren Antworten schließe ich, dass ich um einiges lauter Stellen kann.

Von angrenzendem Schmerz oder Augenlidreaktion bin ich weit entfernt. Ich stoppe dort, wo ich einen durchgehenden Ton in der entsprechenden Lautstärke nicht hören möchte. Z.B. weil ich eine Art Oberton wahrnehme.
Das sind durchschnittlich ca. 20-30 db über Audiogramm.
Was habt ihr für einen Nutzbereich (gerade Hörbar - Unbehaglich)?
Unbehaglichkeitsschwelle ändert sich bei mir auch nach Tagesform schon mal um 5-10 dB, obwohl das Audiogramm über Monate vergleichbar bleibt.

Ab wann geht es denn um Gefährdung der noch intakten Sinneszellen? Gibt es dafür Forschungsergebnisse mit dB-Werten?
Dani!
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Re: Unbehaglichkeitsschwelle definieren?

#11

Beitrag von Dani! »

Bei mir ist je nach Frequenz bei 100-105 dB Schluss. Bei 1kHz hatte ich einen Dynamikbereich von 25dB. Bei 2kHz nur 15dB. Das war schon nicht mehr brauchbar. Bei 3kHz trat kräftiger Schwindel ein, bevor ich den Ton bei 110dB hörte. Für Rabdolf das Todesurteil, weil ich damit seit 2006 nienals in der Lage war, seinen Feuermekder zu hören (auch wenn er stets Rauchwarnmekder meinte.

Die U-Schwelle wird in mit Abstabd meisten Fällen nicht bzw nur extrem kurz erreicht. Bei dieser Schwelle erhälst du im Alltag keinen Dauerton. Solange kurze pieks erträglich sind, ist die Schwelle noch zu niedrig eingestellt. Damit verschenkst du Dynamik in lauter Umgebung bzw wenn jenand sehr laut spricht, dann verzerrt das HG mit zu niedrigem U-Wert.
Dominik
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Rondomat
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Re: Unbehaglichkeitsschwelle definieren?

#12

Beitrag von Rondomat »

Hallo Grobi,

Deine Frage war die Frage zu Forschungsergebnissen bei der Gefährdung der noch intakten Sinneszellen, da habe ich einen, wie ich finde, gut beschreibenden Link dazu:

https://www.umweltbundesamt.de/themen/v ... horschaden

Es gibt schon einige Richtlinien und (Warn-)hinweise dazu. Es gibt ja leider keinen Weg zurück, wenn die Sinneszellen ihren Dienst versagen, weil die Lärmeinwirkung oder ein sonstiges schädigendes Hörereignis zu viel war.
Viele Grüsse, Rainer
_________________________________ Ich habe dauernd Med-el's im Kopf ....
thegrobi
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Re: Unbehaglichkeitsschwelle definieren?

#13

Beitrag von thegrobi »

Rondomat hat geschrieben: 3. Nov 2022, 21:34Deine Frage war die Frage zu Forschungsergebnissen bei der Gefährdung der noch intakten Sinneszellen, da habe ich einen, wie ich finde, gut beschreibenden Link dazu:

https://www.umweltbundesamt.de/themen/v ... horschaden
Danke für den Link.
Ich habe mich wahrscheinlich missverständlich ausgedrückt.
Ich meinte eigentlich eine Art Untersuchung speziell zur Schädigung der noch intakten Sinneszellen bei Hörgeschädigten durch Hörgeräte.
So etwas z.B.

Ich habe vor der weiteren Schädigung meiner Sinneszellen durch zu laute HGs grossen Respekt.
Deshalb stelle ich recht vorsichtig die UHS ein, könnte aber (so wie ich euch deute), mutiger sein und dadurch besser Hören.
Mir wäre wohler, wenn das anhand Fachwissen (also z.B. Forschung) definiert würde, ab wann es für Hörgeschädigte mit Hörgeräten (nicht Lärm für Normalhörende) kritisch wird.
Dani!
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Re: Unbehaglichkeitsschwelle definieren?

