Dass 100% Sicherheit bei IT-Systemen nicht möglich sind, sollte jeder wissen.
Für mich gibt es aber eine wichtige Unterscheidung, nämlich ob das jeweilige System so entwickelt wurde, dass nach menschlischem Ermessen die Sicherheit gewährleistet sein sollte oder ob es bereits konzeptionelle Mängel gibt.
Schön, dass du das Beispiel mit den Kreditkarten genommen hast. Das ist nämlich mein Fachgebiet und da bin ich der Experte.

Bei Bank- oder Kreditkarten ist bei regulärer Nutzung gewährleistet, dass keine unbefugte Person über dein Geld verfügen kann. Deshalb sind z.B. außerhalb der Bank oder deren technischem Dienstleister nirgends die vollständigen Kartendaten gespeichert. Und selbst bei der Bank oder dem Dienstleister können nur wenige Mitarbeiiter diese nochmal zusätzlich verschlüsselten Daten einsehen und auch nur dann, wenn es für deren Aufgabe unmittelbar erforderlich ist.
Das heißt im Umkehrschluss, dass außerhalb dieses kleinen Kreises niemand alle Kartendaten sehen kann, die er bräuchte, um missbräuchliche Transaktionen zu generieren.
Sollte dir jemand über die Schulter geschaut haben, dir im Anschluss die Karte klauen und damit shoppen gehen, geht der Schaden in aller Regel zu Lasten der Bank, es sei denn man kann dir grobe Fahrlässigkeit nachweisen (z.B. du hast die PIN auf der Karte notiert oder anderen Personen weitergegeben). Außer etwas Lauferei sollte dir also kein nennenswerter Schaden entstehen.
Dadurch, dass Schäden in der überwiegenden Zahl zu Lasten der Banken gehen, haben die eine starke Motivation, die Daten bestmöglich zu sichern.
Und hier kommen dann die Unterschiede zur ePA:
Bei der ePA geht es nicht um Buchungen, die man stornieren kann. Es handelt sich um eine Datenbank, die so sensible Informationen enthält, dass diese an verschiedensten Stellen Begehrlichkeiten auslösen. Wenn die Daten einmal abgegriffen wurden, kann man sie anders als eine finanzielle Buchung nicht wieder "zurückholen". Diese sind dann für immer bekannt.
In solchen Fälllen haftet auch niemand und der potenzielle Schaden geht zu 100% zu Lasten des Betroffenen.
Potenzielle Bedrohungen für die Daten sehe ich auf mehreren Ebenen:
- Unzureichende Berechtigungsverwaltung
Die derzeit definierten Benutzerrollen erlauben für einige Personenkreise zu viele Einblicke in die jeweilige Krankenhistorie. Das mag man persönlich als unkritisch bewerten, widerspricht aber der üblichen "Best Practice", dass jeder nur die Daten sehen darf, die für die jeweilige Aufgabe zwingend erforderlich sind, und ist damit eine Gefahrenquelle.
- Hackerangriffe
Das ist eine Gefahr, die aktuell nur schwer zu bewerten ist, weil mir bisher nicht ausreichend klar ist, wie man damit Geld generieren kann. Das ist schließlich meist der Treiber für diese Menschen, sofern es nicht darum geht, es einfach mal zu probieren, weil man es kann.
Man darf aber davon ausgehen, dass jedes System, das interessante Daten enthält, früher oder später zum Ziel für Angriffe wird.
- Behörden
Das ist in menen Augen das größte Risiko. Wie ich bereits zuvor geschrieben habe, ist ein Zugriff durch Ermittlungs- und Sttrafverfolgungsbehörden explizit nicht ausgeschlossen.
(Quelle:
https://patientenrechte-datenschutz.de/ ... schlossen/)
Zum einen ergeben sich hier alleine schon deshalb Risiken, weil es damit eine Schnittstelle gibt, über die (unkontrolliert?) auf die Daten in der ePA zugegriffen werden kann, ohne dass man genau weiß von wem und warum.
Spinnen wir diesen Gedanken mal etwas weiter und nehmen wir mal an, dass es eine politische Veränderung in Deutschland gibt wie wir sie aktuell auf der anderen Seite des großen Teichs beobachten können. Würden im Rahmen dieser Veränderung Bedingungen geändert und wie dort in einigen Staaten würden bspw. Abtreibungen illegal, wäre es für die Behörden ein leichtes, anhand der zentral an einer Stelle vorhandenen Daten betroffene Personen der entsprechenden Bestrafung zuzuführen. Anhand der ePA lässt sich dann anhand der Diagnosen oder Laborergebnisse sogar nachweisen, dass z.B. eine Frau schwanger war und nach einem Auslandsaufenthalt plötzlich nicht mehr. Und das sogar jahrelang in die Vergangenheit.
Und das ist nicht an den Haaaren herbeigezogen. In Amerika dürfen aktuell schwangere Frauen einige Bundesstaaten, in denen Abtreibungen illegal sind, diese während der Schwangerschaft nicht verlassen, um zu verhindern, dass sie die Abtreibung in einem anderen Bundesstaat vornehmen lassen, wo dieser Eingriff noch legal ist.
In einem solchen Szenario bekämen die deutschen Behörden die Daten für alle Inhaber einer ePA förmlich auf dem Silbertablett.
Ob nun diese Bevölkerungsgruppe irgendwann zum Ziel wird oder irgendeine andere Gruppierung dann plötzllich unliebsam wird, kann man heute nicht seriös vorhersehen. Allerdings legen manche Wahlergebnisse der letzten Zeit nahe, dass eine ähnliche politische Entwicklung in Deutschland nicht ganz ausgeschlossen ist.
Und hier liegt eines der Grundprobleme bei der Bewertung des Risikos. Anders als bei Kartenzahlungen, wo ich jede Buchung prinzipiell rückgängig machen und so den Schaden beheben kann, sind die Daten, die in der ePA dauerhaft an einem zentralen Ort gespeichert. Wenn jemand darauf zugreift, hat er diese Daten. Und das ist unumkehrbar.
Sollte es eines Tages - was wir alle nicht hoffen - der Fall eintreten, dass diese Daten gegen bestimmte Personenkreise eingesetzt werden, kann man diese Daten nicht nachträglich wieder löschen, um sich zu schützen. Die Daten sind dann unwiderruflich da und im Zugriff von wem auch immer.
Versteht mich bitte nicht falsch. Ich bin ein absoluter Befürworter der Digitalisierung. Alle Prozesse, egal ob bspw. im Finanzsektor, im Umgang mit Behörden oder im medizinischen Bereich sollten meines Erachtens primär digital funktionieren und analoge Prozesse nur als Backup für Notfälle oder die vergleichsweise wenigen noch verbliebenen "Offliner" existieren.
Nur müssen diese Prozesse entsprechend vor unbefugten Zugriffen abgesichert sein. Die entsprechenden Mittel gibt es längst.
Leider ist Deutschland beim Thema Digitalisierung an vielen Stellen noch auf dem Niveau eines Entwicklungslandes, da man bei der Gestaltung digitaler Prozesse alle möglichen Befindlichkeiten befriedigen will, was solche System unnötig komplex, anfällig und in der Entwicklung / Wartung teuer macht.