(Aller-)Erste Erfahrungen mit einem Hörgerät

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kiroy
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(Aller-)Erste Erfahrungen mit einem Hörgerät

#1

Beitrag von kiroy »

Hallo zusammen!

Seit nunmehr 5 Tagen trage ich meine ersten Hörgeräte und bin bisher ziemlich unzufrieden. Vielleicht habt Ihr Tipps, was ich der Hörgeräteakustikerin sagen/vorschlagen könnte, wenn ich zur nächsten "Anprobe" komme oder Ihr könnt mir Mut machen, es noch weiter zu probieren.

Im Augenblick habe ich zwei Bernafon Alpha 1 miniRITE T (85er Hörer). Ich finde den Klang extrem grell und blechern. Besonders links (meine schwächste Seite) nervt das ziemlich. Ich empfinde es lauter und greller als rechts. Ich höre über das linke Hörgerät auch meinen Atem und jede kleinste Bewegung (Rascheln der Kleidung). Das ist unangenehm.
Andererseits habe ich da Gefühl, dass ich insgesamt nicht besser höre, wenn es in der Umgebung noch andere Geräusche gibt (z. B. Musik oder laute Gespräche am Nachbartisch). Ich habe in so einer Situation dann das linke Gerät eine Stufe leiser und das rechte drei(!) Stufen lauter gemacht. Damit war es ein bisschen besser. Ist das normal?

Die Hörakustikerin hat mich schon darauf hingewiesen, dass ich jetzt Geräusche hören werde, die ich schon lange nicht mehr wahrgenommen habe. Ich müsse mich da erst wieder dran gewöhnen. Aber ich habe das Gefühl, ich höre jetzt Geräusche, die ich auch früher nicht gehört habe.

Ich habe hier schon gelesen, dass die verschiedenen Hersteller unterschiedliche Klangbilder haben. Es kann also wohl schon sein, dass mir ein anderen Fabrikat besser klingt. In diesem Zusammenhang habe ich auch gelesen, dass einige Hersteller gleich klingen (z. B. Bernafon, Oticon und Philips?) und man deshalb nicht alle Hersteller durchprobieren müsse, sondern nur die, die unterschiedliche Klangbilder haben.
Habt Ihr da Tipps, welche Hersteller gleich klingen bzw. welche anderen Hersteller man daher testen sollte?

Oder bin ich einfach zu ungeduldig und sollte noch ein paar Tage abwarten?

Zum Schluss ist mir noch aufgefallen, dass die Batterie im linken Gerät gestern Abend bereits bei 0% war und gewechselt werden musste, während das rechte noch 40% Ladung hatte. Ist das normal?

Vielen Dank schon mal im Voraus.
Ohrenklempner
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Re: (Aller-)Erste Erfahrungen mit einem Hörgerät

#2

Beitrag von Ohrenklempner »

Hello,

am besten ist, wenn du deine subjektiven Erfahrungen mit Klang und Lautstärke rechts/links mit deiner Akustikerin teilst.
Die Anpassung beider Hörgeräte auf das Hörvermögen des jeweiligen Ohrs ist die eine Sache -- die andere Sache ist, wie du subjektiv diese "Korrektur" empfindest. Bei ungleichen Hörverlusten rechts/links ist es normal, dass dir das Hören auf dem schwächeren Ohr mit Hörgerät empfindlicher und lauter vorkommt. Da muss man dann einfach von Hand etwas nachregeln.

Du beschreibst den Klang als grell und blechern, darum gehe ich davon aus, dass du einen Hochtonhörverlust hast. Die einzige Möglichkeit, dieses Defizit auszugleichen, ist die Verstärkung der leisen hohen Töne über deine Hörschwelle. Ja, das klingt durchaus schräg. Darum sollte man bei Bedarf lieber die Verstärkung ein wenig reduzieren, um langsam in die Eingewöhnung zu kommen. Weniger Verstärkung bedeutet allerdings auch weniger Sprachverstehen. Störende Geräusche sind deshalb störend, weil sie für dein Gehirn "neu" sind und erst trainiert werden müssen.

Die Angaben mit dem Klangbild (hell, weich, dumpf, etc.) beziehen sich auf die herstellereigenen Anpassformeln. Da gibt es tatsächlich "weichere" und "schärfere". Obwohl z.B. Philips, Bernafon und Oticon die gleiche Hardware verbaut haben, haben sie eigene Anpassformeln. Bernafon klingt da am weichsten und Oticon am schärfsten. Philips irgendwas mittendrin. Weil das Alpha 1 bei dir so scharf klingt, gehe ich aber davon aus, dass mit einer klassischen Anpassformel gearbeitet wurde.