#14

Beitrag von Dani! »

Bei Innenohrschwerhörigkeit gelten meines Erachtens dieselben Grenzen für Lärm wie für Normalhörige. (Anders bei Schallleitungsschwerhörigkeit, die sind toleranter)
In der Tat reagieren Hörgeschädigte meist umso empfindlicher, je höher der Hörverlust. Dies führe ich auf die nachlassende dämpfende Wirkung der äußeren Hörzellen zurück, die geschädigt sind. Solange es für das Ohr also behaglich ist, kann man die HG Leistung ausreizen. Wird's unangenehm, dann ist das HG zu laut für den dauerhaften Einsatz.


Zu diesem Thema habe ich vor Jahren schon mal einen treffenden Beitrag gelesen, dessen Autor ich nicht kenne:
Gast hat geschrieben: Aber... man kann das ganze auch etwas philisophisch sehen. Welchen Grund hättest du, dein Gehör zu schonen? Den, dass du etwas Hören und am Leben teilhaben kannst, vermute ich.

Wenn Du nun auf die HG verzichtest, kannst du das nicht (oder nur sehr eingeschränkt). Das heißt, im Versuch den Gehör zu schonen, nimmst du den befürchteten Zustand, nämlich nichts zu verstehen, bereits vorweg. Wenn sich nun Dein Gehör trotzdem weiter verschlechtert, hast du "freiwillig" auf das Hören zu einer Zeit verzichtet, als es noch irgendwie möglich gewesen wäre.

Bei aller Zukunft darf man auch die Gegenwart nicht vergessen...
Dominik
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Vorsicht bissig.
Ohrenklempner
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Re: Unbehaglichkeitsschwelle definieren?

#15

Beitrag von Ohrenklempner »

Mein Audiologielehrer hat damals gesagt: Rehabilitation geht vor Haarsinneszellenverlust.
thegrobi
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Re: Unbehaglichkeitsschwelle definieren?

#16

Beitrag von thegrobi »

Dani! hat geschrieben: 4. Nov 2022, 08:57Zu diesem Thema habe ich vor Jahren schon mal einen treffenden Beitrag gelesen, dessen Autor ich nicht kenne:
Gast hat geschrieben: ...
Wenn Du nun auf die HG verzichtest, kannst du das nicht (oder nur sehr eingeschränkt). Das heißt, im Versuch den Gehör zu schonen, nimmst du den befürchteten Zustand, nämlich nichts zu verstehen, bereits vorweg. Wenn sich nun Dein Gehör trotzdem weiter verschlechtert, hast du "freiwillig" auf das Hören zu einer Zeit verzichtet, als es noch irgendwie möglich gewesen wäre.
...
Ist was dran, aber dennoch nicht auf mich zutreffend:
In dem Zitat geht es scheinbar um Verzichten vs. Verwenden von HGs.
Ich verstehe meine Gegenüber mit Hörgeräten ja (trotz moderater UHS).
Ich kann mir allerdings vorstellen, dass "Verstehen" noch besser geht, mit lauterer UHS.
Den momentanen (nicht perfekten, aber akzeptablen) Zustand möchte ich nicht schneller schwächen, als notwendig. Das passiert mit den Jahren eh schon von allein.

Ich bin Badmintontrainer.
In den Hallen entstehen teilweise sehr laute Impulstöne (Schläge, Schuhquietschen, Rufe). Auch dort habe ich Bedenken, ob meine HGs (bei hoher UHS) schnell genug abregeln.

Info:
Ich habe heute meine UHS ca. 5 dB lauter (noch weit weg von Schmerz) justiert als sonst:
Stimmen und Radio scheinen in der kurzen Testphase besser verständlich. Werde ich weiter beobachten.
Ohrbert
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Re: Unbehaglichkeitsschwelle definieren?

