Arbeitsplätze für hörgeschädigte Menschen

Für Ratsuchende, Erfahrungsaustausch, Hilfestellungen
santiago
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Re: Arbeitsplätze für hörgeschädigte Menschen

#26

Beitrag von santiago »

Hallo!
Das mit dem Hineinversetzen ist eine ganz schwierige Sache.
Ich bin seit 35 Jahren ohne HG praktisch GL, kenne viele GL, und trotzdem kann ich mich nur bedingt in die Lage von GL hineinversetzen.

Bei SH ist es vielleicht etwas leichter aber funktionieren tut es auch hier nur bei bestimmten Menschen. Ich glaube nicht mal das es böse Absicht ist aber es gibt Menschen die kannst Du 10 mal bitten langsamer/lauter zu sprechen und nach 5 min ist wieder alles vergessen...

In der Berufswelt kommt halt zu den verschiedenen Menschentypen auch noch der berufliche Stress hinzu. Bei Besprechungen, in der Kantine, usw. erwarte ich mir auch ein Mindestmaß an Rücksichtsnahme aber kann schon verstehen das Hörende sich sehr schwer tun dabei völlig auf meine Bedürfnisse einzugehen. Hörende sind einfach gewohnt bei Besprechungen und unter ungünstigen akustischen Situationen noch ohne größere Anstrengungen zu verstehen. Das Hören für SH Arbeit bedeutet kann man ihnen zwar erklären aber richtig nachvollziehen können sie dies mangels eigener Erfahrung nicht wirklich.

Interessant finde ich auch dass es auch in HG-Schulen, bei HNO-Ärzten und Akustikern teilweise Probleme mit dem Hineinversetzen gibt. Mir ist in Österreich z.B. eine HG-Schule mit SH-, CI- und GL-Kindern bekannt wo alle Pausensignale und Brandmelder nur akustisch funktionieren. Eigentlich schon ein Wahnsinn das solche Sachen scheinbar immer noch als völlig normal empfunden werden :x

Gruß
santiago
EinOhrHase
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Re: Arbeitsplätze für hörgeschädigte Menschen

#27

Beitrag von EinOhrHase »

@Gabi

deinen Aussagen stimme ich insofern zu, da die Eltern ihre Kinder ja betreuen, beraten und auch seelisch unterstützen müssen was die SH betrifft und wenn Unklarheit herrscht, nachzuhaken.

Ich machte während meiner Ausbildung eine andere Erfahrung:
Da ich in einem "normalen" KiGa und einer "normalen" Schule quasi gross geworden bin, stand ich schon zu Beginn meiner Ausbildung bzw auch in der Freizeit vor einer Hürde:
95% aller Azubis in dem BBW unterhielten sich in GS die ich in keinster Weise beherschte geschweige je davon gewusst hatte.
So begann ich parallel zu meiner Ausbildung autodidaktisch die GS zu lernen - zumindest soweit, dass ich mit meinen Kollegen unterhalten konnte.
Ähnlich erging es meinen derzeitigen Kollegen oder auch neueren Kollegen die immer wieder hinzukommen, dass sie sich rein gar nichts unter der SH vorstellen können.
Kollegen, die mich eigentlich schon kennen müssten bezügl. der SH frotzeln trotz aller Aufklärungen weiter: Du hast doch ein HG, schalt es gefälligst ein, wenn Du dich mit mir / uns unterhalten willst. Du hast jetzt ein neues HG, also hörst Du doch auch besser.......

