ich hätte gerne Erfahrungsberichte von denjenigen, die in kommunikativen Jobs arbeiten und HG tragen.
Ich bin als Beraterin tätig und muss sowohl vor Ort am Kunden arbeiten, als auch viel in digitalen Meetings teilnehmen. Außerdem halte ich ab und zu Präsentationen in Seminarräumen mit 10-50 Teilnehmern.
Kann man diese Art Jobs auf Dauer mit HG bewältigen oder gibt es dort Einschränkungen durch die Technik oder sogar mit Kunden/Mitarbeitern, die keine Rücksicht oder kein Verständnis zeigen?
Ich bin gerade mal 35 und mir wurde nun eine Hochtonschwerhörigkeit diagnostiziert. Ich liebe meinen Job aber mache mir nun natürlich Gedanken wie es weitergehen soll. Ich muss ja noch über 30 Jahre funktionieren.
Ich bin jetzt im Ruhestand, aber ich habe über 30 Jahre beim Radio gearbeitet. Da war Ton von vorneherein wichtig.
Ich habe auch Präsentationen auf Messen gemacht, Vorträge gehalten und gehört, Meetings erlebt und geleitet.
Angefangen habe ich ohne Hörgerät, ich konnte es überspielen. Dachte ich anfangs. (Ich war damals knapp 30 und wollte auch nicht mit Hörgerät rumlaufen.) Nach Operation und mit Hörgerät hat sich meine Situation sehr positiv verändert, ich konnte mich sehr viel besser orientieren, mußte nicht mehr nachfragen etc. (Damals hatte ich ein In-Ohr-Gerät und niemand hat es wahrgenommen, wenn ich nicht darüber gesprochen habe. Wenn ich das (sehr selten) getan habe, waren die Menschen durchgehend überrascht und eher neugierig. Offene Ablehnung habe ich nicht mitbekommen.
Als sich damals die Hörgeräte-Technik geändert hat und ich mit den neuen digitalen Geräten nicht zurecht kam, habe ich mich wieder ohne versucht,durchzumogeln. Alles wurde sehr viel schwieriger, ich mußte gucken, wo ich im Meeting sitze usw….
Meine Freude an der Arbeit hat auch dadurch abgenommen, und ich weiß heute, da ich wieder Hörgeräte trage, daß ich die eine oder andere Situation ganz anders hätte bewältigen können, wenn ich besser gehört hätte. Ich bin mir sicher, daß ich Gespräche zu früh beendet habe, weil der Gesprächspartner sehr leise sprach oder nicht deutlich artikuliert hat….
Heute trage ich zwei Geräte hinter dem Ohr und habe mehr Freude an Gesprächen, Kontakten und Musik.
Sorry für den langen Text, aber ich würde Dir gerne Mut machen.
Geh einfach mal zu einem Akustiker, schau ob Ihr zusammenpasst und dann probiere aus, was Dir ein Gerät bieten kann.
Schau auf Dich, und denk nicht zuviel darüber nach, was die anderen denken könnten.
Meine persönliche Erfahrung ist, dass die höhere Höranstrengung schon dafür sorgen kann, dass abends die Energie nicht mehr für Aktivitäten reicht, die ansonsten möglich sind. Ich bin seit Kindheit schwerhörig und auf die Regelschule gegangen, war daher nie in einer Umgebung in der besonders viel Rücksicht genommen wurde. Jeder der normalen Schulalltag kennt, weiß dass dieser nicht gerade der Traum von Schwerhörigen ist. Beruflich sieht es bei mir so aus, dass ein großer Teil der Arbeit im Austausch mit anderen besteht, häufig auch auf Englisch (meine Bürokollegin ist Schottin, witzigerweise arbeiten wir eigentlich so gut wie nie zusammen an den gleichen Themen, sie ist daher kaum der alleinige Grund für Englisch, sondern die Tatsache dass dies in F&E die Standardsprache ist (spätestens für die Dokumentation). Ich würde dir raten dafür zu sorgen dass du regelmäßig Pausen hast und nicht 8 Stunden am Stück herausfordernde Umgebungen, dann geht es eigentlich gut.
Hoffe, das hilft dir weiter. Bei Fragen einfach melden (auch per PN).
Viele Grüße
Christian
Man weiß selten, was Glück ist, aber man weiß meistens, was Glück war. (Françoise Sagan)
Da würde ich Dir jetzt auch Mut machen wollen; ich war auch in Deinem Alter, als ich immer mehr festgestellt habe, dass ich schlecht höre. Irgendwann (da war ich Anfang 40) habe ich mir dann HG geholt - also wirklich aktiv, bin zum HNO und habe gesagt "Ich will Hörgeräte". Ich arbeite auch in einem Job, wo Kommunikation sehr wichtig ist, und ich hatte gemerkt: Es geht so nicht mehr.
Jetzt bin ich Anfang 50, meine Erfahrungen sind:
Meetings über Zoom etc. sind gar kein Problem, da gibt es auch viele Optionen. Meistens bleibe ich beim normalen Headset und nehme die HG raus. Oder ich wähle mich parallel über's Smartphone ein, und lasse den Ton darüber laufen. Oder ich verbinde die HG über ein Zusatzmikro mit dem Laptop (lange nicht mehr gemacht, war mir zu instabil).
