Integrationsplatz in Regelgrundschule ja oder nein?

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Holubenka
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Integrationsplatz in Regelgrundschule ja oder nein?

#1

Beitrag von Holubenka »

Hallo zusammen,
nach längerer Zeit Pause wende ich mich mal wieder mit einer Frage an Euch.

Es ist zwar noch Zeit bis zur Einschulung, aber ich mache mir doch schon recht viele Gedanken darüber. Dies hat in erster Linie den Grund, dass die Grundschule, der wir zugeteilt sind, direkt von Flugzeugen überflogen wird. Da das Gebäude wohl schlecht schallisolierbar ist, ist nun die Idee, dass jedes Klassenzimmer eine Klima-Anlage erhält, so dass die Fenster auch im Sommer geschlossen bleiben können.

Ich halte den Lärm schon für normalhörende Kinder für nicht zumutbar, aber unserem hörgeschädigten Sohn möchte ich das, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt, erst recht nicht antun.

Somit bin ich langsam dabei, mir alle anderen in Frage kommenden Grundschulen anzuschauen. Bevor ich dort Kontakt aufnehme und mich weiter informiere, möchte ich zunächst noch mehr wissen über das Thema 'Integrationsplatz - ja oder nein'.

Wie habt ihr das bei Euren Kindern gehandhabt? Habt ihr einen Integrationsplatz in der Grundschule beantragt? Welche Vor- und eventuell Nachteile hat das?

Ich hoffe auf zahlreiche Antworten.

Viele Grüße,
Holubenka
Ein Sohn, 09/2010 geboren, mittel- bis hochgradige SH
Momo
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Re: Integrationsplatz in Regelgrundschule ja oder nein?

#2

Beitrag von Momo »

Hallo Holubenka,

dafür wäre es wichtig zu wissen woher ihr kommt.
In Niedersachsen z.B. gibt es keine Integrationsklassen mehr.

Grüße
Wiebke und Sohn (fast 21 Jahre) mit 1 HG und 1 CI
Barbara
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Re: Integrationsplatz in Regelgrundschule ja oder nein?

#3

Beitrag von Barbara »

Hej, in Hamburg ist es genauso, da gibt es auch keine Integrationsklassen mehr, da wird jetzt stattdessen inkludiert.
Liebe Grüße
Barbara selber hochgradig schwerhörig mit hochgradig schwerhöriger Tochter (*12/97)
Holubenka
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Re: Integrationsplatz in Regelgrundschule ja oder nein?

#4

Beitrag von Holubenka »

Hallo ihr Lieben,
bitte entschuldigt, jetzt habe ich glatt den alten Begriff Integration verwendet. Ich meinte natürlich Inklusion. Wir kommen übrigens aus Hessen.
Ich freue mich über jede Antwort.
Viele Grüße,
Holubenka
Ein Sohn, 09/2010 geboren, mittel- bis hochgradige SH
Momo
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Re: Integrationsplatz in Regelgrundschule ja oder nein?

#5

Beitrag von Momo »

Hallo Holubenka,
ich kann versuchen dir aus zwei Perspektiven meine Gedanken zu schildern.
Auf der einen Seite bin ich selber Mutter eines hg Kindes, auf der anderen in einer Grundschule, die auch inklusiv arbeitet, tätig.
In meinen Augen kann man diese Frage nicht einfach so pauschal beantworten, weil in so eine Entscheidung immer mehrere Faktoren einfließen (sollten).
Zunächst einmal hängt es vom Kind selbst ab: wie ist die allgemeine Entwicklung, die Hör- und Sprachentwicklung? Noch entscheidender allerdings ist in meinen Augen die emotionale Entwicklung? Ein hörgeschädigtes Kind in einer Regelschule muss manchmal einiges verkraften können und sich auch manchmal ziemlich behaupten können, um nicht unterzugehen. Hörbehinderung sit eine unsichtbare Behinderung, umso mehr je besser der Sprachstatus.
In meinen Augen hat Inklusion nicht unbedingt zu einer Verbesserung geführt, da die Rahmenbedingungen an den Schulen eher schlecht sind. Es gibt weniger Förderstunden als zu Zeiten der Integration und auch das Schülerklientel hat sich zum Teil sehr gewandelt, so dass es vermehrt Schüler gibt, die erhöhte Aufmerksam brauchen (und zum Teil auch massiv durch best. Verhaltensweisen direkt oder indirekt einfordern), so dass man schon sehr genau hingucken muss.
Dennoch werden hg Kinder schon seit Jahren zu großen teilen sehr erfolgreich integrativ beschult und viele kommen auch sehr gut zurecht.
Ich kann dir nur empfehlen dir die in Frage kommenden Schulen genau anzusehen und auch auf dein Bauchgefühl zu hören. darüber hinaus würde ich mich mit den derzeitigen Betreuern deines Sohnes darüber unterhalten und auch andere Beratung (soweit möglich/ sinnvoll) in Anspruch zu nehmen.
Ich persönlich finde eine inklusive/ integrative Beschulung immer gut, weil sie ja der „Normalfall“ sein sollte. Dennoch muss man immer ein Augenmerk auf sein Kind haben und schon genau gucken wo es ihm wirklich gut geht. Das gilt für eine evtl. Regelschule genauso wie für eine evtl. Förderschule.
Ich weiß nicht sehr hilfreich im konkreten fall, aber vielleicht hast du ja konkrete Fragen, die dir auf der Seele brennen?

