Quasi tauber Sohn

Hier kann man sich vorstellen oder eigene Erlebnisse berichten
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Wullewux
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Quasi tauber Sohn

#1

Beitrag von Wullewux »

Hallo!
Bevor ich in Unterforen mit einigen Fragen loslege, was mich gerade an Formalkram nervt und weswegen ich auf dieses Forum gestoßen bin, möchte ich mich hier mal kurz vorstellen.
Bei unserem Sohn wurde mit dem Neugeborenenhörscreening und anschließender BERA (im Alter von 3 Wochen - im Nachhinein absurd früh - und im Alter von 3 Monaten) Taubheit rechts, an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit links diagnostiziert.
Genauer laut Bericht (Uniklinik Münster):
Click-Schwellen rechts ipsi- und kontralateral >100dB, links 100dB ipsilateral, >100dB kontralateral;
ASSR-Messung 500Hz rechts 80dB, links 75dB
1000Hz rechts 90dB, links 90dB
2000Hz rechts >100dB, links 90dB
4000Hz rechts >100dB, links 100dB
Auf gut deutsch: er hört nicht viel. Deswegen ist er jetzt beidseitig mit Power-HG versorgt und die Empfehlung, dass wir ihm im Alter von 9 Monaten, zunächst rechts, später auch links, CIs implantieren lassen. Demnächst haben wir dazu ein genaueres Beratungsgespräch.
Ich bin von der Technik des CIs ganz schön verblüfft/begeistert - hatte vorher gar nicht gewusst, dass es sowas gibt. Wovor ich Angst habe, sind die OP-Risiken, vor allem bei so einem Kleinen. Ich fühle mich gut beraten, dennoch wollen wir eine Zweitmeinung aus Hannover einholen, z.B. ob man auf eine Besserung hoffen sollte, ob der Zeitpunkt richtig ist, ob sie dort etwas Besseres können als in Münster, ob wirklich beide Ohren,... Wenn jemand von euch hier dazu etwas helfen kann, freue ich mich. Einige andere Fragen dazu habe ich schon in manchen Beiträgen hier gehört bzw. hoffe, bei dem Beratungsgespräch Näheres zu erfahren.
Das und wie wir jetzt am besten unseren Sohn fördern, sind eigentlich die Fragen, die uns gerade beschäftigen sollten.
Aber neben diesen Gedanken, sind wir gerade von Behörden unglaublich genervt: Beihilfe und Krankenkasse nerven, die Stadt stellt uns einen falschen Schwerbehindertenausweis aus und man muss überall hinterher telefonieren. Dazu schreibe ich gleich noch zunächst mal zum GdB und den Merkzeichen und zur Genehmigung von Tommys Gebärdenwelt in den entsprechenden Unterforen.
So viel erstmal hier.
Vera
Zuletzt geändert von Wullewux am 9. Jun 2012, 19:13, insgesamt 1-mal geändert.
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fast-foot
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Re: Quasi tauber Sohn

#2

Beitrag von fast-foot »

Hallo VeraK,

herzlich willkommen hier!

Wichtig zu wissen ist, dass gerade bei Kleinkindern

1. eine zuverlässige Eruierung des Hörvermögens nicht möglich ist

2. die Hörfähigkeit (in Bezug auf die retrocochleären Hörbahnen) sich erst entwickelt und

3. reversilbe Schallleitungskomponenten häufig sind

Zunächst sollte abgeklärt werden, wie hoch der Anteil ist, der auf die Knochenleitung entfällt. Wurde eine Tympanometrie durchgeführt? Wie sehen die Resultate aus?
Angesichts des Neugeborenenscreenings gehe ich eher von auffällgen Werten bei den TEOAEs aus. Trotzdem: Wie sehen die aktuellen Messungen aus (je nach Tympanometrie sagen sie etwas anderes aus)?

Wurde eine Reflexaudiometrie durchgeführt?

Die ASSR ist ein einigermassen zuverlässiges Verfahren; trotzdem ist nicht klar, wo die Verluste entstehen.

