Lesen lernen

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soso-md
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Lesen lernen

#1

Beitrag von soso-md »

Hallo zusammen!

Ich beschäftige mich zur Zeit, wie wir das Lesen gelernt haben.
Wir haben ja eine Lautbasierte Schrift, also schreiben die Wörter so, weil sie beim Aussprechen Sinn machen.

Aber macht das das Lesen und Schreiben lernen für schwerhörige und Gehörlose Menschen nicht schwerer?
Hat jemand von euch Lust seine oder ihre Erfahrungen zu teilen? Wisst ihr noch, wie das für euch war, Lesen und Schreiben zu lernen?
Oder hat jemand Kinder, die (gerade) Lesen lernen und so Einblicke?

Würde mich sehr über Austausch freuen (:

Liebe Grüße,
Sophie
servus
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1

Re: Lesen lernen

#2

Beitrag von servus »

Ohne eine Doktorarbeit zu schreiben, Folgendes: Lesen lernen ist immer ein Code. Es gibt phonetische, syllabische und piktografische Systeme. Das Alphabet ist ein phonetisches System. Man lernt ein Symbol mit einem Laut (Mitlaut oder Selbstlaut) zu verknüpfen. Schwerhörige Menschen lernen das Lesen wie hörende. Gehörlose Menschen lernen den Wert der Symbole, indem sie die jeweiligen Mundstellungen sichten und nachahmen. Nur die wenigen Menschen, die blind und gehörlos sind, stehen vor besonderen Schwierigkeitem. Manche lernen das Schreiben dennoch. Siehe Helen Keller. Da dienen die Hände quasi als Augen.

Also, ich habe die Sache einfach erklärt. Natürlich ist der Prozess langwierig und erfordert viel Übung - egal ob man gut oder schlecht hört. Dazu gibt es Unterschiede in der Orthographie verschiedener Sprachen. Irisch und Schottisch aber auch Englisch und gewissermaßen Schwedisch verwenden oft eine historische Schreibart. Aus diesem Grund lernt man Sonderregeln. Damit ist die kurze Erklärung zu Ende.

Servus
cleo99
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Re: Lesen lernen

#3

Beitrag von cleo99 »

Ich habe schon an einigen Stellen, vA wenn es um schwerhörige Kinder ging, immer wieder deponiert, dass das Lesen für Schwerhörige ganz wichtig ist, um wiederum dadurch die Sprache viel besser zu verstehen und auch zu schreiben können, da vieles ja nicht oder falsch gehört wird. Ich bin selbst hochgradig schwerhörig und konnte als Kind bereits mit 4 Jahren lesen, und hatte zu dem Zeitpunkt noch keine HG. Ich war aber anscheinend genau aufgrund dessen sehr auf Visuelles fokussiert und nützte daher das Lesen im vollem Umfang. Rückblickend betrachtet bin ich mir zu 100% sicher, dass mir das beim indirekten Sprachverständnis und in weiterer Folge auch bei meinen Rechtschreibkenntnissen enorm geholfen hat. Viele Worte kann man dann anhand des Geschriebenen erklären.
Daher bin ich eine große Verfechterin davon, dass schwerhörige Kinder so früh wie möglich lesen lernen, da ihnen das Gelesene sehr viel an Information über die Sprache vermittelt. Und auch danach im Idealfall regelmäßige Leser bleiben.....
Pedigr - ohr
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Re: Lesen lernen

#4

Beitrag von Pedigr - ohr »

Liebe Cleo99,
ich finde das Thema, wie wir Lesen und Schreiben erwerben auch sehr interessant. Nicht nur für Schwerhörige Kinder kann es da zu Störungen kommen, wie bei LRS. Da ist ja ursächlich eine genetische Komponente, und allgemein ist eine Sprachentwicklungsverzögerung eine mögliche Ursache.

Ich weiß auch, dass wir, wie schon geschrieben wurde, eine phonetische/klangliche Komponente nutzen, wir erlernen, dass es die einzelnen Laute gibt. Und wir lernen die visuelle Seite, die Buchstabengestalt dazu.
Die Idee, schwerhörige Kinder früh an Schriftsprache heranzuführen finde ich sehr sinnvoll, allerdings nur bei spielerischer Herangehensweise, das Kind soll selbst motiviert sein, und durch ansprechendes Lernmaterial angeregt und nicht drangsaliert werden.
Ich denke wie Servus angab, dass auch Schwerhörige sich auf den Klang (auch schwächer klingend) stützen, anders wäre dieser Prozess nur fehlerhaft zu bewerkstelligen, oder mit viel mehr Mühe, wie mit zusätzlicher Merkhilfe wie Gebärden.
Das soll aber nicht Gebärden in schlechtes Licht rücken-
sie sind eine wichtige Stütze für manche beim Lesenlernen (Lautgebärden z. B. in der Schule),
und, um nicht negativ zu klingen, falls gebärdensprachkompetente Menschen das so verstehen könnten, wir alle nutzen oft Gestik beim Sprechen. Also sind Gebärden vielleicht ein grundsätzlicher Teil von Kommunikation?

