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Re: Behinderung ein zu vermeidendes Tabuthema?
Verfasst: 29. Jan 2013, 11:17
von Sabine
Fast-foot, ja, da hast Du Recht, man kann nicht alles beeinflussen. Ich war (und bin es teilweise immer noch) darauf eingestellt, dass mein Sohn an derartige, von außen vorgegebene Grenzen stößt.
Nenn' es Glück ... bisher sind die ausgeblieben. Aber sie können noch kommen ... und falls das dann so ist, hoffe ich, dass diese guten und stabilisierenden Erfahrungen in seinen ersten Lebensjahren stärkend genug sind, ihm bei der Entscheidung zu helfen, welchen Schuh er sich anziehen sollte und welchen nicht.
Natürlich gibt es bornierte Menschen an entscheidenden Stellen, das ist dann besonders schade. Aber es gibt auch genügend Mit-Menschen, und auf die sollte man sich dann konzentrieren.
Momo und Nina, in Euren Zeilen kann ich mich auch so richtig gut wiederfinden. Dankeschön
Liebe Grüße,
Sabine
Re: Behinderung ein zu vermeidendes Tabuthema?
Verfasst: 29. Jan 2013, 11:32
von santiago
Hallo!
Ihr seid immer so schrecklich sachlich während ich häufig eher die philosophische Ebene anstrebe
Abseits vom Hören, Grenzen und Mutter/Kind Beziehungen - will mich denn niemand mehr wegen dem doch recht provokanten "Warum haben wir bisher weniger Ausnahmen als die GL zusammengebracht?" hauen? :}
Gruß
santiago
Re: Behinderung ein zu vermeidendes Tabuthema?
Verfasst: 30. Jan 2013, 17:23
von Nina M.
*hau*

Re: Behinderung ein zu vermeidendes Tabuthema?
Verfasst: 30. Jan 2013, 22:33
von maryanne
Santiago, ist die philosophische Ecke etwa unsachlich oder nicht sachlic.
Vielleicht hier mal ein Schwank aus meinem realen Leben: Ich gehe oft (d.h. mehrmals pro Woche) ins Fitness- und Wellnesscenter. Wellness= Sauna. Da bin ich dann stocktaub (CI & Schwitzen macht sich nicht so gut). In der Sauna gibt's viele verschiedene Aufgüsse, aber ich kann wegen meiner Allergien viele davon nicht vertragen. Die Bezeichnungen sind nicht immer eindeutig, aber vor dem Aufguss wird oft gesagt, was drin ist. Wenn der/die SaunameisterIn ihr Gesicht mir zuwendet, habe ich eine Chance, etwas zu verstehen, aber meist tut sie das nicht. Dieses ganze Dilemma habe ich denen nun erklärt, die sind auch sehr entgegenkommend ..
Aber was da absolut nicht zu vermitteln ist, dass ich quasi 3 unterschiedliche
Hör"fähigkeiten" habe:
1. in der Sauna - taub
2. im Vorraum, wo Whirlpools und alles mögliche rauschen - arg schwerhörig mit CI
3. an anderen Stellen im Wellnessbereich: problemlos verstehen mit CI
Das ist doch für Außenstehende nicht nachvollziehbar. Mit und ohne Philosophie.
Da nützt es auch nicht, wenn ich sage "ich bin hörbehindert". Damit meine ich, dass der Behinderungsbegriff gerade in Sachen Kommunikation wenig Orientierung gibt für die Mitmenschen.
Kürzlich musste ich erleben, dass ein Aufguss in der Sauna Bestandteile enthielt, die für mich extrem gefährlich sind - ich hätte das nicht mitgekriegt (s.o.) - ein lieber Begleiter gab mir Bescheid, so dass ich im letzten Moment fliehen konnte. Da fühlte ich mich wirklich behindert, weil abhängig von jemandem der mich informiert.