Paukenergüsse und noch ausstehende Reifung der retrocohleären Hörbahnen können einen ganz schönen, verbesserungsfähigen Anteil ausmachen, und sollte eine zusätzliche Schallleitungskomponente vorhanden sein, wäre ein CI nicht indiziert.

Zum jetzigen Zeitpunkt kann man also nicht so viel sagen. Ich würde eine Zweituntersuchung (unter Ausschöpfung möglichst aller diagnostischer Möglichkeiten; also auch Knochenleitungs-ASSR/BERA, ev. DPOAEs und eine Elektrocochleographie) durchführen lassen.

Eine Hörgeräteanpassung ist frühestens im Alter von etwa 6 Moaten - bei möglichst genauer Kenntnis der Hörstörung - angezeigt, um die Hilfsmittel optimal anpassen zu können.

Jetzt ein CI zu empfehlen, macht keinen Sinn, da man zu diesem Zeitpunkt zu wenig weiss. Als Option kann man es ins Auge fassen, je nachdem, was eine umfangreiche Diagnostik ergibt und wie sich das Hörvermögen insgesamt weiter entwickelt. Sollte eine hohe Schallleitungskomponente von 50 dB vorliegen, kann man schon jetzt sagen, dass ein CI nicht indiziert ist, nur als Beispiel.

Bei Fragen einfach melden (klingt vielleciht alles etwas kompliziert; ich schreibe so, wie es für mich am einfachsten und wenigsten zeitaufwändig ist).

Gruss fast-foot
Zuletzt geändert von fast-foot am 9. Jun 2012, 21:18, insgesamt 1-mal geändert.
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Tina-Sarah
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Re: Quasi tauber Sohn

#3

Beitrag von Tina-Sarah »

Hallo VeraK

Herzlich willkommen hier im Forum !!

ich rate euch in Sachen der CI-OP aus eigener Erfahrung von der Uniklinik Münster ab. Wir mussten dort OP-technisch leider sehr schlechte Erfahrungen machen. du kannst mich gerne anmailen wenn du näheres wissen möchtest.

Fahrt auf jeden Fall nach Hannover zwecks einer Zweitmeinung !!

Wo kommt ihr her ?
Liebe Grüße von Tina mit Sarah (* 09.04.03);Waardenburgsyndrom bds.hochgr. sh; 1. CI seit 04/07 aktiv; 2. CI seit 02/08 aktiv
Carina (*24.09.05);Spitzenlauscher
Wullewux
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Re: Quasi tauber Sohn

#4

Beitrag von Wullewux »

Hallo fast-food, hallo Tina,

Vielen Dank für eure Antworten! Das klingt ja beides sehr interessant.
Da ist nach den ausführlichen Infos noch einiges auf meiner Frageliste für unser nächstes Arztgespräch hinzugekommen. Vielleicht haben sie manches schon gemessen oder geplant, aber das sollten wir nochmal genau erfragen.

LG,
Vera
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Momo
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Re: Quasi tauber Sohn

#5

Beitrag von Momo »

hallo vera

erstmal willkommen hier im forum.
interessant könntest du vielleicht folgenden link finden. dort findest du auch einen artikel zum spracherwerb bei ci kindern, aus dem u.a. hervorgeht, dass es nicht unbedingt nötig ist ein so kleines baby schon zu implantieren.
gut ist, wenn er seine hg trägt, um ggf. die hörbahnen übehaupt "anzuregen".

fördern? nun ich würde sagen seid einfach ganz normal zu ihm: redet mit ihm, zeigt ihm die welt , singt ihm vor und nutzt natürliche mimik und gestik.

