Dringende Fragen eines überrumpelten Vaters (nach Bera)

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allerschwer
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Dringende Fragen eines überrumpelten Vaters (nach Bera)

#1

Beitrag von allerschwer »

Hallo in die Runde,

tja... wir bekamen nach ersten auffälligen Tests gestern die BERA Ergebnisse unseres Sohnes Jonas (4Monate alt).
Mittelgradige hochtonbetonte SH bds.

Irgendwie ist es ein richtiger Schock für uns...aber da müssen wir alle als Familie wohl nun durch.

ein paar Fragen die mir grade unter den Nägeln brennen:

(Vorweg Werte für R und L: 40/50/50/70 L: 50/60/60/70, CLICK Werte bei 40 und 60))
Dazu eine Notitz: Aufgrund einer beginnenden Infektion und einer Untersuchung letzter Woche geht sie von 10-20 DB Schalleitungsanteil auf dem linken Ohr aus. Er bekommt nun Tropfen gegen die Infektion damit diese Abklingt,dann soll laut der Ärztin links es etwas besser aussehen.

1. Die wichtigste Frage überhaupt: Wird mein Kind normales Sprechen erlenen ?
Das ist meine absolute Hauptangst. Dass er mit uns und seiner Umwelt nicht normal hören wird (trotz HG)

2. Wie "sicher" ist so eine Bera in dem alter bzw auch mit einem beginnenden Infekt ?
Die Ärztin sagte es währe wohl "Innenohrbedingt" und würde sich somit nicht mehr ändern.

Ich könnte noch viel mehr fragen,aber das muss ich auch an anderer Stelle loswerden.
Da ich heute nicht beim Doc dabei sein konnte haben wir Dienstag nochmal einen Termin, da kann ich vieles loswerden.
Aber das musste vorab sein.

Danke im Voraus

Nachtrag:
Da ich beruflich in England bin und heute Abend aber zurückflige kommen meine Infos halt sehr selektiv nur per Telefon. Das schürt warscheinlich auch meine aktuelle Unsicherheit.

Angeblich liegen bei Jonas 2 Sachen vor... Ja, definitiv eine Schädigung des Innenohres.
Aber wohl auch ein kleiner Teil aufgrund von "Schallweiterleitungsproblemen".
Das kann sich aber noch "rauswachsen" laut Ärztin.

Durch "beginnende Infektion"...dann "kann sich teilweise" Rauswachsen hat man halt irgendwie so viele "unklare" Faktoren die einen Wahnsinnig machen.
Ich habe die ganze Nacht gelesen.
Mal bin ich sehr positiv gestimmt... Beispiele die ich lese sagen "ist halt wie eine Brille für die Ohren, da gewöhnt man sich im Alltag dran"...
Und dann lese ich wieder andere Berichte und es geht in die andere Richtung...
Zuletzt geändert von allerschwer am 4. Sep 2015, 08:24, insgesamt 1-mal geändert.
fast-foot
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Re: Dringende Fragen eines überrumpelten Vaters (nach Bera)

#2

Beitrag von fast-foot »

Hallo allerschwer,

herzlich willkommen!

Ich beantworte gleich ein paar Fragen.
allerschwer hat geschrieben:1. Die wichtigste Frage überhaupt: Wird mein Kind normales Sprechen erlenen ?
Das ist meine absolute Hauptangst. Dass er mit uns und seiner Umwelt nicht normal hören wird (trotz HG)
Auf Grund der Werte besteht kein Anlass, davon auszugehen, dass dies nicht geschehen wird.
allerschwer hat geschrieben:2. Wie "sicher" ist so eine Bera in dem alter bzw auch mit einem beginnenden Infekt ?
Die Ärztin sagte es währe wohl "Innenohrbedingt" und würde sich somit nicht mehr ändern.
Eine BERA kann bei einem Kind in diesem Alter völlig falsche Werte "liefern" (bzw. können die Potentialkurven falsch interpretiert werden). Nur schon durch das Alter bedingt liegen die Hörschwellen um vielleicht 25 dB über dem Normalwert.

Den Verlust durch den Infekt hat die Aerztin bereits beziffert - im Maximum sind so um die 30 dB möglich.