Könnte natürlich hergehen und jeden Einzelnen bei den Vorgesetzten "verpfeifen" oder diese Problematik nach Außen tragen (Klage wg Mobbing, Nötigung usw) doch was nützt es? Hört der Eine auf, fängt der Andere an...... da könnt man täglich solche Leute anko***

So gesehen macht eben jeder "Normalo" und auch jeder Schwerbehinderte seine eigenen Erfahrungen - leider ist der Regelfall, dass sehr viele Schwerbehinderte eher die schlechteren Erfahrungen machen "müssen" um gegen solche Willkür der "Normalos" abgebrühter zu reagieren.
Es hat manchmal den Anschein, daß Schwerbehinderte absichtlich provoziert werden, daß sie, wenn sie emotional reagieren (Vulgärsprache z.B.) diese dann beim Vorgetzten angeschwärzt werden wg Beleidigung. Der schwarze Peter bekommt dann logischerweise der Schwerbehinderte. Von den Vorgesetzten oder Chefs werden solche Vorkommnisse allzu gern unter den Tisch gekehrt und als "nicht weiter schlimm" deklariert.......... sowas ist einfach unmenschlich.
Unter den Firmeninhabern (ganz gleich welche Branche) soricht sich sowas sehr schnell herum. Möchte der Betroffene Schwerbehinderte dann aus gesundheitlichen Gründen (Mpbbing usw) den Job wechseln, wird er sich umso schwerer tun, da der neue Chef schon um die Umstände weiss, bevor der Bewerber je einen Tag bei dem neuen Chef gearbeitet hat.......

Um nochmals die Jobsuche / Jobwechsel anzusprechen:
Es gibt so einige Anlaufstellen, die den Schwerbehinderten helfen, einen vernünftigen, "auf sie zugeschnittenen" Job zu bekommen können und dieser dann auch Spaß macht.
Nur:
Welcher Schwerbehinderte weiss definitiv um solche Möglichkeiten - ob das die Jobsuche betrifft oder gar die Freizeitgestaltung?
Schwerbehindere, die zb. auf eine entsprechende Schule gehen / gegangen sind, wissen schon von den Lehrern so einige Anlaufstellen, wo sie Hilfe bekommen.
Schwerbehinderte, die - wie ich zb - "normal" aufgewachsen sind und auch "normale" Schulen besucht haben, werden sich schon schwerer tun, Anlaufstellen ausfindig zu machen und auch ausreichend Informationen zu bekommen.
Ich schliesse das Internet hier bewusst mal aus, da nicht jeder Schwerbehinderte die Möglichkeit hat (Vom Wissen und Handicap) das Internet zu nutzen.

Zum einen ist dieser Thread sehr interessant, viele Ansichten zu dieser Problematik zu bekommen - sowohl als Eltern, "Normalos" wie auch Betroffene.
Zum anderen denke ich, ist es hier auch sehr passend, wo sich Schwerbehinderte bzw SH sich quasi den Frust von der Seele schreiben können, mit dem Wissen, sie werden hier ernst genommen und auch verstanden.

Was ich hier begrüssenswert fände, wäre Anlaufstellen zu nennen, die man laut persönlichen Erfahrungen auf jeden Fall weiter empfehlen möchte und kann.

Bislang habe ich den V'DK noch nicht wirklich nutzen müssen, denke aber, er ist zumindest für Soziales eine gute Anlaufstelle - auch bezügl. der Rechtsberatung am Arbeitsplatz und auch während der Freizeit.
Dieser Verein diente ursprünglich für Kriegseschädigte, übernahm aber zwischenzeitlich auch die Beraterfunktion für Schwerbehinderte.

Grüssle
Wer nicht (gut) hören kann, sollte genauer hinsehen ;)
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pascal2
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Re: Arbeitsplätze für hörgeschädigte Menschen

#28

Beitrag von pascal2 »

Als jugendlicher habe ich bis 25 ganz normal gehört.
Da kann ich von keinen Erfahrungen berichten.

Aber was Oli schreibt, kann ich voll und ganz nachvollziehen.
Mir platzt manchmal auch fast der Kragen und ich würde am liebsten losbrüllen.

