Zweisprachig aufwachsen

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rhae
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Zweisprachig aufwachsen

#1

Beitrag von rhae »

Hallo,

in einer privaten eMail wurde ich gefragt ob unsere Tochter "zweisprachig" erzogen wird - also mit Laut- und Gebärdensprache. Ich habe mir über diesen Punkt bisher eigentlich noch keine Gedanken gemacht, aber Marlene (unsere 2 1/2 jährige Tochter) verwendet in der Tat sehr viele Gebärden und Zeichen, für Schaukeln, Eis essen, Stinker machen, Kommen, Gehen, Warten uvm. Sie versteht aber auch die normale Sprache, "komm wir fahren Auto" - da rennt sie zur Garage ;)

Im Schwimmbad und auch sonst wenn sie keine Hörgeräte trägt, ist das auch unsere einzige Möglichkeit mit ihr zu kommunizieren.

Es gibt aber wohl auch die Meinung, das der Einsatz von Zeichensprache die Entwicklung der richtigen Sprache behindert und das man lieber darauf verzichten sollte. Wie ist denn da Eure Meinung/Erfahrung dazu?

Viele Grüße Ralph :fred:
Florian Weber
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Re: Zweisprachig aufwachsen

#2

Beitrag von Florian Weber »

Studien mit hörenden Kindern die zweisprachig (Muttersprache der Eltern unterschiedlich) erzogen wurden haben ergeben, das es nicht zu Defiziten kommt. Nicht anders ist das bei der Gebärdensprache. Wohl kann es zu einer Bevorzugung der Gebärdensprache kommen, wenn der Hörverlust nicht mit Hilfsmitteln ausreichend ausgeglichen werden kann. Dann ist es ohnehin wünschenswert und gut, das es eine Alternative zur Lautsprache gibt. Eltern sollten bilingual erziehen, aber keine der beiden Sprachen bevorzugen, dies tun die Kids selbst. Denn Kommunikation ist wichtig, wie sie stattfindet ist letzendlich unrelevant.

Gruß,

Florian Weber

--
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Gudrun
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Re: Zweisprachig aufwachsen

#3

Beitrag von Gudrun »

Hallo Ralph,

mit eigenen Erfahrungen kann ich nicht dienen, da ich rein lautsprachlich erzogen wurde.

Deine Tochter ist noch sehr jung, das bedeutet, dass die Hörnerven bzw. Hörreste sich noch weiterentwickeln (am besten bis ca. 5. Lebensjahr). Die Hörreste sind sehr hilfreich, um Lautsprache zu verstehen, man kann dann Hören mit Mundbild kombinieren.
Und natürliche Gebärden, Gesten, Mimik sorgen für "Leben" in der Lautsprache.

Je höher der Hörverlust und je schlechter die Hörreste sind, desto mehr wird deine Tochter sich auf die Gebärdensprache stützen.

Welche Sprache deine Tochter bei einer zweisprachigen Erziehung bevorzugen würde, hängt davon ab, welche Sprache du als Basissprache nimmst, wie groß der Hörverlust ist und wie gut entwickelt die Hörreste sind.

Gudrun
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[Editiert von Gudrun am: Mittwoch, August 28, 2002 @ 11:35 PM][/size]
Betti
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Re: Zweisprachig aufwachsen

#4

Beitrag von Betti »

Lieber Ralph,
als mein Sohn mit 15 Monaten an einer Meningits erkrankte und infolgedessen schwerhörig wurde war er naturgemäß noch ohne Sprache. Die Schwerhörigkeit wurde von den Ärtzen aber erst nach eínem Jahr "anerkannt". So war mein Kind ein Jahr lang ohne Sprache und hatte ein großes Defizit (das er bis heutemit 7 nicht aufgeholt hat). Im SH-Kindergarten wurde uns ein Unterricht in DGS vermittelt, der speziell auf die Bedürfnisse von Kindern zugeschnitten war.
Damit kamen wir dann in Kontakt mit unserem Kind. Wir sind der Meinung unser Kind hat über das Erlernen der DGS die Lautsprache gelernt. Und hätte er die Lautsprache nicht erlernen können, hätte er eine Sprache. Ich bin eine Vertreterin der bilingualen Erziehung. Das kann nur von Vorteil für unsere Kinder sein. Mein Sohn gilt an Taubheit grenzend schwerhörig.
Annette
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Re: Zweisprachig aufwachsen

#5

Beitrag von Annette »

Hallo Ralph!

Ich kann mich den Beiträgen nur anschließen. Ich habe von mir aus eine DGS-Kurs begonnen, weil ich auch das Problem hatte, daß ich mit Insa im Schwimmbad oder unter Dusche einfach nicht kommunizieren konnte, obwohl sie mit Hörgeräten mit mir in Kontakt trat. Also habe ich trotz großer Bedenken seitens der Frühföderung angefangen DGS zu lernen. Ich bin fest davon überzeugt, daß es die richtige Entscheidung war. Meine Tochter weiß jetzt, daß wir immer kommunizieren können. Da wir mit unseren anderen Kindern und untereinander sowieso lautsprachlich kommunizieren, halte ich das Argument für unsinnig: Insa würde keine Lautsprache mitbekommen.
Ein weiteres Argument für die Zweisprachigkeit ist, daß andere Kinder ja auch z.B. Deutsch/Englisch aufwachsen. Da sagt keiner was. Nur ist die Gebärdensprache halt nicht gesellschaftlich so anerkannt.
Unsere Aufenthalte im Schwimmbad sind jedenfalls für beide Seiten deutlich positiver! Und wenn ich jetzt beim Duschen mal aus dem Bad gehe, versteht sie mich wenigstens!
Annette
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