Gehaltskürzung wegen Hörbehinderung ?

Für Ratsuchende, Erfahrungsaustausch, Hilfestellungen
Antworten
Spätertaubt

Gehaltskürzung wegen Hörbehinderung ?

#1

Beitrag von Spätertaubt »

Hallo Leute !

Ich bin zweiseitig mit CI versorgt.
Die letzte OP ist nun schon 2 Jahre vorüber und ich habe immer noch massivste Probleme beim Hören.
Ich bin spätertaubt und daher sind die CIs trotzdem eine Erleichterung.
Aber beruflich ist es eine einzige Katastrophe nur noch.
Vor Jahren wurde bereits mein Gehalt gekürzt.
Weil ich die Anforderungen nicht mehr erfüllen kann steht nun in meiner Leistungsbeurteilung und der letzten Zielvereinbarung:
"Zeile wurden zum wiederholten male nicht erreicht."
Es ist nun so, daß meine komplette aussertarifliche Leistungzulage zur Disposition steht.
Das sind 850 Euro monatlich.
Mit Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung habe ich bereits gesprochen, man kann nichts machen, die zunehmende Leistungsverdichtung trifft nicht nur mich, seie nicht nur für mich ein Problem.
Alle drei Monate werden inzwischen die neuen Ziele festgezurrt.
Meine nächste Zielvereinbarung ist im Dezember.
Bitte sage mir einer, was ich machen soll ?
Ich kann nicht glauben, daß nur ich so ein Problem habe.
Was habt Ihr in meiner Situation gemacht ?
Hauptfürsorgestelle, Integrationsamt ?
Ich muß unbedingt was machen, sonst arbeite ich bald für einen Hungerlohn im Monat.
pikacht
Beiträge: 80
Registriert: 28. Sep 2008, 18:51
16

Re: Gehaltskürzung wegen Hörbehinderung ?

#2

Beitrag von pikacht »

Hallo Spätertaubt,
ich kann Dir nur raten schnellstmöglichst einen Anwalt aufzusuchen.
Mir ist etwas ähnliches passiert nur noch ein paar Stufen "rabiater".
In welcher Branche arbeitest Du denn als was?
Gruß Pikacht
P.S. leider bist Du als Gast eingeloggt und ich kann Dir keine PN schreiben
Zuletzt geändert von pikacht am 13. Nov 2013, 20:33, insgesamt 1-mal geändert.
Nina M.
Beiträge: 1525
Registriert: 9. Jul 2002, 22:18
22
Wohnort: Rhein-Main-Gebiet

Re: Gehaltskürzung wegen Hörbehinderung ?

#3

Beitrag von Nina M. »

Mich würde auch als erstes interessieren als was du arbeitest bzw. bei was für einer Firma. Die "außertarifliche Leistungszulage" ist da ja mit 850€ enorm hoch, sowas gibts ja nicht in allen Berufen.

Wenn du im Dezember ein neues Zielvereinbarungsgespräch hast, dann würde ich dabei versuchen - wenn möglich - Ziele zu vereinbaren bei denen es realistischer ist dass du sie erfüllen kannst.
Dabei ist aber auch wieder die Frage als was du arbeitest... Bei manchen Berufen muss man sich auch eingestehen, dass man als Hörgeschädigter diese einfach nicht so erfüllen kann wie Hörende. Ich würde z.B. weder im Callcenter arbeiten wollen noch als Empfangsdame in einer Praxis o.ä., also in Jobs wo man locker 50% der Arbeitszeit nur telefonieren muss. Das ist als Hörgeschädigter einfach Stress pur und man tut sich damit selber keinen Gefallen...

Auch wäre vielleicht die Frage ob du möglicherweise beantragen kannst dass du innerhalb der Firma auf eine andere Stelle wechselst, die weniger vom Hören abhängig ist?

Gruß,
Nina
Schwerhörig seit dem 11. Lebensjahr, beidseitig mit CI's versorgt (1. CI 6/2003, 2.CI 10/2006)
Späterertaubt

Re: Gehaltskürzung wegen Hörbehinderung ?

