Neuling in der HG Versorgung

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highway
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Neuling in der HG Versorgung

#1

Beitrag von highway »

Hallo zusammen,

als Neuling im Bereich der Hörgeräteversorgung möchte ich mich zu eurer Runde gesellen und hoffe auf einen guten Erfahrungsaustausch (wenngleich ich zunächst wahrscheinlich mehr auf eure Erfahrungen hoffe und noch nicht viel beitragen kann :69: )
Ich habe schon lange mit Schwerhörigkeit zu tun, einerseits besteht bei mir eine erbliche Komponente, hinzu kamen noch einige Schäden durch chronische Mittelohrentzündungen in Kindheit und Jugend, diese Phase schloss ich mit einem Cholesteatom und dessen Ausräumung sowie Tympanoplastik am rechten Ohr ab. Seither ist Ruhe.

Mit 18 Jahren hat mein damaliger HNO mir erstmals nahe gelegt, Hörgeräte zu testen, damals lag ich an der Schwelle zur Empfehlung eines HGs. Es war ein Graus. Möglicherweise hatte ich damals auch Pech mit dem Akustiker, aber nach zwei Tagen war ich dermaßen von den Eindrücken durch das HG überfordert, sodass ich die Versorgung abbrach und mich nicht mehr weiter damit beschäftigte. Mit den üblichen Tricks kommt man ja doch vermeintlich gut durch den Alltag.
Nun, mit 30 Jahren und doch deutlich abgerutschter Hörkurve muss ich mir leider eingestehen, dass mir das aber immer schwerer fällt. Das Hören verlangt mir immer mehr ab, weshalb sich, vermutlich auch durch die Anstrengung, chronischer Tinnitus, Hyperakusis und an schlimmen Tagen auch noch Schwindel in mein Leben geschlichen haben. Kurzum, ich bin an einer Grenze angelangt, an der mich mir selbst eingestehen muss, so geht es nicht weiter und ich muss etwas tun.

So weit, so gut. Rechts bin ich im Bereich einer hochgradig/an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit und links im Bereich einer leicht/mittelgradigen Schwerhörigkeit - je nachdem welchen Hörtest man heranzieht.
Hörtest2023kl.jpg
Entsprechend habe ich mich im Alltag daran gewöhnt, mit dem linken Ohr zu arbeiten. Eine Hörgeräteversorung wurde mir nun für das rechte Ohr verordnet.
Hierzu habe ich schon allerlei gegensätzliche Meinung gehört - Versorgung nur rechts, Versorgung beidseitig oder auch Versorgung nur links auf dem "guten" Ohr.

Ich bin, nach meinem Eindruck, bei einer bemühten und kompetenten Akustikerin gelandet. Sie rät mir, alles mal durchzutesten, HG nur links, HG nur rechts, HG beidseitig.
HG rechts habe ich schon getestet, das war, wie sie erwartet hatte, ein Reinfall - mein Gehirn ist schlichtweg überfordert mit der Anpassung des Ohres, mit dem ich Jahre lang nichts mehr gehört habe während ich mich auf das "gute" konzentriert habe.
Momentan teste ich HGs beidseitig, das ist schon deutlich besser, aber auch, trotz niedriger Einstellungen eine Herausforderung.
Bislang habe ich das SoniTon Up getragen, da ich aber insgesamt recht empfindlich reagiere, besorgt sie mir für den nächsten Termin Widex die ja deutlich weicher im Klang sein sollen.

Mir ist wirklich daran gelegen, meine Situation langfristig zu verbessern und durch besseres Hören wieder mein Stresslevel runterzufahren und dadurch mehr Ruhe in mein Leben zu bekommen.
Mir ist bewusst, dass die HG-Versorgung ein Marathon und kein Sprint ist, aber schon jetzt, in Woche drei merke ich langsam, wie in meinem Unterbewusstsein eine leise Stimme sagt, "lass doch, mit dem Tinnitus ists gerade laut genug, mehr Hören muss nicht sein". Ich bleibe natürlich trotzdem dran, hilft ja nix :crazy:
Ich habe es noch nicht geschafft, "unnütze" Umgebungsgeräusche auszublenden, klar, die Sprache wird lauter, aber eben auch alles drum herum. Manchmal habe ich den Eindruck, dass ich zwar die Leute um mich herum akustisch zwar schon besser verstehe, es aber nicht mehr schaffe, das Gesagte inhaltlich zu erfassen. Ständig wird man mit neuen Geräuschen konfrontiert die man orten und einordnen muss, bekannte Geräusche klingen anders und lauter, das fällt mir momentan schwer.
In den Einstellungen habe ich Störgeräusche minimiert und die Akustikerin geht auch nur langsam mit der Verstärkung nach oben, trotzdem ist es leider anstrengend.

