Evio hat geschrieben: ↑16. Aug 2024, 22:20
Verstehe. Würde es bedeuten, dass eine höhere Anzahl von Kanälen auch eine genauere Wiedergabe von zB klassischer Musik, die, wie vieles andere auch eine Gleichzeitigkeit von unterschiedlichen Frequenzen in ganz verschiedenen Lautstärken hat ermöglichen?
Klar, muss ich probieren, aber theoretisch?
OK - meine frühere Partnerin war Geigenbauerin, ich selbst habe ein ganz gut geschultes Gehör und höre viel klassische Musik. Ich versuche mal, vor diesem Hintergrund etwas Nützliches beizutragen:
Die Anzahl der einstellbaren Kanäle ist das eine. Die Verteilung der Kanäle über das Frequenzspektrum ist das andere. Hörgeräte sollen primär dazu dienen, das Sprachverstehen wiederherzustellen. Dementsprechend sind die verfügbaren Kanäle sehr ungleich über die Frequenz verteilt. Sprache spielt sich vorwiegend zwischen 1 und 4kHz ab. Dort haben die Geräte typischerweise eine sehr feine Einstellbarkeit. Dort ist auch Deine Beeinträchtigung, insofern hast Du Glück im Unglück. Bei Geräten mit 20 oder 24 einstellbaren Kanälen hast Du im Sprachbereich typischerweise Terzbänder, die Du einstellen kannst. Da Du vom Fach bist, weisst Du was das bedeutet, und ob es in Deinem Fall ausreicht. Ich denke, es wird reichen. Auch im Studiobereich verwendet man in der Regel Equalizer mit Terzbändern, falls man nicht gleich auf parametriche Equalizer geht. Zu meinem großen Bedauern scheint es parametrische Equalizer im Hörgerätebereich überhaupt nicht zu geben.
Problematisch wird es bei den tiefen Tönen. Die G-Saite liegt bei 440Hz Stimmung bei knapp 196Hz, die E-Saite bei 660Hz. Die Genesis AI 24 (high-end, aktuell) haben im gesamten Tieftonbereich gerade mal lächerliche zwei einstellbare Kanäle - 125Hz und 500 Hz. Das sind zwei Oktaven Abstand im wichtigen Grundtonbereich! Eigentlich ein Unding, wenn es um realistische Musikdarstellung geht. Aber das ist in Deinem Fall nicht so schlimm, denn in diesem Frequenzbereich hörst Du noch gut und kannst über eine einigermaßen offene Anpassung dafür sorgen, dass diese Frequenzen direkt ans Trommelfell gelangen.
Für den Akustiker ist es sehr schwierig, Die Verstärkung jedes Kanals im Bereich Deines Hörverlusts exakt richtig einzustellen - er hört ja nicht, was Du hörst, und die Standard-Anpassformeln sind viel zu grob und ungenau, denn sie basieren auf wenigen Messpunkten und auf Statistiken über viele Patienten.
Da kommt jetzt Dein großer Vorteil zum Tragen - ich vermute, als Geigenbauer kannst Du dem Akustiker sehr genau sagen, welche Töne im Vergleich zu laut oder zu leise sind. Das wäre eine gute Grundlage, um in diesem, für Dich wichtigen Frequenzbereich einen möglichst genauen Lautheitsausgleich durchzuführen. Dabei spielt der Akustiker dir passende Signale vor und fragt Dich, ob es rechts und links gleich laut klingt, und wie laut die Töne Dir jeweils auf einer bestimmten Skala erscheinen.
Ich stelle meine Hörgeräte selbst ein und generiere mir dazu für jedes Hörgerät die passenden Signale - rosa Terzbandrauschen auf den jeweiligen Mittenfrequenzen der Hörgerätekanäle.
Es gibt Firmen, die sich mit spezieller Hardware und Software auf dieses Verfahren spezialisiert haben. Es ist viel aufwendiger und teurer als eine Standardanpassung mit einem first-fit und ein paar manuellen Korrekturen aufgrund der anschließenden Beschwerden des Kunden, aber in Deinem Fall meine ich, könnte es sinnvoll sein.
Viel Erfolg!