wo man dann, wenn überhaupt operieren lässt ist sicher bauchgefühl. hannover hat sicher die meiste erfahrung. allerdings ist es dort auch so, dass sie recht "radikal" sind, d.h. sie neigen nciht dazu erstmal hgs eine chance zu geben, implantieren sehr früh (ab ca. 6 monaten) und dann auch fast immer gleich beide seiten. andere kliniken sind da vielleicht etwas zurückhaltender.
muss man halt selber wissen was besser zu einem passt.
münster kenne ich nicht, aber ich kenne tina-sarahs geschichte. generell kann ich nur empfeheln auch kontakt zu anderen eltern zu suchen, um sich zu informieren.
eine zweite meinung zum ausmaß de hörschädigung kann man sich in münster auch bei einem niedergelassenen pädaudiologen holen.

außerdem solltet ihr kontakt zur zuständigen sh schule suchen, um frühförderung/ beratung zu bekommen.

was für hörgeräte testet ihr denn gerade?

grüße
Wiebke und Sohn (fast 21 Jahre) mit 1 HG und 1 CI
Momo
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Re: Quasi tauber Sohn

#6

Beitrag von Momo »

Wiebke und Sohn (fast 21 Jahre) mit 1 HG und 1 CI
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Re: Quasi tauber Sohn

#7

Beitrag von Wullewux »

Hallo Momo,

er hat Oticon Safari 900 SP.

Ob wir mit den HG die Hörbahnen gerade anregen, weiß ich nicht. Wirkliche Reaktionen zeigt er nicht, vor allem wenn man andere Babies in seinem Alter als Vergleich mitbekommt. Und ich will nicht warten, ob er/bis er nicht sprechen lernt. Ich finde es unglaublich schwer zu wissen, ob sich da noch was tun kann an dem Hörvermögen. Wenn nein, dann doch lieber möglichst früh CI. Wenn ja, dann wäre das was ganz anderes. Mal sehen was Hannover sagt.
Beim niedergelassenen Pädaudiologen waren wir zur Erstdiagnose - und betreten die Praxis nie wieder...

Die Broschüre hat unsere Frühförderung mitgebracht, trotzdem danke für den Tipp. Vieles war interessant. Was mich aber ärgert, ist die einseitige Sicht darin einerseits, von Ärzten andererseits. Ärzte verkaufen das CI als Wunder- und Allheilmittel, aber das Heft war auch nicht das, was ich wollte. Für mich hat es sich zu dem Zeitpunkt gelesen als: Auch mit CI wird ihr Kind nicht sprechen lernen, also besser nicht implantieren. (Es hängt immer ab in welcher Stimmung ich gerade bin, wenn ich so einen Artikel lese. Darin stand schließlich, dass am wichtigsten die Hörerfahrungen vor der Implantation sind, und da gehe ich von quasi Null aus.) Das ist auch nicht feinfühlig. Wieso gibt es nicht mal einen Artikel, der vollkommen unvoreingenommen pro und contra CI darstellt?! Oder kenne ich den nur nicht? Man hat das Gefühl in die Front zwischen Ärzten und gebärdenden Gehörlosen geraten zu sein. Aber ich hole vielleicht etwas weit aus.

Aber aufgrund des Heftes will ich gebärden lernen, aber das soll für unseren Sohn auf jeden Fall nur zusätzlich zum Sprechenlernen sein. Ich habe das Gefühl, manches beobachtet er schon sehr genau, z.B. Licht aus/an.

Viele Grüße,
Vera
Anton (*Jan 2012) seit Geburt gehörlos, CIs bds. seit Nov 2012 (Cochlear)
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Re: Quasi tauber Sohn

#8

Beitrag von fast-foot »

