Ich bin neu hier und ich suche nach Mitmenschen, mit denen ich Erfahrungen austauschen kann.
Zu mir:
Ich bin seit Säuglingsalter durch eine Meningitis einseitig taub und auf dem anderen Ohr mittelgradig schwerhörig.
Bis vor 4 Jahren stetig wiederkehrende Hörsturze mich heimsuchten kam ich in der Welt der Hörenden (außer in großen Gruppen und lauten Umgebungen) fast bestens zurecht. Versorgung war (und ist bis heute noch) mit normalem Hörgerät.
Seit einigen Jahren habe ich wiederkehrende Hörstürze.
2019/2020 wurde eine aufwendige Diagnostik in der MHH gemacht, wo rauskam, dass mein Innenohr an Hydrops Cochleae leidet: "[...] Das ist nicht heilbar, man weiß nicht, wie diese Krankheit entsteht, oder was das verursacht. Die Verläufe sind sehr individuell und in jedem Akutfall verschieden - man kann, wenn überhaupt nur mit Kortison eine Symptombehandlung machen. Und selbst das ist sehr individuell zu entscheiden, nicht ganz unumstritten und nur für eine begrenzte Zeit machbar! Die Prognose ist, dass Sie im Lauf der Zeit mit einer Ertaubung rechnen müssen. Das kann in einem halben Jahr soweit sein - das kann aber auch noch 30 Jahre so weiter gehen wie jetzt. Ein
Meine Hörsituation:
Das Klangbild ist im Akutfall stark verzerrt: Ich höre meine Stimme dann wie eine Roboterstimme, meine Mitmenschen verstehe ich nur, wenn sie nicht weiter als 1m von mir entfernt sind, mit dem Gesicht mir zugewandt sprechen, wenn jene langsam genug sprechen und nur bei Null Nebengeräuschen. Musik ist dann kein Genuss, wenn die Klangqualität massiv leidet und als Klangbrei bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Ich habe in Akutfällen mit Tinnitus und mit Hyperakusis zu tun. Zudem bin ich Überempfindlich gegen Hektik und Unruhe um mich herum. Mein Befinden ist dann schnell eingefroren-aggressiv, unterdrückt-gereizt, hab Kopfschmerzen, hab bei Geräuschen das Gefühl, die Augäpfel vibrieren im Kopf, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, bin total schnell erschöpft und nicht belastbar.
Aktuell
befinde ich mich diesmal seit 3 Monaten im Hörsturz bzw. schwankendem Gehör ohne dass es länger anhaltend besser wird. Mal ist es 1-5 Tage gut, dann wechselt meine Hör- und Verstehens-fähigkeit für 3 Wochen am Stück tgl. innerhalb von Stunden. Kortison greift nicht mehr genug. Meine emotionale Gelassenheit bzgl. Geduld mit dem Gehör und Hoffnung auf Besserung ist inzwischen komplett aufgebraucht. Bei jedem Absinken der Hörkurve liegen meine Nerven seit 3-4 Wochen sofort blank vor Angst, es gibt kein Zurück mehr. Die behandelnden Ärzte haben gesagt, jetzt sei der Zeitpunkt, wo ich (zunächst ?) austherapiert wäre, ich müsse nun konkret über ein
Mein Leben ist immer Musik gewesen.
Musik klingt während der Hörstürze in meinen Ohren wie von einem leiernden Walkman abgespielt, wo gerade die Batterien leer werden, angeschlossen an einen kaputten schnarrenden/plärrenden Lautsprecher, die Aufnahme in der Lautheit total übersteuert (dröhnend, dumpf, schrill) und die Musik gespielt von einem verstimmten Klavier...
Wenn richtig schlimm wird, ist auch Spracherkennung vor lauter Verzerrung gar nicht mehr möglich, ich höre dann nur noch rhythmisches krkrkr-krkr. Sprache verstehen ist dann nur noch bei einem Ansprache-Abstand von 5 - 20cm möglich, wenn langsam und unverschachtelt gesprochen wird.
Aber eben nur temporäre Momente sind das. Jene Momente wo ich Musik (vor allem Orchestermusik, Chormusik) wieder einigermaßen genießen kann entschädigen alles und ich sauge Musik-hören dann in mir auf, wie eine total Schwerst-Süchtige ihre Droge. Nach dem Motto: Musik tanken solange es noch irgendwie geht! Ich habe immer wieder gehört, ein
Musik ist DAS Valium für meine Psyche. Mich von Wut oder Aggression beruhigen geht nur mit Musik, Musik ist Trost und Balsam gegen Einsamkeit, Musik hilft beim Einschlafen. Musik hilft mir wieder in die Arbeit zurück zu finden, wenn Konflikte oder Stress mir die Konzentration rauben, Musik hilft mir Krisen zu bewältigen. Musik ist meine Selbsttherapie. Musik ist mein Leben und meine komplette Gefühlswelt: "Musik drückt das aus, worüber nicht gesprochen werden kann, und worüber zu schweigen unmöglich ist!" (Victor Hugo)
Der Verlust von der gewohnten Musik macht mir extrem Angst!! Erst recht in meiner aktuellen Situation, wo ich niemanden habe, mit dem ich reden könnte. Ich mache alles mit mir allein aus. Mit mir und mit Musik, so oft mein Restgehör es noch zulässt...
Nun meine Fragen:
1a) Gibt es hier im Forum Musiker, die früher gut gehört haben oder nur mittelgradig schwerhörig sind im erwachsenen Alter (komplett) ertaubt sind?
1b) Wie ging es Euch, als Ihr auf dem Weg der Ertaubung ward? Wie ging es Euch, als die Ertaubung da war?
2.) Wo habt Ihr Halt und Hilfe gefunden? Wohnt Ihr auf dem Land oder in der Stadt? Ich als Landei habe da echt Schwierigkeiten, was Erreichbares zu finden.
3.) Habt Ihr psychotherapeutische Hilfe bekommen? Wenn ja, wie gefunden und wo (Einzeltherapie, Gruppentherapie, stationäre Therapie)? Und wann gefunden/bekommen (vor oder jetzt während Corona)? Bei wem (Therapeuten mit oder ohne Erfahrung mit Hörproblematik, Selbsthilfegruppen)?
4.) Wann oder wie schnell habt Ihr Euch für ein
5.) Wie sind sonst so Eure Erfahrungen mit dem Hörverlust und einer Ertaubung? Im Internet gibt es zu ertaubten Erwachsenen ja fast gar nix. Meist sind es Menschen, die wenigstens noch ein Ohr mit Hörgerät zur Verfügung haben. Erfahrungsberichte von im erwachsenen Alter ertaubte Leidensgenossen hab ich kaum was bei Google finden können. Als ob diese Gruppe durch die Maschen rutscht...
Ich würde mich freuen, wenn ich ein bißchen an Erfahrungsaustausch mit anderen im erwachsenen Alter ertaubten Musik-Liebhabern teilhaben kann...
Vielleicht nimmt mir der Austausch die Angst und und vielleicht hab ich falsche Vorstellungen, die damit in ein anderes Licht gerückt werden können...
Kolja