urlaubsreif hat geschrieben:Eine Freundin mit beidohrigem Hochtonsteilabfall profitiert von keiner noch so ausgefeilten Technik mehr. Sie wäre mit einem Oticon oder Phonak der Spitzenklasse schlicht überversorgt.
Dann ist das ein klarer Fall für eine
CI-Voruntersuchung. Warum sollte die
KK dann das Flaggschiff eines
HGs bezahlen? Macht doch gar keinen Sinn.
Vorausgesetzt, das individuelle Hörvermögen gibt eine Umsetzung der "teuren" Features noch her, sind sie absolut unerlässlich für einen weitestgehenden Behinderungsausgleich.
Die Kasse gleicht aber nicht die Behinderung aus. Sie ist nur dafür zuständig, dass du am Leben teilhaben kannst.
An dieser Stelle möchte ich mich doch einmal gegen diese hier schon geäußerte unsägliche Unterstellung einer "Luxusversorgung zu Lasten der Solidargemeinschaft" wenden, die rein auf die Verstehensleistung abzielt. Darüber kann man reden, wenn keine andere Möglichkeit mehr bleibt, als ein CI Implantat. Dann bin ich vermutlich froh, wenigstens noch hell von dunkel unterscheiden zu können und rund von eckig.
Tut mir leid, wenn ich immer noch auf diesem Standpunkt stehe. Die Solidargemeinschaft ist NICHT dafür zuständig, dich in Wattekissen einzupacken. Dir steht einzig und allein zu, wieder an der Gesellschaft teilhaben zu können. Und das ist nun mal nur Sprachverstehen. Für jeglichen Komfort bist du selbst zuständig und bezahlst das entsprechend selbst. Es sei denn, du kannst nachweisen, dass bestimmte Luxus-Features zwingend notwendig sind. Als Beispiel denke ich da an "Frequenzverschiebung", wenn man im Hochtonbereich (fast) nichts mehr hört. Allerdings ist nicht die Krankenkasse der Ansprechpartner, sondern dein Akustiker. Gegebenenfalls kommt deine Berufsgenossenschaft, Rentenversicherung oder das Inklusionsamt als Kostenträger in Betracht. Aber das ist ein anderes Thema. Die Krankenkasse ist kein Wohltätigkeitsverein.
Im übrigen verzichte ich bei meinen Geräten auf so gut wie alle "teuren Features", die ich selbst bezahlt habe. Denn genau die haben dazu geführt, dass alles zu Brei gemixt wird und daher im Gespräch den herannahenden Laster nicht hört.
Bis es soweit ist, ist gutes Hören ein weitaus komplexerer Vorgang mit erheblichen Auswirkungen auf psychologische und neurologische Parameter. Je besser und facettenreicher der auditorische Kortex mit Schall versorgt wird, desto besser auch die Verstehensleistung sowie das kognitive Leistungsvermögen. Von einem gesenkten Stresspegel aufgrund einer besseren Identifizierung der Ursache von Schallquellen und damit der Verbesserung der Verstehensleistung über mehrere Stunden hinweg mal ganz abgesehen. Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber unter Ermüdung und Anspannung fällt meine Verstehensquote radikal ab. Undefinierbarer Klangbrei, wie er im Allgemeinen von billigeren Hörgeräten produziert wird, stresst mich ungemein.
Wenn du das nachweisen kannst und darauf bestehst, dass du ein Gerät ohne Aufpreis bekommst, dann musst du deinen Akustiker überzeugen, dass du keinen Aufpreis bezahlst.
Wir bewegen uns ja schließlich nicht in einem stillen Umfeld, das hin und wieder von Sprachfetzen aufgelockert wird. Was gerne einmal als "Störschall" bezeichnet wird, ist auch ein wichtiger Indikator für die Orientierung im Raum. Es nützt mir nichts, wenn ein Billiggerät den radikal ausblendet und mir eine obendrein noch zeitversetzte Schallglocke überstülpt. Die Fokussierung auf Sprache nützt mir nichts, wenn ich beim Quatschen und Spazierengehen, den Radfahrer von hinten nicht wahrnehmen kann. Und wenn mehrere Leute durcheinander reden, dann möchte ICH entscheiden können, wem ich zuhöre.
Da hast du was verwechselt. Der "Störschall" wird gerade von den Luxusgeräten mit "teuren Features" radikal ausgeblendet. Die Entscheidung, wem du zuzuhören hast, wird auch nur und gerade von den hochpreisigen Geräten durchgeführt, nicht von dir. Offenbar stehst du ja gerade auf "Billiggeräte" (so billig sind die außerdem gar nicht, weder preislich noch akustisch).
Solche Sprüche aus dem Munde von Hörbehinderten, regen mich wirklich auf.
Mich regen Leute auf, die von der Solidargemeinschaft ihr Luxusleben finanzieren wollen und sich darüber beschweren, dass sie es nicht bekommen.
Oder weshalb kosten dieselben hochpreisigen Geräte in Großbritannien, Korea oder Amerika gerade einmal die Hälfte des in Deutschland verlangten Preises? Rd. 3.000 Euro gehen also auf 6 Jahre Garantie und kostenlose Reparatur sowie auf die Mitfinanzierung des erhöhten Erprobungs- und Anpassungsaufwandes für Billiggeräte (bei den Spitzengeräten ist meiner Erfahrung nach so gut wie keine weitere Einstellung notwendig), alles lässt sich in nur einer Sitzung nahezu perfekt einstellen, da die Spitzengeräte von Hause aus die besseren Algorithmen zum Handling dynamischer Hörsituationen mitbringen.
Ich glaube, da bist du auf dem Holzweg. Wenn es bei den featurereichen hochpreisigen
HGs auf anhieb funktioniert, dann war das reines Glück. Sieh doch deine Freundin (oben) an, hat ja nicht mit einer einzigen Sitzung geklappt. Bei mir waren das locker 25 Sitzungen.
In der Schweiz gibt es Akustiker, die dir auf Wunsch nur das Gerät und das deutlich billiger verkaufen und jede Anpasssitzung separat verrechnen. Die meisten Kunden zahlen drauf (du vielleicht nicht, wenn die Anpassung auf anhieb klappt).
Wenn man denn schon auf Psychologie zielt, dann doch bitte umfassender als ein unterstellter Glaubenssatz wie "was teuer ist muss auch gut sein."
Da stimme ich dir zu. Teuer ist nicht gleichbedeutend mit gut. Aber für manche Features zahlt man als Betroffener nunmal grundsätzlich drauf, weil das nur Komfortmerkmale sind. Zum Leben und Teilhaben bin ich nicht auf Bluetooth angewiesen. Aber es ist ein unschätzbarer Komfort, den nicht mal Leute haben, die keine Hörgeräte brauchen.
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Edit 24.10.19 (wenn auch verspätet)
Nur zur Klarstellung, falls das in Zukunft nochmal jemand lesen wird: Meine provokative Antwort oben beruht darauf, dass der Thread von Faber/Gewchitl/nixverstahn stammt, der sich den Komfort gerne von der Kasse komplett bezahlen lassen wollte, obwohl sein Hörverlust eher als mild einzustufen war. "urlaubsreif" ist da anders gelagert, das wusste ich aber zum Zeitpunkt des Erstellens meines Beitrags nicht. Das tut mir leid, ich hätte das ganze dann anders formuliert. Insbesondere stimme ich zu, dass
HG-Merkmale von der
KK, RV oder dem Integrations-/Inklusionsamt zu bezahlen sind, die für die erfolgreiche Teilnahme am Arbeitsleben unerlässlich sind.