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Nicht mehr allein?
Verfasst: 12. Jun 2012, 12:07
von NadineZ
Hallo! Auch ich bin neu hier. Ich habe eine zwölfjährige Tochter, die seit drei Jahren Hörgeräte trägt. Kurioserweise ist sie musikalisch super begabt. Sie besucht sogar die Musikklasse eines Gymnasiums. Hier haben wir nun eine tolle Integrationslehrerin getroffen, die uns unterstützt (leider läuft der Antrag noch). Jetzt werden viele denken, dass ich doch eigentlich keine Probleme haben dürfte und alles ziemlich harmlos ist.
Und genau das ist mein Problem: das Unverständnis der Umwelt. Es wollen zwar alle verständnisvoll sein, aber es funktioniert eben nicht. Es ist ja wie ein Wunder, dass meine Tochter diese Leistungen erbringt. Da ist es schwer zu erklären, warum sie sich oft zurückzieht, warum sie gereizt ist, usw. Man sieht halt nichts. Bei einem Gipsfuß wäre das anders...
Es fällt mir persönlich auch oft schwer, richtig zu reagieren. Ist sie erschöpft? Ist es die Pubertät?
Hier fehlt mir der Austausch mit Menschen, die das Gleiche erleben oder kennen.
Ich hoffe, Ihr könnt mir helfen. Vielen Dank schon einmal im Voraus.
LG Nadine
Re: Nicht mehr allein?
Verfasst: 12. Jun 2012, 15:00
von Jani
Hallo NadineZ,
dass die Umwelt verständnislos reagiert, dürfte nicht verwundern, denn allgemein geht ja die Umwelt davon aus, dass Hörgeschädigte unmöglich gut sein können in Musik und co. Aber es gibt auch die Ausnahmen, wie Deine Tochter eben eine ist.
Vielleicht zieht sich Deine Tochter deswegen zurück, da die Umwelt es doch nicht so ganz glauben kann, dass Deine Tochter so musikalisch begabt ist? Oder es liegt an der Pubertät. Irgendwann wird Eure Umwelt sich einfach nur freuen, dass Deine Tochter so musikalisch talentiert ist.
Liebe Grüße Jani
Re: Nicht mehr allein?
Verfasst: 12. Jun 2012, 22:08
von ulbos
Hallo Nadine,
ich glaube, dass deine Tochter durch ihre Hörbehinderung trotz ihrer Hörgeräte Schwierigkeiten hat, bei der Konversation innerhalb der Klassengemeinschaft mitzuhalten. Bei den Musikübungen ist mitunter viel Abstimmungsbedarf untereinander erforderlich und so kann es dann schon dazu kommen, dass bedingt durch die erschwerte Verständigung, sie sich dann verunsichert und eventuell auch bloßgestellt und zurückgesetzt fühlt. In der Pubertät wirkt sich dies auf die Gemütslage noch gravierender aus. Rückzug bzw. Vermeidungsverhalten ist da sicherlich der falsche Weg. Hier sollte ihre Tochter viel seelischen Beistand erfahren durch Zusprechen von Mut und Trost, eventuell auch durch psychologische Hilfe.
Gruß
ulbos
Re: Nicht mehr allein?
Verfasst: 13. Jun 2012, 18:58
von karasi
Grundsätzlich ist es überhaupt nicht so ungewöhnlich, dass Deine Tochter musikalisch begabt ist. Viele örgeschädigte Kinder spielen ein Instrument.
Es kann natürlich durchaus sein, dass sie in der Pubertät scho mekrt, dass sie "anders" ist. Aber das kann doch durchaus normal sein.
Sie wird mit fortschreitendem musikalischem Verständins natürlich auch bewusster ihre Grenzen wahrnehmen. Das Zusammenspiel mit anderen ist schwieriger. Da kann man sich noch so sehr anstrengen, bestimmte Dinge kann man dann einfach nicht kompensieren.
Gruß!
Re: Nicht mehr allein?
Verfasst: 14. Jun 2012, 08:37
von NadineZ
Lieben Dank für Eure Antworten.
@jani: Vielleicht habe ich mich falsch ausgedrückt. Unser Umfeld ist von der musikalischen Leistung meiner Tochter total begeistert. Sie können aber nicht verstehen, dass meine Tochter da so einen Hörschaden haben soll. Je mehr ich versuche zu erklären, desto unverständlicher wird es für sie.
@ulbos: Zuspruch mat meine Tochter schon durch die Erfolge z. B. bei Jugend musiziert. Latztes WE haben wir gemeinsam 7 Stunden bei einem Straßenfest mitten in der Fußgängerzone Klavier gespielt. Die Presse bezeiuchnete meine Tochter als Attraktion des Festes. Da bin ich dann mächtig stolz.
Es bleibt für mich aber wie gesagt schwer, ihre Gemütszustände der Pubertät oder der Krankheit zuzuordnen. Wenn ich das schon nicht kann, wie sollen das die Anderen können?
@karasi: Das war mir bislang nicht bekannt. Es tut gut, sich einmal richtig austauschen zu können.
Jedenfalls wird die Gutachterin für die Integration die musikalische Begabung nicht erwähnen. Sie meint, dass keine Fachleute über eine Integration entscheiden und es deshalb falsch ausgelegt werden könnte. Zum Theme Fachleute: betreffend unseres Integrationsantrages hat sich heute etwas getan. Meine Tochter soll sich beim Kinderarzt des Gesundheitsamtes unsere Stadt vorstellen. Auf die Nachfrage, welche Befunde schon vorliegen (diese hatte ich mehrmals eingereicht) bekam ich die Antwort, dass keine Befunde vorlägen, ich welche mitbringen solle - und - dass sich noch keiner mit dem Fall meiner Tochter beschäftigt hätte. Dann kam noch die Anmerkung, ich solle den Impausweis nicht vergessen!!! Bin ich im falschen Film? Kinderarzt??? Impfausweis??? Ich bin im Vorfeld schon wieder total verzweifelt. Wahrscheinlich habe ich innerlich schon wieder Kampfhaltung angenommen. So langsam geht mir aber dafür die Kraft aus. Mein Körper macht derzeit nicht mehr richtig mit. Was solls?!? Es muss gehen ...
LG NadineZ
Re: Nicht mehr allein?
Verfasst: 15. Jun 2012, 20:52
von Olaf!
Hallo Nadine,
kann ich verstehen. Was die mit dem Impfausweis wollen, ist mir auch rätselhaft. Ich habe beruflich am Rande mit Integrationsämtern, Amtsärzten, MDK etc. zu tun. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die dort i.d.R. vollkommen überlastet sind. Nicht zuletzt, weil dort oft keine Fachleute sitzen. Ein Arzt vom MDK, der ein Hörproblem nach Aktenlage beurteilen soll, ist dann nicht unbedingt ein HNO-Arzt, sondern ggf. Orthopäde oder irgendeine andere Fachrichtung. Manche sind dann doch so engagiert und lassen sich alle Unterlagen von den AntragstellerInnen mitbringen, um sich möglichst ein komplettes Bild machen zu können. Natürlich sollte gut überlegt werden, was Du tatsächlich mit nimmst: Z.B. würden Unterlagen, die die musikalischen Fähigkeiten Deiner Tochter herausstellen, sicherlich nicht unbedingt mitgenommen werden (so meine Einschätzung). Das könnte bei den "Nichtexperten" tatsächlich schlecht ankommen......
VG
Olaf!