Anpassung eines Hörgerätes bei einseitiger Schwerhörigkeit

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ingog
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Anpassung eines Hörgerätes bei einseitiger Schwerhörigkeit

#1

Beitrag von ingog »

Hallo Zusammen,

Ich bin seit Anfang Februar nach einem Hörsturz auf einem Ohr extrem schwerhörig. Nachdem ich infolge des Hörsturzes ca. 2 Wochen nahezu taub wahr, kam zumindest ein bisschen was zurück. Konkret sieht es so aus:
bis 250Hz höre ich völlig normal
bis 500Hz fällt die Wahrnehmngsgrenze steil bis ca. 65dB ab, ab 700 Hz höre ich auch bei hohem Pegel nichts
ab ca 1500 Hz reagiert wieder etwas im Hochtonbereich, allerdings erst ab ca. 70dB und das auch sehr unsauber/kratzig und in der Tonhöhe nach oben verschoben. Bei ca. 2-3kHz ist hier das Maximum mit ca. 60dB
Meine Unbehaglichkeitsgrenze ist bei ca. 90dB - also relativ normal.
Auf dem anderem Ohr ist alles in Ordnung.
Für die Uniklinik war der Fall sofort sonnenklar: Cochlea-Implantat! Nach Beratung mit meinem HNO-Arzt will ich es aber erst noch mit nichtoperativen Verfahren versuchen.
Also wahr ich vor 9 Tagen zur Erstanpassung eines Hörgerätes (Amplifon energy R4). Ich trage es seither täglich den ganzen Tag.
Das Ergebnis der Hörgeräteunterstützung ist eher durchwachsen (was mich bei dem kaputtem Ohr nicht wundert). Es hört sich extrem blechern und kratzig an - wie ein viel zu laut aufgedrehter billiger Radiowecker. Das Hörgerät selbst erzeugt aber einen kristallklaren Sound (habe ich auf dem gesunden Ohr getestet).
Leider läuft die Anpassung beim Akustiker mit einer gewöhnlichen Lautsprecherbox in einem akustisch katastrophal hellhörigem Raum ab, was aufgrund meines intaktem anderen Ohrs völlig fehlschlägt. Das einzig funktionierende Verfahren wäre aus meiner Sicht ein direktes Streaming in das Hörgerät oder den Hörgerätelautsprecher mit kontinuierlicher Anpassung von frequenzselektiver Verstärkung und Kompression. Laut Aussage des Akustikers geht das aber nicht. Gibt es wirklich kein System mit dem ein Akustiker eine Art Hörgerätesimulator mit "Mischpult" und direktem Streaming hat um hier eine Feinabstimmung hinzubekommen? Am 5.5 habe ich wieder einen Termin, da würde ich meine Airpods mitnehmen um das gesunde Ohr mit der Noise-Cancelling-Funktion wenigstens etwas zurückzufahren. Aber die Methodik mit einstellen am PC, konfig hochladen, ausprobieren ist doch insgesamt nicht sehr erfolgversprechend.

viele Grüße
Ingo
Akustik Alex
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Re: Anpassung eines Hörgerätes bei einseitiger Schwerhörigkeit

#2

Beitrag von Akustik Alex »

ingog hat geschrieben: 3. Mai 2023, 10:29 Hallo Zusammen,

Ich bin seit Anfang Februar nach einem Hörsturz auf einem Ohr extrem schwerhörig. Nachdem ich infolge des Hörsturzes ca. 2 Wochen nahezu taub wahr, kam zumindest ein bisschen was zurück. Konkret sieht es so aus:
bis 250Hz höre ich völlig normal
bis 500Hz fällt die Wahrnehmngsgrenze steil bis ca. 65dB ab, ab 700 Hz höre ich auch bei hohem Pegel nichts
ab ca 1500 Hz reagiert wieder etwas im Hochtonbereich, allerdings erst ab ca. 70dB und das auch sehr unsauber/kratzig und in der Tonhöhe nach oben verschoben. Bei ca. 2-3kHz ist hier das Maximum mit ca. 60dB
Meine Unbehaglichkeitsgrenze ist bei ca. 90dB - also relativ normal.
Auf dem anderem Ohr ist alles in Ordnung.
Für die Uniklinik war der Fall sofort sonnenklar: Cochlea-Implantat! Nach Beratung mit meinem HNO-Arzt will ich es aber erst noch mit nichtoperativen Verfahren versuchen.
Also wahr ich vor 9 Tagen zur Erstanpassung eines Hörgerätes (Amplifon energy R4). Ich trage es seither täglich den ganzen Tag.
Das Ergebnis der Hörgeräteunterstützung ist eher durchwachsen (was mich bei dem kaputtem Ohr nicht wundert). Es hört sich extrem blechern und kratzig an - wie ein viel zu laut aufgedrehter billiger Radiowecker. Das Hörgerät selbst erzeugt aber einen kristallklaren Sound (habe ich auf dem gesunden Ohr getestet).
Leider läuft die Anpassung beim Akustiker mit einer gewöhnlichen Lautsprecherbox in einem akustisch katastrophal hellhörigem Raum ab, was aufgrund meines intaktem anderen Ohrs völlig fehlschlägt. Das einzig funktionierende Verfahren wäre aus meiner Sicht ein direktes Streaming in das Hörgerät oder den Hörgerätelautsprecher mit kontinuierlicher Anpassung von frequenzselektiver Verstärkung und Kompression. Laut Aussage des Akustikers geht das aber nicht. Gibt es wirklich kein System mit dem ein Akustiker eine Art Hörgerätesimulator mit "Mischpult" und direktem Streaming hat um hier eine Feinabstimmung hinzubekommen? Am 5.5 habe ich wieder einen Termin, da würde ich meine Airpods mitnehmen um das gesunde Ohr mit der Noise-Cancelling-Funktion wenigstens etwas zurückzufahren. Aber die Methodik mit einstellen am PC, konfig hochladen, ausprobieren ist doch insgesamt nicht sehr erfolgversprechend.