Ich habe auch mal so eine "Anlaufstelle" an meinen Arbeitsplatz geholt.
Den Integrationsfachdienst.
Das Resultat war für mich danach verheerend.
Mein Chef holte mich, als die dann alle wieder weg waren, zu sich und meinte, was ich denn für fremde Leute in den Betrieb reinholen würde.
Danach mußte ich eine lange Predigt ertragen:
Mein Chef:
Keiner will so was haben wie Sie, aber ich müßte verständnissvoll sein, schließlich müßte der Betrieb Geld verdienen und seie kein Sozialamt.
Paar Tage später kam dann von ihm die Retourkutsche und ich wurde in eine andere Abteilung versetzt.
Was hätte ich tun sollen ?
Wieder den Integrationsfachdienst holen ?
Noch mehr Abneigung gegen mich bei meinen Bossen erzeugen ?
Das Beste an alle dem ist, mit jeder Versetzung hatte ich dann auch weniger Geld.
Weil bei uns vor einigen Jahren das Lohnsystem total umgebaut wurde und nun viel mehr aus Leistungsanteilen besteht.

Ich bin auch fest davon überzeugt, daß viel mehr Hörgeschädigte wesentlich mehr Schwierigkeiten in der freien Wirtschaft haben, als sie allgemein zugeben.
Vielen wurde es auch abgewöhnt, frei über ihre Gefühle zu sprechen und zu schreiben.
Oder sie schämen sich einfach.
Zuletzt geändert von pascal2 am 8. Nov 2011, 13:47, insgesamt 1-mal geändert.
Zum Glück hat der weise Trittin die Entwicklung des Deutschen Rentensystems früh erkannt und das Flaschenpfand eingeführt !
santiago
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Re: Arbeitsplätze für hörgeschädigte Menschen

#29

Beitrag von santiago »

Hallo!
Beim Beispiel mit dem Integrationsfachdienst klingt es etwas als ob der Chef davon nicht im Vorfeld informiert gewesen ist? Wenn dem so war hat er sich vielleicht übergangen gefühlt und war deshalb dann sauer?

Die Firmengröße scheint auch eine große Rolle zu spielen. Einerseits gibt es bei großen Firmen eher noch genug Aufgaben welche HG erledigen können und andererseits fehlt es durch die häufigen Umstrukturierungen und Mitarbeiterwechseln am persönlichen Kontakt wie er bei kleinen Firmen/Teams üblich ist. Nachteilig bei kleineren Firmen/Teams ist halt dass das gehörbedingte delegieren von Aufgaben natürlich auch sofort mit Mehrarbeit für die anderen MA verbunden. Wenn ich keine Protokolle schreiben kann würden die Kollegen häufiger drankommen und davon sind selbst Leute mit überdurchschnittlichem sozialem Engagement nicht wirklich begeistert.

Leider muss man sagen das sogar in der Sozialbranche zwar viele Projekte furchtbar gerne MIT Behinderten ARBEITEN wollen aber kaum ein Projekt behinderte MITARBEITER einstellen will…

Ich bin gespannt ob noch andere User von ihren Erfahrungen berichten werden weil es für mich ein wichtiges und interessantes Thema ist.

Gruß
santiago
Zuletzt geändert von santiago am 8. Nov 2011, 14:49, insgesamt 1-mal geändert.
Franki
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Re: Arbeitsplätze für hörgeschädigte Menschen

#30

Beitrag von Franki »

Hi zusammen, muss mich auch noch einmal einklinken ... das Thema wird ja immer spannender !!! Und Leute - ganz ehrlich - ich muss Euch alle mal loben - supertoll wie hier über das Thema geschrieben wird !!!

Vielleicht mal zum Thema Integrationsfachdienst. Ich selbst habe seit meiner Übernahme nach der Ausbildung immer wieder mich rechtfertigen müssen wg meiner Ohren ( damals noch leichtgradig schwerhörig und wirklich kein Problem) . Nach 8 jahren Festanstellung kam es dann soweit, dass ich das erste mal in dem abschliessenden Jahresgespräch schlecht beurteilt wurde. Mir wurde unter anderem vorgeworfen, dass ich nicht offen genug mit meiner Hörbehinderung umgehen würde. Und das , obwohl meine jetztige Chefin mich bereits seit der Ausbildung kennt und über alles informiert ist . Auch hier wurde dann Integrationsfachdienst etc eingeschaltet - ich habe damit auch nun zwei Jahre eigentlich gute Erfahrungen gemacht, durch Präventionsgespräche konnten Probleme im Vorfeld behoben werden. Nun aber - im Jahr drei danach - erlebe ich erneut, dass meine Chefin mich ausgrenzt, wieder systematisch schlecht behandelt, richtig mobbt.... Wäre ich normalhörend wäre dies mit Sicherheit nicht der Fall. Also beginnt das ganze Spiel von vorne. Da ich selbst Schwerbehindertenvertretung bin fällt es mir einfacher, andere Stellen einzuschalten als wenn dies nicht der Fall wäre. Aber die Kräfte lassen einfach nach.