#4

Beitrag von Späterertaubt »

Danke für die Antworten.
Ich arbeite in der Metall verarbeitenden Industrie.
Früher arbeitete ich als Sachbearbeiter im kaufmännischen Bereich.
Aber da es neben persönlichen Zielvereinbarungen auch noch Gruppenzielvereinbarungen gibt, bekam ich mit meiner Schwerhörigkeit immer mehr Probleme mit den Kollegen.
Das Gruppenziel ist heilig.
Da ich damals oft ausgefallen bin, wegen der Operationen und Reha, mußten meine Kollegen meine Arbeit mit machen umd das Gruppenziel nicht zu verfehlen.
Da hängt jeder der Gruppe mit seinem Gehalt dran.
Würden die Ziele nicht erreicht, bedeutet das für jeden in der Gruppe Gehaltseinbusen.
Da wurde ich schon umgesetzt.
Man wollte mich in die Produktion verfrachten.
Mit Händen und Füßen habe ich mich dagegen gewehrt, zumal es in der Produktion sehr laut ist, das ist für mich, damals einseitig versorgt, gar nicht auszuhalten.
Immer wieder hies es, ich könne doch die Geräte einfach abschalten, einen besseren Schutz gäbe es nicht.
Man kämpft Jahrelang darum was zu hören und dann soll man bei der Arbeit fast den ganzen Tag taub rumrennen ?
Zumal in der Produktion ein immenses Gefahrenpotential für einen hörgeschädigten lauert.
Damals konnte ich es so abwenden und bin in die Auftragsleitstelle umgesetzt worden.
Da muß ich auch weniger telefonieren, weil meist schriftlich abgewickelt wird.
Aber der Gruppenzwang ist auch hier vorhanden und immens.
Ich habe ziemliche Probleme mit den Kollegen inzwischen.
Mehrfach wurde ich als Minderleister betitelt.
Psychisch bin ich inzwischen an einem Tiefpunkt angelangt.
Man kann sehr gutes Geld hier verdienen, vorausgesetzt, man hat keine Einschränkungen und kann mit halten.
Jetzt soll es mir schon wieder an das Gehalt gehen und dieses mal wirklich elementar.
Vor meiner letzten Operation sagte mein Chef zu mir, so, jetzt läßt du dich operieren und hörst danach wieder.
Ich stehe so unter hohem Erwartungsdruck und der wurde enttäuscht.
Die Kollegen sind enttäuscht, ich kann einfach nicht mithalten und bin somit eine Gefahr für die Gruppe.

Ich werde Urlaub nehmen und wie empfohlen zu einem Anwalt gehen.
Leider habe ich keinen Rechtschutz.
hilde_tuchel
Beiträge: 70
Registriert: 30. Mai 2014, 11:49
10

Re: Gehaltskürzung wegen Hörbehinderung ?

#5

Beitrag von hilde_tuchel »

Hallo, warst du schon bei der Integrationsstelle? Die können ein klärendes Gespräch zwischen dir und dem Chef führen, sogar mit Dolmetscher. Vielleicht läßt sich die Gehaltskürzung auch abwenden, wenn ein geeigneter Arbeitsplatz für dich gefunden wird. ES ist schließlich nicht deine Schuld, wenn durch deine Hörbehinderung die Verständigung nicht klappt. Wenn du einen Rechtsanwalt nimmst, kostet dich das auch Geld uind ob er was erreicht, ist die große Frage. Es sei denn, du wärst beim DSB oder VDK Mitglied,die können einiges erreichen.

Viel Glück!
Gruß Hilde
Coralie
Beiträge: 337
Registriert: 23. Dez 2009, 22:14
15

Re: Gehaltskürzung wegen Hörbehinderung ?

#6

Beitrag von Coralie »

Mal zwischendurch eine andere Frage. Du schreibst , dass Du noch masssíve Probleme beim Hören mit CIs hast. Hast Du denn schon mal eine Reha gemacht um das Hören intensiv zu trainieren? Klar, das klappt nicht bei jedem, aber viele haben gute Erfolge. Ansonsten denke ich auch: Das Integrationsamt und einen Anwalt einschalten. Es gibt ggf die Möglichkeit eines Lohnkostenzuschusses die neben der Möglichkeit einer Tätigkeit in der Firma bei der Du gute Leistungen auch mit Hörminderung erbringen kannst geprüft werden sollte.
CI einseitig, andere Seite mit Hörgerät versorgt bei an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit.
santiago
Beiträge: 734
Registriert: 26. Feb 2011, 08:46
14

Re: Gehaltskürzung wegen Hörbehinderung ?

#7

Beitrag von santiago »

Hallo!
So wie der Fall beschrieben wurde glaube ich nicht dass ein Lohnkostenzuschuss die Situation wirklich dauerhaft verbessern wird.

