Wie wichtig ist eine In-Situ Messung?

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Musiker_72
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Wie wichtig ist eine In-Situ Messung?

#1

Beitrag von Musiker_72 »

Moin,

im amerikanischen Forum gibt es einen Thread, der die Wichtigkeit der In-Situ-Messung betont:

http://www.hearingaidforums.com/showthr ... itting-RUN!!!!

Was meint Ihr dazu? Bei wem wurde es gemacht, wie groß waren die Unterschiede zwischen den eingestellten und den gemessenen Werten, was hat es für Euer Hören gebracht?

Und in wieweit kann eine InSitu-Messung überflüssig gemacht werden, indem man die Hörschwellen direkt mit dem HG misst?

Ich persönlich habe das Problem, dass ich mit HG einige Frequenzen (scheinbar) schlechter höre als ohne, weil diese Frequenzen (wegen guter Hörleistung meines Ohrs) nicht verstärkt werden, das HG aber natürlich den Kanal verstopft (trotz offener Schirme findet ja eine Dämpung statt). Könnte hier eine InSitu-Messung abhilfe schaffen?

Danke für rege Beteiligung!
Tinu76
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Re: Wie wichtig ist eine In-Situ Messung?

#2

Beitrag von Tinu76 »

Hallo

Schade dass hier noch nicht mehr zusammen gekommen ist...

Erlebe auch Situationen, in denen ich Maskierungen habe... auf die eine oder die andere Seite.

Habe auch gelesen, dass solche Messungen eigentlich heute ein MUSS sind... Was sind die Vorteile mit einer solchen Messung?
Leider wird es immer noch nicht von allen Akustikern gemacht... Wieso nicht?

Gibt es niemand mit mehr Erfahrung zu diesem Thema?

Gruss
Tinu
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Daphodile
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Re: Wie wichtig ist eine In-Situ Messung?

#3

Beitrag von Daphodile »

Heyho,

ich kann dir nur aus meiner Sicht antworten (nicht sh, dafür Azubi im 3. LJ Akustikerin).
Selbst in der Schule wird erklärt wie wichtig eine InSitu Messung ist. Ich kann viel an der Messbox einstellen, ich kann auch viel nach dem subjektiven Empfinden des Kunden einstellen. Aber bei der InSitu kann ich noch mal sehen was genau am Trommelfell nun eigentlich ankommt. Da hab ich Gehörgangsresonanzen drin, Venteffekt etc. Ich sehe was ankommt und kann dann oft auch noch mal sagen: "Lieber Kunde, eigentlich bräuchtest du es lauter. Das und das ist unser Ziel." Damit man das besser visualisieren kann. Das klappt auch meistens ganz gut.

Warum das nicht alle machen weiß ich auch nicht, das Equipment ist aber sehr teuer. Wir machen das generell, egal ob Kassengerät oder High-End.

Für dein Problem wäre eine InSitu Messung notwendig, da kann dann bestimmt werden wo noch Verstärkung fehlt oder wo das Schirmchen noch dämpft.

Unterschiede zwischen dem eingestellten und gemessenen sind - wenn man von der Voreinstellung ausgeht - firmenabhängig. Ich beschäftige mich grad viel mit Bernafon und passe die auch viel an, da kommen die Werte ganz gut hin. Siemens war bei mir bisher fast immer deutlich zu leise voreingestellt.

Hoffe ich konnte dir helfen =)
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Micha_R
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Re: Wie wichtig ist eine In-Situ Messung?

#4

Beitrag von Micha_R »

Hallo Daphodile,

die Informationen aus "erster Hand" sind wirklich spannend.

Zudem Thema hätte ich auch mal zwei Fragen:

1. Mein Akustiker sagt immer die Messung sei OK, allerdings wären die Messwerte speziell bei den hohen Tönen ab 4kHz nicht zuverlässig, da die Messsonde (oder wärs der Schlauch vom Hörer?) das Ergebnis verfälschen würde. Ist das korrekt, oder liegt das möglicherweise an einem unzeitgemäßen Messgerät?

2. Wie führt man eine in-situ Messung durch, wenn das HG nach einer Hersteller-eigenen Formel eingestellt ist (z.B. Widex oder auch Bernafit)

Gruß
Micha
Zuletzt geändert von Micha_R am 17. Aug 2015, 16:04, insgesamt 1-mal geändert.
Daphodile
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Re: Wie wichtig ist eine In-Situ Messung?

#5

Beitrag von Daphodile »

Hallo Micha,

1. Naja, die Messsonde bzw der Schlauch wird vor der Messung eigentlich kalibriert und sollte dann zuverlässig arbeiten. Resonanzen die durch das HG oder deinen Gehörgang verursacht werden sind ja normal und sollen durch die Messung nicht ausgeglichen werden, denn die haben wir nach der Messung ja auch noch. Wenn der Aku so spezifisch ab 4 kHz sagt steckt da aber vielleicht mehr dahinter... Ich mach mich schlau und halte dich auf dem Laufenden.

