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Die Würfel sind gefallen - Siemens statt Phonak oder Oticon. Für mich die geeigneteste Wahl

Verfasst: 15. Jul 2016, 02:19
von Tim_Patr
Hallo an alle!

Siemens? Phonak? Oder doch die ganz neuen von Oticon? Nachdem ich mich vor einigen Wochen hier im Forum gemeldet habe, ist viel passiert. Endlich finde ich nun die Zeit, meine Erfahrungen aufzuschreiben. Dabei will ich vorneweg betonen, dass ich ganz subjektiv von meinen eigenen Erfahrungen und von meiner eigenen Meinung spreche. Mein Rat an jeden Neuling bleibt daher: selbst so viel Testen wie möglich, um die optimale Entscheidung treffen zu können.

Ich bin 27 und bekomme nun meine allerersten Hörhilfen. Schwerhörig (vor allem links) bin ich zwar schon länger, aber nachdem ich nun häufig unterrichte, und dies auch als Berufsziel habe, wird optimales Hören immer wichtiger für mich.

Nach vielem Ausprobieren und Hin- und Herüberlegen ist meine Wahl auf die Siemens/Signia Primax Pure 7px gefallen, die zwar einiges kosten, aber meines Erachtens in meiner Situation schließlich doch ihr Geld wert sind.

Was ist ggü. der 5er-Version besser? Im Freizeitsalltag habe ich kaum Unterschiede gemerkt – Fernsehen, Freunde treffen, Spazieren, Ausflüge, Shopping-Touren, Kino, Konzerte, etc., also alle erdenklichen Hörsituationen waren top. Nachdem ich mit meinem Akustiker über die Anpassungsformeln gesprochen habe, und wir dann schließlich auch mal die NAL-NL2 ausprobiert haben, muss ich sagen, dass der vorherige arge Kontrast zu Phonak bezüglich des Sprachverständnis nicht mehr in der Art vorliegt. Wer meinen Beitrag nicht gelesen hat, für den fasse ich kurz zusammen: zwischen den Phonak Audeo V70 und den Siemens Primax (mit einer anderen Formel als die, die ich jetzt habe) hatte ich gemerkt, dass bei den Phonak-Geräten für mich alles sehr scharf und teilweise recht unangenehm klang, wohingegen das Sprachverständnis weitaus besser war. Mit der neuen Anpassformel fällt dieser Nachteil seitens der Siemens-HG weg, gleichzeitig sind aber die Geräusche (Papierrascheln, schrille Sounds, etc.) nicht anstrengend.

Der einzige Punkt, wo die 7er wirklich einen großen Unterschied machten, war für mich das Unterrichten. Ich gebe häufig Kurse an der Uni und vor allem in Hörsälen und größeren Seminarräumen habe ich bei einigen Studierenden häufig Probleme beim Verständnis. Wenn dann ein Kommentar kommt, muss ich sehr häufig nachfragen. Oder aber ich verstehe wiederum eine der Antworten auf meine Fragen nicht – und das verunsichert die Kursteilnehmer unbeabsichtigt. Dies war mit den 5ern zwar schon besser, aber mit den 7ern wirklich optimal. Hier gibt es nämlich ein Programm namens „Hallige Räume“ und damit klappt es wirklich super. Ohne dass meine eigene Stimme viel zu laut klingt, höre ich nun die Wortbeiträge der Kursteilnehmer und muss nicht mehr nachfragen.