#17

Beitrag von Ohrbert »

Du könntest dir ja für die Umgebung wo du mit erhöhtem Impulsschall rechnest (Badmintonhalle) ein eigenes Programm einrichten wo du die Verstärkung für laute Geräusche etwas zurücknimmst. Dann würdest du in "normalen" Umgebungen vom erweiterten Anpassbereich profitieren.
Phonak P70
Ohrenklempner
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Re: Unbehaglichkeitsschwelle definieren?

#18

Beitrag von Ohrenklempner »

Man sollte berücksichtigen, dass ein Hörgerät nicht einfach nur lauter macht. Der Dynamikbereich der Umgebung (leise bis laute Geräusche) wird in die Restdynamik des geschädigten Gehörs komprimiert. Leisere Töne werden verstärkt, damit sie hörbar werden, lautere Töne nicht, da sie eh hörbar sind. So eine Kompression ist besonders sinnvoll bei Hochton-Hörschädigungen, da durch die Verstärkung der leisen hohen Töne die Konsonanten in der Sprache wieder hörbar werden und dadurch die Sprachverständlichkeit steigt. In den tiefen Tönen ist es so, dass eher wenig komprimiert werden sollte, weil in lauten Umgebungen das Klangbild dadurch unruhiger und Sprache schlechter verständlich ist. Summa summarum gibt ein Hörgerät nur das, was tatsächlich gebraucht wird. Bedenken hinsichtlich einer stärkeren Lärmbelastung und zunehmender Schädigung sind grundsätzlich nicht verkehrt. Erst wenn die Hörgeräte dauerhaft Pegel von über 80 dB am Ohr erzeugen, steigt das Risiko einer zunehmenden Hörschädigung.
Bei der Abregelung von Impulsgeräuschen (Schuhquietschen und Rufe gehören übrigens nicht dazu ;) ) und der MPO-Einstellung musst du übrigens keine Sorgen haben. Diese Mechanismen arbeiten "schneller als der Schall". Das Hörgerät wird also nie lauter als die MPO es erlaubt, auch nicht kurzzeitig.
thegrobi
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Re: Unbehaglichkeitsschwelle definieren?

#19

Beitrag von thegrobi »

Ohrbert hat geschrieben: 4. Nov 2022, 12:23 Du könntest dir ja für die Umgebung wo du mit erhöhtem Impulsschall rechnest (Badmintonhalle) ein eigenes Programm einrichten wo du die Verstärkung für laute Geräusche etwas zurücknimmst. Dann würdest du in "normalen" Umgebungen vom erweiterten Anpassbereich profitieren.
Gute Idee. Habe mir eh schon ein manuelles Sportprogramm eingerichtet, welches ich aktiviere, wenn die Automatik zu viel regelt.
Ohrenklempner hat geschrieben: 4. Nov 2022, 12:29 Erst wenn die Hörgeräte dauerhaft Pegel von über 80 dB am Ohr erzeugen, steigt das Risiko einer zunehmenden Hörschädigung.
Bei der Abregelung von Impulsgeräuschen (Schuhquietschen und Rufe gehören übrigens nicht dazu ;) ) und der MPO-Einstellung musst du übrigens keine Sorgen haben. Diese Mechanismen arbeiten "schneller als der Schall". Das Hörgerät wird also nie lauter als die MPO es erlaubt, auch nicht kurzzeitig.
Danke, das sind wichtige Infos. Die HGs reagieren also schneller als ihr Schatten (Lucky Luke), oder zumindest schneller als seine Knarre Peng macht. 8-)
Ohrenklempner
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Re: Unbehaglichkeitsschwelle definieren?

#20

Beitrag von Ohrenklempner »

Ja, sozusagen! :D
hkg
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Re: Unbehaglichkeitsschwelle definieren?

#21

Beitrag von hkg »

Ih habe beim M Hörer bisher noch nie eine U-Schwelle eingerichtet, beim P Hörer würde ich das aber auch empfehlen.
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