2. Die Einstellung des HG ist dabei eigentlich schnurz, die Messung läuft immer gleich ab. Sondenschläuche kalibrieren, Sondenschlauch mit Otoskopie in den Gehörgang setzen, Ohrstück dazu (HG ausgeschaltet!), erste Messung. Das zeigt uns den Einfluss der Otoplastik auf das Signal. Dann HG anschalten, zweite Messung (bei 3 verschiedenen Eingangspegeln) und schließlich noch Toleranzmessung (sehr lauter Pegel.) Die Kurven zeigen dann an wie das Signal verstärkt wird. Egal mit welcher Formel man angepasst hat. Manche nehmen noch Perzentile dazu, manche VisibleSpeech.. Aber vom Prinzip her sind die in etwa alle ähnlich.
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Musiker_72
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Re: Wie wichtig ist eine In-Situ Messung?

#6

Beitrag von Musiker_72 »

Hallo,

schön, dass jemand was zum Thema schreibt!

Bei mir wurden zwei In-Situ-Messungen gemacht. Die Frage, die sich mir stellt: Wie stark sollte man auf Grund der In-Situ Messung dann die Einstellung ändern? Ist es mehr ein "das HG tut ungefähr was es soll", oder sollte man dann versuchen, auf ein paar dB genau auf die Zielkurve zu kommen?

Bei mir war es dann nämlich so, dass die Kurven durchaus ziemlich daneben lagen, vor allem bei den höchsten Höhen, der Akustiker aber meinte, das würde schon ziemlich gut passen.

Und, wo Du Bernafon erwähntest: Man kann bei der Bernafon Oasis Software die Ergebnisse einer In-Situ-Messung importieren. Stellt dann die Software automatisch die Kurve entsprechend der Messung ein?

Zu der herstellereigenen Formel: Wenn man eine Standardformel wie NAL-NL2 nimmt, dann kann man die Zielkurve direkt im Messprogramm einblenden, das kann man, jedenfalls bei dem Programm, das bei meinem Akustiker verwendet wurde, bei einer Herstellerformel wohl nicht. Man müsste sich dann die Zielkurve des Herstellers (die für gewöhlich in der Einstellsoftware ja angezeigt wird) in die MEssung selbst reinzeichnen.
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@daphodile: Was hälst Du so insgesamt von Bernafon? Neulich tauchte die Frage auf, wie stark Bernafon und Oticon sich ähneln, was meinst Du dazu?
Daphodile
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Re: Wie wichtig ist eine In-Situ Messung?

#7

Beitrag von Daphodile »

Hallo =)

Wir messen mit Visible Speech, das heißt die Zielkurve ist bei uns eher ein Zielfeld. Da sollten die Kurven schon ungefähr drin liegen, das auf ein paar dB genau einzustellen.. Naja, bei manchen ist es sinnvoll, bei manchen nicht. Ist vom Kunden abhängig. Wenn ich zwar aufs dB genau einstellen kann aber mir der Kunde dann sagt, "näh, das klingt ja grauenvoll.." dann lass ich das eben. Wichtig ist dass die Kurven der verschiedenen Eingangspegel nicht allzu sehr aufeinander liegen (Kompression), und dass keine großen Spitzen oder Täler drin sind. Es sollte ein "rundes" Gesamtbild ergeben.

Bei den höchsten Höhen kann es auch einfach sein dass das HG beispielsweise nur bis ca. 8 kHz überträgt. Dann stürzt die Kurve da natürlich ab. Was für Geräte hast du denn?

Wegen der Oasis hab ich gerade extra noch mal bei Bernafon angerufen ;) Ja, so in etwa funktioniert das. Die Software liest deine gemessenen InSitu Kurven ein und macht die Einstellungen automatisch. Ob das jetzt so gut ist, sei dahingestellt, ich mach sowas lieber selber. Sonst kann ja irgendwann der PC alles alleine machen. Diese Funktion geht aber nicht mit allen InSitu Anlagen, mit unserer VisibleSpeech beispielsweise nicht.

Naja das hängt dann vom Programm ab, bei uns ist das formelunabhängig. Uns wird angezeigt wie die Verstärkung sein muss, damit Sprache bestmöglich verstanden wird, abhängig vom Hörverlust und der U-Schwelle. Da muss man manchmal umdenken, ich finds ganz gut.