Der größte Herausforderer waren danach ganz klar die Oticon OPN. Diese habe ich zwei Wochen lang getestet, und auch ein paarmal in eben der Situation, mit der viel Werbung gemacht wird: Feiern bzw. Tischgespräche mit mehreren Personen. In der Tat bemerkt man den Unterschied, dass die Richtwirkung der Mikrofone nun durch eine neue Technologie ersetzt wurde, sodass man immerzu in alle Richtungen „offen“ ist, also ein offenes Ohr hat. Effekt bestätigt! Oticon bietet aber den Akustikern auch die Möglichkeit diese neue Technologie zu deaktivieren, sodass ich zwei Programme auf meine HG bekam (klassische Richtwirkung vs. OPN), und ich so in konkreten Situationen beide Technologien direkt miteinander vergleichen konnte. Ich bemerkte einen großen Unterschied in zweierlei Hinsicht. Auf der einen Seite stimmt die Werbung: ich habe mit der OPN-Technologie weitaus mehr gehört und konnte Geräusche besser orten als mit Richtmikrofonen. Auf der anderen Seite allerdings habe ich gemerkt, dass im Vergleich zu den Siemens-Geräten, die ja auch über einen Speech-Master verfügen, der gezielt Sprache im Gegensatz zu anderen Geräuschen hervorhebt, die (klassische) Richtmikrofon-Wirkung von Oticon m.E. schlechter ist. Somit lässt sich also der Vergleich von Siemens und Oticon nicht auf einen Vergleich zwischen Richtmikrofon vs. OPN-Technologie reduzieren.

Meine Entscheidung zwischen Siemens und Oticon war daher alles andere als einfach. Mein Bauchgefühl hat mir eigentlich schon relativ früh gesagt „Siemens isses“, aber jetzt musste ich meinen Kopf noch überzeugen. Was genau waren also die negativen Punkte an den Oticon? Zum einen, ganz klar, das Zubehör. Die OPN sind noch gar nicht richtig fertig, die Zubehör-Teile noch nicht auf dem Markt. Obwohl Bluetooth verbaut ist, kann ich damit noch nichts anfangen. Nur wer ein iPhone hat, kann direkt Musik hören und telefonieren, weil Apple bereits kooperiert. Andere Geräte, die nicht von Apple stammen, mit den HG zu verbinden, geht also noch nicht. Das soll zwar bald kommen, aber möchte ich jetzt monatelang warten, obwohl ich schon jetzt den großen Preis bezahlen muss? Statt einem iPhone nutze ich ein HTC-Smartphone. Zwar lässt sich dies voraussichtlich in ein paar Monaten auch verbinden, aber dann hat man eben doch wieder ein baumelndes Zubehör um den Hals. Und wenn ich mir den aktuellen Oticon Streamer ansehe und mit Siemens easyTek vergleiche, dann gefällt mir persönlich letzteres vom ästhetischen Standpunkt einfach viel besser.

Fortsetzung: siehe nächster Beitrag

Re: Die Würfel sind gefallen - Siemens statt Phonak oder Oticon. Für mich die geeigneteste Wahl

Verfasst: 15. Jul 2016, 02:19
von Tim_Patr
Der andere Punkt ist aber das Hören an sich: die OPN-Technologie hat viele Vorteile, ganz klar. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob sie zu meiner Schwerhörigkeit passt. Ich höre asymmetrisch, und habe rechts nur eine noch leichte Schwerhörigkeit, wohingegen ich links eine starke Schallleitungsschwerhörigkeit gepaart mit einer mäßigen Innenohrschwerhörigkeit habe. Geräusche kommen an das rechte Ohr also ohnehin von allen Richtungen. Weil ich jahrelang schlecht gehört habe, muss ich das korrekte Orten sowieso wieder neu lernen, denn plötzlich höre ich eben nicht mehr asymmetrisch, wodurch ich häufig noch glaube, alles kommt von links. Bei den Oticon-Geräten ergaben sich so einige sehr schwierige Situationen, wenn mehrere Leute gleichzeitig (und auch noch mit mir!!) reden (um nicht zu sagen, auf mich einreden).
Ich habe grundsätzlich keine Probleme damit, gleichzeitig zwei Personen zuzuhören, auch wenn sie mir unterschiedliches sagen. Das klingt erstmal ungewöhnlich, aber auf einer Feier passiert sowas doch unerwartet häufig, was ich vorher auf diese Weise noch nie wahrgenommen habe. Ganz typisch: einer der Sitznachbarn erzählt gerade eine Anekdote, der ich aufmerksam zuhöre, während mich mein Gegenüber, der in das Gespräch nicht verwickelt war, fragt „Kann ich bitte das Salz haben?“. Wenn jetzt auch noch auf der anderen Seite des Tisches drei weitere Personen sich über das Essen unterhalten, dann ist es völlig aus. Oticon hört und verstärkt alles. Mit der Brain-Technology wird geworben, dass mein Gehirn selbst jetzt dafür zuständig sein soll, zu filtern und auszuwählen. In der beschriebenen Situation jedoch, möchte ich eigentlich gerne allem zuhören (vielleicht eine persönliche Charaktereigenschaft, ich bin ein sehr neugieriger Mensch). Die Frage, die direkt an mich geht, gleichzeitig die Anekdote, die mich interessiert, und am besten noch das Gespräch über das Essen, damit ich mir nicht den Magen verderbe. Wie soll ich hier also filtern, also nach welchen Kriterien?
Die Siemens-Geräte machen das irgendwie anders. Ich kann zwar alles hören, aber ich merke, dass das eine Gespräch weiter hinten ist, und dass ich keine Details brauche. Ich bekomme immer noch alles mit, was ich will. Die Anekdote, die mir wichtig ist, höre ich laut und deutlich, und die Frage, die in meine Richtung gesprochen wird, sowieso. Aber es wird nicht alles gleichzeitig verstärkt, und ich höre nicht plötzlich nur noch Gebrüll.

