Klage gegen Ablehnung Gehörlosengeld

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Ariane
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Klage gegen Ablehnung Gehörlosengeld

#1

Beitrag von Ariane »

Hallo, suche jemanden, der gegen die Ablehnung von Gehörlosengeld geklagt hat. In dem konkreten Fall handelt es sich um meinen Neffen, der auf einem Ohr mind. 60 und auf dem anderen min. 70 dB HÖrverlust hat. Der ANtrag wurde abgelehnt, während er bei meiner Tochter mit beidseitig 60 dB genehmigt wurde (von der gleichen Stelle!). Meine Schwägerin und mein Schwager wollen jetzt vor dem Verwaltungsgericht klagen.
Hat da jemand Erfahrungen bzw. wie schätzt ihr die Chancen ein.

Gruß
Ariane
Andrea Heiker
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Re: Klage gegen Ablehnung Gehörlosengeld

#2

Beitrag von Andrea Heiker »

Hallo Ariane,

Gehörlosengeld bekommt derjenige, der im medizinischen Sinne gehörlos ist, und im medizinischen Sinne gehörlos ist man, wenn man auf beiden Ohren in den Frequenzen 0,5, 1, 2 und 4 kHz einen Hörverlust von mindestens 85 Dezibel hat.

Weder Dein Neffe noch Deine Tochter erfüllen die Kriterien. Dass Eure Tochter das Gehörlosengeld bekommt, ist eine Fehlentscheidung des Versorgungsamtes zu Eurem Gunsten. Ihr solltest Euch in dieser Sache ruhig verhalten, sonst wird Euer Versorgungsamt auf den Fall Eurer Tochter aufmerksam und sie bekommt auch kein Gehörlosengeld mehr.

Das Argument, dass Eure Tochter Gehörlosengeld bekommt ist vor Gericht nicht verwertbar, sondern könnte Euch eher Schaden, da die Versorgungsämter durchaus untereinander kommunizieren. Wenn ich beim Autofahren mit zu hohem Tempo erwischt werde, kann ich mich ja auch nicht darauf berufen, dass 100 andere Raser ungeschoren davon gekommen sind. Gleichheit im Unrecht gibt es eben nicht.

Ich rate ganz klar von einer Klage ab, sie wird Euch nur Spesen kosten. Die Frage wer vor dem Versorgungsamt als gehörlos oder taub gilt, ist nicht interpretationsfähig und ganz klar geregelt.

Gruß
Andrea
seit Geburt an Taubheit grenzend schwerhörig, im Alter von zwei Jahren mit zwei Hörgeräten versorgt, seit 2002 ein CI
Ariane
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Re: Klage gegen Ablehnung Gehörlosengeld

#3

Beitrag von Ariane »

Hallo Andrea, danke für deine Antwort. Was uns auch sehr beschäftigt ist die Frage, wo denn die genauen Grenzwerte für die Beziehung von Gehörlosengeld verankert sind. Wo steht das??? Wir haben schon jeden gefragt und nachgeschlagen, aber keiner weiß es so genau. Viele Leute sagen auch, dass es diesbezüglich eine Interpretationsspanne gibt.
Bei meinem Neffen haben sie die 70 dB anerkannt als an Taubheit grenzend, die 60 dB aber nicht. Ich weiß auch dass das eine Versorgungsamt ab 60 genehmigt, das andere ab 70. Aber das muß doch genau geregelt sein.
Gruß
Ariane
Andrea Heiker
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Re: Klage gegen Ablehnung Gehörlosengeld

#4

Beitrag von Andrea Heiker »

Liebe Ariane,

es gibt ärztliche Anhaltspunkte für ärztliche Gutachtertätigkeit: siehe auch: http://www.h-baer.de/anhalt1.htm#Bezüglich

Wenn Du auf Hör- und Gleichgewichtsorgan gehst Kannst Du vier Tabellen anklicken: Maßgeblich ist für Euch die Tabellen B und D. In Tabelle B musst Du für jedes Ohr den Hörverlust von den vier Frequenzen ablesen und die Punktzahlen addieren:

Nehmen wir mal an, auf einem Ohr beträgt der Hörverlust bei 500 Hz 55 dB, bei 1000 Hz 60 dB, bei 2000 Hz 65 dB, bei 4000 Hz 70 dB:
Dann musst Du folgende Zahlen addieren: 14 ( bei 500 Hz) + 26 (bei 1000 Hz) + 25 (bei 2000 Hz) + 13 (bei 4000 Hz) = 78% Hörverlust auf diesem Ohr. Ben Grad der Behinderung erhält man dann, wenn man mit den prozentualen Hörverluste beider Ohren in die Tabelle D gehst und abliest.

Auch mit 70 dB ist man nicht an Taubheit grenzend schwerhörig, sondern "nur" hochgradig. Als gehörlos (wenn vor dem 7. Lebensjahr) oder ertaubt (wenn nach dem 7. Lebensjahr) gilt man mit einem Hörverlust von 100% auf beiden Ohren, also mit 85 dB in allen Frequenzen.

Gruß
Andrea
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Andrea Heiker
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Re: Klage gegen Ablehnung Gehörlosengeld

#5

Beitrag von Andrea Heiker »

PS: Wenn zwei Ohren stark unterschiedlich sind, z.B eines an Taubheit grenzend und ein anderes als mittelgradig, so gilt man dann als mittelgrdig schwerhörig, maßgeblich ist also das bessere Ohr.

Deine Tochter hat einfach Glück gehabt. Vermutlich hat ein Arzt einfach geschrieben: "an Taubheit grenzend" und das Versorgungsamt hat nicht selbst die Tabelle kontrolliert.

Gruß
Andrea
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Andrea Heiker
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Re: Klage gegen Ablehnung Gehörlosengeld

#6

Beitrag von Andrea Heiker »

Noch einmal PS:
Gehörlosengeld bekommt man nur in einigen Bundesländern (NRW und Thüringen): Es bekommen diesjenigen Leute, die das Merkzeichen GL im Ausweis haben bzw. einen Anspruch auf das GL hätten. Das GL gibt es ja noch nicht so lange, deswegen haben viele Anspruchsberechtigte das Merkzeichen nicht. Und GL gibt es eben, wenn man medizinisch gesehen gehörlos oder ertaubt ist.
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Ariane
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Re: Klage gegen Ablehnung Gehörlosengeld

#7

Beitrag von Ariane »

Hallo Andrea,

das waren jetzt aber viele Informationen auf einmal, für die ich dir danke. Dann werde ich mit meiner Schwägerin noch mal über die Klage sprechen. Macht ja dann wirklich keinen Sinn, wenn es nahezu aussichtslos ist.
Und wir haben wohl echt Glück gehabt , denn GL hat meine Tochter auch nicht im Ausweis und das Geld bekommen wir trotzdem. :D

Viele Grüße
Ariane
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