Und die Aussage von Santiage kann ich nur bestätigen - kaum irgendwo will jemand Mitarbeiter mit Behinderung einstellen- und das , obwohl die Mitarbeiter selbst alles für Ihre Integration tun würden wie durch das Einschalten der relevanten Stellen. Wie das dann aber endet wurde ja eindrucksvoll beschrieben und ich finde das einfach nur schade und beschämend...

Viele Grüße
Franki
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Coralie
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Re: Arbeitsplätze für hörgeschädigte Menschen

#31

Beitrag von Coralie »

So nun auch ich. Da ich immer mal wieder etwas schreibe, weiß vielleicht der ein oder andere schon etwas über mich...Ich denke nicht unbedingt repräsentativ zu sein, aber dennoch gibt es auch berufliche Verläufe "trotz oder mit" der Behinderung, die gut verlaufen sind. Ich bin seit der Kindheit zunehmend schwerhörig geworden. Ich habe Abi gemacht schon mit HG, dann studiert und bin immer schwerhöriger geworden. Das hat meinen Studienabschluß aber nicht beeinträchtigt. Nach dem Studium schreitete die Schwerhörigkeit immer weiter fort, was mich bei der Auswahl meiner weiteren Qualifikation beeinflußt hat, aber der gangbare Weg in eine Richtung, in der meine Hörschädigung keine Menschen gefährdet war auch ok. Auch ich habe erlebt, dass es immer schwieriger wurde mit der Kommunikation, allerdings damit keine Ausgrenzung erlebt. Ich habe wiederholt meine Stellen gewechselt, allerdings weil ich weiter kommen wollte. Eine neue Stelle war nie ein Problem. ich habe immer auf meine Schwerhörigkeit hingewiesen, das hat keinen Arbeitgeber zu einer Absage verleitet...ja auch das gibt es ...ich habe aus dem "sicheren" offentlichen Dienst in die freie Wirtschaft gewechselt um mehr zu verdienen und mich beruflich weiter zu entwickeln. Das hat gut geklappt, aber wurde immer anstrengender wegen der zunehmenden Sh. Dann stand ich vor der Wahl zu ertauben oder ein Ci. Das war vor 2 Jahren. Das CI ist für mich der Hammer gewesen. Endlich wieder "gut hören". Ich kann nun wieder ohne Probleme in kleinen und großen Gruppen kommunizieren, Vorträge halten und auch zuhören...Ich denke, jeder hier weiß, was das für ein Geschenk ist, wenn man das Hören zunehmend verloren hat. Damit bin ich nun in eine leitende Funktion gewechselt. Jeder, der mich etwas länger kennt weiß von meiner Behinderung, kürzere Kontakte kläre ich in der Regel nicht auf, weil ich gut zurecht komme. So bin ich nun in der Situation ohne Hilfsmittel nichts mehr zu hören, aber mit Hilfsmittel wieder mittendrin sein zu können. Mir ist bewußt, dass das nicht bei jedem so klappt, für mich selber war es aber unvorstellbar es nicht zu probieren. Ich bin mit bewußt, dass es jederzeit zu einem Ausfall kommen kann, aber warum soll ich mich verrückt machen. Ich werde dann sehen wie es weiter geht und bis dahin mich meines Berufes erfreuen.
CI einseitig, andere Seite mit Hörgerät versorgt bei an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit.
Coralie
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Re: Arbeitsplätze für hörgeschädigte Menschen