Oder macht ihr das so, dass ihr in eine Situation reingeht udn sagt: hallo, ich bin schwerhörig / taub und habe keinen Schimmer was hier abgeht, aber wenn was gesagt wird, dann erklärt es mir schön langsam und deutlich mit gutem Mundbild, damit ich die Info vom Mund absehen kann...????
Maryanne
Re: Behinderung ein zu vermeidendes Tabuthema?
Verfasst: 31. Jan 2013, 10:04
von Maria10
hallo Maryanne, ich sage es meistens , wenn ich eine Situation reingehe.
zb. Taxifahrten, das sage ich gleich, weil die merken ja wenn ich keine Antwort
gebe, die meisten reden aber trotzdem munter drauflos. Es sieht einem ja
auch niemand an, daß man nicht gut hört.
im Wartezimmer beim Arzt: sage ich immer vorher, an der Rezeption,das
ich evtl. den Aufruf nicht höre und man soll mich bitte holen oder ein Handzeichen machen. Das nimmt mir viel STress.
als Kind traute ich mich das nicht zu sagen, und so gab es viele Missverständnisse, die Kommunkation ist leichter wenn man sagt
was los ist.
aber es gibt Leute, die mich jahrelang kennen und nie bemerkten, daß
ich nicht gut höre. Wenn man das dann sagt, sagen andere? Was , ist mir
nie aufgefallen, ist bei anderen guthörenden genauso, das sie mal nachfragen.
Re: Behinderung ein zu vermeidendes Tabuthema?
Verfasst: 31. Jan 2013, 10:50
von franzi
Also in der Sauna sag ich das auch nicht, im schwimmbad auch nicht, den wem soll man es da sagen, den oft ist es ja so das die Bademeister wechseln usw..
Re: Behinderung ein zu vermeidendes Tabuthema?
Verfasst: 31. Jan 2013, 15:21
von santiago
Hallo!
Sauna…Schwimmbad…ohne Fotos glaube ich euch kein Wort
Im Ernst, vielleicht sind es gerade die "3 unterschiedlichen Hörfähigkeiten" welche verhindern dass wir lautsprachlich orientierte Hörgeschädigte nicht so viele Ausnahmen wie die GL hervorbringen?
GL haben ja immer nur eine "Hörfähigkeit" und die ist eben GL. Rein theoretisch müssten wir es doch viel leichter haben auch mal ins Parlament oder auf einen Vorstandsposten zu kommen oder Spitzenleistungen im Sport zu erbringen.
Vielleicht sind die von früher Kindheit an mit
HG-/
CI versorgten Hörgeschädigten aber mit dem Hören lernen/üben und dem "Überleben" in der hörenden Welt so ausgelastet dass sie auch im späteren Leben kaum mehr genug Selbstvertrauen zur Selbstverwirklichung aufbringen können?
Gruß
santiago
Re: Behinderung ein zu vermeidendes Tabuthema?
Verfasst: 31. Jan 2013, 15:30
von maryanne
Santiago, wieso müssten wir es leichter haben? Also, leicht ist das bestimmt für keinen, auch nicht für Nichtbehinderte.
Eins weiß ich genau (ich kann ja nur für mich sprechen): an Selbstvertrauen mangelt es mir nicht, und in der hörenden Welt habe ich auch (fast) keine Probleme. Es geht nur um Situationen, wo ein CI nun mal nicht mit reindarf. Ich werde den Teufel tun und jedesmal beim Betreten der Sauna ausrufen: hi, ich bin taub, also quatscht mich nicht an. Da würden dann 20 - 25 Leute groß gucken und das wars denn auch schon.
Heute wieder Disput mit Saunameister: DEM habe ich schon zig mal erklärt, dass ich in der Sauna und beim Verlassen derselben taub bin. Da kommt der heute wieder auf mich zu, textet mich voll - ich: Ich kann Sie nicht hören, ich bin taub. Was ihn aber nicht davon abhielt, weiter zu quatschen (er nuschelt mit Akzent, keine Chance, vom Mund abzusehen). Später erfuhr ich dann von anderen, dass der Knabe sich bei mir entschuldigen wollte, weil er vor einigen Wochen etwas falsch gemacht hatte.