Und dann ist da schließlich wieder der Unterricht. Ich habe vor, das irgendwann mal hauptberuflich zu machen, also lege ich da sehr viel wert drauf, im Klassenraum gut zu hören. Und die Oticon-Geräte erzielen einfach im Hörsaal nicht so tolle Ergebnisse in meinem Fall. Ich musste doch viel häufiger noch mal nachfragen, manchmal dröhnte es, und ich höre jetzt auch nerviges Getuschel aus den hintersten Reihen. Für Lehrer in der Schule mag das sinnvoll sein, denn so merkt man wahrscheinlich schnell, wer nicht mehr aufpasst. In der Uni ist das aber eher hinderlich, denn Erziehen ist in der Erwachsenenbildung nicht meine Aufgabe (ich habe auch einige Studenten, die älter sind als ich selbst), und wer tuschelt und nicht aufpasst, der schadet am Ende nur sich selbst, ich als Dozent kann das ignorieren (und falls der Geräuschpegel so laut wird, dass andere Kommilitonen gestört würden, dann würde ich das ohnehin mitbekommen). Und eben genau das ist mit den Siemens-Geräten möglich.

Ganz zum Schluss möchte ich auch noch einen weiteren Punkt anführen: die Kontrolle. Die Siemens-Geräte erlauben 6 Programme auf den HG, sodass ich in jeder Situation adäquat umschalten kann. Die Oticon-Geräte übernehmen das alles automatisch. Das funktioniert zwar sehr gut, und man kann so auch schnell die Hörhilfen „vergessen“. Doch die Automatik-Version von Siemens ist ja auch super; gleichzeitig genieße ich aber auch, dass ich selbst das Steuer in die Hand nehmen kann, und eben durch einen Klick sagen kann: jetzt bitte auf die Musik konzentrieren, oder eben jetzt auf den Unterricht stellen – mir ist unwichtig, ob meine Studenten unnatürlich klingen, Hauptsache ich verstehe sie richtig, wenn sie eine Frage stellen. In anderen Lebensbereichen will ich so einen Klang aber nicht. Auch das Programm „Laute Umgebungsgeräusche“ ist schön, wenn man mal in der Mensa sitzt und einfach etwas Ruhe braucht.

Für mich sind die Siemens daher letztlich einfach die bessere Wahl gewesen. Ob das für andere Nutzer auch zutrifft, muss jeder selbst entscheiden. Ich hoffe aber, dass meine Erfahrungen euch ein wenig weiter in Richtung Kaufziel bringen, genauso wie eure Erfahrungen, die ich in diesem Forum zahlreich gelesen habe, mir bei der Entscheidung enorm geholfen haben. Danke an dieser Stelle also noch einmal!!!