#32

Beitrag von Coralie »

noch ein link, den ich passend finde und gerne gelesen habe:

http://news.doccheck.com/de/article/195 ... t-grenzen/
CI einseitig, andere Seite mit Hörgerät versorgt bei an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit.
santiago
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Re: Arbeitsplätze für hörgeschädigte Menschen

#33

Beitrag von santiago »

Hallo!
Interessant welche unterschiedlichen Erfahrungen es gibt.
Coralie hat geschrieben:Eine neue Stelle war nie ein Problem. ich habe immer auf meine Schwerhörigkeit hingewiesen, das hat keinen Arbeitgeber zu einer Absage verleitet...
Was hast Du denn studiert und in welcher Branche arbeitest Du?
Außer bei sehr gefragten Spezialisten ist die Stellensuche bei Behinderten normalerweise nicht ganz so locker.

Bei Hörgeschädigten kommt es sogar zur paradoxen Situation das eine höhere Bildung die Suche nach einem adäquater Arbeitsplatz eher erschwert als erleichtert. Wenn ein Handwerker nicht mit allen Menschen telefonieren kann wird das noch eher akzeptiert. Bei Projektleitern oder Abteilungsleitern mit vielen Telefonaten und Besprechungen sieht es meist anders aus…

Persönlich kenne ich keine stark HG welche in der freien Wirtschaft in leitenden Positionen tätig sind.

Gruß
santiago
EinOhrHase
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Re: Arbeitsplätze für hörgeschädigte Menschen

#34

Beitrag von EinOhrHase »

Salut

so als "Zwischenbilanz" könnte man sagen:

Wenn "Normalos" behaupten, Schwerbehinderte haben es leichter wie sie (egal ob Job oder Freizeit) dann haben sie zum einen keine Ahnung was es heisst, täglich mit Beleidungen, Nötigungen und Mobbing zu kämpfen hat, zum anderen überspielen sie ihre eigene Unsicherheit damit.

Würde man Tagebücher von Schwerbehinderten lesen, würde kein Taschentuch ausreichen um die Tränen über so ein trauriges Leben aufzuwischen.........
Und ich kann ruhigen Gewissens sagen: Ich übertreibe nicht mit meiner Aussage.

Was diese Integratiion von Schwerbehinderten betrifft, ist das alles nur luftverpacktes Gerede.
Aber: Das Endergebnis wird sein: Schwerbehinderte als 1-Euro-Jober, weil sie auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr mithalten können (kann nur von einem Normalo kommen so ne Einstellung)...........
Wer nicht (gut) hören kann, sollte genauer hinsehen ;)
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Gabriele
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Re: Arbeitsplätze für hörgeschädigte Menschen

#35

Beitrag von Gabriele »

@ EinOhrHase
Wenn "Normalos" behaupten, Schwerbehinderte haben es leichter wie sie (egal ob Job oder Freizeit) dann haben sie zum einen keine Ahnung was es heisst, täglich mit Beleidungen, Nötigungen und Mobbing zu kämpfen hat, zum anderen überspielen sie ihre eigene Unsicherheit damit.
Wie kommst du denn zu der Aussage? Aus deinem persönlichen Erfahrungen oder von Aussgaen aus dem Forum?

Ich zähle meine Kinder auch zu den von die genannten * normalos*. Sie sind genauso normal wie wie wir, sie haben es nur an den Ohren, aber nichts dazwischen, und wenn auch das wären sie genau so * normalos *
Aber: Das Endergebnis wird sein: Schwerbehinderte als 1-Euro-Jober, weil sie auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr mithalten können (kann nur von einem Normalo kommen so ne Einstellung)...........
Sorry, das ist doch Quatsch...wie kommst du denn da drauf? Und wo steht das?

