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Re: Warum gibt es keine Hörgeräte in HIFI Qualität
Verfasst: 2. Apr 2023, 22:25
von Akustik Alex
ArsMachina hat geschrieben: ↑2. Apr 2023, 22:09
Ja ich verstehe, es würde wohl wirklich klingen wie verstimmt, nur eben kein verstimmtes Instrument sondern alles verstimmt
Das bedeutet die komplette Unterstützung in den HG wird also tatsächlich über Dynamikkompression, also die Anhebung der Lautstärke in den durch den Hörverlust schwachen Frequenzen gemacht?
Wenn ich aber ab 8k nun gar nichts mehr höre bleibt das auch komplett weg, denn da hilft dann auch keine Verstärkung mehr.
Grüße Jochen
Die Unterstützung der
HGs ist die frequenzabhängige Verstärkung. Kompression ist, wie gesagt, keine Anhebung der Lautstärke. Ja, wenn du ab 8kHz gar nichts mehr hörst, dann kannst du die reine Information runterkomprimieren, aber über 8kHz hörst du halt immer noch nichts.
Re: Warum gibt es keine Hörgeräte in HIFI Qualität
Verfasst: 2. Apr 2023, 22:36
von Ohrbert
Ja, genau so sehe ich das. Ich denke im Sprachbereich kann man sich an „Verstimmt“ gewöhnen. Da klingt die Sprache von Personen oder auch Geräusche zwar verfälscht, irgendwann hat man aber gelernt dass das normal ist und es ist eben OK.
Bei Instrumenten ist das so eine Sache. Es ist bei Musik nunmal so, dass ein Ton, Klang, etc. eines Instrumentes nicht nur aus einer Frequenz besteht sondern aus einem ganzen Spektrum mit Obertönen, etc. Das macht den Klang aus und da kann man nicht einfach die Frequenzen beliebig verschieben. Allerdings passiert da auch viel im Gehirn (psychoakustiksche Effekte) wie zB beim Residuum, wo ein Grundton gehört wird obwohl nur die Obertöne physikalisch da sind. Ich denke wenn man den Klang von einem Instrument sehr gut kennt und man dann eine Frequenzverschiebung macht dann ist das nur schwer tolerierbar - zumindest ist es bei mir bei Gitarre so. Ob man sich da dran gewöhnen kann oder ob man das anders empfindet wenn man den Klang gar nicht oder nicht gut kennt kann ich nicht beurteilen.
Re: Warum gibt es keine Hörgeräte in HIFI Qualität
Verfasst: 3. Apr 2023, 08:58
von Reinhard2
ArsMachina hat geschrieben: ↑2. Apr 2023, 00:27
...
Da ich ja auch den Traum von den "beim Musikhören gut klingenden Hörgeräten" habe gebe ich auch mal meinen Senf aus meinem Verständnis und meinen bisherigen Erfahrungen dazu.
Beginnen wir doch mal mit der Frequenzdefinition von HiFi (Quelle Wikipedia)
...
Hallo, Jochen,
ich finde es gut und hilfreich, wenn Du das hier offenbar als Reizwort empfundene "Hifi" durch die Formulierung "beim Musikhören gut klingenden Hörgeräte" ersetzt

. Denn es gibt zwar die DIN-Norm 45500, die aber unter allen Hifi-Fachleuten und Hifi-Fans seit Jahrzehnten (!) als "überholt" gilt. Insofern hilft hier google leider nicht.
Was angenehm und genussvoll klingt, kann man nicht mit Messwerten ausdrücken, das war in den 60ern des letzten Jahrhunderts mit der DIN-Norm 45500 für Hifi zwar beabsichtigt, geht aber fehl. Geräte, die nur die Mindestnorm DIN 45500 erfüllen, würden heute unter Hifi-Fans als grausam klingend empfunden. Röhrenverstärker mit "schlimmen" Messwerten gelten unter vielen Fans als absolut super klingend. Die Sache ist wohl komplizierter als die DIN-Norm