Der Batterieanzeige würde ich nicht so viel Vertrauen. Zink-Luft-Batterien lassen sich nicht so gut messen. Wenn die Anzeige unter 50% geht, würde ich aber davon ausgehen, dass sie bald gewechselt werden muss.
...zufällig bin ich Experte auf diesem Gebiet... 🤓

Zu audiologischen Ratschlägen, Anpassberatungen oder Hörgeräte-Offerten fragen Sie nicht mich sondern Ihren Hörakustiker (m/w/d)! 👍
all_ears
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Re: (Aller-)Erste Erfahrungen mit einem Hörgerät

#3

Beitrag von all_ears »

Mut machen kann ich dir: 5 Tage sind wirklich sehr sehr wenig, da wirst du viel mehr Zeit brauchen. Ich hab es auch nicht für möglich gehalten, wie viel Geduld und Durchhaltevermögen man mit den ersten Hörgeräten braucht. Mit deinem Akustiker musst du sehr eng zusammen arbeiten und versuchen möglichst genau zu beschreiben, was dich stört. Ist schwierig, aber anders geht es nicht. Vielleicht muss die Verstärkung erstmal wieder ein Stück zurück genommen werden, damit du dich langsamer daran gewöhnen kannst. Bei meinen Testgeräten von Signia wurde das irgendwie automatisch gesteigert über mehrere Wochen und trotzdem fand ich anfangs alles "ganz schlimm". Wenn irgendwas für dich "gar nicht geht", lass es lieber gleich nachregeln, bevor du aufgibst. Man kann (fast) alles einstellen, wie ich inzwischen weiß. Lass dir Zeit und halte durch!
dB 125-250-500-750- 1k- 1,5k-2k - 3k - 4k - 6k - 8k
R: 15 - 25 - 35 - 55 - 60 - 60 - 55 - 40 - 40 - 55 - 60
L: 20 - 40 - 45 - 50 - 50 - 50 - 45 - 45 - 50 - 50 - 60

versorgt mit Signia Silk Charge & Go 7IX
kiroy
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Re: (Aller-)Erste Erfahrungen mit einem Hörgerät

#4

Beitrag von kiroy »

Zuerst mal herzlichen Dank @Ohrenklempner und @all_ears!

Hm..., soll ich also die Lautstärke am linken Ohr selbstständig zurücknehmen?
Das habe ich mich bisher nicht getraut, weil ich dachte, ich sollte das aushalten und mich daran gewöhnen.

Aha! Dann habe ich da wohl bzgl. Klangbild etwas missverstanden. Ich habe darüber auch mit der Hörgeräteakustikerin gesprochen. Sie meinte (sinngemäß), wenn man das Hörgerät richtig eingestellt hat, hört man mit allen gleich gut - egal welcher Hersteller, egal welche Preisklasse.
Auf meine Frage nach Widex, bestätigte sie, dass Widex eher konservativ sei und nicht der "neueste Schrei" wäre, aber sie hätte erlebt, dass Kunden, die einmal Widex hatten, nicht mehr davon wegzubringen seien. Sie würden auf den Klang von Widex schwören.

Trotzdem noch einmal die Frage:
Wenn Bernafon nicht so gut passt, welche Hersteller sollte man stattdessen testen?

Dann noch die Frage:
Was macht man, wenn die Sprachverständlichkeit bei Nebengeräuschen (Musik, laute Gespräche nebenan) nachlässt?
Ich hatte den Eindruck, die Hörgeräte "machen zu" wenn es etwas lauter wird und dann kann man das Ding ja gleich weglassen.


PS:
Wie bekommt man in der Signatur bloß die Tabelle mit den Frequenzen so schön hin, dass das alles auch richtig untereinander steht?
Birkbot
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Re: (Aller-)Erste Erfahrungen mit einem Hörgerät

#5

Beitrag von Birkbot »