Liebe Grüße
Gabi
Theresa 27, beids. CI ´08 u.´10 (N5)
Reimplantation re,2011 u. 2012
Lorenz 26, beids. Hg Sophia 23, beids. CI ´09 u.11 (Hybrid L )u.Kolobom
Alle Kinder progredient.
santiago
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Re: Arbeitsplätze für hörgeschädigte Menschen

#36

Beitrag von santiago »

Hallo!
Ich glaube dass niemand die Mütter angreifen will. Das Problem ist halt das in der Arbeitswelt die Chefs und Kollegen eben keine Mütter sind ;)

Mir scheint es auch als ob die persönliche Zufriedenheit stark mit dem Hörerfolg zusammenhängt. "Mit dem CI höre ich jetzt super..." ist für den beruflichen Erfolg sicher sehr nützlich aber hat mit der Akzeptanz einer Hörschädigung an sich wenig zu tun.

Was leider auch vorkommt ist das eine Behinderung bei Bewerbern generell abgelehnt wird. Da wird dann auf die tatsächliche Beeinträchtigung und Leistungsfähigkeit gar nicht mehr geachtet weil die Furcht den Behinderten nicht mehr loszuwerden zu groß ist.

In Österreich hat man deshalb seit 2011 die Schutzbestimmungen für Behinderte probehalber ausgesetzt. Bei Neueintritten gelten diese nun nicht mehr und man erhofft sich dadurch mehr Behinderte in die Arbeitswelt integrieren zu können.

Einen Versuch ist es wert aber das Hauptprobleme sehe ich trotzdem in den fehlenden Stellen im öffentlichen Dienst und dem immer stärker werdenden Arbeitsdruck in der freien Wirtschaft.

Gruß
santiago
exagerado
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Re: Arbeitsplätze für hörgeschädigte Menschen

#37

Beitrag von exagerado »

Es ist leider auch so, dass sich auch gebildete und aufgeklärte Menschen dazu hinreißen lassen, eine ziemlich neoliberale Haltung einzunehmen á la "wenn dieselbe Leistung nicht erbracht wird, dann müssen die Konsequenzen eben getragen werden", oder, wie schon erwähnt wurde, "dann sollen die doch in einer Behinderteneinrichtung arbeiten", "die Arbeitgeber sind doch keine Sozialeinrichtung, die können die Kosequenzen doch gar nicht abschätzen, da nehmen die eben lieber denjenigen, der weniger Probleme verspricht" bis hin zu "Naja, ist doch klar dass du keine / nur eine teurere BU abchließen kannst, das ist auch keine Diskriminierung, sondern einfach eine an empirischen Fakten ausgerichtete Berechnung seitens der Versicherungen".
Das ist die eine Seite, bei denen ich mir immer wie ein minderwertiges Mitglied der Gesellschaft vorkomme.
Die andere Seite der Mitmenschen leugnet alle Probleme und versucht einem immer einzureden, dass es doch so tolle technische Möglichkeiten gebe, dass man sich nicht so viele Sorgen machen müsse, dass man doch mit beruflichen Qualifikationen nie Probleme bekommen wird und es sowieso Schlimmeres gebe. Da fühle ich mich wie ein Simulant und darüberhinaus unverstanden, was ja auch schon einige zum Ausdruck gebracht haben.
Ich denke deswegen, dass es äußerst wichtig ist Mitmenschen mehr aufzuklären. Erstens darüber, dass auch sh Menschen Leistung erbringen können, dass sie das zweitens unter teils schwierigen Bedingungen tun und wir drittens in einer Solidargemeinschaft leben, in der neoliberale Strukturen durch Gesetze zum Wohl der Gemeinschaft beschnitten werden (können). Das sollten nicht nur die SH selbst machen, sondern auch andere Stellen wie NGOs, Journalisten und Organisationen.

viele Grüße
exagerado
santiago
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Re: Arbeitsplätze für hörgeschädigte Menschen

#38

Beitrag von santiago »

Hallo!
Mal ein Gedanke zu den angesprochenen 1-Euro-Jober.
Solche Beschäftigungsmodelle kenne ich an sich in Österreich (noch…) nicht und ich nehme an sie sind Begleiterscheinungen von Hartz IV.

Wenn man die Bildung in einer 5 stufigen Skala von 1 (kein Schulabschluss) bis 5 (Akademiker) abbilden würde sehe ich mich mit einer berufsbildenden höheren Schule mit Abitur bei ca. 3. Natürlich will man dann in der Arbeitswelt auch gerne eine Tätigkeit ausüben welche dieser 3 entspricht.