Neben Erfahrungen zu Geräten, der Versorgung bei unterschiedlichen Hörverlusten auf den Ohren würde mich aber daher eure Erfahrung interessieren - wie seid ihr im Anfangsprozess klargekommen, was hat euch geholfen?

:wave:
Treehugger
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Re: Neuling in der HG Versorgung

#2

Beitrag von Treehugger »

Highway hat geschrieben: Ich habe es noch nicht geschafft, "unnütze" Umgebungsgeräusche auszublenden, klar, die Sprache wird lauter, aber eben auch alles drum herum. Manchmal habe ich den Eindruck, dass ich zwar die Leute um mich herum akustisch zwar schon besser verstehe, es aber nicht mehr schaffe, das Gesagte inhaltlich zu erfassen. Ständig wird man mit neuen Geräuschen konfrontiert die man orten und einordnen muss, bekannte Geräusche klingen anders und lauter, das fällt mir momentan schwer.
Genau das wird mit der Zeit wieder besser.
Ich würde versuchen das ganze relativ langsam anzugehen, also die Verstärkung nur langsam steigern.
Das ist wirklich krass wie die Alltagsgeräusche, die man neu auf einmal wieder hört in den Hintergrund treten,
Das klappt aber leider nicht innerhalb von Tagen

Ansonsten wünsche ich Dir viel erfolg und lass dich nicht entmutigen.
tabbycat
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Re: Neuling in der HG Versorgung

#3

Beitrag von tabbycat »

Guten Morgen,

ich war/ bin in ähnlicher Situation: Mit 16 Jahren Colestaetom-OP/ Tympanoplastik. Jahrzehntelang damit durchgewurschtelt, da ich auf dem linken Ohr ja noch normal hörte und auf dem operierten Ohr anfangs noch halbwegs resthörig war. Mit 40 merkte ich dann, daß ich was tun sollte und ließ mir mein erstes HG anpassen. Ja, ich hörte erstmal "irgendwas" - u. a. empfand ich am ersten HG-Tag damals ein Regenschauer bei offener Balkontür als Mähdreschergeräusch und die Toilettenspülung als die Hölle in Akustikform.
Mein Gehirn hat bestimmt ein Jahr gebraucht um zu begreifen, daß der Input Sprache ist. Trotzdem war's lange Zeit irgendwie unbefriedigend - räumlich hören konnte ich trotz der einseitigen HG-Versorgung nicht und fühlte mich oft ausgegrenzt.
Im letzten Jahr bekam ich wegen beginnender Altersschwerhörigkeit auch auf das linke Ohr ein HG- und siehe da, plötzlich hörte ich 1) insgesamt besser und 2) wohl binauraler Technik sei Dank wieder räumlich.

An Deiner Stelle würde ich daher ausprobieren, was irgend geht - evtl. auch eine CROS-Versorgung, damit du von der rechten Seite wenigstens ansprechbar bist, so das mit dem Sprachverstehen partout nicht klappen sollte.

In punkto Sprachverstehen hat es mir übrigens geholfen, Hörbücher und Podcasts zu hören - mit Hörgerät. Früher noch mit einem Over-the-Ear-Kopfhörer, der übers HG paßte, inzwischen streame ich direkt auf die HGs.