Ob die Ursache (je nachdem teilweise (siehe unten) oder vollständig) im Innenohr liegt, kann man nicht wissen (da die üblichen Messmathoden eine Differenzierung zwischen einer Ursache im Innenohr oder in den nachgeschalteten Hörbahnen (zumindest bis Hirnstamm) nur bis zu einem bestimmten Grad zulassen). Korrekterweise spricht man von sensorineural bedingtem Hörverlust. Ob dieser innenohrbedingt ist, ist demnach reine Spekulation (siehe unten, mit (I) marikierte Aussage).
allerschwer hat geschrieben:Ja, definitiv eine Schädigung des Innenohres.
Wurden denn TEOESs/DPOAEs durchgeführt? In Anbetracht der vermuteten Schallleitungskomponente, bedingt durch den beginnenden Infekt, wären die Resultate allerdings nur sehr bedingt in dem Sinne interpretierbar, dass eine Schädigung des Innenohrs vorliege (I).
allerschwer hat geschrieben:Angeblich liegen bei Jonas 2 Sachen vor... Ja, definitiv eine Schädigung des Innenohres.
Aber wohl auch ein kleiner Teil aufgrund von "Schallweiterleitungsproblemen".
Das kann sich aber noch "rauswachsen" laut Ärztin.
Eine Schädigung des Innenohres kann man wohl vermuten - allerdings ist es sehr gut möglich, dass bspw. die TEOAEs wegen der Schallleitungskomponente nicht auslösbar sind (insbesondere, da der Weg der ermittelten Schallsignale doppelt zurück gelegt wird).

Eine Schallleitungsproblematik kann sich in der Tat auflösen - jedoch auch eine Schallempfindungsschwerhörigkeit noch bessern (der innenohrbedingte Anteil zwar nicht - nur weiss man nicht, ob dieser überhaupt vorhanden ist) - wegen der Hörbahnreifung und der Ungenauigkeit der BERA.

Gruss fast-foot
allerschwer hat geschrieben:"ist halt wie eine Brille für die Ohren, da gewöhnt man sich im Alltag dran"...
Diesen Vergleich halte ich aus den verschiedensten Gründen für völlig unzutreffend, ich erwähne nur 3 davon:

1. Eine Brille korrigiert einen optischen Fehler (dies würde beim Gehör (ausschliesslich) einer Schallleitungskomponente entsprechen).

2. Ein Hörgerät kann bei Schallempfindungsschwerhörigkeiten in der Regel die Hörfähigkeit nicht ohne Verlust kompensieren (bei einer Brille dürfte dies zumindest in viel höherem Masse möglich sein).

3. Eine Brille bedeutet keine Mehrbelastung für das Auge.
Zuletzt geändert von fast-foot am 4. Sep 2015, 09:20, insgesamt 2-mal geändert.
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allerschwer
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Re: Dringende Fragen eines überrumpelten Vaters (nach Bera)

#3

Beitrag von allerschwer »

Danke für die schnelle Antwort.
Wenn ich gleich die Zeit finde kann ich die "Graphen" und den befund gern mal hochladen Vielleicht hilft das.

So wie ich sehe sind DPOAEs durchgeführt worden. Da finde ich wieder.

Also dass er "normal" sprechen lernen können wird hat die Ärztin so wie du auch gesagt.
Das ist schonmal für mich beruhigend.

Schade dass du den Vergleich mit der Brille widerlegen konntest...der hat noch etwas "Halt" gegeben.

Mir ist einfach nur eins wichtig: Jonas soll ein halbwegs normales Leben führen können. Mit Sprechen, Lachen, Schule und später auch ein Berufsleben
fast-foot
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Re: Dringende Fragen eines überrumpelten Vaters (nach Bera)

#4

Beitrag von fast-foot »

Nachtrag:
allerschwer hat geschrieben:Durch "beginnende Infektion"...dann "kann sich teilweise" Rauswachsen hat man halt irgendwie so viele "unklare" Faktoren die einen Wahnsinnig machen.
Dies lässt sich leider selbst dann kaum vermeiden, wenn es ältere Kinder oder Erwachsene betrifft. In der Regel geht es darum, Verdachtsdiagnosen zu erstellen und (zunächst auch in Betracht kommende) Diagnosen auszuschliessen. Vielfach kann man das Problem zwar eingrenzen, aber nicht genau definieren.
Bei Säuglingen kommen als erschwerende Faktoren die z.T. ungenauen Messmethoden, vielfach vorhandene Schallleitungsschwerhörigkeiten und der Umstand, dass sich die Hörbahnen erst entwickeln, hinzu.