Meine Sichtweise:
VeraK hat geschrieben:Ob wir mit den HG die Hörbahnen gerade anregen, weiß ich nicht. Wirkliche Reaktionen zeigt er nicht, vor allem wenn man andere Babies in seinem Alter als Vergleich mitbekommt.
Links kommt laut Hörtests bei "normal" eingestelltem Hörgerät mit genügend Power sicher auch im entscheidenden Hochtonbereich was an (ab leiser Sprache).
Es ist aber üblich, dass man zu Beginn nicht die volle Verstärkung ausfährt und erst mit der Zeit "aufdreht".
Und Kleinkinder reagieren erst auf akusische Reize, wenn sie relativ stark sind. Das heisst aber nicht, dass bei keiner sichtbaren Reaktion nichts in den retrocochleären Hörbahnen ankommt.
VeraK hat geschrieben:Darin stand schließlich, dass am wichtigsten die Hörerfahrungen vor der Implantation sind, und da gehe ich von quasi Null aus.
Es kommen viele Kinder mit hochgradiger Schwerhörigkeit mit Hörgeräten in die Lautsprache. Der akustische Input bei Deinem Kind ist links bei "normaler" Einstellung sicher bedeutend mehr als null.

Ich weise an dieser Stelle noch darauf hin, dass in diesem Forum von Kliniken schon oft eine baldige Implantation empfohlen wurde, wobei dies nicht befolgt wurde. Die Hörwerte waren dann nach einiger Zeit bereits deutlich besser und die Kinder erlernten die Lautsprache.
Dies muss natürlich nicht so sein. Aber man sollte mit dieser Möglichkeit rechnen.

Und wie (nochmals) gesagt, bei Eurem Kind ist nicht klar, wie sich die Schwerhörigkeit zusammen setzt (wie gross ist der Schallleitungsanteil). Oder wurde eine Knochenleitungs-BERA/ASSR durchgeführt?

Das verwendete Hörgerät dürfte ausreichend stark sein.

Gruss fast-foot
Zuletzt geändert von fast-foot am 11. Jun 2012, 02:12, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Quasi tauber Sohn

#9

Beitrag von Momo »

hallo vera

ja das hast du richtig erkannt.
als hörende eltern mit einem quasi gl kind ist man mitten drin in den frotnen von ci befürwortern und gegenrn
mittendrin in befürwortern vom nutzen von gebärden und gegenern, die den rein lautsprachigen ansatz vertreten.

unsere schwieirige aufgabe ist es dann anhand dieser ganzen einseitigen meinungen und empfehlungen und literatur uns eine meinung zu bilden.

es tut mir leid, wenn es so rüberkam, dass du warten sollst bis dein sohn nicht spricht. so war das überhaupt nicht gemeint und so steht es auch nicht im artikel von frau szagun.

trotzdem finde ich auch diesen sehr wichtig, denn bei vielen beratungen in ci kliniken wird den eltern gesagt, dass ihr kind mit ci ganz normal zurecht kommen wird, eine regelschule besuchen und normal sprechen lernen wird. es ist richtig, dass das in vielen fällen rechtzeitiger diagnose und guter förderung passiert, aber es gibt eben auch andere fälle. man weiß nicht warum, aner manche kinder lernen trotz früher implantation, guter förderung nicht "nomral" sprechen. wobei normal dehnbar ist... d.h. nicht, dass ich dir von einer op abraten würde oder dir angst machen will. ich möchte dich nru drauf hiwneisen, dass ein ci kein wundermittel ist.
auch mein sohn trägt ein ci. wir sind super zurfireden damit und er könnte sich ein leben ohne kaum vorstellen. trotzdem stößt auch er immer mal wieder an grenezen, z.b. auch in größeren gruppen.
du möchtest "neutrale" infos. die wirst du nicht finden, d.h. dir belbit nichts anderes als die ganzen nicht neutralen zu elsen, dich evtl. mit anderen (nicht neutralen) eltern und (nicht neutralen) frühförderern und klinken auszutauschen und dir deine meinung zu bilden, dir zu überlegen was passt zu uns, wie kann unser weg aussehen, was können wir uns vorstellen und was nicht.
hannover ist sicher eine gute klink, medizinisch gesehen. aber auch sie sind nicht neutral, denn sie haben ja ein interesse daran ci patienten zu gewinnen und sind bekannt dafür sehr schnell implantieren zu wollen, auch sehr junge kinder. das muss nciht schlecht sien, ich wollte dihc nur darauf hinweisen, dass es auch dort keine neutrale meinung/ aufklärung geben wird. andere kliniken sind dann eher zurückhaltend und vertreten eine andere ansicht.
was du dort sicher erhälst ist eine zweitmeinung zur diagnose bzw. eine bestätigung der diagnsoe.
was du dann damit anfängst wiederum musst du selber entscheiden.

