Zwischen Hörend und gehörlos

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Fibi
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Zwischen Hörend und gehörlos

#1

Beitrag von Fibi »

Hallo,

es geht um meinen Teeniesohn.

Über die neue Schule ist er in Kontakt mit einer Sportgruppe eines Gehörlosensportvereines gekommen. Nach dem ersten Probetraining war er begeistert, nach dem zweiten nicht mehr.

Der Grund ist, dass beim zweiten Training alle Hörhilfen abgelegt werden sollten. Damit kam er nicht klar. Für ihn war es wie eine Strafe.....
Ich kann allerdings auch das Ansinnen des Trainers nachvollziehen. Ein Gehörlosensport setzt wohl bei allen Gehörlosigkeit voraus.

Meine Frage an euch, wie macht ihr das bzw. Wie kommt ihr damit klar? Füllt ihr euch zu einer Gruppe mehr hingezogen oder auch eher zwischen zwei Welten?

Bin gespannt...

VG Fibi
Fibi und Sohn *02, rechts: an Taubheit grenzend schwerhörig, links: CI von Cochlear
rabenschwinge
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Re: Zwischen Hörend und gehörlos

#2

Beitrag von rabenschwinge »

Interessante Frage, Fibi.

Ich bin mit 18 durch einen Unfall schwerhörig geworden... wobei ich anfangs eher leicht bis denn gerade mal moderat schwerhörig war.

Heute bin ich hochgradig schwerhörig.

Ich fühle mich eher in der Welt der Hörenden zuhause. Auch und gerade weil mir in der Welt der Gehörlosen die Kommunikationsmöglichkeit fehlt da ich DGS nicht kann.
Zuletzt geändert von rabenschwinge am 24. Sep 2018, 21:12, insgesamt 1-mal geändert.
akopti
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Re: Zwischen Hörend und gehörlos

#3

Beitrag von akopti »

Hallo,

Ich selbst bin normalhörend und habe beruflich mit schwerhörenden und fehlsichtigen zu tun

Vieleicht ein Beispiel für deinen Teenie. Beim Blindenfussball müßen diejenigen, die z.B. nur noch Schatten sehen eine schwarze Brille tragen wegen der Chancengleichheit.
Fibi
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Re: Zwischen Hörend und gehörlos

#4

Beitrag von Fibi »

Hallo,

den Sinn dahinter hat er ja verstanden, aber er hat sich eben „hochgradig“ unwohl gefühlt .
Ich denke eben auch, dass er sich wohl eher zur Welt der Hörenden zählt. Er ist ja bisher auch in dieser groß geworden (von leicht- bis mittelgradig schwerhörig bis jetzt taub und an Taubheit grenzend schwerhörig). DGS hat er vehement abgelehnt ( jetzt kann er ein paar Gebärden).

Ich selbst bin normalhörend und kann mir schon vorstellen, dass ihn das Ablegen der Geräte total verunsichert. Hmm, schwierig.

VG Fibi
Fibi und Sohn *02, rechts: an Taubheit grenzend schwerhörig, links: CI von Cochlear
rabenschwinge
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Re: Zwischen Hörend und gehörlos

#5

Beitrag von rabenschwinge »

So wie Du Deinen Sohn beschreibst, Fibi, sehe ich das genau so. Er sieht sich eher hörend als denn gehörlos.

Dementsprechend verunsichernd ist dann auch die Abnahme der HG´s... und plötzlich ist es still und es fehlt dann auch die Kommunikationsmöglichkeit. Es unangenehme Situation.

Ich kann ihn da wirklich verstehen.
Zuletzt geändert von rabenschwinge am 26. Sep 2018, 16:45, insgesamt 1-mal geändert.
Emil
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Re: Zwischen Hörend und gehörlos

#6

Beitrag von Emil »

Hallo Fibi,

ich fühle mit auch deutlich in der "Hörenden Welt" zu Hause, obwohl ich von Geburt an hochgradig sh bin und mit 5 Jahren mein erstes , und mit 7 mein zweites HG bekommen habe. Ich bin dann in eine Schwerhörigenschule gegangen, und im Sportunterricht haben wir besonders bei Ballsportarten auch alle HGs ablegen müssen. Damals ging es vor allem darum, dass die HGs nicht kaputt gehen, sie waren selten und teuer. Natürlich war das erst mal komisch und man fühlte sich unsicher, aber gerade beim Fussball hatten wir auch mit HGs kaum Sprachverständnis. In jedem Fall haben wir uns schnell daran gewöhnt und hatten bald keine Probleme mehr die HGs heraus zu nehmen.

Ich glaube dass sich auch Dein Sohn recht schnell daran gewöhnen kann, da ja alle Anderen in der gleichen Situation sind , er sollte es unbedingt nochmal "probieren".