Gruss fast-foot
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allerschwer
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Re: Dringende Fragen eines überrumpelten Vaters (nach Bera)

#5

Beitrag von allerschwer »

Also Hörbahnen gehören nicht zu Bereichen wie dem Innenohr und es kann sein dass diese sich bei ihm noch etwas Entwickeln müssen/können in Zukunft ?!

Will mir nichts Schönreden,will es nur verstehen
fast-foot
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Re: Dringende Fragen eines überrumpelten Vaters (nach Bera)

#6

Beitrag von fast-foot »

allerschwer hat geschrieben:Also Hörbahnen gehören nicht zu Bereichen wie dem Innenohr und es kann sein dass diese sich bei ihm noch etwas Entwickeln müssen/können in Zukunft ?!
Das Innenohr gehört nicht zu den retrocochleären Hörbahnen - diese entwickeln sich jedoch erst, was sich auch in den Messergebnissen einer BERA niederschlagen kann (es resultieren höhere Hörschwellen). Ausserdem sind die Hirnstammpotentiale schwach ausgeprägt - was dazu führen kann, dass Reaktionen auf Hörreize nicht erkannt werden.
allerschwer hat geschrieben:Mir ist einfach nur eins wichtig: Jonas soll ein halbwegs normales Leben führen können. Mit Sprechen, Lachen, Schule und später auch ein Berufsleben
Auf Grund der aktuellen Werte sieht es danach aus, als wäre dies möglich.

Gruss fast-foot
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otoplastik
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Re: Dringende Fragen eines überrumpelten Vaters (nach Bera)

#7

Beitrag von otoplastik »

Hallo allerschwer,
mein Sohn ist im Alter von 15 Monaten einseitig hochgradig schwerhörig geworden und auf der anderen Seite ertaubt.
Ich kenne viel Kinder, die im Säuglingsalter verschiedengradig schwerhörig oder taub diagnostiziert wurden. Die allermeisten haben relativ unkompliziert sprechen gelernt. Einige brauchten Logopädie.
Hören lernen die Kinder mit Geräten auch. Allerdings- und das ist das im Alltag für uns Auffälligste: Wenn es laut ist, verstehen sie weniger und es kostet große Anstrengung.
Der Vorteil der früh erkannten schwerhörigen Kinder ist groß, im Gegensatz zu früher, wo oft erst nach dem 2. Lebensjahr eine Hörgeräteversorgung erfolgte.
Allerdings hat man- und den Fall hatten wir gerade hier im Forum- auch immer wieder Kinder, die doch nicht oder weniger schwerhörig waren, als es zu Anfang schien.
Das Leben mit einem schwerhörigen Kind ist natürlich anders als mit "normalen" Kindern. Aber tatsächlich wächst man da rein und es wird irgendwann auch normal.
Mein Sohn empfindet sich als normal.
Er lacht viel, redet noch viel mehr, hat Freunde, spielt Fußball, macht Musik und hat-abgesehen von der "blöden Schule"- viel Spass am Leben.
Er geht auf eine Regelschule, die allerdings reformpädagogisch ist, und will Abitur machen. Er ist jetzt 16 Jahre. Auf der Seite, die noch hört, trägt er ein großes blau-transparentes Hörgerät mit einem hellblauen Teil und ein blaues Ohpassstück. Das CI, dass er seit knapp zwei Jahren hat, ist wirklich leuchtblau und sieht toll aus auf seinen dunklen Haaren. Die Geräte sind für ihn notwendig, das weiß er, aber er mag sie auch mit den bunten Farben.
Ich sehe schon, dass er in einigen Punkten anders ist als andere, aber er ist zufrieden damit. Und ich gehe davon aus, dass er damit gut durchs Leben kommt. Natürlich hat man als Eltern immer Sorge, dass etwas nicht gut laufen könnte.
Ich schicke Dir zwei Links über Videos per PN.
Liebe Grüße, Otoplastik
Otoplastik
Sohn, 17 Jahre, mit 14 Monaten Meningitis, seitdem re. hochgradig und links taub, rechts HG (Naida S IX UP), links CI seit 01/14 (Naida Q70), vorher links viele Jahre PhonakCros :)
Momo
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Re: Dringende Fragen eines überrumpelten Vaters (nach Bera)