neben der bereits vorhandenen broschüre "mein kind" kann ich dir noch das buch "diagnose hörgeschädigt" von karin kestner, oder aber "unser kind ist hörgeschädigt" von susanne diller empfehlen. beide verschaffen erstmal einen überblick über ausmaße von hörschädigung und untersuchungsmethoden.

zum thema ci gibt es auch bücher, die funktinsweise usw. erklären, müsste ich raussuchen. genauso zu (unterstützenden oder begleitenden) gebärden oder gebärdensprache.

wenn du mehr wissen möchtest, melde dich gerne.

mich würde interessieren (gern per pn und natürlich vertraulich) in welcher praxis ihr ward und was genau dich dazu bewegt zu sagen dort würdest du nie wieder hingnehen.

liebe grüße
Wiebke und Sohn (fast 21 Jahre) mit 1 HG und 1 CI
elpappo
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Re: Quasi tauber Sohn

#10

Beitrag von elpappo »

Liebe Vera,

erst einmal willkommen im Forum. Ich gucke leider nur sehr unregelmäßig in dies Forum (für mich bestand auch ein Teil meines persönlichen Lernerfolgs darin, Forumsmeinungen und die dort vertretenen Experten nicht zu wichtig zu nehmen), daher sehe ich dein Post erst jetzt. Ich kann es kurz machen, die Werte von unserer Kleinen (geb. Feb 2011) waren "Euren" sehr ähnlich, auch wir waren in einer Praxis eines Pädaudiologen, den wir in unserem Leben nie wieder sehen wollen und auch wir haben uns relativ früh mit Super Power HGs, CIs, Frühförderung, Gebärdensprache, Beihilfe und anderen Dingen rumschlagen müssen. Es gab schönere Zeiten in unserem Leben.

Wir haben uns nach langem Überlegen, Einholen von zwei Meinungen, viel Kontakt zu anderen Betroffenen (und zwar am besten persönlich, nicht per Internet) für eine OP unserer Kleinen im Alter von 9 Monaten entschieden. Gleichzeitig lernen wir DGS, haben eine gehörlose Frau kennen gelernt, die einmal die Woche kommt und mit der Kleinen (und meiner Frau - fantastisch, was die schon kann!) gebärdet und fördern unsere Kleine wie wir können.

Ich verstehe den grundsätzlichen Ansatz, es mit HGs auszuprobieren, völlig. Auch wir haben es probiert. Hörbahnreifung usw - das ist alles richtig. Wenn man aber über Monate keine Entwicklung sieht (also auch bei den 900 SP KEINERLEI Hörreaktion), dann ist es meines Erachtens nicht zu früh, sich auch mit CIs zu beschäftigen.

Leider hat Momo nach meiner Erfahrung völlig Recht: du wirst keine "neutrale" Information bekommen. Entweder kann man monetäre Interessen nicht ausschließen (die Ärzte und die "CI-Mafia"), oder aber du bewegst dich in dem sehr sensiblen Bereich zwischen Gehörlosenkultur und Mehrheitsgesellschaft (wenn ich das mal so beschreiben darf). Das ist alles super-komplex und meines Erachtens war es für uns das wichtigste, zum einen zu akzeptieren, dass unsere Tochter gehörlos ist und sich das auch grds. durch ein CI nicht (jedenfalls nicht garantiert und nicht jederzeit) ändert. Daher öffnen wir ihr zeitgleich den Weg in die Gebärdensprache. Zum anderen freuen wir uns jeden Tag über die Fortschritte unserer Kleinen mit ihren CIs. Es ist nunmal ein Wunder der Technik. Sie ist jetzt 16 Monate und sagt lautsprachlich u.a. "kikeriki" zum Hahn (oder jedenfalls was ziemlich ähnliches, auf jeden Fall ein "k" - man mache sich bewusst, wie schwer ein "k" zu hören ist!) und gebärdet, dass sie müde ist. Leider sind wir nun als hörende Eltern nicht bilingual, aber es wird schon werden, wir haben ja Zeit, lernen wir halt gemeinsam mit ihr 'ne Sprache! :)

