Hallo Norbert,
das, was du beschreibst, ist natürlich theoretisch völlig korrekt und wahrscheinlich bei euch auch praktisch so. Nur gibt es leider auch Gegenden, in denen Theorie und Praxis mehr oder weniger weit auseinanderfallen. Das Feststellungsverfahren wird von Menschen betrieben, die oft eben auch recht subjektiv an die Einschätzung des Förderbedarfes herangehen. Und wenn das Kind nun mal eben nicht in die vorgesehene "Schublade" passt, kann diese subjektive Sicht auch zu Ergebnissen führen, die es objektiv so nicht geben sollte.
Norbert_S hat geschrieben:Die würde ich frühestens dann anstellen, wenn das Verfahren abgeschlossen ist und die Eltern mit dem Ergebnis (warum auch immer) nicht leben wollen. Dann kann gegen die amtliche Entscheidung Einspruch erhoben werden.
wenn ich diese Vorschläge hier in die Tat umsetzten würde, hätten wir (vielleicht) im nächsten Jahr September eine Entscheidung - dann hat das Schuljahr schon längst begonnen und die Plätze in möglichen anderen Schulen sind bereits seit langem belegt.
Norbert_S hat geschrieben:Dem Antrag alle ärztlichen Atteste, Diagnosen und alles zur Vor- und Entwicklungsgeschichte des Kindes beifügen, das bereits vorliegt. Das hilft, die Geschichte in die richtige Richtung zu lenken.
oder führt dazu, dass sich die Gutachter aus den vielen Berichten aus einem "Nebensatz" die Informationen herausholen, aus der sie dann die Berechtigung zur Feststellung eines ganz anderen Förderschwerpunktes herauslesen.
Norbert_S hat geschrieben:Den Antrag auf Überprüfung des sonderpädagogischen Förderbedarfs (Warum wurde der eigentlich nicht schon längst zusammen mit der Frühförderung gestellt?) sofort abschießen!!!
In unserem Bundesland darf man den Antrag auf Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfes vor der Einschulung frühestens zur Anmeldung in der Schule abgeben - und selbst da wurde ich mit erstaunten Augen angesehen, dass ich neben dem Anmeldeformular auch noch den Feststellungsantrag mit einem Berg ärztlicher Berichte einreichte. Im Normalfall erfolgt diese Antragstellung erst nach der Einschulungsuntersuchung - und die ist irgendwann im nächsten Jahr. Es muss also nicht zwingend sein, dass Karina den Antrag noch nicht einreichen wollte, es war vielleicht bei ihr noch nicht möglich.
@Momo
Momo hat geschrieben:Nur soviel eine sogenannte ADHS kann ihre Ursache sehr wohl im Bereich der SH haben, denn es ist eine Störung der Wahrnehmung, die eben eine ADHS ähnliche Symptomatik auslösen kann. Daher sollte eine solche Diagnose bei einem sh Kind immer mit Vorsicht zu genießen sein und von entsprechenden Fachleuten beurteilt werden, die eben auch Erfahrungen mit den Folgen, Symptomen einer (spät oder schlecht versorgten) Hörschädigung haben.
Ich gehe nach dem, was Karina schrieb, auch eher davon aus, dass das erwähnte ADHS wahrscheinlich die Folge der schlecht versorgten Schwerhörigkeit und weniger durch den geänderten Hirnstoffwechsel bedingt ist. Richtig ist auch, dass die SH-Schulen grundsätzlich auch die Kompetenz zur positiven Beeinflussung der negativen Folgen schlecht oder verspätet versorgter Schwerhörigkeit haben (sollten).
Aber: nicht selten haben SH-Schulen schon ziemliche Akzeptanzprobleme mit AVWS, für die sie ja primär zuständig sind. Dann ist es doch nicht ganz unwahrscheinlich, dass eine SH-Schule ein Kind mit Verhaltensauffälligkeiten als Folge schlecht versorgter Schwerhörigkeit lieber nicht an ihrer Schule beschulen möchte, sondern diese Herausforderung eher andere Schulen abgeben möchte. Und dann hilft es dem Kind wenig, wenn zwar auf die Schwerhörigkeit eingegangen wird, die Verhaltensprobleme aber ausgeblendet werden und dadurch ein Versagen auf dieser Schule durchaus möglich ist.
Momo hat geschrieben:Der erste Weg bei einem primär hörgeschädigten Kind wäre der Kontakt zur zuständigen SH Schule, spätestens im Rahmen der Überprüfung des sonderpädagogischen Förderbedarfs.
Das ist vollkommen richtig - in jedem Fall muss ein Feststellungsverfahren eingeleitet werden, dass das Ziel hat, den sonderpädagogischen Förderbedarf "Hören" festzustellen.
Momo hat geschrieben:Sicher wird eine Schule nicht einfach auf Anfrage einer Mutter einer Beschulung zustimmen, sondern das Verfahren abwarten. Es bringt nichts "wild" an irgendwelchen Schulen anzufragen, denn keine wird dem so ohne weiteres zustimmen.
Das ist auch so korrekt. Die Schulen können aber ihre Bereitschaft signalisieren, das Kind aufzunehmen, sofern ein entsprechender Förderbedarf festgestellt wird. Und wenn die SH-Schule, die das Feststellungsverfahren dann ja auch tatsächlich durchführt, schon annehmen kann, dass sie das "ungewollte Kind" nicht aufnehmen muss, dann wird sie eher bereit sein, den Förderbedarf "Hören" festzustellen und nicht auf einen anderen Förderschwerpunkt "ausweichen". Insofern ist es schon sinnvoll, bei möglichen Schulen nachzufragen, ob sie ein
CI-versorgtes Kind aufnehmen wollen und sich zutrauen, es (natürlich mit Unterstützung der SH-Schule) zu fördern.
Natürlich wäre die Beschulung an der Gehörlosenschule wahrscheinlich die beste Lösung. Aber - wenn man das Optimum mit ziemlicher Wahscheinlichkeit nicht erzielen können wird, dann ist es doch nicht grundsätzlich falsch, die unter den gegebenen Bedingungen bestmögliche Lösung zu suchen - oder?
Viele Grüße