Es scheint sich dabei um eine sehr leistungsorientierte Firma zu handeln bei der die Erbringung der Leistungsziele viel höher als die dadurch entstehenden höheren Lohnkosten bewertet werden. Dazu kommt noch dass auch das Gehalt der Kollegen beeinflusst werden könnte und dann ist sowieso schnell Schluss mit lustig.

Die Frage ist ob die Leistungsziele grundsätzlich auch von Hörgeschädigten erbracht werden könnten oder nicht?

Haben die Leistungsziele direkt mit dem Hören bzw. der Kommunikation zu tun oder können die Leistungsziele sozusagen wegen den "Nebenwirkungen" der Hörschädigung nicht erbracht werden?

Gruß
santiago
ulbos
Beiträge: 155
Registriert: 21. Mai 2011, 23:26
13

Re: Gehaltskürzung wegen Hörbehinderung ?

#8

Beitrag von ulbos »

Hallo,
gibt es in deiner Firma beim Betriebsrat oder bei der Schwerbehindertenvertretung keinen Ansprechpartner, mit dem du über deine Situation sprechen kannst? Wenn du Gewerkschaftsmitglied bist, müsste es beim nächsten Haus der Gewerkschaft eigentlich auch eine Beratungsmöglichkeit und Rechtsschutz geben.
Gruß
ulbos
maryanne
Beiträge: 1216
Registriert: 22. Okt 2008, 10:32
16

Re: Gehaltskürzung wegen Hörbehinderung ?

#9

Beitrag von maryanne »

Ich habe den Eindruck, dass die Eingangsfrage "Gehaltskürzung wegen Hörbehinderung" nicht ganz treffend formuliert wurde.
Diese sogenannten Leistungszuschläge orientieren sich an den vereinbarten Zielen, hier konkret einer ganzen Gruppe.
Was, Gast hindert dich daran, die Leistung zu vollbringen? Ist es die mit der Hörbehinderung einhergehende Erschöpfung? Fehlt dir akustisches Input, um deinen Teil beizutragen? Welche Tätigkeiten genau musst du erledigen und wo ist der Knackpunkt, der dich daran hindert?
Ich denke schon, dass ein Gespräch mit dem Integrationsamt hilfreich sein könnte, allerdings sehe ich keinen Rechtsweg, diese Leistungszulage zu bekommen, obwohl du das Ziel nicht erreichen kannst.
Metallverarbeitende Industrie ist doch üblicherweise vertragsgebunden bei IGM! Da müsste dein Gehalt doch auch ohne diesen Zuschlag akzeptabel sein?
Oder geht es darum, dass du überhaupt dort weiter arbeiten kannst? Dass es evt. nur Stellen mit Gruppenzielvereinbarungen gibt?
Was ist mit der Schwerbehindertenvertretung?

maryanne
EinOhrHase
Beiträge: 699
Registriert: 28. Jun 2011, 20:05
13
Wohnort: Naehe Ulm

Re: Gehaltskürzung wegen Hörbehinderung ?

#10

Beitrag von EinOhrHase »

@Maryanne

Es kommt darauf an, ob der Arbeitgeber der / die FragestellerIn im Arbeitgeberverband ist oder nicht. Wenn ja, dann greifen auch die Verträge der IGM, ansonsten nur das "Allgemeinrecht".
Auch ich arbeite in einem metallverarbeitenden Betrieb und dort ist der Leistungsdruck ebenso immens. Druck von der "Obrigkeit" wird quasi ungedämpft über Abteilungsleiter und Meister / Schichtführer an den kleinen Arbeiter weitergegeben. Facharbeiter müssen für Fehler, die z.B. Leiharbeiter / Zeitarbeiter passieren, geradestehen was wiederum erhöhte Aufmerksamkeit und Mitarbeit erfordert und eine zusätzliche Belastung für den Facharbeiter ist.

Die (freiwillige?) Leistungszulage der / des FragestellerIn mit 850,- € ist schon sehr hoch für diese Branche.
Der Schilderung nach liest sich das wie Mobbing: Keine Leistung im Sinne des Arbeitgebers, keine Leistungszulage bzw Gehaltskürzung.
Es scheint aber offensichtlich zu sein, dass der / die FragestellerIn diesem Leistungsdruck nicht gewachsen ist bzw nicht effizient genug arbeiten kann auf Grund versch. (Hör-)Probleme.