kiroy hat geschrieben: 19. Nov 2024, 20:02
Aha! Dann habe ich da wohl bzgl. Klangbild etwas missverstanden. Ich habe darüber auch mit der Hörgeräteakustikerin gesprochen. Sie meinte (sinngemäß), wenn man das Hörgerät richtig eingestellt hat, hört man mit allen gleich gut - egal welcher Hersteller, egal welche Preisklasse.
Nein, weder bei den Herstellern, die zusammengehören, noch bei den Herstellern konkurrierender Firmengruppen ist alles gleich. Dass ein Hörgeräte mit 0€ Zuzahlung identische Qualität und Sprachverständlichkeit mitbringt wie eins mit 3000€ Zuzahlung, kann ich mir auch nicht vorstellen. Richtig ist, dass es sein kann, dass DU mit einem billigeren Gerät manchmal besser klar kommst als mit einem teureren, einfach weil manche teuren Features manche Ohren überfordern oder nerven. Das musst du dir leider selbst erhören, das kann dir keiner abnehmen.
Was auch eine Anstrengung für dich sein wird bzw. ist, ist der unterschiedliche Hörverlust bei unterschiedlich hohen Tönen. Plötzlich quietschen die Bremsen der Straßenbahn wieder, plötzlich ist die Toilettenspülung brüllend laut wie ein Wasserfall usw. Das liegt daran, dass du das, was du früher als "normal" gehört hast, jetzt wieder neu erlernen musst. Das ist ne Sache von Monaten, da brauchst du leider viel Geduld. Es gibt Möglichkeiten, mit denen dir die Akustikerin entgegen kommen kann, aber da kenne ich mich leider null aus, meine Erstanpassung ist über 40 Jahre her...
Trotzdem noch einmal die Frage:
Wenn Bernafon nicht so gut passt, welche Hersteller sollte man stattdessen testen?
Ich glaube Phonak hatte mal nen relativ weichen Klang, weiß nicht, ob das immer noch so ist.
Dann noch die Frage:
Was macht man, wenn die Sprachverständlichkeit bei Nebengeräuschen (Musik, laute Gespräche nebenan) nachlässt?
Ich hatte den Eindruck, die Hörgeräte "machen zu" wenn es etwas lauter wird und dann kann man das Ding ja gleich weglassen.
Das könnte deine Unbehaglichkeitsschwelle sein, die da mit reinspielt. Du erinnerst dich vielleicht, dass du mal sagen musstest, ab wann die Töne zu laut sind.
Das sind dann die Grenzen, die das Hörgerät in der Lautstärke nicht überschreiten sollte. Und wenn du die hohen Töne lang nicht mehr gehört hast, dann sind sie nervig quietschig und unangenehm. Leider sind diese hohen Töne für einen Gutteil der Sprachverständlichkeit zuständig - war es ein sss oder ein fff, was du gehört hast? Das sind hohe Frequenzen.
Und wenn im allgemeinen Lärm dann diese Töne abgeriegelt werden, weils dir unangenehm wird, dann leidet die Sprachverständlichkeit. Ich würde dir empfehlen, zunächst in eher ruhigen Situationen die Hörgeräte einzusetzen (aber allgemein so viel wie möglich), dann muss das Hirn nicht alle Töne gleichzeitig verarbeiten, sondern hat weniger zu tun. Dann gewöhnst du dich leichter an die ungewohnten Geräusche und kannst dann dich leichter in lautere, komplexere Hörsituationen vortasten. Aber schreib auch auf, was dir in welchen Situationen gefallen hat und womit du eher ein Problem hattest. Anhand dieser "Protokolle" kann die Akustikerin manche Feineinstellungen noch verbessern.
03/25 Oticon Real 3
08/18 Oticon OPN 2
Phonak Versata M
Siemens Infinity Pro
04/97 Siemens Swing S2+
Newtone Viennatone
Unitron UM60
1983 Micro-Technic ?
kiroy
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Re: (Aller-)Erste Erfahrungen mit einem Hörgerät

#6

Beitrag von kiroy »

Birkbot hat geschrieben: 20. Nov 2024, 00:33 Was auch eine Anstrengung für dich sein wird bzw. ist, ist der unterschiedliche Hörverlust bei unterschiedlich hohen Tönen. Plötzlich quietschen die Bremsen der Straßenbahn wieder, plötzlich ist die Toilettenspülung brüllend laut wie ein Wasserfall usw. Das liegt daran, dass du das, was du früher als "normal" gehört hast, jetzt wieder neu erlernen musst. Das ist ne Sache von Monaten, da brauchst du leider viel Geduld.
Hm, Geduld ist jetzt nicht gerade meine Kernkompetenz. ;)
Die "normalen" Geräusche des Alltags empfinde ich nicht so schlimm. Die hohen Frequenzen sind alle etwas lauter, aber das würde ich als erwartungsgemäß bezeichnen.
Was mich stört, sind die Geräusche die direkt am und im eigenen Körper entstehen. Atmen, Schniefen, Räuspern höre ich jetzt nicht mehr direkt im Kopf, sondern über das Hörgerät. Ebenso das Rascheln, wenn die Haare das Hörgerät berühren oder wenn die Brille etwas verrutscht. Das ist alles ziemlich laut - aber nur im linken (schwächeren) Ohr.
Birkbot hat geschrieben: 20. Nov 2024, 00:33 Ich glaube Phonak hatte mal nen relativ weichen Klang, weiß nicht, ob das immer noch so ist.
Ok, dann muss ich meine Abneigung gegenüber Phonak wohl noch einmal überdenken. ;)

Na gut, dann werde ich es wohl noch ein paar Tage aushalten und schauen bzw. hören, wie sich das weiter entwickelt.

Vielen Dank nochmal und eine schöne Rest-Woche.
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