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Gusher Syndrom
Verfasst: 1. Sep 2015, 21:01
von aevita
Liebe Forums-Mitglieder,
Kennt sich jemand mit dem Gusher Syndrom (nicht Phänomen) aus?
Bei meinem Sohn (18 Monate) wurde dies nun mittels MRT als Ursache seiner Schwerhörigkeit ausgemacht. Außer dass es übers X-Chromosom vererbt wird, lässt sich online so gar nichts dazu finden.
Vielleicht kennt sich hier ja jemand damit aus? Das versammelte Schwarmwissen weiß vielleicht mehr als das WWW

Danke!
aevita
Re: Gusher Syndrom
Verfasst: 1. Sep 2015, 22:21
von maryanne
Was genau möchtest du denn wissen? So wie ich das verstehe, ist das Gusher Phänomen ein Aspekt des Gusher Syndroms. Von einem Syndrom spricht man, wenn mehrere Symptome vorhanden sind.
Vielleicht kannst du deine Fragestellung hier mal präzisieren.
Maryanne
Re: Gusher Syndrom
Verfasst: 1. Sep 2015, 22:48
von aevita
Hallo Maryanne,
Danke für die schnelle Antwort.
Eine ganz konkrete Frage habe ich nicht, ich würde einfach ganz generell gerne mehr über das Gusher Syndrom erfahren. Am Telefon habe ich heute von der Ärtzin nur gesagt bekommen, dass das MRT Bild nach dem Gusher Syndrom aussieht. Ich habe dann nachgefragt, ob das das Gleiche wie das LVA-Syndrom sei. Nein, anscheinend nicht, es gebe Unterschiede in der Fehlbildung. Aber es sei in mancher Hinsicht ähnlich (z.B. dass Mikrotraumen zu weiterem Hörverlust führen können). Ein Gusher Phänomen kann bei meinem Kleinen noch gar nicht aufgetreten sein, weil er kein CI hat. Die Ärtzin hat mich allerdings schon darauf hingewiesen, dass es bei einer eventuellen CI OP dazu kommen könnte, dass Flüssigkeit austritt.
Nach dem Telefonat habe ich gegoogelt und so gut wie nichts über das Gusher Syndrom gefunden - eben nur dass es über das X Chromosom vererbt wird.
Daher hier meine Frage, ob sich vielleicht damit jemand (aus eigener Erfahrung?) damit auskennt.
Danke,
aevita
Re: Gusher Syndrom
Verfasst: 2. Sep 2015, 08:48
von fast-foot
Hallo aevita,
hier zunächst ein mal ein paar Infomationen:
"Das Gusher-Syndrom wird X-chromosomal-rezessiv vererbt, nur Knaben sind betroffen. Symptome sind eine progrediente nicht-syndromale Schwerhörigkeit (gemischt oder sensorisch) und eine Perilymphfistel, verursacht durch eine Fehlbildung des Felsenbeins. Die Betreuung ist multidisziplinär. Eine chirurgische Intervention ist nur indiziert, wenn die Schwerhörigkeit sehr schnell fortschreitet und andere medizinische Maßnahmen versagen. Das ursächlich beteiligte POU3F4-Gen liegt in der Region Xq21.1 und kodiert für einen Transkriptionsfaktor. Intragenische Mutationen und Deletionen sind bei den Patienten beschrieben worden."
Quelle:
http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_ ... Expert=383
Auch die unter dem folgenden Link eingestellten Informationen könnten interessant sein:
http://link.springer.com/article/10.100 ... 021#page-1
Durch eine Perilymphfistel ist der Perilymph-Raum so zu sagen zu wenig dicht, was einen (übermässigen) Austritt von Perilymphe zur Folge haben kann. Eine Druckveränderung der Perilymphe kann das Hörvermögen verändern - ein Verlust der Flüssigkeit zu Hörminderungen führen - was bei vollständigem Verlust bis zur Taubheit führt.
Dies vorerst.
Gruss fast-foot
Re: Gusher Syndrom
Verfasst: 2. Sep 2015, 11:18
von blacky_kyra
Hallo aevita,
ich denke bei dem Gusher-Phänomen und -Syndrom handelt es sich um ein und die selbe Sache. Phänomen wird es deshalb oft genannt, weil es oft erst unter der OP durch das schwallartige Austreten von Hirnwasser sichtbar wird. Es ist ein Syndrom weil es mehrere Fehlbildungen bezeichnet, die in unterschiedlicher Ausprägung auftreten. Das sind: vergrößerte Innenohrgänge, fehlende oder fehlgebildete knöcherne Strukturen des Felsenbeins, geweiteter Facialisnerv (Gesichtsnerv) und selten kommt auch das Fehlen der knöchernen Achse der Hörschnecke und/oder Veränderungen am Gleichgewichtsorgan vor. Die Schwerhörigkeit verläuft meist progressiv und ist eine Mischung aus Schallempfindungs-SH und Schallleitungs-SH.
