Lehramtsstudium mit Hindernissen... Bitte um Rat

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Phenolphthalein
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Lehramtsstudium mit Hindernissen... Bitte um Rat

#1

Beitrag von Phenolphthalein »

Liebes Forum

Ich möchte mich kurz vorstellen. Ich bin 27 und studiere Lehramt mit den Fächern Biologie und Chemie. In meiner Familie liegt die Schwerhörigkeit leider auf einem sehr dominanten Gen. Somit sind seit meinem Großvater die meisten Nachkommen betroffen, inklusive mir. Ich wusste schon länger, dass ich sicher nicht optimal höre, aber kam damit eigentlich immer sehr gut durchs Leben. Als ich dann meine ersten Unterrichtspraktika hatte, mit Schüler*innen diverser Dialekte und Akzente, dachte ich mir, dass es an der Zeit ist, endlich ein Hörgerät anzuschaffen. Dies tat ich auch (Hörverlust bei beiden Ohren ca. 30%). Mit den ersten paar HGs konnte ich überhaupt nichts anfangen, der Chemiesaal hat sich auch als akustisch grausames Monster herausgestellt. Leider kam ziemlich bald der zweite Lockdown (Herbst 2020), sodass ich nicht mehr in die Schule durfte. Meine Hörgerät Anpassung hat also im „Home-office“ stattgefunden. Ich war schlussendlich mit meinen kleinen unscheinbaren Im-Ohr Phonak Virto M90 zufrieden und nahm sie. Jetzt, wo ich wieder in die Uni darf (wohlgemerkt mit Phonak HGs seit März 2021 – sprich die „6 Monate daran gewöhnen“ sind vorbei) krieg ich die absolute Krise. Ich verstehe die Leute sehr gut in ruhigen Umgebungen (Seminarräumen). Laute Umgebungen sind der Horror, die Masken machens natürlich nicht besser. Als angehende Lehrerin, die immer mit viel lauter Umgebung zu tun haben wird, krieg ich langsam Panik. In lauter Umgebung versteh ich alles deutlich besser ohne HGs, aber das kann ja auch nicht sein, dass ich diese Dinger immer rein und rausnehmen muss…

Die Hörgeräte wurden schon so angepasst, dass Störgeräusche stark unterdrückt werden und alles weitere was ich bemängelt habe, sollte entsprechend eingestellt sein.

Ich wollte deshalb mal in die Runde fragen:
1. Gibt es unter euch Lehrpersonen, die sich auch an diesen Fächern erfreuen und wie kann man das Monster Chemiesaal bewältigen?
2. Würdet ihr evtl. empfehlen die HGs rauszunehmen, sobald ich weiß, dass ich in eine lautere Umgebung gelange (P.S. auf Partys trag ich sie auch nie, weil mein Kopf sonst explodiert)? Mein Akustiker hat davon abgeraten, er meinte man solle die HGs möglichst ständig tragen. Aber was weiß der schon, der hört ja gut…
3. Hat wer vielleicht aufmunternde Worte für eine verzweifelte Lehramtsstudentin? 

Danke euch und ich wünsche ein schönes Wochenende
Liebe Grüße
Phenolphthalein
rhae
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Re: Lehramtsstudium mit Hindernissen... Bitte um Rat

#2

Beitrag von rhae »

Hallo Phenolphthalein :sm(133):

zeigst Du auch einen Farbumschlag wenn Du Hörgeräte benutzt? (sorry DER musste sein) :animiertes-frech-smilies-bild-0031:

Ganz sicher melden sich noch andere HG-Träger und -Trägerinnen hier zu Wort, mein Rat wäre für's Erste die HGs zu tragen und sich daran zu gewöhnen, auch wenn alles etwas schrill und ungewohnt klingt.


VG Ralph
Akustik Alex
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Re: Lehramtsstudium mit Hindernissen... Bitte um Rat

#3

Beitrag von Akustik Alex »

Hey Phenolphthalein,

es gibt ja nahezu unendliche viele Wege ein Gerät einzustellen und auch ein paar, es nachzumessen. Ich würde empfehlen, die Geräte pauschal (wenn nicht schon geschehen) mit InSitu-Audiometrie / Perzentilanalyse einstellen zu lassen. Für deine spezielle Herausforderung wäre es möglich, mehrere Hörprogramme einzupflegen, die du in der Situation mal selbst durchprobieren kannst. So hast du etwas Einfluss auf die Gegebenheiten und kannst auch eine bessere Einstellung finden.
Eine andere, aber eher unpraktikable Möglichkeit, ist die Hörtaktik. D.h., wenn alle Stricke reißen, hilft nur noch Blickkontakt, möglichst kurze Abstände zum Sprechenden, oder ein Funkmikrofon (Roger) was du rumgeben müsstest und den Ton direkt auf deine Geräte überträgt usw.

z.B.:
https://infohrmationen.blogspot.com/202 ... er-on.html

Hoffe, dass etwas davon hilft.

Besten Gruß,
Alex
Espressi
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Re: Lehramtsstudium mit Hindernissen... Bitte um Rat

#4

Beitrag von Espressi »

Hi!