Ich bin schon dabei, Anektdoten aus der Sauna für mein nächstes Spaß-Buch zu sammeln!!!
Re: Behinderung ein zu vermeidendes Tabuthema?
Verfasst: 31. Jan 2013, 16:14
von Nina M.
Oh yeah, ein Sauna-Verhörer-Spaß-Buch! Das mag ich dann auch lesen! Beim nächsten Sauna-Besuch dann!
Nee, ich weiß auch nie wie man solche Situationen am besten händeln soll... Maryanne, musste bei deinem Posting übrigens schmunzeln, weil ich gerade am Dienstag bei uns in der Sauna einen Aushang gelesen habe, dass sie jetzt in der einen Sauna nur noch Aufgüsse ohne Duftstoffe machen, weil das eben für viele Allergiker so gefährlich ist. Wäre ja genau das richtige für dich dann.
Generell denke ich, dass die "unterschiedlichen Hörfähigkeiten" die wir haben es eben so wahnsinnig schwierig machen Hörenden unsere Behinderung zu erklären, bzw. unsere Bedürfnisse klarzustellen. Denn dann kommt meistens: aber so verstehst du mich doch super! Ja, SO! Aber eben nicht wenn drumherum die Bahnhofshalle ist, oder, oder, oder...
Re: Behinderung ein zu vermeidendes Tabuthema?
Verfasst: 31. Jan 2013, 17:27
von Sabine
Hallo Santiago,
ich glaube, ich schrieb es schon mal weiter oben. Es gibt ja noch nicht so viele Erwachsene, die ihr
CI sehr früh bekommen haben.
Und die Kinder, die früh bilateral implantiert wurden, sind jetzt gerade mal höchstens knapp 13

Insofern muss man da noch ein paar Jährchen warten, bevor man Aussagen machen kann über deren Leistungen.
Hinzu kommt, dass z.B. bei meinem Sohn kein Aufhebens veranstaltet wird, wenn er etwas erreicht. D.h., sollte er später einen Vorstandsposten bekommen, wird sicherlich auch die Öffentlichkeit nicht davon erfahren, es sei denn durch Zufall. Aber eben nicht mit großem Trommelwirbel und Brimborium.
Für ihn stellt das Hören mit
CI nichts besonderes dar, da es *für ihn* auch keinerlei Anstrengung bedeutet.
Das ist, wie gesagt, sein Empfinden. Ich sehe es anders und bin täglich wieder aufs Neue froh, wie gut er zurechtkommt und wie sich alles entwickelt hat. Für mich ist seine Situation etwas ganz Besonderes.
Und nur um Missverständnissen vorzubeugen ... ich erwarte von meinem Sohn keine Höchstleistungen. Er darf und soll bitte das in seinem Leben verfolgen, was er für sich als erstrebenswert sieht. Er braucht niemandem etwas zu beweisen. Deshalb muss er auch keinen Vorstandsposten anstreben. Aber wenn das sein Ziel wäre, würde ich keinen Grund sehen, der ihn davon abhalten könnte/sollte.
Im übrigen kenne ich durchaus
CI-Träger auf Vorstandsebene, allerdings in den USA. Aber auch die sind damit nicht an die Öffentlichkeit gegangen.
LG
Sabine
Re: Behinderung ein zu vermeidendes Tabuthema?
Verfasst: 31. Jan 2013, 17:53
von santiago
Hallo Sabine!
Ich wusste nicht das Kinder erst seit 2000 ein CI bekommen.
Hörgeräte gibt es aber schon länger und da sind mir auch kaum stark SH bekannt welche in der freien Wirtschaft, in der Politik oder im Sport Ausnahmeleistungen wie bei den GL erbringen konnten. Der Sport ist dabei sowieso ein Sonderfall weil wer z.B. beim Schwimmen nicht mit 18 Topzeiten schafft wird diese später auch kaum mehr erreichen.