Viel Glück

Emil
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Dani!
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Re: Zwischen Hörend und gehörlos

#7

Beitrag von Dani! »

@Fibi
Um welche Sportart geht es denn?
Ich beispielsweise habe zusätzlich zu meiner hochgradigen Schwerhörigkeit noch das Thema, dass ich schlecht sehe (auch mit Brille, etc.). Wenn ich meine beiden HGs rausnehmen muss, dann bin ich komplett offline. Mannschaftssport wäre für mich ohne HGs nicht möglich.
Selbst Tischfussball (Kicker) klappt nur mit Hörgeräten. Ohne HG sehe ich den sich bewegenden Ball einfach nicht (kein Witz!). Das empfinde ich als schrecklich. Ich sehe viele Dinge nur deshalb, weil ich höre wo etwas ist.
Einzelsportarten sind kein Thema. Aber das ist ja nicht der Sinn einer Sportgruppe für deinen Sohn.
Manchmal liegt dir die Welt zu Füßen
und doch bist du zu alt, dich nach ihr zu bücken.
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Fibi
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Re: Zwischen Hörend und gehörlos

#8

Beitrag von Fibi »

Hallo,

er besucht seit kurzem eine SH-Schule und dort wird im Sportunterricht sämtliche Technik getragen. Auch bei Ballsportarten. Und ganz ehrlich, im Sportunterricht ist noch nie was kaputt gegangen, das „schaffen“ wir im ruhigen Unterricht ;)
Es handelt sich übrigens um eine Volleyballsportgruppe. Und das Ansinnen ist wie gesagt, für mich vollkommen nachvollziehbar.

Ich werde nochmal versuchen, in Ruhe mit ihm darüber zu reden. Vielleicht hätte er sich doch nicht so vehement gegen die Gebärdensprache wehren sollen, der Sturkopp :crazy: ;)

VG Fibi
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Birkbot
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Re: Zwischen Hörend und gehörlos

#9

Beitrag von Birkbot »

Ich hab stets und immer beim Sport (es sei denn, es war Schwimmen;-)) meine HGs getragen. Ich hab auch 8 Jahre Volleyball gespielt, da wars absolut kein Problem, bei Kontaktsportarten war ich ein bisschen vorsichtiger.
Aber stimmt schon, beim Volleyball ist Hören schon ein Vorteil. Eventuell soll er es halt mal bei ner hörenden Mannschaft probieren, die Meisten haben Nachwuchsmangel...
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Kaja
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Re: Zwischen Hörend und gehörlos

#10

Beitrag von Kaja »

Hallo Fibi,
Fibi hat geschrieben:Der Grund ist, dass beim zweiten Training alle Hörhilfen abgelegt werden sollten. Damit kam er nicht klar. Für ihn war es wie eine Strafe.....
Ich kann allerdings auch das Ansinnen des Trainers nachvollziehen. Ein Gehörlosensport setzt wohl bei allen Gehörlosigkeit voraus.
Voraussetzung für die Teilnahme am Gehörlosensport ist bei allen ein Hörverlust von 55 dB (gemessen ohne Hörhilfen). Im Wettkampf dürfen keine Hörhilfen getragen werden, wohl aber beim Training. Vielleicht war das Ablegen der Hörhilfen ein Teil des Trainings, um die Wettkampfsituation zu simulieren. Bei zukünftigen Trainingseinheiten sind vielleicht wieder Hörhilfen erlaubt.

Dein Sohn kann ja dem Trainer gegenüber kommunizieren, wie er sich beim Training ohne Hörhilfen fühlt. Vielleicht ist das für seine Trainingsstrategie hilfreich.

@Birkbot: es gibt inzwischen auch die Möglichkeit, CIs beim Schwimmen zu tragen.

Viele Grüße
Kaja mit Sohn (hochgradige Schwerhörigkeit bds.)
Emil
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Re: Zwischen Hörend und gehörlos

#11

Beitrag von Emil »

Hallo Fibi,

natürlich ist die Störanfälligkeit der HGs meiner Kindheit (zum Glück) nicht mit den heutigen zu vergleichen und auch die sehr schwierige Beschaffung von Ersatzgeräten gibt es nicht mehr.

Ich kann auch das verstörende Gefühl, wenn nicht nur das Sprachverständnis weg ist sondern man die wahrgenommenen Geräusche überhauptnicht erkennt noch einordnen kann aus welcher Richtung sie kommen, sehr gut nachvollziehen. Mir geht es ja selbst so wenn ich schwimmen oder in die Sauna gehe. Im ersten Moment will man das nicht wahrhaben und man will eigentlich sofort alles wieder einsetzen. Aber zumindest ich gewöhne mich relativ schnell daran.

Außerdem ist es, wie Du selbst schreibst, für die Chancengleichheit beim Volleyball für Gh natürlich notwendig.

Ich wünsche Euch, dass er sich daran doch noch gewöhnt denn gerade der Mannschaftssport ist für Sh ein gutes Mittel für die Integration.

Viel Erfolg

Emil
beidseitig Phonak Naida Q 70 UP
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