Schwerbehindertenausweis?

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axelsh
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Schwerbehindertenausweis?

#1

Beitrag von axelsh »

Hallo,

ich bin schon seit vielen Jahren hochgradig schwerhörig. Eine ebenfalls hochgradig schwerhörige Bekannte fragte mich jetzt, warum ich keinen Schwerbehinderten Ausweis habe.
Ich hatte mir eigentlich nie Gedanken darüber gemacht.

Macht die Beantragung eines solchen Ausweises Sinn und welcher Grad der Behinderung würde sich bei meinen aktuellen Werten ergeben?

Rechts:
0,5 kHz 60
1 kHz 60
2 kHz 70
4 kHz 70

Links:
0,5 kHz 60
1 kHz 60
2 kHz 85
4 kHz 80

Vielen Dank und viele Grüße
Axel
Hochgradig, an Taubheit grenzend, Schwerhörig
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svenyeng
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Re: Schwerbehindertenausweis?

#2

Beitrag von svenyeng »

Hallo!

Also an sich macht das immer Sinn.
Ich würde einfach den Antrag stellen und schauen was dabei raus kommt.

Vorteile:

- steuerliche Begünstigungen (je nach Behindertengrad, bei mir macht das 100 Euro im Monat aus.
- ermäßigte Eintritte bei Schwimmbädern, Museen usw.
- Kündigungsschutz, da behinderte Menschen nicht einfach so gekündigt werden können
- mehr Urlaub (5 Tage)

Gruß
sven
Tuchel48.1.1
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Re: Schwerbehindertenausweis?

#3

Beitrag von Tuchel48.1.1 »

Hallo, Exelsh, an sich bringt der Ausweis schon Vorteile bzw. Nachteilsausgleich, aber nicht nur: Immer noch werden einem Steine in den Weg gelegt, Geistig Behinderte dürfen nicht einmal wählen. Viele Hilfsmittel, die wir brauchen, müssen wir selber bezahlen, weil die KK zu geizig sind, die Hilfsmittel zu bezahlen. Für Hörgeräte gibt es auch nur einen Festbetrag, der nicht bei jedem reicht.
Arbeitgeber stellen am liebsten auch keine Schwerbehinderten ein (Vorurteile), lieber einen Afrikaner, den können die Firmen gleich wieder rauswerfen, wenn er nichts taugt.
Man weiß nicht, wieviele Schwerbehinderte in den Behinderten-Werkstätten arbeiten für ein Hungertaschengeld und müssen froh sein, daß sie da arbeiten dürfen, weil sie bei den Firmen nicht beschäftigt werden.
Man könnte ne Menge Beispiele vorbringen, aber das was ich jetzt schreibe, reicht sicher auch.
Du siehst: Der Ausweis bringt nicht nur Vorteile, er bringt auch Nachteile. Da kannst du dir überlegen, ob du ihn beantragen willst oder nicht.
Atticus
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Re: Schwerbehindertenausweis?

#4

Beitrag von Atticus »

Hallo
Selbst wenn man den Ausweis beantragt und bekommt ist man nicht dazu verpflichtet ihn auch zu benutzen oder vorzuzeigen. Man kann ihn so benutzen wie man es will. Niemand ist gezwungen das beim Arbeitgeber anzugeben. (Und ob nun mit oder ohne Ausweis, der Arbeitgeber wird auch ohne Ausweis sehen/merken ob einer schlecht sieht oder schlecht hört. Der eine trägt Brille der andere HG oder hört ganz einfach schlecht - dazu brauch der keinen Ausweis um das zu merken sondern nur seine eigenen Augen.) Auch den Nachteilsausgleich bei der Arbeit muss man nicht zwanghaft benutzen.
Man kann aber man muss nicht.
Da überwiegen die Vorteile doch schon, die kriegt man nämlich nur mit Ausweis und selbst da kann man wie gesagt selber entscheiden was man in Anspruch nimmt und was nicht.