viele Grüße
Ingo
Moin Ingo,

doch, ein solches Gerät gibt es. Es simuliert ein Sprachsignal und anhand dessen kann man live die Geräte an den Hörverlust anpassen. Das dazu gehörige Messverfahren nennt sich Perzentilanpassung/Perzentilanalyse o.ä.
Konkret wird hier ein Sondenschlauch vor dem Trommelfell platziert, um dort zu messen, wieviel Schall ankommt. Das wird dann abgeglichen mit dem, was ankommen sollte. Das Verfahren basiert zwar auf dem subjektiven Hörtest, ist aber ansonsten ein objektives Messverfahren und berücksichtigt den kompletten Signalweg, inkl. Hörgerät und Otoplastik/Schirmchen. Hier werden auch unterschiedliche Lautstärken gemessen, um das Verhalten des Hörgerätes (speziell die Kompression) zu ersehen. Dieses Verfahren gehört zu den InSitu-Messungen (In Situation). Dennoch kann es natürlich nur simulieren und ist primär auf die (Sprach-)Dynamik ausgerichtet. Ergänzend können, nach der Justierung, aber auch Klangbeispiele aus diversen Richtungen angeboten werden, damit du den Höreindruck mal feststellen kannst. Leider sparen an der Justierung viele Betriebe. Ich hätte mir gewünscht, dass ein solches Anpassverfahren verpflichtend wird. Leider herrscht aber immer noch Narrenfreiheit in den Verträgen. ;)

Besten Gruß,
Alex
Dani!
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Re: Anpassung eines Hörgerätes bei einseitiger Schwerhörigkeit

#3

Beitrag von Dani! »

ingog hat geschrieben: 3. Mai 2023, 10:29 Für die Uniklinik war der Fall sofort sonnenklar: Cochlea-Implantat!
Darf ich nach dem Ort der Klinik fragen?
Mich wundert nähmlich diese Einschätzung. Klar, ein gewisser Frequenzbereich ist aktuell taub (zwischen 700-1400Hz, also 1 Oktave). Ist zwar dummerweise ein Bereich, in dem Sprache sehr präsent ist. Aber als CI-Kandidat sehe ich persönlich dich noch nicht. Ein Cochlea-Implantat wird nicht einfach eingesetzt und man hört sofort wieder, sondern für die meisten hört sich das auch erst mal schräg an und benötigt eine erhebliche Lernphase, bis man davon profitiert - zumindest bei (nur) einseitig Ertaubten.

Aber eins muss dir dennoch klar sein: Auch mit Hörgerät wirst du mit dem schlechten Ohr nicht annähernd wieder so hören wie auf dem gesunden Ohr (wenn sich das Ohr nicht von allein weiter erholen sollte). Das Hörgerät soll dir (als einseitig Ertaubter) den Alltag erleichtern, wenn Geräusche von der falschen Seite kommen bzw. auch das Richtungshören weiterhin ermöglichen. Wenn du mit Hörgerät dann tatsächlich wieder auf diesem Ohr einigermaßen gut verstehst, dann ist das sehr gut!

Bezüglich Anpassungsmethodik: Ich würde das Ohr bei der Anpassung nicht vertäuben. Ein mit einem vertäubten gesunden Ohr angepasstes Hörgerät klingt in Kombination mit einem dann nicht mehr vertäubten gesunden Ohr nicht gut.
Dominik
R: 20.2.20: Med-el Sonnet2
L: 16.12.20: Med-el Sonnet2
Vorsicht bissig.
ingog
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Registriert: 3. Mai 2023, 09:21

Re: Anpassung eines Hörgerätes bei einseitiger Schwerhörigkeit

#4

Beitrag von ingog »

Hallo,

ganz herzlichen Dank für die schnellen und guten Antworten. Das ich mit dem kaputtem Ohr auch mit einem Hörgerät nicht wieder ordentlich hören werde ist mir leider klar. Hauptziel der Hörgeräteversorgung ist es, von dem echt heftigen Tinitus abzulenken, den ich seit dem Hörsturz habe und dem Gehirn auf dieser Seite etwas brauchbares als Futter zu geben. Zur Klinik: Uni Leipzig, die hat eine ganze Abteilung nur für CL-Implantate und mit Sicherheit knallharte wirtschaftliche Vorgaben/Interessen. Die objektive Messung mit dem kleinen Schlauch wurde gemacht. Ich hatte eben nur auf einen etwas besseren Werkzeugsatz für den Akustiker gehofft und war diesbezgl. doch etwas negativ überrascht. Das Hörgerät hat immerhin 20? Kanäle mit jeweils mehreren wirksamen Parametern, da kann man lange optimieren, hochladen, testen, wieder optimieren.... Mit haptischen Reglern wie beim Tontechniker würde das mit Sicherheit besser gehen.

Viele Grüße
Ingo
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