Liebe Grüße
Wiebke und Sohn (fast 21 Jahre) mit 1 HG und 1 CI
Holubenka
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Re: Integrationsplatz in Regelgrundschule ja oder nein?

#6

Beitrag von Holubenka »

Hallo Momo,
vielen Dank für Deine Antwort.
Ich frage mich, ob es nicht vielleicht besser wäre, unseren Sohn einfach ohne Inklusionsplatz in eine Regelgrundschule einzuschulen.
Bisher ist seine sprachliche Entwicklung sehr gut. Er wächst zweisprachig auf, spricht in beiden Sprachen altersgemäß und ist auch sonst ein sehr aufgewecktes Kerlchen. Bisher spricht also unserer Meinung nach nichts dafür, dass er in der Schule einen Inklusionsplatz brauchen würde. Aber natürlich sehen wir das jetzt aus der Perspektive von Eltern eines Kindergartenkindes. Schule ist sicher nochmal etwas anderes.
Was würde wegfallen, wenn er keinen Inklusionsplatz hätte?
Beispiele:
- Würden die Lehrer immer noch die FM-Anlage nutzen?
- Könnte er immer noch einen Nachteilsausgleich beantragen?
Sorry, dass ich solche vielleicht einfachen Dinge frage, aber ich bin wirklich noch ganz am Anfang in diesem Thema.
Vielen Dank und viele Grüße,
Holubenka
Ein Sohn, 09/2010 geboren, mittel- bis hochgradige SH
otoplastik
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Re: Integrationsplatz in Regelgrundschule ja oder nein?

#7

Beitrag von otoplastik »

Liebe Holoubenka,
hier in Niedersachsen sind fast alle hg-Kinder in Regelschulen bisher "grau" integriert worden, also ohne offizielle Integration oder Inklusion.
Das war vor Zeiten der Inklusion.
Sie hatten alle Anspruch auf Nachteilsausgleich. Die Schule kann hier in NDS einen Zusatzbedarf für diese Kinder beantragen, dann bekommt sie extra Stunden zugeteilt, die für das Kind bestimmt sind und von einem Lehrer der Schule gegeben werden. Der mobile Dienst ist auch mit im Boot.
Ob die Lehrer die FM-Anlage benutzen hängt von der Person ab. Ich habe selten gehört, dass Lehrer sich da verweigern. Das ist uns allerdings nicht passiert und wir hätten das auch nicht akzeptiert.
Wie das alles mit einem offiziellen Inklusionsplatz ist, weiß ich nicht.
Auf jeden Fall ist es ganz wichtig, vorher mit der Schule Kontakt aufzunehmen und die Bereitschaft zu checken, dem Kind gute Bedingungen zu stellen.
Herzliche Grüße, Otoplastik
Otoplastik
Sohn, 17 Jahre, mit 14 Monaten Meningitis, seitdem re. hochgradig und links taub, rechts HG (Naida S IX UP), links CI seit 01/14 (Naida Q70), vorher links viele Jahre PhonakCros :)
Momo
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Re: Integrationsplatz in Regelgrundschule ja oder nein?

