Ich würde gerne mal eure Erfahrungen bezüglich eurer Schwerhörigkeit hören.
Wie geht ihr damit um, wie werdet ihr wahrgenommen und wie begegnet ihr euren Mitmenschen? Habt ihr auch ein paar Anekdoten oder Erfahrungen, die einem die Hutschnur platzen lässt....?
Ich bin nun seit ca 20 Jahren schwerhörig.
Anfänglich bin ich gut damit klar gekommen.
Ich trug kleine Hörgeräte, niemand sah sie und ich hatte mit Hörgeräten auch nicht wirklich merkbar Defizite.
Wenn dann bemerkt wurde, dass ich Hörgeräte trage, waren alle immer sehr erstaunt und haben nachgefragt.
Ich war dann immer sehr stolz mitzuteilen, dass ich gut zurecht komme und auch mit meiner Behinderung gut klar komme.
Das hat sich mit zunehmender Schwerhörigkeit geändert.
Ich habe große Probleme im Alltag, in großen Gruppen, beim Fernsehen und überhaupt.
Ich gehe offen auf die Menschen zu und oute mich als hörbehindert (wenn es die Situation erfordert) und erhoffe mir dementsprechend etwas Akzeptanz.
Aber weit gefehlt. Die ersten 3 Sätze kommen noch besser rüber, aber dann fallen alle wieder in ihre übliche Sprache zurück.
Das verstehe ich vollkommen, hilft mir aber nicht.
Also ziehe ich mich zurück und meide solche Situationen.
Selbst Freunde und Nachbarn schaffen es einfach nicht.
Und seit meinem Hörsturz vor drei Wochen ist es noch verrückter geworden.
Ich vergleiche das jetzt mal so:
Das Hörgerät ist ein Gehstock und das
Nun sitze ich in ruhiger Runde mit 2 Nachbarn und erzähle daß ich ja nun wieder einen schweren Hörsturz hatte und wohl bald ein
Die Reaktionen sind verblüffend. Von : "ich höre ja auch schon immer schlecht auf dem linken Ohr "bis zu " achso ja okay, ein Implantat ... wie wird eigentlich das Wetter morgen" ...ist alles dabei.
Das macht mich traurig und wütend.
Wenn ich nun mit nur einem Bein in derselben Runde gesessen hätte, wäre mir die Aufmerksamkeit gewiss gewesen. Aber Ohren sind halt nicht so interessant, wie ein amputierter Einbeiniger. Der kann blutige Geschichten erzählen und ich bin eben nur schwerhörig mit frischem Hörsturz

Nicht das ich Mitleid oder Aufmerksamkeit möchte, ich will einfach nur, daß meine Behinderung genauso wahrgenommen und anerkannt wird, wie andere Behinderungen. Und das Rücksicht genommen wird.
Stattdessen treiben es einige Mitmenschen soweit auf die Spitze, dass sie bei einer Nachfrage und der Info zur Schwerhörigkeit, die Frage dann so komisch und übertrieben darstellen, als wäre ich geistig minderbemittelt und nicht ganz im Vollbesitz meiner geistigen Fähigkeiten....
Da kommt dann der Psychologe um die Ecke und faselt von Vermeidungsverhalten. "Warum meiden sie Menschen, sie müssen einfach ins kalte Wasser springen und los geht's "
Das ist genauso, als wenn man den Einbeinigen vor eine Treppe stellt und sagt:
"los geht's, du musst einfach nur machen "
Ich habe es im Moment einfach nur satt. Meine Hörgeräte liegen seit Tagen rum und genieße meine Stille und Zurückgezogenheit.
Ich werde auch wieder durchstarten und meinen Weg finden, aber zur Zeit nerven mich meine Mitmenschen, mein Akkustiker, mein Psychologe und mein HNO einfach nur.
Danke für euer Ohr
Lieber Gruß
Zimtschnecke