#8

Beitrag von Momo »

Lieber allerschwer,
sicher können die meisten Eltern hier deine ganzen Sorgen und Unsicherheiten sehr gut verstehen. Schließlich ging es uns mal ähnlich…

Auch mein Sohn ist mittlerweile schon 14,5 Jahre alt. Ich würde ihn auch, wie ototplastik ihren Sohn, als ziemlich „normalen“ Teenager beschreiben. Seine Hörschädigung ist in unserem Alltag nur noch selten explizites Gesprächsthema, dennoch ist sie natürlich präsent. Aber nicht im Sinne einer Belastung, sondern sie gehört einfach zu ihm dazu und hat sicher auch Einfluss auf unsere Art der Kommunikation.

Bei dem Ausmaß der SH deines Sohnes gehe ich, wie die anderen auch, davon aus, dass er ziemlich normal sprechen lernen kann. Vielleicht braucht er z.B. logopädische Unterstützung, aber die Chancen stehen gut. Zusätzlich lässt der Bericht vermuten, dass die tatsächliche Hörfähigkeit noch besser ist, durch einen infektbedingten Schallleitungsanteil und der noch zu erwartenden Hörbahnreifung. Hinzu kommt die wirklich frühe Diagnose, im Vergleich zu noch vor einigen Jahren, und damit sehr gute Fördermaßnehmen und eine frühe hörtechnische Versorgung. Im weiteren Verlauf wird zunächst eine Versorgung mit Hörgeräten erfolgen. Zusätzlich hat euer Sohn einen Anspruch auf Frühförderung. Dazu solltet ihr Kontakt zur für euch zuständigen Schwerhörigenschule aufnehmen, an die meist Beratungsstellen angeschlossen sind, die alles weitere mit euch besprechen und veranlassen können. Hilfreich ist auch der Kontakt zu anderen betroffenen Eltern, da man so oft von „Insider-Tipps“ profitieren kann. Wo kommt ihr denn her?

Der Vergleich mit der Brille hinkt leider wirklich, da eine Innenohrschwerhörigkeit nie zu 100% ausgeglichen werden kann. Es ist immer mit einer erhöhten Anstrengung verbunden, insbesondere in Geräuschvoller Umgebung zuzuhören und zu verstehen. Aber auch dafür gibt es Hilfsmittel, z.B. für den Einsatz in der Schule. Dennoch ist man auf das Entgegenkommen und manchmal auch Rücksichtnahme des Gesprächspartners/ Lehrers usw. angewiesen. Manchmal muss man das auch einfordern. das erfordert einen selbstbewussten Umgang mit der Hörschädigung, sie anzunehmen, nicht zu verstecken und dazu zu stehen, dass man bestimmte Bedürfnisse hat und diese einzufordern. Und wir als Eltern haben die Aufgabe dafür zu sorgen, dass unsere Kinder selbstbewusst dazu stehen und das fängt damit an die SH zu akzeptieren, sie anzunehmen und sich nicht dafür zu schämen.

Mein Sohn geht ähnlich damit um wie der von otoplastik. Er zeigt sie die Hörgeräte bzw. sein Cochlea Implantat. Die Ohrstücke waren und sind schon immer auffällig farbig (ok er steht aktuell auf schwarz… ;-) ). Er weiß er braucht sie um zu verstehen, sie gehören zu ihm und er mag sie. Er hat Freunde, sowohl schwerhörige als guthörende, und führt ein „normales“ Leben. Seine Umwelt kennt und nimmt ihn so an wie er ist. Klar manchmal wird er angeguckt (ein CI in schwarz ist auf blond schon auffällig), aber bisher hatte er noch keine negativen Erlebnisse. Fragen beantwortet er mal mehr , mal weniger geduldig.

Es wird schon, das Chaos im Kopf lichtet sich und ihr werdet sehen irgendwann gehört die SH zum Alltag einfach dazu.

Liebe Grüße
Wiebke und Sohn (fast 21 Jahre) mit 1 HG und 1 CI
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