Wenn die Zeiten härter werden ist es beim Wechsel immer schwieriger diese 3 zu halten. Im fachlichen Bereich hat man schon jahrelange Erfahrung aber es gibt gehörbedingte "Schwächen" beim Telefonieren, bei Besprechungen und beim Hören im Störlärm.

Diese Schwächen führen dann leicht dazu dass man auch keine Angebote für einen 2,5er Job bekommt sondern ernsthaft ein Job der 1er Klasse vorgeschlagen wird. Natürlich sind auch Berufe wie z.B. Schulwart usw. völlig in Ordnung aber ICH empfinde so einen Vorschlag schon sehr nahe an einer persönlichen Beleidigung.

Dass die Hörgeschädigten dann frustriert reagieren wundert mich überhaupt nicht.
Ich glaube es gibt kaum eine andere Behinderung wo Einschränkungen in 20% des Tätigkeitsbereiches die restlichen 80% so schnell wertlos erscheinen lassen wie beim Hören :'(

Gruß
santiago
Zuletzt geändert von santiago am 9. Nov 2011, 16:08, insgesamt 1-mal geändert.
EinOhrHase
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Re: Arbeitsplätze für hörgeschädigte Menschen

#39

Beitrag von EinOhrHase »

@Gabi

mit "Normalo" ist der klassische nichtbehinderte Mensch gemeint.
Das wir hier SH uns gegenseitig als normal ansehen und uns auch normal unterrhalten dürfte selbstverständlich sein.

Bekomme hier fast jeden Tag zu hören:
"Schwerbehindere Menschen haben es doch so schön und so leicht".
Auf die Frage, weshalb und wo und bei was kommt nur eine abfällige Bemerkung:
Überall und bei Allem.
Nähere Erläuterungen sind Fehlanzeige..........

Die Aussage, daß Schwerbehinderte eines Tages die 1-Eur-Jobs übernehmen dürfen, kommt nicht von ganz ungefähr.
Von welchem Politiker und von welcher Partei das kam, weiss ich nicht mehr. Fakt ist, daß der / diejenige gesagt hat:
Schwerbehinderte sollen auf dem Arbeitsmarkt (besser) integriert werden.
Niemand aus der Politik kann mir erzählen, dass diese Aussage FÜR die Schwerbehinderten spricht und auch so umgesetzt wird.
Viele werden sich gedacht haben, schön, endlich bekommen die Schwerbehinderten auch auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen.
Das mag schon so sein, dennoch denke ich eher das Gegenteil wird der Falll sein:
Jobs die keiner haben will, sollen Schwerbehinderte übernehmen - bei entsprechend "guter" Bezahlung (1-Eur-Job).
Des weiteren sind Schwerbehinderte der Politik ein Dorn im Auge, da sie den Steuerzahler Unsummen an Geld jährlich kosten.
Das eigentliche Ziel der Politik: Die Schwerbehinderten müssen immer mehr Hilfsmittel selber zahlen bzw grössere Anteile daran zahlen, damit der Staat weniger "Unkosten" damit hat. DASS versteht die Politik unter Integration auf dem Arbeitsmarkt.

Selbst Unternehmer beklagen sich, die schwerbeh. Mitarbeiter sind so teuer - das stimmt aber nur insofern, dass deren Arbeitsplatz entsprechend umgestaltet werden muss oder gar spezielle Hilfs- und Schutzmittel nötig sind. Die Unternehmer bekommen vom Staat Geld, gerade WEIL sie Schwerbehinderte einstellen.
Unternehmer vergessen zu gerne die finanzielle Zuschüsse während der Einarbeitungszeit eines Schwerbehinderten (als würde man 2 Nichtbehinderte einstellen).
Diejenigen, die im Forum Hilfe bekommen von der Schwerbehindertenvertretung am Arbeitsplatz werden es mir sicher bestätigen, wie oft sich ein Chef über den schwerbeh. Mitarbeiter beschwert, weil er zu langsam sei, dies und jenes nicht richtig umsetzen würde - von Fehlern seh ich mal ab, da "Normalos" diese genauso machen (aber nicht wg jedem Fehler gegängelt werden !)