Es geht dabei natürlich nicht darum dass jetzt jeder HG Ausnahmeleistungen erbringen soll sondern nur darum dass dies trotz der noch größeren Hindernisse bei den GL scheinbar öfters vorkommt.
Gruß
santiago
Re: Behinderung ein zu vermeidendes Tabuthema?
Verfasst: 31. Jan 2013, 18:25
von maryanne
Santiago, seit 2000 werden Kinder einzeitig (also im Rahmen EINER) OP beidseitig versorgt (sofern dies indiziert ist). Überhaupt werden Kinder schon ziemlich lange
(Ende der 80er oder Anfang der 90er) in Deutschland mit CI versorgt. Die bilaterale Versorgung ist aber relativ neu.
Selbst bds. vollständig taube Erwachsene mussten bis ca. 2007 / 2008 hart dafür kämpfen, teils vor Gericht Klage einreichen.
Konkret ist hier die Rede von sehr kleinen Kindern. Man muss auch die Hörbiographien unterscheiden: gehörlos geborene Kinder einerseits, und Kinder die im Säuglingsalter (meist an Meningitis) ertaubten UND sehr kurfristig beidseitig mit CI versorgt wurden.
Letztere haben eine altersentsprechend entwickelte Hörbahn (Föten ab dem 4. Schwangerschaftsmonat können hören!) und haben Hörerfahrung bis zum Zeitpunkt der Ertaubung.
Was die "Posten" betrifft: jeder muss für sich auch sehen, ob er / sie das überhaupt will.
maryanne
Re: Behinderung ein zu vermeidendes Tabuthema?
Verfasst: 31. Jan 2013, 18:28
von maryanne
Nina, wo ist deine Sauna??? Vermutlich zu weit weg!
Es gibt noch eine nette Situation: Wassergymnastik! Mensch, bin ich froh, dass ich da taub bin: die Anleiterin muss gegen die Musik und gegen die Raumgeräusche anbrüllen, vom Beckenrand hab ich mir das mal angehört, grrrrrrrrr....
Diese Frau kriegt nen Orden: 1 x hab ich ihr erklärt, dass .... und siehe da, es gibt nie Probleme, sie macht alle Übungen vor, wenn sie was sagt, kriegt sie schön die Zähne voneinander und wenn sie mich korrigiert, dann versteh ich sie immer - ohne Hören.

maryanne
Re: Behinderung ein zu vermeidendes Tabuthema?
Verfasst: 31. Jan 2013, 18:29
von Sabine
Hallo Santiago,
nein, es ist ja auch nicht so, dass Kinder erst seit 2000 überhaupt ein
CI bekommen können.
Ich schrieb ja, die FRÜH BILATERAL implantierten Kinder ... und die gibt es erst seit 15.2.2001
Ich glaube immer noch, dass einfach ein GL, der es nach oben geschafft hat, eher erwähnt wird ...
Er hat es dann "entgegen der allgemeinen Erwartung" trotzdem geschafft.
Mein Sohn z.B. hat ja gar nicht das Gefühl, irgendwelche Hindernisse im Weg zu haben, daher wird er irgendwelche erreichten Ziele auch nicht anders empfinden als Normalhörende.
Er war sehr stolz, es in die Leistungsklasse im Fußball geschafft zu haben ... aber eben aus sportlicher Sicht. Mit seinen
CIs hatte das nichts zu tun, und es wäre auch niemand sonst auf die Idee gekommen, ihn besonders dafür zu beklatschen, dass er als
CI-Träger etc. ...
LG
Sabine
Re: Behinderung ein zu vermeidendes Tabuthema?