Das Hören mit Hörgeräten wird immer anders sein als das Hören "in freier Wildbahn", aber nicht unbedingt schlechter.
Das Gehirn ist lernfähig - auch wenn es in punkto Hören manchmal verdammt langsam lernt und man verzweifeln und die Hörgeräte am liebsten in die Ecke schmeißen möchte. - Mir geht das übrigens zeitweise noch heute - 1,5 Jahre nach der Versorgung mit dem 2. HG - so. An schlechten Tagen denke ich mir "ist doch alles für die Wurst" - an guten Tagen freue ich mich über Aha-Erlebnisse - und sei es darüber, das hohe, dünne Stimmchen der Kollegin zu verstehen, die im Kantinenlärm rechts neben mir sitzt.
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Manche Menschen wollen immer glänzen,
obwohl sie keinen Schimmer haben. :69:
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(Heinz Erhardt)
Der Akustiker
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Re: Neuling in der HG Versorgung

#4

Beitrag von Der Akustiker »

Bei dem Hörverlust ist die richtige Wahl des Herstellers (Klangbildes) und die Signalauflösung (Anzahl der Kanäle) von essenzieller Bedeutung.
Ich würde beidseitig Signia oder AudioService mit P-Hörern und Sleeve testen.
Wenn finanziell machbar, dann Signia C&G T 3IX oder höher.
Hören kann man mit jeden System...Verstehen nur, wenn das Gehirn es akzeptiert und trainiert ist! Akustiker aus Leidenschaft...
highway
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Re: Neuling in der HG Versorgung

#5

Beitrag von highway »

Vielen Dank für eure Erfahrungsberichte und eure lieben Worte.
Irgendwie hatte ich so ein bisschen die Erwartung, mit HGs -auch wenn es überfordernd ist- direkt mehr und besser zu hören. Da die Einstellungen aus gutem Grund ja noch deutlich unter dem Maß liegen, was ich für das Sprachverstehen brauchen würde, ist das natürlich unrealistisch. Da werde ich wohl noch ein bisschen an meiner Geduld arbeiten müssen, wobei ich eigentlich dachte, dass ich relativ geduldig bin :D

Die einseitige Hörversorgung habe ich für mich nun auch schnell ausgeschlossen, die beidseitige Versorgung fühlt sich trotz der momentanen Hürden zumindest schonmal besser an. Ich bin froh, dass hier meine Akustikerin zugänglich ist, sie kennt auch meine HNO und möchte von sich aus bei der Ärztin eine neue Verordnung für beide Ohren anfordern.

Die CROS-Versorgung habe ich mir mal angelesen, so ganz verstehe ich das aber nicht, die Signale werden dabei ja an das besser hörende Ohr weitergeleitet. Wie funktioniert das, dass das Gehirn dann zuordnen kann, welcher Ton von welcher Seite kommt?

Diese Woche habe ich die Widex Moment 110 RIC 312D bekommen. Die sollen ja weicher vom Klangbild her sein. Aktuell fühle ich mich durch die tatsächlich weniger im Alltag überfordert, da scheint einiges von den lauteren Geräuschen, die ich mit dem SoniTon wahrgenommen habe, "weichgespült" zu werden, auf der anderen Seite hört sich alles so kratzig an. Meine Haare zB klingen, als wären es Borsten. Hier schaue ich mal beim nächsten Termin, ob sich das anders einstellen lässt.

Mit der Akustikerin bin ich so verblieben, dass ich ein Gerät ca. 2Wochen teste, bevor ich ein anderes ausprobiere. Sie hat auch einige Signia Geräte, vielleicht wäre das dann die nächste Wahl. Momentan teste ich mit M-Hörern - ist die Auswahl des passenden Hörers etwas, das man in den ersten Wochen angeht oder später bei der Feinabstimmung?
Reino
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Re: Neuling in der HG Versorgung

#6

Beitrag von Reino »

Hallo.
Seit 23 Jahren Widex.
Bei dem Ersten Versuch, erschrocken über das was über einem hereinbrach.
Wollte abbrechen, doch dann wieder mit einem anderen Akustiker und das herantasten begann.
Ich werde wohl zwanzig mal bei dem guten gewesen sein. Dann war aber acht Jahre Ruhe und ich war doch recht zufrieden.
Damals verstand ich, warum soviel Hörgeräte in der Nachttischschublade verschwinden.
Gruß, Reino
Birkbot
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Wohnort: Erlangen

Re: Neuling in der HG Versorgung

#7

Beitrag von Birkbot »