Ich kenne die Uni sowohl aus Dozenten als auch Studenten Sicht. „Langweilige“ frontale Vorlesungen fand ich tatsächlich gar nicht so doof, da ich hier meist recht gut meinen Platz mit Blick auf den Dozenten finden konnte und die Folien auch vieles Erklären. Nachfragen aus dem großen Auditorium habe ich aber nie verstanden und mir aus der Antwort heraus erklärt oder meinen Sitznachbarn kurz gefragt. Manche Dozenten lassen auch alle ins Mikro sprechen oder wiederholen die Frage durch ihr Mikro. Das hilft natürlich. Die neuen HGs haben ja meist eine App mit vielen Einstellungen. Hier spiele ich etwas während der VL und hole noch einiges heraus.

Umgekehrt als Dozent gehe ich bei Nachfragen immer direkt zu den Nachfragern und stehe dann direkt bei denen. Kommt oft gut an, da man sich oft gleich ernst genommener fühlt als Nachfrager.

Zum Chemiesaal: Nutzt der Dozent ein Mikro. Falls nein, ihn ggf. bitten dies zu tun, da auch andere ihn dann besser hören.
Phenolphthalein
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Re: Lehramtsstudium mit Hindernissen... Bitte um Rat

#5

Beitrag von Phenolphthalein »

Zum Chemiesaal: Nutzt der Dozent ein Mikro. Falls nein, ihn ggf. bitten dies zu tun, da auch andere ihn dann besser hören.

Danke für deine Antwort! Es ist im Uni Chemiesaal tatsächlich ein überschaubares Problem, da Studierende leise sind/arbeiten und Lehrende laut sprechen. Ich hab eher Angst vor der Situation im Klassenzimmer-Chemiesaal mit lauten Schüler*innen und schlechter Akustik... Da ich mein nächstes Schulpraktikum erst in ein paar Monaten haben werde, will ich mich jetzt schon irgendwie mit guten Tricks drauf vorbereiten, um nicht während des Unterrichts zu verzweifeln.

LG
AndiT
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Registriert: 17. Okt 2020, 12:56
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Re: Lehramtsstudium mit Hindernissen... Bitte um Rat

#6

Beitrag von AndiT »

Hallo, und zunächst: Schön, dass du dich angemeldet hast. Ein Versuch einer Antwort zu deinen Fragen:

Zu Nr. 3: Ganz sicher kann ich dir sagen, dass der Austausch im Forum und im Chat Mut machen kann. Mir tut es einfach gut, dass es hier Leute gibt, die vor ähnlichen Situationen stehen.

Zu Nr. 2: Nein, kann ich nicht empfehlen. Ich würde versuchen die Hg auch bei der Party zu tragen. Notfalls halt etwas leiser stellen oder das Programm wechseln.

Zu Nr. 1: Ganz ehrlich: Als Hörgeschädigter unterrichten ist immer wieder herausfordernd. Es gibt bei mir bis heute Situationen, vor denen ich einen Rest Angst habe (auch wenn es nicht Chemie ist). Einfach weil ohne Verstehen kein Dialog funktioniert und damit kein richtiges Unterrichtsgespräch. Besonders unangenehm ist mir, wenn eine unerwartete Frage kommt und ich nicht sofort weiß, was gemeint ist und wie ich antworten kann.

Aber das ist kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken! Du hast mit M90 super Geräte und deine Ohren sind vermutlich auch noch nicht ganz hoffnungslos. Da gibt es Wege, und da wirst auch du einen finden.

Meine Erfahrung ist, dass es hilfreich ist, der Klasse zu sagen: Ich höre schlecht, nehmt bitte Rücksicht. Ich habe es noch nicht verstanden, sag es noch einmal. Usw. – Jedenfalls besser als sich zu verstecken und so tun, als hätte ich verstanden. Auf eine gewisse Rücksicht der Klasse und ein Vertrauensverhältnis zu den Schülern bist du dann vielleicht mehr angewiesen als normalhörende Kollegen. Aber es ist auch so, dass Schüler oftmals „nahbare“ und ehrliche Lehrpersonen zu schätzen wissen und sich auf einen einlassen, wie man ist. Es ist eine Frage der Beziehung.

Ich lese aus deinem Beitrag, dass du Angst vor Lärm hast. Ich denke ich kann mir ungefähr vorstellen, was du meinst, obwohl es vielleicht im Alltag gar nicht immer so lebhaft zugehen wird wie in den ersten Praktikumsstunden. Ich persönlich finde etwas anderes am Schwierigsten, nämlich in relativ ruhigen Situationen die Antworten der zaghaft-unsicheren Leise-/Schnell-Sprecher zu verstehen. Um dabei erfolgreicher zu sein, nehme ich im Unterricht kein Automatik- oder Störgeräuschprogramm. Ich nehme das „Musik“-Programm, mit möglichst wenig Richtungshören oder Geräuschfiltern. Mir haben die sonst zu oft Stimmen weggefiltert, die ich hören wollte. Aber letztlich hilft da nur ausprobieren. Jede Woche etwas Neues, und hin und wieder mit dem Aku besprechen.
Ich hoffe es sind ein paar Gedanken dabei, die dir weiterhelfen…

Viele Grüße, AndiT
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