Verfasst: 20. Feb 2018, 14:17
von rabenschwinge
Hmmm, ich habe ja so meine liebe Not mit dem Wort behindert. Ich sage lieber ich bin anders und muss manches dadurch anders handhaben als andere oder aber auch ich habe ein Handicap.
Für mich war lange der Irrglauben da, dass in meinem Haushalt meine Tochter mit ihren Einschränkungen und Handicaps diejenige ist die eben das Prädikat behindert ühren darf.
Weil ih kann ja nur schlecht hören und habe nur Depressionen zzgl. eine Angststörung.
Bis meine Madonna mir dann mal ganz "charmant" in ihrer höchsteigenen Taktung mir den Kopf wusch und mich bzgl. Behinderung,zurechtschubste....
Und verdammt nochmal, ja sie hat recht.
Durch meine einschränkungen wie Schwerhörigkeit aber auch Depression fällt mir einiges schwerer als anderen und ich muss so manches ganz anders handhaben und oft genug weitere Wege gehen um ans Ziel zu kommen.
Und oft brauch ich von meinem Umfeld in bißchen mehr Rücksicht und auch Umsicht.
Ist das jetzt so schlimm? Ich denke nicht!
Warum auch? Ich bin ich und ich bin anders und muss andere Wege gehen.
Und behindert? Ja, durch Lwute die mir versuchen zu erklären, dass ich entweder ja doch noch ziemlich normal bin ( was bitte ist denn normal???) oder mir erzählen wollen, dass ich aufgrund meiner Einschränkung was nicht können soll....
A Äjh ja, das erlebe ich wirklich als behindernd und Behinderung.
Re: Behinderung ein zu vermeidendes Tabuthema?
Verfasst: 20. Feb 2018, 14:34
von muggel
Warum hast du ein Problem mit dem Wort "Behinderung", aber nicht mit dem Wort "Handicap"?
Im Prinzip bedeutet doch "Behinderung", dass es etwas gibt, was einen BEHINDERT das zu tun, was andere tun können. Behinderung ist nichts anderes als eine Beeinträchtigung der Teilhabe an der Gesellschaft. Und ja, das bist du ja, wenn du eben aufgrund deiner Schwerhörigkeit, Depression, Angststörung einiges ganz anders handhaben musst, Rücksicht und Umsicht von deinem Umfeld benötigst oder einfach länger benötigst als andere. Genau das ist doch das, was das Wort "Behinderung" ausmacht. Man wird durch (irgendwas) an der "normalen Ausübung" behindert.
Das englische Wort besagt ja eben nichts anderes...aber das ist ok?
Ich selbst bin behindert... und es gibt Barrieren, die ich nicht überwinden kann (oder nur mit entsprechenden Hilfsmitteln).
Besonders ist in meinen Augen eh jeder Mensch. Wenn Eltern behinderter Kinder sagen, dass ihr Kind "besonders" ist, dann verdrehe ich nur die Augen... denn im Prinzip sollte jedes Kind für die Eltern etwas besonderes sein und nicht nur dann, wenn es behindert ist.
Dass man etwas "anders handhaben" muss oder längere Wege gehen muss, ist doch eigentlich nichts anderes als eine Beschreibung von "Barriere" bzw. "Umgehen von Barrieren".
Macht es die Situation tatsächlich besser, wenn man "Wischi-Waschi"-Wörter und Umschreibungen dieser Art nutzt? Ich denke nicht, denn die Behinderung (und damit die Teilhabebeeinträchtigung) ändern sich dadurch nicht, aber ist für viele weniger fassbarer.
Grüße,
Miriam
Re: Behinderung ein zu vermeidendes Tabuthema?
Verfasst: 20. Feb 2018, 14:46
von Jani
Für mich sind die Wörter "Behinderung" und "Handicap" ein und dasselbe.
Wir Hörgeschädigten sind nun mal behindert, sonst hätten wir auch keinen Schwerbehindertenausweis.

