Hier noch meine Sichtweise zu folgender Aussage in Beiträg #69:
AkustikerMeister hat geschrieben:Ich gehe mit euch einig, dass solche Beiträge gefährlich sind und eigentlich nicht unkommentiert gelassen werden dürfen.
Sie sind aber mindestens genau so lächerlich wie gefährlich...[etc. etc. etc.]
Erstens ist die Propaganda der Hörakustik-Branche mindestens so lächerlich und gefährlich, wie Du meine Beiträge darstellst. Das scheinst Du entweder nicht zu realisieren (dann aber kannst Du den Inhalt meiner Beiträge nicht beurteilen) (I), oder aber es stört Dich nicht (II).
Ich gehe von ersterem Fall aus, da (für mich) offensichtlich (I) zutrifft (es sei denn, dass Du bewusst (wider besseren Wissens) Fehlinformationen einstellst, wovon ich jedoch nicht ausgehe).
Ich möchte zur Begründung kurz einige Beispiele anführen:
Du hast behauptet, man könne nicht mittels einer Studie belegen, ob die Verwendung von Hörgeräten zusätzlichen Hörverlust bewirken könnte. Hätte ich nicht widersprochen, würde diese Fehlinformation weiterhin potentielle Kunden irreführen.
Des weiteren hast Du behauptet, dass das Tragen von Hörgeräten Demenz vorbeugen könne.
Dies kann man jedoch laut der Professorin, welche für die umfangreiche Studie, aus deren Resultaten dies (zumindest gemäss Propaganda der Hörakustik-Branche) geschlossen wurde, gerade nicht schliessen (wie ich ja bereits in diesem Forum erläutert hatte, bevor ich auf die entsprechende Aussage der Professorin gestossen bin).
Das ist Verbreitung von Fehlinformationen durch so genannte Fachleute (wer hat je überprüft, ob Du die angebliche Ausbildung überhaupt absolviert hast?), wobei man natürlich auch darauf achten muss, welche Fachgebiete die betreffende Ausbildung umfasst. Offensichtlich nicht (bzw. nur sehr oberflächlich) die, zu welchen Du Dich äusserst und eine hohe Fachkompetenz in Anspruch nimmst. Ich halte dies für irreführend.
Hier ein weiteres Beispiel für die (irreführende) Propaganda der Hörakustik-Branche:
Unter der Ueberschrift "Risiken nicht behandelter Hörprobleme" findet man:
"Durch die rechtzeitige Versorgung mit Hörgeräten kann der Effekt der Hörentwöhnung verhindert werden, wodurch die Lebensqualität und Kommunikationsfähigkeit erhalten bleiben. Je früher die Hörschwäche behandelt wird, desto besser ist das Behandlungsergebnis. Wird das Problem hingegen ignoriert, kann sich der Hörverlust verschlimmern und eine stärkere Korrektur notwendig werden. Zudem nimmt im Laufe der Zeit das Sprachverstehen immer mehr ab. Diese Hörentwöhnung, Deprivationseffekt genannt, wäre auch nach Jahren der Hörgeräte-Versorgung nur schwer wieder rückgängig zu machen. Wird das Problem dagegen rechtzeitig behandelt, stellt sich das Hörvermögen leichter wieder her, das Sprachverstehen bleibt erhalten und es werden allgemein schneller bessere Ergebnisse erzielt.
Wenn die Hörbeeinträchtigung nicht behandelt wird, kann es außerdem zu einem Wahrnehmungsverlust kommen. Das bedeutet, dass das Gehör in den hörgeschwächten Bereichen weniger oder nicht mehr ausreichend gefordert wird. Das Gehirn bekommt zunehmend mehr Schwierigkeiten, das Gehörte wahrzunehmen und zu interpretieren und Sprache wird immer schlechter verstanden. Findet der Akustiker die richtige Lösung für das individuelle Hörproblem, stellen Betroffene oft erstmals fest, was Sie vorher alles nur undeutlich oder nicht mehr gehört haben. Es dauert aber auch mit Hörgeräten eine gewisse Zeit, bis sich Hörnerv, Ohr und Gehirn wieder an das Aufnehmen und Verarbeiten von Schall gewöhnt haben, je nachdem wie lange die Hörgeräteversorgung aufgeschoben wurde. Hörgeräte lassen einen wieder besser hören, sorgen für eine ungestörte Kommunikation mit der Umwelt und helfen dabei, den Alltag zu meistern. Das eigene Selbstvertrauen wird gestärkt, soziale Kontakte werden wieder stabiler und angenehmer."
(Link:
http://www.amplifon.com/web/de/auswirkung-hoerverlust)
Hier meine Sichtweise zu diesem Text (ich zitiere einzelne Aussagen und kommentiere sie):
"Durch die rechtzeitige Versorgung mit Hörgeräten kann der Effekt der Hörentwöhnung verhindert werden"
Mit "Hörentwöhnung" ist Deprivation gemeint (siehe unten). Dieser Effekt kann gerade auch durch die Verwendung von Hörgeräten verstärkt werden, als Folge einer Schädigung der Hörbahnen durch den durch Hörgeräte erzeugten (zusätzlichen) Lärm.
"Je früher die Hörschwäche behandelt wird, desto besser ist das Behandlungsergebnis."
Es gibt Studien, deren Resulate das Gegenteil nahe legen (das Sprachverstehen nimmt bei Verwendung von Hörgeräten rascher ab als das bei deren Nichtverwendung).