#8

Beitrag von Momo »

Hallo,
also erst einmal : Es gibt nicht so etwas wie ein „Inklusionskind“ oder einen „Inklusionsplatz“. Wenn solche Begriffe benutzt werden, dann ist man von Inklusion so weit entfernt wie nie.
Inklusion heißt, dass jeder Mensch so angenommen und akzeptiert wird wie er ist und dass ihm die Möglichkeit gegeben ist an gesellschaftlichen, kulturellen, usw. Angeboten und an Bildung teilzuhaben. Es spielt dabei keine Rolle welcher sozialen, kulturellen, religiösen, nationalen oder sonst was Herkunft derjenige ist, ob er bestimmte Begabungen oder Beeinträchtigungen, bestimmte Eigenschaften, Vorlieben oder sonstwas hat.. Vielfalt wird als Bereicherung gesehen.

In der Diskussion und den Köpfen vieler Menschen wird Inklusion allerdings ausschließlich oder zumindest in erster Linie noch immer auf Behinderte reduziert und dazu noch auf den Bereich Bildung.
Wenn man also davon redet behinderte Kinder in die Regelschule zu bringen, dann ist das –im besten Fall- Integration.
Das mal so ganz prinzipiell zum Thema.

Ich weiß aber was du meinst Holubenka.
Hier in Niedersachsen ist es mittlerweile so, dass man keinen besonderen Platz für sein Kind mit Unterstützungsbedarf mehr bekommt. Man will erreichen, dass Vielfalt und Unterschiedlichkeit normal ist und jedes Kind mit seinen Bedürfnissen so angenommen und gefördert wird wie es das braucht. Um das auch nach außen zu zeigen hat sich das Verfahren vor der Einschulung grundsätzlich geändert (mit wie ich persönlich meine nicht immer positiven Folgen, aber das ist ein anderes Thema).
Erklärtes Ziel ist es Schule und Unterricht auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der unterschiedlichen Kinder, egal ob behindert, ausländisch, gesund, langsam in der Auffassungsgabe, hochbegabt oder oder, abzustimmen und jedes Kind so anzunehmen wie es ist.

Im Falle hörgeschädigter Kinder wird vor der Einschulung auf Antrag der aufnehmenden Schule und der Eltern ein Unterstützungsbedarf im Bereich Hören festgestellt.
In diesem Verfahren wird –im Sinne des Kindes- festgelegt welche Bedürfnisse es hat. Darüber hinaus hat ein festgestellter U-bedarf Hören folgende Folgen:
So wird dieses Kind bei der Klassengröße doppelt gezählt, so dass die Klasse kleiner ist. Dem Kind stehen 3 Förderstunden zu, die angepasst auf den Bedarf genutzt werden können, z.B. um die Klasse zu teilen, eine zweite Lehrkraft in der Klasse zu haben oder aber auch für Einzel- oder Kleingruppenförderung. Zusätzlich hat die Schule einen Anspruch auf Beratung durch den Mobilen Dienst Hören.

Meine Meinung:
man sollte dieses Verfahren einleiten, denn nachträglich (also im laufenden Schuljahr) kann man das zwar auch tun, aber in der Regel bekommt man z.B. die Förderstunden nicht mehr in diesem Schuljahr, sondern erst mit einem Jahr Verzögerung und auch an der Klassengröße lässt sich nachträglich nichts mehr ändern.
Allgemein sieht das Schulgesetz vor, dass allen Kindern eine Teilhabe gemäß ihren individuellen Vorraussetzungen ermöglicht werden muss und auch dass individuelle Nachteilsausgleiche zu gewähren sind. Das ist nicht an einen Förder- oder Unterstützungsbedarf gebunden. In anderen Worten: den Anspruch auf das Nutzen der FM Anlage, gute Raumakustik, Nachteilsausgleiche etc. hätte ein hg Kind auch so. Zumindest in der Theorie. In der Praxis scheitert es manchmal sowohl an finanziellen Dingen als auch an der Bereitschaft einiger Lehrer. Daher ist es so oder so sinnvoll vorab einige Dinge zu klären und auch die Rahmenbedingungen an der Schule abzusichern. Meiner Erfahrung nach ist dabei ein sonderpädagogisches Überprüfungsverfahren hilfreich, da man dann professionell begleitet wird und zusätzliche Förderstunden, die ein Kind mitbringt gerne gesehen sind. Außerdem werden Hinwiese zum Umgang und zu Unterrichtsmethoden auch in der Regel lieber von „Fachleuten“ als von Eltern angenommen…

Soweit meine Gedanken dazu.

Grüße
Wiebke und Sohn (fast 21 Jahre) mit 1 HG und 1 CI
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