:p
Wenn ich mal genauer überlege, hindert einen die Hörschädigung insofern an der Teilhabe am öffentlichen Leben, dass wir z.B. nicht mal eben bei einer Veranstaltung teilnehmen können, wenn keine entsprechenden Hilfsmittel vorhanden sind. Zum Beispiel bei unvorhergesehenen Lautsprecherdurchsagen bei der Bahn werde ich immer Schwierigkeiten haben diese zu verstehen. Darum muss ich immer meine Mitmenschen um Hilfe bitten, um auch die Informationen zu erhalten. In dieser Hinsicht behindert einen die Hörschädigung schon.
Liebe Grüße Jani

Re: Behinderung ein zu vermeidendes Tabuthema?
Verfasst: 20. Feb 2018, 14:47
von rabenschwinge
Miriam, kann ich Dir sagen: Schau mal, wer wie das Wort behindert nutzt. Da wird aus behindert ( eine Einschränkung hindert einen etwas so zu tun wie jemand ohne diese Einschränkung) ein Pseudonym für dumm bzw. doof.
Und genau dagegen habe ich was.
Re: Behinderung ein zu vermeidendes Tabuthema?
Verfasst: 20. Feb 2018, 15:23
von muggel
Rabenschwinge... das kann dir aber auch mit jedem anderen Begriff passieren. Wer beleidigen will, der schafft das auch. Sei es mit "du Spast", sei es mit "du taube Nuss" oder sei es durch "BESONDERS doof".
Ein anderes Wort zu benutzen, ändert nichts.... insbesondere nicht "Verniedlichungen" wie "besonderes Kind" für "behindertes Kind".
Re: Behinderung ein zu vermeidendes Tabuthema?
Verfasst: 20. Feb 2018, 15:26
von rabenschwinge
Ich weiß, da hast du recht und trotzdem versuche ich dies doch gern. Hast mich erwischt *rotwerd*
Okay, dann doch wieder Umtausch in Behinderung und behindert anstatt anders und Handicap.
Re: Behinderung ein zu vermeidendes Tabuthema?
Verfasst: 20. Feb 2018, 15:41
von Selene
Sehr interessantes Thema.
An dem Wort "Behinderung" ist eigentlich nichts Schlimmes dran.
Haben wir eine Behinderung auf der Strasse, richten wir uns ein, dass das Vorwärts kommen etwas längern dauern wird.
Sage ich jemanden, dass ich "Hörbehindert" bin, gucken mich die Leute schief an. Irgendwie wird der erste Teil des Wortes (Hör) nicht gehört/wahrgenommen und erst ab "...behinderung" gehen die Alarmglocken der Menschen mir gegenüber an.
Darum nenne ich mich lieber "schwerhörig" - was wohl weniger schlimm für die Mitmenschen zu sein scheint. Obwohl ich dann gefragt werde, warum ich denn nicht einfach Hörgeräte trage, dafür gäbe es die doch!
Tja, mit langen Haaren fallen die Dinger einfach nicht auf, kann ich aber nichts dafür.
Liebe Grüße
Selene
Re: Behinderung ein zu vermeidendes Tabuthema?
Verfasst: 20. Feb 2018, 15:56
von rabenschwinge
Ähnlich kenne ich das auch, Selene. Wobei ich meine Haare im Alltag weg- und hochstecke weil es für mich so praktischer ist.
Ich bin hörbehindert fällt mir persönlich immer wieder schwer zu sagen aber auch dazu zu stehen. Da ist "Ich bin schwerhörig" einfacher formuliert.
Irgendwie habe ich da ne ziemlich zensierende Schranke im Kopf. Behindert bzw. auch schwerbehindert definiert sich da einfach als gravierender und schwerer körperlich eingeschränkt.
Re: Behinderung ein zu vermeidendes Tabuthema?