Ich habe über unsere kleine Maus viele, viele kleine Kinder kennen gelernt, die früh implantiert wurden und - ich drücke mich hier extra bedacht aus - diese Erfahrungen sprechen insgesamt alles andere als gegen eine frühe Implantation. Meines Erachtens sagt innerhalb eines gewissen Fensters, in dem es objektiv kaum messbare Unterschiede gibt, der Zeitpunkt der Implantation in erster Linie etwas über die Eltern aus. Das war bei uns auch so. Eine Frage an dich: kennt Ihr den Grund für die Hörschädigung?

Zum Thema Hannover könnte ich viele Details sagen. Eine immense Erfahrung, absolut schlampig im administrativen Bereich (unglaublich, wirklich, was da abgeht, eine Rechtschreibprüfung haben die da z.B. auf ihren Systemen definitiv nicht), während der OP eine TOP-Betreuung und bis auf den einen oder anderen schnieken Ober- oder Assistenzarzt (vermutlich Geschmacksache) fühlten wir uns ärztlich auch top betreut. Unter anderem die OP-Risiken waren auch für uns für die Wahl des Implantats mit-entscheidend. Mehr Details gerne auf Nachfrage, denn das setzt gleich den nächsten Glaubenskrieg in Gang :)

Heute, etwas über ein Jahr 3 Monate nach der Diagnose, haben wir das Gefühl, wir haben alles oder jedenfalls fast alles richtig gemacht. Kaum zu glauben, dass wir so lange dachten, wir würden so viele Fehler machen.

Viele Grüße
El Pappo
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Wullewux
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Re: Quasi tauber Sohn

#11

Beitrag von Wullewux »

Hallo El Pappo, fast food, Momo & Co,

es tut richtig gut, eure Antworten zu lesen. Das zeigt irgendwie, dass es noch andere auf der Welt gibt, die sich mit solchen Problemen beschäftigen müssen, ähnliche Erfahrungen gemacht haben, wissen, was einen beschäftigt...

Bei uns ging es in den letzten zwei Tagen mit der Gehirnwäsche weiter. Aber vor allem mit vielen vielen neuen Infos.

Wir haben die Ergebnisse nochmal genauer gelesen und beim Arzt nachgefragt, und es gibt bei ihm keine Schalleitungskomponente, keine Anzeichen auf Probleme im Mittelohr. Dass der Hörnerv in Ordnung ist, wird vermutet, lässt sich aber nicht 100% sicher sagen. Die Untersuchung dafür lässt sich anscheinend nur bei Erwachsenen durchführen. Eine Genanalyse könnte noch ein bisschen Infos geben, aber ob wir das wollen, wissen wir nicht. Es sieht also so aus, wie wenn sich zum einen nichts bessern wird, zum anderen ein CI aber funktionieren sollte.

Wir haben jetzt sowohl mit Münster als auch mit Hannover gesprochen. Münster hat echt eine 1A Betreuung, wir hatten ein mehr als 3stündiges sehr intensives und kompetent geführtes Gespräch. Es klingt auch nach einem sehr guten Reha-Konzept, und sicherlich auch weiterhin nach einer sehr intensiven Betreuung. Hannover sagt dafür von sich, dass sie die beste OP-Technik haben, und die erfahrensten Ärzte. Dafür machen sie selbst ja gar keine Reha, wollen das komplett in die Hand der Frühförderung legen und um ehrlich zu sein, halte ich das für zu wenig.