"Wird das Problem hingegen ignoriert, kann sich der Hörverlust verschlimmern..."
Hörverlust kann durch die Verwendung von Högeräten nicht aufgehalten werden, sondern im Gegenteil noch rascher voran schreiten.
"Zudem nimmt im Laufe der Zeit das Sprachverstehen immer mehr ab. Diese Hörentwöhnung, Deprivationseffekt genannt, wäre auch nach Jahren der Hörgeräte-Versorgung nur schwer wieder rückgängig zu machen."
Das Sprachverstehen nimmt auch ohne Verwendung von Hörgeräten immer mehr ab und kann gerade auch durch deren Nutzung rascher voran schreiten, da Schäden ab dem Innenohr (aber auch des Hörnervs und der retrocochleären Hörbahnen bis ins Sprachzentrum) nicht ausgeschlossen werden können.
"Wird das Problem dagegen rechtzeitig behandelt, stellt sich das Hörvermögen leichter wieder her, das Sprachverstehen bleibt erhalten und es werden allgemein schneller bessere Ergebnisse erzielt."
Leichter im Vergleich wozu? Man darf natürlich nicht die Situation eines Hörgeräteträgers, der zum Zeitpunkt x neu Hörgeräte anpassen lässt, mit der Situation des selben Hörgeräteträgers, der zum Zeitpunkt x + 10 Jahre neu Hörgeräte anpassen lässt, so vergleichen wie hier, da natürlich auch in ersterem Falle 10 Jahre später ein schlechterers Sprachverstehen zu erwarten ist. Das halte ich in höchstem Masse für unseriös.
"Wenn die Hörbeeinträchtigung nicht behandelt wird, kann es außerdem zu einem Wahrnehmungsverlust kommen. Das bedeutet, dass das Gehör in den hörgeschwächten Bereichen weniger oder nicht mehr ausreichend gefordert wird. Das Gehirn bekommt zunehmend mehr Schwierigkeiten, das Gehörte wahrzunehmen und zu interpretieren und Sprache wird immer schlechter verstanden."
Unter Demenz leidende Personen mit unversorgtem Hörverlust können das Sprachverstehen besser erhalten als mit Hörgeräten Versorgte*. Ich halte die zitierten Behauptungen für unseriös (der (zugegebenermassen möglichen) Deprivation und durch "zu wenig Input" und deren möglichen Folgen) steht ein wahrscheinlicher Abbau der retrocochleären Hörbahnen durch zu hohe Lärmbelastung, mitverursacht durch die Verwendung von Hörgeräten, gegenüber (I). Diese Lärmbelastung kann Zelltod auslösen, welcher auch im Sprachzentrum statt findet. Ohne die Verwendung von Hörgeräten hingegen muss die Fähigkeit, "aus Schallsignalen Sprache zu entschlüsseln, stärker (bzw. auch "auf andere Weise") trainiert werden". Dies könnte (nur als Beispiel, da gerade "in") zur Folge haben, dass das Sprachverstehen von unter Demenz leidenen Personen länger aufrecht erhalten werden kann, wenn sie keine Hörgeräte tragen.
Meiner Ansicht nach wäre es am sinnvollsten, bezüglich (I) eine Abwägung vor zu nehmen:
Einerseits kann ein Abbau der Hörbahnen bis ins Sprachzentrum durch die Verwendung von Hörgeräten rascher voran schreiten als ohne deren Verwendung. Andererseits könnte der Prozess wieder verlangsamt werden, wenn diese in eingeschränktem Masse verwendet (und weitere Massnahmen umgesetzt) würden.
Ich gehe davon aus, dass in vielen Fällen die moderate Verwendung von Hörgeräten langfristig gesehen das beste Ergebnis liefern dürfte, wobei man natürlich alles Mögliche unternehmen sollte, um die Lärmbelastung durch Hörgeräte zu verringern (es ist ein Witz: mit drohendem Zeigefinger wird auf die Gefährlichkeit zu hoher Lärmbelastungen gezeigt, während diese gleichzeitig von Hörgeräten abgegeben wird. Ausserdem wird ebenso drohend auf die möglichen Folgen von Deprivation hin gewiesen und zu deren Vermeidung zum Tragen von Hörgeräten geraten, während gerade dies die Folgen verstärken kann).
Wie bereits erläutert, muss eine Abwägung statt finden zwischen zu starker und zu schwacher Nutzung von Hörgeräten, wobei gleichzeitig intelligente Strategien entwickelt werden müssen, um die durch die Verwendung von Hörgeräten entstehende Lärmbelastung so weit wie möglich zu vermindern.
Natürlich ist es so, dass die Hörakustik-Branche insgesamt mehr Gewinn erzielen kann, wenn Hörverlust früher versorgt wird. Ich gehe auch davon aus, dass mehr verdient werden kann, wenn der Hörverlust stärker ist. Aus rein finanziellen Gründen besteht also nicht zwingend ein Interesse an einem möglichst langsamen Fortschreiten von Hörverlust und Verschlechterung des Sprachverstehens.
*) eine Erklärung könnte darin bestehen, dass zur Kompensation vermehrt die Bereiche des präfrontalen und parieto-temporalen Cortex genutzt werden, um die auditive Verarbeitung aufrechtzuerhalten
Siehe auch hier:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3869227/
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20888846
Gruss fast-foot