. Und natürlich auch subjektiv.
Ansonsten nehme ich den hier oft zu spürenden Widerstand gegen Hörgeräte und Hifi mal als den in der Menschheitsgeschichte immer wieder anzutreffenden Widerstand gegen alles Neue und Unbekannte. Insofern ist Dir zuzustimmen, dass diejenigen unter den Hörgeräteakustikern, die sich dem Thema sperren, am Ende "runterfallen" werden. Es gibt da ganz klare Tendenzen und Industrie und aufgeschlossene Akustiker versuchen ja seit langem, den antiquierten Begriff "Hörgerät" durch "Hörsystem" zu ersetzen, was auch technischen Ehrgeiz ausdrücken soll. Und natürlich auch Erwartungen weckt. Weiter so, da kommt bestimmt Interessantes. Die Generation der 70er und 80er, die im Hifi-Boom sozialisiert wurde, kommt langsam ins Hörgeräte-, sorry Hörsystem-Alter

Da ist viel Geld zu verdienen.
Dank für Deine guten Ausführungen auch an die anderen Mitstreiter hier.
P. S. der AKG 712 (ich hab den 702) gilt übrigens auch als "offener" Kopfhörer, ich weiß aber, was Du meinst (ohrumschließend).
Beste Grüße
Reinhard2
Re: Warum gibt es keine Hörgeräte in HIFI Qualität
Verfasst: 3. Apr 2023, 09:44
von Dani!
Reinhard,
Das Reizwort hier im Forum ist nicht HiFi, sondern "Reinhard2", der Argumente als "Widerstand gegen alles Neue" abtut, weil sie nicht seinen Wunschantworten entsprechen.
Hörgeräte übrigens werden dann als Hörhilfen bezeichnet, wenn man nicht nur Hörgeräte, sondern auch z.B. CI und BAHA mit einschließen möchte. Nicht jede Hörhilfe ist ein Hörgerät, viele Akustiker passen mittlerweile auch die anderen Gerätegattungen an.
Re: Warum gibt es keine Hörgeräte in HIFI Qualität
Verfasst: 3. Apr 2023, 11:12
von Helmholtz
Akustik Alex hat geschrieben: ↑2. Apr 2023, 11:15
ArsMachina hat geschrieben: ↑2. Apr 2023, 00:27
Wenn ich es richtig verstanden habe sorgt die Kompression bei Hörgeräten dafür, dass der Frequenzbereich von sagen wir mal 20Hz bis 12kHz in den Bereich von vielleicht 200Hz bis 8kHz verschoben und komprimiert wird.
Bei der Frequenzkompression ja, bei der Frequenztransposition, jein. Und bei der "normalen" Kompression geht es um Lautstärken

...
Besten Gruß,
Alex
Hallo Alex,
als Neumitglied und erstmaliger
HG-Anwender mit einem sonic enchant se10 würde mich die Regelphilosophie der Geräte interessieren:
- ich gehe davon aus, daß zunächst ein Equalizer am Werke ist, der alles unter sagen wir mal 2 kHz absenkt, da das nicht zur Sprachverständlichkeit beiträgt. Oberhalb von 8 kHz (?) bringts eh nicht mehr viel, wenn überhaupt
- danach wird wohl ein Kompressor tätig, der niedrige Pegel anhebt und große Pegel senkt (wenn nicht gar noch ein Limiter eingebaut ist) Ich vermute, daß der Kompressor frequenzabhängig einsetzt.
- da so ein
HG wie meins mehrere Mikros hat, könnten (!) Laufzeitdifferenzen des ankommenden Schalls genutzt werden? Räumliches Hören?
- Wie arbeiteet die Elektronik? Mikro > ADC > kleiner Rechner > DAC > Treiber für Lautsprecher > Lautsprecher?
Das sind schon wieder Fragen... Wo findet man ggf. mehr zur Technik?
VG
Re: Warum gibt es keine Hörgeräte in HIFI Qualität
Verfasst: 3. Apr 2023, 12:32
von Akustik Alex
Hey Helmholtz,
der schematische Signalweg ist Mikrofon -> Chip -> Lautsprecher (bei Signia sogar zwei getrennte Chips für getrennte Signalwege). Irgendwo dazwischen hängt noch ein Verstärker. Wann nun aber Kompression, Equalizer usw. im Signalweg eingefügt werden, ist rein digital und kann nach Herstellerphilosophie durchaus variieren. Das ganze ist auch wesentlich komplexer, da das Signal analysiert wird, gefiltert, komprimiert, die Mikrofonöffnugnswinkel ständig variieren (das ganze teilweise auch noch Frequenzabhängig), das Signal auf mögliche Rückkopplungen geprüft wird, ggf. reduziert, limitiert, komprimiert usw. usf.
ALLE Hörgeräte, außer
IIC und
CIC haben zwei Mikrofone, durch deren Laufzeitunterschiede Richtwirkungen erzeugt werden können, gleiches gilt auch für das Zusammenspiel von rechts und links. Auch bei dir ist aber ein Denkfehler: Ja, die Kompression ist frequenzabhängig und hat idR 3 - 4 Kniepunkte und eine MPO (Limiter). Aber die Kompression verstärkt nichts, sie senkt die Verstärkung mit zunehmender Lautstärke ab. Die Verstärkung kommt vom Verstärker. Hat ein Eingangssignal bspw. also
LE 55dB SPL und im Gerät ist eine Verstärkung von 15dB hinterlegt, ist das Ausgangssignal LA 70dB SPL. Bei LE 120 dB SPL wäre es 135dB SPL und dein Schädel würde so langsam platzen