Hannover implantiert noch früher und beide Ohren gleichzeitig. Sie meinen, dass dadurch das Narkose-Risiko geringer ist. Ich frage mich nur, ob die Narkose dann nicht einfach nur länger ist, was ja auch das Risiko erhöht. Oder ob sie viel schneller operieren können? Und können sie wirklich etwas anderes? Darüber bekommt man in den beiden Kliniken natürlich keine echte Antwort. Gar nicht so einfach jedenfalls die Entscheidung, wo. Natürlich neben der Entscheidung des ob/wann/wie viele Ohren...

LG, Vera
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Re: Quasi tauber Sohn

#12

Beitrag von elpappo »

Hallo Vera,

habe dir eben eine PN geschrieben - meld dich ruhig wenn und wann du willst.

Wenn du dich in MS besser beraten fühlst und Ihr da auch noch wohnt, spricht natürlich viel fuer Münster. Aber auch in Hannover gibt es Reha, sogar zwei Möglichkeiten. Du kannst entweder "stationär" ins CIC oder "ambulant" ins DHZ. Wir haben beides ausprobiert und sind aus diversen, primaer organisatorischen, Gründen jetzt im DHZ. Im CIC haben wir uns aber auch sehr wohl gefühlt. Nähre Infos liefere ich gerne, falls Hannover für Euch überhaupt in Betracht kommt.

Fuer uns war und ist Hannover ein ziemlicher Ritt aber die Erfahrung ist und bleibt fuer mich das maßgebliche Kriterium. Und da kommt eben an die MHH vermutlich keiner ran, obwohl die natuerlich da so wachsen, dass der Arzt, den DU bekommst, vielleicht sogar weniger Erfahrung als der Arzt in MS hat. Schwierig. Wir wussten, welcher Arzt Ilsa operiert und wussten auch, dass er über eine riesige Erfahrung verfügt, somit war das fuer uns kein Thema.

Ein Ohr - beide Ohren: noch so ein Thema. Meine Meinung dazu: wenn es medizinisch kein Problem ist (und bei Ilsa war es keins), dann lieber beide in einem Rutsch. Warum? Nun ja, weil die OP halt totaler Sch.... ist. Wir hatten große Angst, die Belastung des Aufenthalts, auch nach der OP, war fuer Ilsa und auch fuer uns total furchtbar. Die Narkose dauerte etwa 4.5 Stunden. Die Überwachung von so kleinen Kindern ist sehr eng und die OP wäre nach Ohr 1 abgebrochen worden, wenn die Werte nicht absolut im grünen Bereich gewesen waeren. Ich erinnere mich nur noch bruchstückhaft daran, welche Werte das waren, aber ich weiß von mehreren Pädanästesisten, dass noch viel längere Narkosen grundsätzlich möglich sind. Klar, was nicht muss, dass muss auch nicht. (Gilt ja im Grunde genommen fuer die ganze Frage CI ja oder nein, lebensnotwendig ist es ja nicht. )

Dazu hätte ein zweiter Termin das Risiko, dass man zumindest einen Termin wegen eines Infekts verschieben muss, verdoppelt. Wir sind nach drei Tagen nach Hause und waren danach nur einmal zur Kontrolle der Narbe dort. Auch hätte ein zweiter Termin uns organisatorisch in arge Bedrängnis gebracht. Ilsa hat einen großen Bruder, ich bin selbständig. Das war schon so alles schwierig genug - zwei (oder gar dreimal) das Ganze wäre eigentlich fast unmöglich gewesen. Ich kenne aber auch viele Kinder, die da getrennt haben machen lassen, von daher ist da vermutlich jede Entscheidung gut vertretbar.

Ab wann implantiert denn MS? In der Tat ist die MHH vorne mit dabei - uns war sechs Monate definitiv zu früh. Zu dem Zeitpunkt wurde die Kleine noch gestillt und war noch viel mehr Baby als drei Monate später. Da hatte sie viel mehr "Substanz" und war irgendwie nicht ganz so klein und zerbrechlich. Trotzdem war es furchtbar, sie so zu sehen. Puh. Bei der Erinnerung schauderts einen.