Persönliche Dinge gern per PN.
LG
Re: Gusher Syndrom
Verfasst: 2. Sep 2015, 21:50
von aevita
Hallo und vielen Dank für die Antworten!
Ich schreibe mal öffentlich zurück, denn das Forum ist ja auch eine Infobörse für Stille Mitleser und da es so wenig über das Gusher Syndrom zu finden gibt, schadet es nicht, wenn sich hier was findet.
Also, bei meinem Sohn (18 Monate) handelt es sich eigentlich um eine reine Schallempfindungsschwerhörigkeit. Rechts liegt die Hörschwelle bei 80db im Tief- und bei 95db im Hochtonbereich. Links hört er im Tieftonbereich normal. Die hohen Frequenzen ab 45db.
Probleme mit dem Gleichgewicht gibt es keine, aber das wäre lt. Ärztin auch eh erst später wirklich untersuchbar.
Im rechten inneren Gehörgang ist auf dem MRT Bild eine deutliche Erweiterung sichtbar. Links liegen die Werte im Normalbereich. Weitere Fehlbildung sind weder rechts noch links zu erkennen (bzw.. bislang wurde uns nichts davon berichtet). Unsere Hoffnung ist natürlich, dass das linke Ohr so gut bleibt, da die Fehlbildung hier nicht so ausgeprägt ist bzw. Eigentlich im Normalbereich liegt.
Aktuell ist kein CI geplant, da er rechts gut mit HG auskommt. Durch sein gutes Ohr kann er außerdem gut kompensieren und ist sprachlich absolut normal entwickelt.
Was uns etwas wundert, ist die X-chromosomale Vererbung. Schon rein statistisch gesehen, hätte es ja auch einem weiteren männlichen Verwandten der letzten Generationen mal "treffen" müssen. Aber gut...
Wir würden einfach gerne mehr über das Gusher wissen und freuen uns auf weitere (Erfahrungs-)Berichte.
Danke!
aevita
Re: Gusher Syndrom
Verfasst: 2. Sep 2015, 22:28
von maryanne
Liebe Aevita,
bei der Vererbung können mehrere Generationen übersprungen werden. "Rein statistisch" ist nicht immer mit der Realität übereinstimmend.
Ich wünsche dir, dass du mit der Hörschädigung deines Jungen trotz allem gut zurecht kommst, damit meine ich, dass ihr gemeinsam die Kindheit genießt, dass er "normal" aufwachsen kann und dass dir gute Beratung zur Seite steht.
Alles Gute für euch
maryanne
Re: Gusher Syndrom
Verfasst: 3. Sep 2015, 10:22
von aevita
Liebe maryanne,
vielen Dank. Die Diagnose Schwerhörigkeit ist ja schon bald ein Jahr alt. Dass es das Gusher Syndrom ist, wissen wir allerdings erst seit vorgestern.
Die Schwerhörigkeit ist mittlerweile "normal" geworden und da wir sehen, wie super sich der Kleine entwickelt, sind viele Sorgen mittlerweile etwas kleiner bzw. auch ganz verschwunden. Dass er sich sprachlich so gut entwickelt und manchmal beim ersten Hören Wörter nachplappert, die er aus unseren Gesprächen aufschnappt, ist wirklich sehr beruhigend. Neulich hat er sogar englische Wörter nachgeplappert, die jemand neben ihm in der U-Bahn (also mit viel Störgeräusch) gesagt hat. Keine Ahnung, wie er das macht... aber ist ja auch egal!
Jeder ist anders, aber mich hat es tatsächlich beruhigt, die Ursache der Schwerhörigkeit zu kennen (final bestätigt durch einen Gentest ist es zwar nicht, aber die Erkenntnisse aus dem MRT sind recht eindeutig). Nach der Diagnose habe ich mir so viele Gedanken gemacht, ob ich in der Schwangerschaft etwas hätte anders machen können oder einen "Fehler" gemacht habe. Jetzt weiß ich, dass ich keinen Einfluss darauf gehabt hätte und das hat mir gut getan.
Grüße,
aevita
Re: Gusher Syndrom
Verfasst: 3. Sep 2015, 10:24
von aevita
Was mich allerdings noch interessiert, ist das Gusher Phänomen!
Was genau passiert denn da, wenn Hirnflüssigkeit austritt oder evtl. nach der CI OP aus der Nase läuft? Es klingt furchtbar fies, aber manchmal sind fies klingende Sachen halb so wild und andere Sachen, die man für kein großes Ding hält, machen medizinisch viele Probleme.
Weiß das jemand?