Deswegen die Kompression. Die regelt (nur) das Verhältnis von
LE und LA. Ab einem eingestellten Kniepunkt von bspw. 65dB, wird der Verstärkungswert verändert, z.B. auf 10dB. Somit findet keine unnötige und unnötig hohe Verstärkung mehr statt. Die MPO sorgt dafür, dass irgendwo gedeckelt wird. Das sinnigerweise spätestens bei der Unbehaglichkeitsgrenze. Eine generelle Absenkung unter 2kHz wäre aber nicht wirklich zielführend und findet auch nicht statt. Die menschliche Sprache ist auch bei 500Hz noch mit wichtigen Anteilen vertreten. Die Prozesse sind aber, wie gesagt, noch weit aus komplexer. Es gab da mal ganz gute Fachartikel zu, die ich aber grad nicht mehr finde.
Besten Gruß,
Alex
Re: Warum gibt es keine Hörgeräte in HIFI Qualität
Verfasst: 3. Apr 2023, 13:01
von Reinhard2
Dani! hat geschrieben: ↑3. Apr 2023, 09:44
Reinhard,
Das Reizwort hier im Forum ist nicht HiFi, sondern "Reinhard2",...
Höflichkeit im Ton kann man in englischen Foren lernen, deutsche Foren sind leider berüchtigt dafür, dass schnell die Keule rausgeholt wird. Ich kann keine Stelle finden, an der ich im Ton unhöflich gewesen wäre. Dass man unterschiedlicher Meinung ist, ist ja normal...
Re: Warum gibt es keine Hörgeräte in HIFI Qualität
Verfasst: 3. Apr 2023, 13:05
von Helmholtz
Hi Alex,
danke für die schnelle und umfangreiche Antwort
Ja, oberhalb eines bestimmten Schalldrucks von außen kommt ein Limiter zum Einsatz (damit der Schädel nicht raucht). Aus Deinen Ausführungen habe ich gelernt, daß die Angelegenheit recht komplex ist. Naturgemäß ergeben sich daraus viele Fragen. Es wird spannend.
VG
Re: Warum gibt es keine Hörgeräte in HIFI Qualität
Verfasst: 3. Apr 2023, 14:53
von rabenschwinge
Weißt Du @Reinhard2, dieser Thread beantwortet Dir Dank Akustik Alex Erklärungen warum HIFI bei Hörgeräten noch nicht funktionieren kann und schon gar nicht so einfach wie Du als auch Jochen bspw. Euch das vorstellt.
Unhöflich bist Du uns gegenüber mit Deiner Ignoranz ob der Antworten von Akustik Alex.
Re: Warum gibt es keine Hörgeräte in HIFI Qualität
Verfasst: 3. Apr 2023, 15:10
von Reinhard2
Na, dann will ich mal nicht länger zur Last fallen...
Beste Grüße
Reinhard2
Re: Warum gibt es keine Hörgeräte in HIFI Qualität
Verfasst: 3. Apr 2023, 16:16
von FotoJunkie
das wäre sehr schade
Re: Warum gibt es keine Hörgeräte in HIFI Qualität
Verfasst: 3. Apr 2023, 16:54
von rabenschwinge
Reinhard2 hat geschrieben: ↑3. Apr 2023, 15:10
Na, dann will ich mal nicht länger zur Last fallen...
Beste Grüße
Reinhard2
Aha.