Gruß
El Pappo
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Re: Quasi tauber Sohn

#13

Beitrag von fast-foot »

Hallo VeraK,
VeraK hat geschrieben:Wir haben die Ergebnisse nochmal genauer gelesen und beim Arzt nachgefragt, und es gibt bei ihm keine Schalleitungskomponente, keine Anzeichen auf Probleme im Mittelohr. Dass der Hörnerv in Ordnung ist, wird vermutet, lässt sich aber nicht 100% sicher sagen. Die Untersuchung dafür lässt sich anscheinend nur bei Erwachsenen durchführen.
Hm. Bei einem Promontoriumstest können doch vom Hirnstamm evozierte Potentiale nachgewiesen werden. Ob dieser Test auch in Sedierung (und nicht in Narkose) durchgeführt werden kann, weiss ich allderdings nicht.
VeraK hat geschrieben:Wir haben die Ergebnisse nochmal genauer gelesen und beim Arzt nachgefragt, und es gibt bei ihm keine Schalleitungskomponente, keine Anzeichen auf Probleme im Mittelohr.
Das heisst nicht unbedingt, dass dies auch gründlich untersucht wurde. Falls Du die Energie aufbringst und möchtest, kannst Du auch sämtliche Untersuchungsergebnisse hier einstellen. Dann kann ich sicher etwas dazu sagen (wo man vielleicht etwas übersehen hat oder wo noch ein Potential vorhanden ist etc.).
Es sieht also so aus, wie wenn sich zum einen nichts bessern wird, zum anderen ein CI aber funktionieren sollte.
Das würde heissen, dass die Entwicklung der retrocochleären Hörbahnen im Alter von einem halben Jahr abgeschlossen ist mindestens insofern, dass sich eine weitere Entwicklung messtechnisch nicht mehr niederschlägt. Meiner Erinnerung zu Folge gab es hier Beispiele, bei denen dies nicht so war und sich die retrocochleären Hörbahnen später noch messtechnisch nachweisbar entwickelt haben.

Das ist das, was ich im Moment gerade sehe.

Gruss fast-foot
Zuletzt geändert von fast-foot am 15. Jun 2012, 00:31, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Quasi tauber Sohn

#14

Beitrag von Karin »

Ein Promontoriumstest wird bei Kindern nicht ohne Narkose möglich sein - das tut nämlich verdammt weh!

Hörbahnen entwickeln sich noch über Jahre! Es ist keine Eile geboten!
Viele Grüße
Karin
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Re: Quasi tauber Sohn

#15

Beitrag von elpappo »

Karin hat geschrieben: Hörbahnen entwickeln sich noch über Jahre! Es ist keine Eile geboten!
Richtig, es geht nicht um Monate, erst Recht nicht um Wochen oder Tage. "Jahre" - so weit würde ich nicht gehen.

Es geht darum, sich aus allen Meinungen seine eigene zu bilden und dann so zu entscheiden, wie man glaubt, dass es für das geliebte eigene Kind das Beste ist.

Grüße
El Pappo
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Re: Quasi tauber Sohn

#16

Beitrag von fast-foot »

Karin hat geschrieben:Hörbahnen entwickeln sich noch über Jahre! Es ist keine Eile geboten!
Ich meinte die messtechnisch (in Bezug auf die Hörschwellen) nachweisbare Entwicklung. Hast Du auch davon gesprochen?

Die qualitative Entwicklung ist (erst) bis zum Erwachsenenalter grösstenteils abgeschlossen (wobei eine Weiterentwicklung immer noch möglich ist, ja gar statt findet; andernfalls wäre eine erfolgreiche Implantierung eines CIs bei Erwachsenen gar nicht möglich).

Gruss fast-foot
Zuletzt geändert von fast-foot am 16. Jun 2012, 17:26, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Quasi tauber Sohn

#17

Beitrag von Karin »

Ja, das meinte ich.
Gruß Karin
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