Ich freue mich, wenn noch mehr zu dem Thema diskutieren würden, Lesen und Schreiben sind so eine tolle Gabe, Tiere würden uns darum beneiden!
Und Kinder lernen sie sehr gerne, und machen sie hinreißende Schreibfehler! Die man am liebsten nie verbessern würde.

Mit freundlichen Grüßen,
Pedigr-Ohr
cleo99
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Re: Lesen lernen

#5

Beitrag von cleo99 »

Lieber Pedigr-ohr,

natürlich meine ich eine kindgerechte Herangehensweise beim Lesenlernen, klar. Und es gibt auch genug Kinder, die gar nichts dagegen haben und selbst lesen wollen... ich habe das Lesen auch nicht unter Anleitung meiner Eltern gelernt (zu dem Zeitpunkt war meine Schwerhörigkeit außerdem auch noch nicht einmal verifiziert und gab es für sie aus diesem Grund gar keinen Anlass), sondern geschah es im Zuge meiner täglichen Spaziergänge in die Stadt mit meinem Urgroßvater, der mir immer die Namen von den Geschäften in der Stadt vorlas und mir die Buchstaben über den Geschäften zeigte. Mein Eltern kamen dann bald zufällig darauf, dass ich die Buchstaben fast alle kannte, es fehlten nur mehr xy, und von da an bekam ich noch mehr Bücher, aber zum Selberlesen. Das war es eigentlich...
Pedigr - ohr
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Re: Lesen lernen

#6

Beitrag von Pedigr - ohr »

Das ist ja super, eine natürliche Lesebegabung, bei Dir also ohne Bücher oder Buchstabenkindertafeln o.Ä, nur mit einem geduldigen Uropa. Sehr schön! Und ich wollte nicht davon abraten, Kindern Schriftsprache auf eigenen Wunsch hin nahezubringen, wollte nur nicht, dass Eltern falschen Leistungsdruck aufbauen mit evtl. chinesisch und Schriftsprache lernen als "Kinderkurse" (die Hochbegabten sicher gefallen, weniger lernschnellen KIndern aber die Kindheit rauben).
Danke, dass Du beweist, dass Lesenlernen den meisten Kindern vermutlich von sich aus gefällt.

Mit verregneten Grüßen,
Pedigr - Ohr
Pedigr - ohr
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Re: Lesen lernen

#7

Beitrag von Pedigr - ohr »

Liebe Interessierte,

ich schätze den Beitrag, dass Lesenlernen eine Hilfe für den Spracherwerb bei gerade schwerhörigen Kindern ist.

Nur wollte ich anmerken, dass ich schon große Unterschiede bei Kindern erlebt habe in Bezug auf das Lerntempo bei der Sprache, unabhängig von einer Schwerhörigkeit allerdings. Manche lernen scheinbar mühelos zwei Sprachen zuhause, vermutlich tragen die Eltern mit gutem Sprachvorbild und dem Interesse des Kindes angepasstem "Input" dazu bei. (also: regelmäßig, und auch Vorlesen, und lange Zeit nur in einer Sprache, oder z.B. eine Person eine Sprache, eine andere die zweite Sprache, oder über eine externe Person)
Sodass ich schätze, dass manche Kinder schneller auch die Schriftsprache erlernen, und ich möchte nur verhindern, dass irgendwer für das Kind unnötigen Druck erzeugt.

Mit freundlichen Grüßen
Pedigr-Ohr
soso-md
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Re: Lesen lernen

#8

Beitrag von soso-md »

Hallo!

Das ist ja richtig cool cleo99 :) Meine Mutter ist Erzieherin mit Schwerpunkt Sprachförderung und hat so schon früh bei mir drauf geachtet, dass ich lesen lerne.

Ich frage mich jetzt, wie das wohl bei Kindern ist, die vielleicht weniger familiäre Unterstützung haben oder nicht so großes Interesse am Lesen zeigen. Fallen die dann einfach durchs System? Oder denkt ihr, die Förderung in der Schule reicht aus, um den Kindern lesen beizubringen? (Glaube ich aber nicht, da ist die individuelle Förderung ja meist nicht möglich, vor allem wenn das Kind durch Schwerhörigkeit extra Bedarf hat).

Denkt ihr Websites oder Apps könnten solche Kinder abholen?

Liebe Grüße,
Sophie
Pedigr - ohr
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Re: Lesen lernen

#9

Beitrag von Pedigr - ohr »

Ich bin gespannt auf die Einschätzung von vielen hier - ich könnte mir vorstellen, "dauer-medial-bespaßte Kinder" sehen fatalerweise keine Notwendigkeit, wichtige Vorläuferfähigkeiten zum Schriftspracherwerb wie Zeichnen, Basteln etc. (Auge-Hand-Koordination, für die Stiftführung), oder in anderen Bereichen (mit anderen kommunizieren, Ideen entwickeln, argumentieren, sich längere Zeit auf etwas konzentrieren - alles schulrelevant) zu entwickeln. Da gibt es vielleicht Kinder, die den Fernseher, das Handy links liegen lassen, aber andere bräuchten elterliches Hinführen zu "aktiven" Hobbies/kindgerechten Tätigkeiten.
Und damit bin ich vom Thema "Lesenlernen" noch etwas abgeschweift, oder nicht zu sehr?
Was sagen andere dazu?
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