hier ein interessanter Bericht, gefunden bei http://www.dradio.de/dlf/sendungen/forschak/213031/.
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17.12.03 - Biologisches Comeback für taube Ohren
EU-Fördervorhaben "BioEar" soll Hörgeräte eines Tages überflüssig machen
Medizin. - Wenn das Hörvermögen schwindet, ist guter Rat teuer. So erfanden Menschen trickreiche Hilfen, um Geräusche zu verstärken und doch noch hören zu können. Mit "Hörtrichtern" zu Großmutters Zeiten fing es an, heute verstärken elektronische und programmierbare Geräte den Schall und so genannte "Cochlea Implantate" reizen mit ihren Elektroden direkt die Hörnerven im Innenohr elektrisch. Das alles könnte in Zukunft überflüssig sein, denn das Projekt "BioEar" soll völlig neue Strategien gegen Schwerhörigkeit wissenschaftlich ausloten. Ein Ansatz sieht dabei vor, angegriffene Hörnerven zu neuem Wachstum anzuregen. Ein Workshop lud jetzt internationale Experten nach Hannover, um die neuen Wege aus der Taubheit zu erörtern.
Von klassischer C4-Senke sprechen Ohrenärzte, wenn sie die charakteristische Frequenzlücke in den Audiogrammen von enthusiastischen Rockkonzertgängern und allzu ausdauernden Walkman-Trägern sehen. Diese teilweise Verminderung in einem wichtigen Frequenzbereich des Hörvermögens lässt gehörte Klänge nur noch dumpf wahrnehmen. Um bei derartigen Schäden, aber auch altersbedingter Degeneration der Hörfasern im Innenohr zukünftig besser als nur mit Verstärkern helfen zu können, riefen sieben europäische Forschungseinrichtungen, darunter auch die Medizinische Hochschule Hannover (MHH), das von der EU mit sechs Millionen Euro geförderte Vorhaben "BioEar" ins Leben. Timo Stöver, Oberarzt für in der Abteilung für Hals, Nasen und Ohren an der MHH behandelt Meerschweinchen, die mit einer Kombination von Medikamenten künstlich taub gemacht wurden, mit einem viel versprechenden Wirkstoff: der Wachstumsfaktor GDNF. Dieser von den Gliazellen produzierte Wachstumsfaktor wird normalerweise von den Nervenzellen gebildet, um sich selbst zu schützen.
"Die Absterberate der Spinalganglien-Zellen, also der Zellkörper des Hörnerven, ist deutlich verlangsamt, wenn man diese Wachstumsfaktoren in die Schnecke des Innenohrs gibt. Die Hoffnung dabei ist, mit diesem Effekt die Effizienz von Cochlea Implantaten zu erhöhen", erklärt Stöver. Denn je mehr Spinalganglien-Zellen man erhalten könne, desto besser wirkten auch die Implantate bei schwerhörigen Patienten, die mittels elektrischer Impulse die Hörnerven direkt stimulieren. Diese Hilfen versagen jedoch, weil die Nerven langsam degenerieren, schildert Professor Thomas Lenarz, Leiter der HNO-Abteilung der Medizinischen Hochschule Hannover: "Die Vorstellung ist, über die in die Cochlea eingesetzte Elektrode gleichzeitig solche Wachstumsfaktoren - so genannte Neurotropine - nachzuliefern. Dazu wird in die Elektrode ein kleiner Kanal eingebaut, durch den dann die Medikamente gepumpt werden können."
Erste Ideen einer Medikamentenpumpe, die direkt in das Innenohr geschoben wird, gibt es heute schon und in etwa 18 Monaten könnten erste klinische Versuche am Menschen beginnen. Erste Ergebnisse stimmen die Forscher zuversichtlich, denn Neurotropine lassen bei einigen Versuchstieren nicht nur die Hörnervenzellen nachwachsen, die für die Fortleitung der Nervenimpulse verantwortlich sind, sondern sogar auch die so genannten Haarzellen. Sie nehmen den Schall im Innenohr auf und wandeln ihn in elektrische Signale. Sollte dies beim Menschen ebenfalls möglich sein, prognostiziert Professor Göran Bredberg vom Huddinge University Hospital aus Stockholm gar das Ende aller Hörgeräte: "Theoretisch könnten Neurotropine eine Degeneration der Nervenzellen verhindern. Damit hätten wir in der Tat mehr Möglichkeiten in der Zukunft." Doch am besten sei es immer noch, sich schädigendem Lärm gar nicht erst auszusetzen.
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Viele Grüße Ralph