Um nochmals auf meine 1. Aussage zurück zu kommen:
Schwerbehinderten wird es am Arbeitsplatz oft zusätzlich erschwert, dass sie ihren Arbeiten vernünftig und konzentriert nachgehen können - mal von den Schwächen der Telefonie und verbaler Kommunikation bei Besprechungen abgesehen.
Habens die Schwerbehinderten dadurch nun leichter? Ich sage ein klares Nein.

Es wäre sicher hilfreich und von Nutzen, wenn sich hier in diesem Thread Forumsmitglieder melden würden, die sich mit solchen Dingen befassen und auch auskennen - zwecks Tipps für Andere hier.

Der einfachere Weg scheint dicke Bücher zu kaufen über Schwerbehindertenrecht am Arbeitsplatz und Freizeit und dann die Paragraphen zu wälzen - eine sehr zermürbende Angelegenheit.

Dennoch möchte ich Euch 2 Buchtipps hier nicht vorenthalten:

Rechte behinderter Menschen
Der Ratgeber für Betroffene, Angehörige und Interessenvertretungen
Georg -Schmidt / Norbert Minninger
Bund-Verlag
ISBN 3-7663-3228-7

Die Praxis der Schwerbehindertenvertretung von A bis Z
Das Handwörterbuch für Behinderte und ihre Interessenvertretung
Heinz Bethmann / Werner Feldes / Jürgen Schmidt
Bund-Verlag
ISBN 3-7663-2143-9

Grüssle
Zuletzt geändert von EinOhrHase am 9. Nov 2011, 19:00, insgesamt 1-mal geändert.
Wer nicht (gut) hören kann, sollte genauer hinsehen ;)
Körper(sprache) lügt niemals :!:

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santiago
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Re: Arbeitsplätze für hörgeschädigte Menschen

#40

Beitrag von santiago »

Hallo!
pascal2 hat geschrieben: Ich muß mich total anstrengen die Gemeinheit des Kollegen überhaupt zu verstehen.
Da habe ich gar keine geistigen Reserven, für einen angemessenen Konter.
Das mit dem verbal wehren ist je nach Situation natürlich eh viel leichter geschrieben als tatsächlich getan. Vielleicht ist es in vielen Fällen aber auch gar nicht notwendig bei Gemeinheiten mit einem scharfen rhetorischen Schwert irgendwelche verbale Schlachten zu gewinnen?

Wenn man die eigene Betroffenheit und Verletzung nicht unterdrückt sondern dem Gegenüber mitteilt könnte dies eventuell auch zu einer Verbesserung führen.

Bei "ist mir doch egal wie Du Dich fühlst" - Menschen wird es zwar wenig bringen aber manchmal denken sich die Menschen ja auch gar nichts dabei und sind dann total verlegen wenn man ihnen kommuniziert wie stark man sich durch ihr Verhalten verletzt fühlt.

Gruß
santiago
monif

Re: Arbeitsplätze für hörgeschädigte Menschen

#41

Beitrag von monif »

Organisation ist alles-mehr erreichen.Behinderte Menschen haben keine mächtige Lobby.Von der Gesellschaft ausgegrenzt und in die Ecke gestellt,haben sie kaum andere Möglichkeiten, ihren Interessen und Forderungen Gehör zu verschaffen.Was liegt also näher, als das eigene Schicksal selbst in die Hand zu nehmen?Ich weiss was das bedeutet,immer wieder auf Barrieren zu stossen.Dass manche Wege ,die ich gehen will,versperrt sind.Ich wünsche mir einfach :Chancengleichheit für alle!Im internationalen Bemühen um Chancengleichheit bilden sie die inzwischen grosse Gurppe der NGO,die auch offiziell als Vertreter ihrer jeweiligen Interessengruppe anerkannt sind.
Liebe Grüsse,Moni
Antworten