Meetings in kleineren Gruppen (= bis 10/15 Leute) finde ich völlig unproblematisch;
Präsentationen in kleineren Räumen, wo ca. 30 Leute reinpassen, ebenfalls;
schwierig sind hallige Räume, oder sehr große Säle, also so mit 100-200 Personen. Da kommt es bei mir auf alles mögliche an: Wie laut jemand spricht, ob männlich oder weiblich (= eher schlecht), wie ggf. der englische Akzent ist, ... Da muss ich dann schon immer mal wieder nachfragen oder die Leute bitten, lauter zu sprechen. Ich gehe da recht offensiv damit um, das geht schon. (wenn es nicht, geht, nehme ich mittendrin schonmal ein HG aus den Ohren und zeige es den Leuten mit einem "Ich trage HG, manchmal vertstehe ich deswegen nichts, bitte sprechen Sie lauter" etc.)
Alles in allem geht das schon. Nur Mut, und auf geht's! Einfach ausprobieren, Du wirst Dich wundern, was Du plötzlich wieder alles hören kannst. War für mich damals ein sehr schönes Gefühl.
Das klingt erstmal gut. Muss man da hochpreisige Geräte nehmen oder ist sowas auch mit den Kassengeräten realistisch, gut durch den Arbeitsalltag zu kommen? Was ist denn im Falle eine Defekts oder Verlusts, wie ist man da abgesichert?
wegen Hörgeräte, probiere verschiedene Preisklassen aus. Für jedes angepasstes Gerät kann du es dir notieren, was du vom Hören mit Geräten gut findet und schlecht findet (zu leise/ Laut verzerrt). Es gibt auch Zusatz-Geräte.
In meiner Testphase bin habe ich im Hauptbahnhof, Einkaufzentrum, Restaurantsbesuche aufgehalten und vor allen im Verkauf wo ich arbeite.
Wie ist die Raumakustik, wenn du Präsentationen hast?
Bei Defekts, gibt bei vielen Akustiker Leihgerät, das habe ich hier öfter gelesen.
Da deine ersten Geräten sind.
Ich selbst habe, habe meine Geräte in meinen 43 Hörgerätejahren noch nicht verloren und als Ersatz-Gerät habe ich mein Vorgänger-Gerät.
LG
Smallhexi
LG smallhexi Hörgeschädigt seit 1980 durch Meningitis
links: +/- 80 dB versorgt mit GN ReSound Enzo 3D 5
rechts: gehörlos
ingri hat geschrieben: ↑7. Jul 2024, 08:25
Muss man da hochpreisige Geräte nehmen oder ist sowas auch mit den Kassengeräten realistisch, gut durch den Arbeitsalltag zu kommen?
Das kann man nicht generalisieren, da „Kassengerät“ je nach Akustiker ein anderes Modell von einem anderen Hersteller sein kann und die müssen nicht unbedingt das schlechteste Produkt am Markt sein.
Und wenn du einen berufspezifischen Mehrbedarf plausibel machen kannst wird die Krankenkasse ihren Pauschalbetrag und vielleicht die Rentenversicherung einen Teil bis hin zu Großteil der Mehrkosten übernehmen.
ingri hat geschrieben: ↑7. Jul 2024, 08:25
Was ist denn im Falle eine Defekts oder Verlusts, wie ist man da abgesichert?
Bei einem „Kassengerät“ wird alles aus der Reparaturpauschale der Versicherung bezahlt und auf dich sollten keine Zusatzkosten zukommen, bei teureren Geräten bei denen nicht alles von einem Kostenträger übernommen wurde ist es wahrscheinlich, dass du zuzahlen musst (was ich persönlich in vielen Fällen nicht nachvollziehen kann, da bei vielen Defekten die Arbeit und das Material die gleichen wie beim Festbetragsgerät sein können). Es gibt Versicherungen für Hörgeräte, persönlich habe ich bisher keine derartige Versicherung abgeschlossen bzw. hätte einen Nutzen davon gehabt (trage seit bald 40 Jahren Hörgeräte). Und was die Überbrückung der Reparaturzeit angeht, für diese Zeit bekommt man normalerweise vom Hörgeräteakustiker ein Leihgerät (nicht notwendigerweise das gleiche Modell wie das eigene) oder aber als langjähriger Hörgeräteträger behilft man sich (insofern möglich) mit dem alten Hörgerät der gleichen Seite.
Man weiß selten, was Glück ist, aber man weiß meistens, was Glück war. (Françoise Sagan)
Bei einem „Kassengerät“ wird alles aus der Reparaturpauschale der Versicherung bezahlt und auf dich sollten keine Zusatzkosten zukommen, bei teureren Geräten bei denen nicht alles von einem Kostenträger übernommen wurde ist es wahrscheinlich, dass du zuzahlen musst (was ich persönlich in vielen Fällen nicht nachvollziehen kann, da bei vielen Defekten die Arbeit und das Material die gleichen wie beim Festbetragsgerät sein können).
So lange die HGs Garantie haben zahlt man gar nichts zu und alle Arbeiten die der Akustiker selber in seiner Werkstatt machen kann kosten auch nichts.
Jedenfalls ist es bei mir in über 30 Jahren mit HGs immer so.
Die Reparaturpauschale bekommt der Akustiker ja auch bei hochpreisigen HGs.
Bei der Garantie würde ich schauen das man möglichst lange Garantie bekommt. Das Optimum wären 6 Jahre, was aber auch preislich dann i.d.R. ein wenig ausmacht.
Man hat dann aber auch Ruhe und nicht auf einmal überraschend Kosten.
Ob ein hochpreisiges HG für Dich besser ist musst Du testen. Jeder Hörverlust ist individuell.
Wenn Person A mit zuzahlungsfreien HGs (so nennt man die, da es Kassengeräte nicht gibt) gut klar kommt, kann es sein das es bei Person B nicht geht.