Verfasst: 21. Feb 2018, 00:12
von EinOhrHase
Also.......
allein das Wort "Behinderung" ist von früher her schon von seiner tatsächlichen Bedeutung recht irreführend und hält sich bei sehr vielen "Normalos" und teils auch bei Betroffenen hartnäckig im Kopf im Stil von "dieser Mensch ist behindert - also dumm".
Hierzu muss man weiter ausholen und in die Vergangenheit zurückgehen, wo das Phänomen mit "behinderten Menschen" quasi angefangen hatte.
Ein prominentes Beispiel ist Hellen Keller, die nach jahrelangen Bemühungen beweisen konnte - oder musste, dass behinderte Menschen nicht automatisch "dumm" sind.
Menschen mit Missbildungen jeglicher Art wie auch mit Mutationen oder eben (um es mit der damaligen Definition zu sagen) Taubstumme wurden jegliche Bildung und Denkfähigkeit abgesprochen und folglich als "dumm" bezeichnet woraus die heutige Bedeutung der abfälligen Bemerkung "die / der ist behindert" (folglich dumm) stammt.
Was mit solchen Menschen alles gemacht wurde, möchte ich hier nicht ausführen, es würde den Rahmen sprengen.
(Schwer-)Behinderte, denen man auf den 1. Blick nicht zutrauen würde, dass sie "was in der Birne haben", müssen oft mit dem Druck leben "ich muss denen zeigen was ich kann" was viele Mitmenschen erstmal die Abwehrhaltung einnehmen lässt, wenn gerade die / der Schwerbehinderte so "stürmisch" reagiert.
Lässt man ihnen ihren Willen, können sie sehr wohl zeigen was sie alles können.
Um beim Sport zu bleiben: Paralympics
Die Frage, was nun genau "Behinderung" ist, lässt sich denk ich nicht so pauschal beantworten. Denn: Für den einen Menschen ist es lediglich eine Einschränkung im Alltag, für den anderen schon eine echte be-hinderung im Alltag wie auch Lebensqualität............
Letztendlich ist es die eigene Einstellung zu seinem Handicap und wie man sich damit sieht. Menschen, die später im Leben ein Handicap haben (zb Unfall), haben es viel schwerer, sich damit abzufinden, denn sie kennen zu gut den Unterschied "Vorher-Nachher".
Gesundheit ist ein Geschenk, das einem in jeder Minute genommen werden kann....
Gruss
Re: Behinderung ein zu vermeidendes Tabuthema?
Verfasst: 22. Feb 2018, 20:36
von Faber
moin,
nur mal so MEINE Denkweise zum Thema (ich bin Bezieher einer vollen Erwerbsminderungsrente UND "schwer behindert"

mit GdB 50):
aber:
ich BIN nicht "behindert", sondern ich WERDE "behindert".
eigentlich ganz einfach

LG
Gewichtl
Re: Behinderung ein zu vermeidendes Tabuthema?
Verfasst: 22. Feb 2018, 23:51
von muggel
Gewichtl hat geschrieben:
ich BIN nicht "behindert", sondern ich WERDE "behindert".
Durch wen oder was wirst du denn wie behindert?
Verfolgt man sie Intention der ICF so definiert sich Behinderung als Auswirkung einer Schädigung der Körperstrukturen oder Körperfunktionen, welche die Teilhabe und Partizipation einschränken.
Im Sinne von "ich bin nicht behindert, ich werde behindert" würde dieses bedeuten, dass du Barrieren erlebst und diese Barrieren einzig und alleine externer Natur sind. Also genügt es, diese (externen) Barrieren zu entfernen.
Da würde mich interessieren, welche Barrieren du tatsächlich besitzt.
Ich für mich kann nur sagen, dass ich auch bei absoluter Barrierefreiheit gemäß UN-BRK massiv in der Teilhabe eingeschränkt bin - ich bin also behindert.
(Und interessant ... "nur" einen GdB von 50, aber volle EU-Rente vs GdB 100 und volle Erwerbstätigkeit -- es erscheint mir, dass da irgendwas schief läuft...)