Ich hab keine Ahnung wie man dieses Off-Topic hinkriegt :D
Von Bernafon bin ich gerade schwer begeistert. Ja, die Gehäuse z.B. sind die gleichen wie bei Oticon. Aber die Technik ist ganz anders, schon die Signalverarbeitung ist ja komplett was anderes, da Bernafon (meines Wissens nach) als einzige mit einer kanalfreien Verarbeitung arbeitet. Das verändert den Klang schon ein wenig. Ich komme mit den Geräten sehr gut klar, weil auch die Anpassung angenehm ist. Die Software ist klar strukturiert und übersichtlich, die Firma an sich ist sehr gut erreichbar und der Support ist auch sehr gut. Ich pass die Geräte gerne an =) Finde auch die Features effektiv, und ich bin ein Fan der dualen Anpassung (man kann z.B. aufs erste Programm ein Saphira 5 und aufs zweite ein Juna 7 legen. So kann man in einem Gerät zwei Technikstufen testen.)

Hoffe das beantwortet deine Fragen =)
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Tinu76
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Re: Wie wichtig ist eine In-Situ Messung?

#8

Beitrag von Tinu76 »

Guten Tag Daphodile

Vielen Dank für deine Ausführungen. :}
Oft hat man beim Akustiker einfach auch nicht die Zeit alles abzuklären und jede Frage zu stellen.
Bei mir stellen sich die Fragen häufig auch erst ein paar Wochen nach einer Sitzung ;-)

Vielen Dank!

Gruss
Tinu
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fast-foot
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Re: Wie wichtig ist eine In-Situ Messung?

#9

Beitrag von fast-foot »

Musiker72 hat geschrieben:Und in wieweit kann eine InSitu-Messung überflüssig gemacht werden, indem man die Hörschwellen direkt mit dem HG misst?
Daphodile hat geschrieben:Ich kann dir nur aus meiner Sicht antworten (nicht sh, dafür Azubi im 3. LJ Akustikerin).
Selbst in der Schule wird erklärt wie wichtig eine InSitu Messung ist. Ich kann viel an der Messbox einstellen, ich kann auch viel nach dem subjektiven Empfinden des Kunden einstellen. Aber bei der InSitu kann ich noch mal sehen was genau am Trommelfell nun eigentlich ankommt. Da hab ich Gehörgangsresonanzen drin, Venteffekt etc. Ich sehe was ankommt und kann dann oft auch noch mal sagen: "Lieber Kunde, eigentlich bräuchtest du es lauter. Das und das ist unser Ziel." Damit man das besser visualisieren kann. Das klappt auch meistens ganz gut.
Dies beantwortet nicht die Frage von Musiker_72 (muss es ja auch nicht). Eigentlich kommt es doch auf das selbe heraus, ob man die Hörschwellen und ucls gleich mittels Hörgerät ermittelt (und dann auf eine in Situ-Messung verzichtet). Der einzige Unterschied, welcher mir einfällt, ist der, dass man die tatsächlich von den Geräten abgegebenen Pegel nicht kennt (was wichtig ist, wenn es um Fragen nach der Belastung für das Gehör geht; was jedoch kaum Thema ist bei einer Hörgeräteanpassung).
Die Frage ist vielleicht, ob die Genauigkeit ausreichend ist (das würde sich dann zwar "aufheben" bzw. stellt sich diese Frage, wenn dies nicht geschieht (wie auch immer)). Und das andere Problem ist, dass man bei Testen von veschiedenen Geräten jedes mal neue Hörtests durchführen muss (wobei ja im anderen Falle in Situ-Messsungen vorzunehmen sind).

Gruss fast-foot
Ausgewiesener Spezialist* / Name: Wechselhaft** / Wohnsitz: Dauer-Haft (Strafanstalt Tegel) / *) zwecks Vermeidung weiterer Kollateralschäden des Landes verwiesen / **) Name fest seit Festnahme
Daphodile
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Re: Wie wichtig ist eine In-Situ Messung?

#10

Beitrag von Daphodile »

Ich habe mich extra abgesichert, bevor ich darauf eingehe.

Die Antwort ist ein ganz klares handfestes Nein. Über die HGs ermittelte Hörschwellen können niemals eine InSitu Messung ersetzen.

Erklärung dafür ist, dass mir das s.g. Sensogramm (InSitugramm, wie auch immer man das nennen will) keine Aussage über tatsächliche Verstärkung, Kompression, Begrenzung gibt. Natürlich ist der tatsächlich von den Geräten abgegebene Pegel wichtig für die Anpassung. Wie will ich sonst den HV ausgleichen, wenn ich zu wenig Pegel habe. In der Software kann viel stehen - Vetrauen ist gut, Kontrolle besser.

Ja, ich mache bei jedem Gerät ein Sensogramm. Ja, ich mache auch bei jedem Gerät und bei jeder größeren Veränderung an der Einstellung eine InSitu Messung.
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