Fakt ist: Schwerbehinderte, die ein vergleichbares Fachwissen vorweisen können, wie ein normaler Mensch, dürfen auf Grund von langsamerem Arbeiten z.B. NICHT diskriminiert werden - ganz Gleich in welcher Form. Dagegen kann der / die FragestellerIn, sofern er / sie über ein entsprechendes Fachwissen verfügt, sich wehren.
Abzuklären wäre in dem Fall die drastische Kürzung der Leistungszulage, ob auch hiergegen vorgegangen werden kann.
Sollte jedoch eine Kürzung des (Grund-) Gehalts vorgenommen worden sein, ist der Fall eindeutig und somit in die Hände eines guten Anwalts zu geben.
Wer nicht (gut) hören kann, sollte genauer hinsehen ;)
Körper(sprache) lügt niemals :!:

BAHA-Träger seit 1998
maryanne
Beiträge: 1216
Registriert: 22. Okt 2008, 10:32
16

Re: Gehaltskürzung wegen Hörbehinderung ?

#11

Beitrag von maryanne »

@Oli, Schwerbehinderte sind auch normale Menschen!
Gast hat einige Fragen noch nicht beantwortet, so dass es schwierig ist, einen hilfreichen Rat zu geben.

Maryanne
EinOhrHase
Beiträge: 699
Registriert: 28. Jun 2011, 20:05
13
Wohnort: Naehe Ulm

Re: Gehaltskürzung wegen Hörbehinderung ?

#12

Beitrag von EinOhrHase »

@Maryanne

wollte lediglich nur den Unterschied "hervorheben", dass Schwerbehinderte in der Form ein Sonderrecht (wenn auch nur in der Theorie und selten von Arbeitgebern berücksichtigt wird) gegenüber den normalen Menschen haben und z.B. bei gleicher Qualifizierung (Gesellenbrief, gesonderte Ausbildungen usw) zu bevorzugen sind - was leider nur selten der Fall ist.

In meinem Falle fragte mich mein Arbeitgeber, wieso ich vor X Jahren doppelt verdient hätte (wortwörtlich !!)
Er war der Meinung, dass der Zuschuss (bei Einstellung von Schwerbehinderten), den ER bekommt, als Arbeitgeber, ich verdienen würde........
Hab ihm dann erklärt, dass er dieses Geld bekam und es sich so verhält, als würde man 2 "normale" Menschen einstellen. Diesen Zuschuss bekommt der Arbeitgeber ca. 6-12 Monate lang, je nach Branche und Dauer der Einlernphase.

Das wir "Behindis" ebenso normale Menschen sind, ist mir schon klar *zwinker

LG
Wer nicht (gut) hören kann, sollte genauer hinsehen ;)
Körper(sprache) lügt niemals :!:

BAHA-Träger seit 1998
pascal2
Beiträge: 413
Registriert: 20. Apr 2011, 17:14
14

Re: Gehaltskürzung wegen Hörbehinderung ?

#13

Beitrag von pascal2 »

Hallo !
Ich arbeite auch in der Industrie.
Bei uns sind die vierteljährigen Ziel- u. Leistungsvereinbarungen, die man unterschreiben muß. auch allgegenwärtig.
Vor 1,5 Jahren war ich längere Zeit krankgeschrieben, wegen dem zweiten CI.
Seither steht bei mir auch in der Leistungsvereinbarung, daß meine Ziele gefährdet sind und dadurch meine geringe außertariflich Zulage begründet ist.
Aber die ist bei uns nicht so hoch, ich bekomme gerade mal 8% über Tarif, was andere Kollegen normal bekommen, weiß ich nicht.

Mir macht viel mehr das Großraumbüro zu schaffen, in dem ich jetzt wieder sitze, nachdem ich bis vor 3 Jahren noch ein eigenes Büro hatte.
Aber es ist in der Tat so, bilateral versorgt, gilt man als geheilt.
Somit steigen dann auch wieder die Anforderungen an einen.
Das merke ich gewaltig.
Deshalb sitze ich jetzt in einer Geräuschkulisse, daß mir manchmal der Schädel platzt.
Daher komme ich inzwischen dann, wenn meine Kollegen schon wieder gehen, nur so habe ich etwas Ruhe !

Ach ja, Inklusion nennen sie das...............
Ich empfinde das eher als eine Art Explosion...............
Pascal
Zum Glück hat der weise Trittin die Entwicklung des Deutschen Rentensystems früh erkannt und das Flaschenpfand eingeführt !
Antworten