Viele Grüße
Tim

Re: Die Würfel sind gefallen - Siemens statt Phonak oder Oticon. Für mich die geeigneteste Wahl

Verfasst: 18. Jul 2016, 12:39
von Tinu76
Hoi Tim

Vielen Dank für deinen ausführlichen Bericht. Habe ihn mit grossem Interesse gelesen! Wenn du die Zeit findest noch auf ein paar weiter Fragen bezüglich OPN einzugehen, würde mich das freuen:

- Wenn ich es richtig verstanden habe, hast du mit OPN mehr gehört... ABER es wurde nicht besser mit dem Verstehen, sogar eher schlechter.
Der eine Grund den du nennst ist, dass man wirklich jedem Gespräch folgen kann (was sicher ablenken kann). Der zweite Grund - meine ich herausgelesen zu haben - ist, dass die OPN eher zu viele Geräuschedetails wiedergeben, was auch wieder ablenkt (Getuschel).

Nun zu der eigentlichen Frage: Hast du das Gefühl, dass es alleine die "zuvielen" Informationen sind, die zu einem schlechteren Verstehen geführt haben oder war auch die Deutlichkeit der Sprachwiedergabe (also auch in eher ruhigen Momenten) betroffen?

PS. In Fachforen wird genau über die Problematik der "Überforderung" diskutiert.

- Wie hast du dir das Dröhnen erklärt?

- Weiter würde mich interessieren, wie sich die Laufzeit der Geräte verkürzt bei dem Einsatz von Bluetooth. Leider scheinst du da aber noch keine Erfahrungen zu besitzen. Evt. weiss da jemand anders mehr?

Liebe Grüsse
Tinu

Re: Die Würfel sind gefallen - Siemens statt Phonak oder Oticon. Für mich die geeigneteste Wahl

Verfasst: 21. Jul 2016, 03:24
von Tim_Patr
Hi!
Danke für deine Reaktion. Leider habe ich sie zuerst nicht gesehen.
Zu deinen Fragen:

1.) Meiner Meinung nach waren sowohl die PrimaxGeräte als auch die OPN in der Lage, Sprache klar durchzubringen. Es ist eher die Fülle, so wie du es ansprichst, Viele Schichten überlagern sich. Deutlich ist es aber. Mal habe ich das Gefühl etwas besser als Siemens, mal etwas schlechter. Also eigentlich gleichauf.

2.) Das Dröhnen hatte glaube ich mit den tiefen Tönen zu tun. Wir haben auch Einstellungen verändert, und es wurde teilweise besser, aber sobald die Schirmchen weiter rein rutschten, fehlten irgendwie Höhen. Sehr schwer zu beschreiben.

3.) Die Batterien halten in den OPN wesentlich kürzer, obwohl ich Bluetooth so gut wie nicht nutzen konnte (außer zu kurzen Testzwecken). Bei Siemens trotz einiger Bluetooth Anwendungen (mit easyTek) ca 8 Tage. Bei Oticon OPN eher 5.

Wenn du noch fragen hast, gerne immer her damit :D

Lg

Re: Die Würfel sind gefallen - Siemens statt Phonak oder Oticon. Für mich die geeigneteste Wahl

Verfasst: 11. Jan 2017, 20:22
von Steigbügel
Hallo Tim,

ich habe beide Berichte von dir gelesen und stehe momentan vor der gleichen Entscheidung. Ich hatte das primax 3. Jetzt teste ich das OPN 2. Nun wollte ich noch ein Phonak testen, befürchte aber, dass die Entscheidung dann noch schwieriger wird.
Das bisherige KO für die primax 3 waren die unerträglichen Windgeräusche. Mein Akustiker wollte mir noch einmal die primax 5 programmieren. Hast du bei deinen Primax auch diese Windgeräusche?
Welche OPN hast du denn getestet?

Danke und schöne Grüße

Steffen