Alter Falter, mit sehr grob deiner Kurve auf der besseren Seite war ich als Kind schon HG-versorgt, weil ich gefühlt nix gehört habe. Respekt dafür, dass du dich damit überhaupt noch in irgendeiner Form "durchmogeln" konntest.
Was anderes als "tragen, tragen, tragen" kann ich dir auch nicht empfehlen. Mit dem Unterschied, dass ich dir empfehlen würde, vor allem in den einfachen Hörsituationen (du sitzt auf dem Sofa und liest ein Buch, bis auf das Ticken der Uhr und alle paar Minuten fährt draußen ein Auto vorbei oder du unterhältst dich in Ruhe mit nur einem anderen Menschen) die HGs drin zu haben. Denn wenn nur wenig Nebengeräusche sind, tut sich dein Hirn leichter, die zu sortieren. Wenn du das dann mal absortiert hast, kann man zu schwierigeren Situationen übergehen, die dich dann auch nicht mehr so komplett überfordern werden.

Viel Erfolg dir noch!
highway
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Re: Neuling in der HG Versorgung

#8

Beitrag von highway »

Ich muss sagen, mittlerweile geht es schon etwas besser - klar, ich dümpele noch auf den niedrigen Einstellungen herum, aber es fühlt sich momentan zumindest nicht mehr alles völlig fremd an.

Was mich aber irritiert ist so ein "Grundrauschen" in den HGs. Dachte beim ersten HG, dass da etwas nicht stimmt und es am Gerät liegt. Nun bei dem Widex aber dasselbe.
Beim SoniTon habe ich das Rauschen über die Funktion Störgeräusche minimieren reduzieren können und bei dem Widex hat mir die Akustikerin das am PC eingestellt. Es gibt zwar ein Rauschen, welches ich wahrnehme, aber im Vergleich zu den Programmen "Pure" und "Party" ist das Rauschen deutlich geringer.

Die Akustikerin meinte, dass quasi jeder Raum seine eigenen Geräusche/Rauschen hat, da es ja nie komplett still ist. Auch eine Tatsache, die man lernen soll, auszublenden. Das Rauschen konnte ich mittlerweile für mich annehmen, aber ich bin doch irritiert, ist es wirklich so, dass wenn man zB völlig in Ruhe auf dem Sofa sitzt, man das "Rauschen des Raumes" wahrnimmt? Und ich meine damit nicht Geräusche von Elektrogeräten oÄ., dieses Geräusch tritt in den unterschiedlichsten Räumen auf.
Dani!
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Re: Neuling in der HG Versorgung

#9

Beitrag von Dani! »

Ja, jeder gewöhnliche Raum rauscht*. Nicht umsonst wird enormer Aufwand für echte schallarme Räume betrieben.

Allerdings können die Mikrofone der HG auch Rauschen verursachen, wenn man noch gut genug hört.

*) du atmest, du bist mal in den Raum gegangen, dein Herz pocht, die Wände schirmen nie zu 100% ab. Jedes winzige Geräusch wird von den Wänden zigfach reflektiert und endet schließlich in Rauschen. Normal hörende haben das längst ausgeblendet. Hörgeräte machen es aber lauer, wenn es nicht unterdrückt wird.
Dominik
R: 20.2.20: Med-el Sonnet2
L: 16.12.20: Med-el Sonnet2
Vorsicht bissig.
patric92
Beiträge: 25
Registriert: 16. Nov 2021, 08:06
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Re: Neuling in der HG Versorgung

#10

Beitrag von patric92 »

Hallo,
ich höre zwar auf beiden Ohren schlecht aber vielleicht hilft es trotzdem.
Ich persönlich würde immer zu einer beidseitigen Versorgung tendieren. Beide Ohren haben dann sozusagen das gleiche Hörerlebnis. Die Gewöhnung braucht Zeit. Als ich später meine Otoplastiken bekam, hörte es sich für mich anderes vom Klang an aber ich merkte, wie ich besser verstand .
beidseitig mit Oticon Opn S 3 versorgt.
125 - 250 - 500 - 1k - 2k - 3k - 4k - 8k
R: 50 - 50 - 50 - 45 - 50 - 55 - 65 - 70
L: 50 - 50 - 50 - 45 - 65 - 70 - 75 - 85
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