Danke,
aevita
Re: Gusher Syndrom
Verfasst: 3. Sep 2015, 11:27
von blacky_kyra
Schau mal hier wurde das Phänomen von andrea erklärt:
http://www.schwerhoerigenforum.de/phpbb/viewtopic.php?t=2594&page=1 Und hier mal ein Querschnitt wo welche Flüssigkeiten in der Cochlea sind:

Re: Gusher Syndrom
Verfasst: 3. Sep 2015, 12:37
von fast-foot
Vielleicht noch als Anmerkung:
Ich denke, dass man zwischen Gusher-Phänomen und Gusher-Syndrom differenzieren sollte.
Hier nochmals einige weitere Informationen bezüglich des Syndroms:
http://www.omim.org/entry/304400"Description
Man liest unter dem angegebenen Link bspw.:
"DFNX2, also known as DFN3, is an X-linked recessive disorder characterized by progressive conductive and sensorineural hearing loss and a pathognomonic temporal bone deformity that includes dilatation of the inner auditory canal and a fistulous connection between the internal auditory canal and the cochlear basal turn, resulting in a perilymphatic fluid 'gusher' during stapes surgery (summary by de Kok et al., 1995 and Song et al., 2010)."
Zur Erklärung bezüglich Gusher-Phänomen:
"Jetzt etwas Verständlicher, die Flüssigkeit, die das Gehirn umgibt (Liquor cerebrospinalis ) und die Flüssigkeit im Innenohr(perilymphatischer Flüssigkeit) sind wegen einer fehlenden Begrenzung nicht getrennt. Hörschäden, die durch solche Missbildungen hervorgerufen werden, sind immer progredient und ein
CI häufig die einzige Möglichkeit."
Na ja, ich würde sagen, dass (bezogen auf das Gusher-Syndrom) eine (pathologische) Verbindung (Fistel) zwischen der Basalwindung der Schnecke und dem inneren Gehörgang besteht. Hierdurch wirkt ein erhöhter Druck auf die Perilymphe (Flüssigkeit im Innenohr, welche die Haarsinneszellen umgibt), was für sich alleine bereits eine Hörbeeinträchtigung bewirken kann. Darüber hinaus kann durch diesen erhöhten Druck bei einer Eröffnung des Innenohres (zunächst) die Perilymph-Flüssigkeit schwallartig austreten - dies bezeichnet man dann als Gusher-Phänomen (welches auch bei anderen Missbildungen/Erkrankungen auftreten kann und nicht nur beim Gusher-Syndrom).
Ich gehe davon aus, dass man bei einer Operation, bei welcher dieser Prozess statt findet, ihn möglichst bald stoppen muss - damit nicht zu viel Hirnflüssigkeit verloren geht (ich nehme also an, dass zunächst die Perilymphe (eine Flüssigkeit im Innenohr) und dann Liquor austritt*. Ich gehe davon aus, dass durch diesen Umstand ein erhöhtes Operationsrisiko vorliegt.
Trotzdem muss es beim Gusher-Syndrom nicht zwangsweise zu einer progredienten Hörverschlechterung kommen.
*) scheint so zu sein, wie ich vermutet habe:
https://books.google.de/books?id=NKgWpq ... en&f=false
Gruss fast-foot
Re: Gusher Syndrom
Verfasst: 10. Dez 2015, 13:54
von aevita
Hallo zusammen,
haben mittlerweile die Ergebnisse der genetischen Untersuchung bekommen: es liegt keine Veränderung des DFNX2 Gens vor, d.h. also kein genetisch bedingtes Gusher Syndrom.
Es muss also etwas anderes sein, das im MRT zu einem ähnlichen Bild führt.
Schade - ich hätte es gut gefunden, eine Ursache zu wissen und sicher zu sein, dass wirklich nur das Hören betroffen ist. Aber sowas sucht man sich ja nicht aus...
Im Grund ist es auch egal, denn wir haben hier einen hochzufriedenen, kleinen, sehr redseligen Mann rumflitzen

Re: Gusher Syndrom
Verfasst: 12. Dez 2015, 10:33
von fast-foot
Hallo Aevita,
unter folgendem Link sind noch einige Informationen abrufbar (leider habe ich im Moment nicht die Zeit, diese zu studieren):
http://sundoc.bibliothek.uni-halle.de/d ... 203/t3.pdf
Gruss fast-foot
Re: Gusher Syndrom
Verfasst: 12. Dez 2015, 10:39
von fast-foot
Vielleicht noch als Ergänzung:
Aevita hat geschrieben:...haben mittlerweile die Ergebnisse der genetischen Untersuchung bekommen: es liegt keine Veränderung des DFNX2 Gens vor, d.h. also kein genetisch bedingtes Gusher Syndrom.
Wenn ich die Zusammenhänge richtig überblicke, können viele (andere) genetische Veränderungen die Ursache für ein Gusher-Phänomen sein (welches natürlich bspw. bei operativer Eröffnung des Endolymph-Raumes im Innenohr zu Tage treten kann), wobei offenbar auch "nicht-genetisch bedingte Ursachen" in Frage kommen.
Gruss fast-foot