Ich würde den Ausweis beantragen, es schadet nicht.
Zuletzt geändert von Atticus am 31. Aug 2017, 16:52, insgesamt 3-mal geändert.
Schwerhörig mit Autismus und Gendefekten
Crackliner
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Re: Schwerbehindertenausweis?

#5

Beitrag von Crackliner »

In meinem Arbeitsvertrag wurde nach Schwerbehinderung gefragt. War ich damals noch nicht. Jetzt ja.
Nur fantasielose flüchten in die Realität.
Franki
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Re: Schwerbehindertenausweis?

#6

Beitrag von Franki »

Hallo Axel,

ich kann Dir nur empfehlen , einen Ausweis zu beantragen. Nach GdB Rechner wenn ich das gerade richtig eingegeben habe , erhällst Du GdB 70, somit auf jeden Fall auch das Merkzeichen RF (dies bitte auf jeden Fall mit beantragen , wenn Du den Antrag einreichen solltest.)

Ich lese immer wieder, das von einem Ausweis auf Grund von Nachteilen abgeraten wird. Gerade in großen Betrieben wird auf die Besetzung der Pflichtarbeitsplätze geachtet und der Ausweis ist das , was er sein : ein Nachteilsausgleich. Davon abgesehen ist auch ein sbh Mitarbeiter nicht unkündbar, aber eben insbesondere hinsichtlich der krankheitsbedingten Auswirkungen geschützt. Sollte bei Dir im Unternehmen eine Schwerbehindertenvertretung gewählt sein, so wende Dich bitte einmal an diese Vertrauensperson. Dort wirst Du kompetent beraten werden rund um alle Fragen bezüglich des Ausweises.

Beste Grüße,
Franki
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Kaja
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Re: Schwerbehindertenausweis?

#7

Beitrag von Kaja »

Tuchel48.1.1 hat geschrieben:Geistig Behinderte dürfen nicht einmal wählen.
der Wahlausschluss resultiert nicht aus der (geistigen) Behinderung, sondern aus der Vollbetreuung

https://www.gesetze-im-internet.de/bwahlg/__13.html
Ausgeschlossen vom Wahlrecht ist, ... derjenige, für den zur Besorgung aller seiner Angelegenheiten ein Betreuer nicht nur durch einstweilige Anordnung bestellt ist;
Nicht jeder Inhaber eines SBA ist unter Betreuung (und die aller wenigsten unter "Voll"-Betreuung).
Tuchel48.1.1 hat geschrieben:Viele Hilfsmittel, die wir brauchen, müssen wir selber bezahlen, weil die KK zu geizig sind, die Hilfsmittel zu bezahlen. Für Hörgeräte gibt es auch nur einen Festbetrag, der nicht bei jedem reicht.
Hier gibt es keinen Zusammenhang mit der Feststellung der Schwerbehinderung. Die Festbeträge gelten grundsätzlich für alle (GKV-) Versicherte. Mit der Feststellung einer Schwerbehinderung (aber nicht zwingend) hat man eher Ansprüche auf höhere Zuschüsse oder zusätzliche Zahlungen aus der Eingliederungshilfe.
Crackliner hat geschrieben:In meinem Arbeitsvertrag wurde nach Schwerbehinderung gefragt.
Im Arbeitsvertrag? Oder ein Vorstellungsgespräch? Die Rechtsprechung hat sich in den letzten Jahren geändert. Jetzt darf man auch lügen, wenn man nach einer Schwerbehinderung gefragt wird - es sei denn, man kann wegen der gesundheitlichen Einschränkung die Tätigkeit nicht ausüben. Allerdings kann man dann auch nicht auf die Nachteilsausgleiche (Kündigungsschutz, zusätzlicher Urlaub) zurückgreifen.

Viele Grüße
Kaja mit Sohn (hochgradige Schwerhörigkeit bds.)
EinOhrHase
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Re: Schwerbehindertenausweis?

#8

Beitrag von EinOhrHase »

svenyeng hat geschrieben:
Vorteile:

- Kündigungsschutz, da behinderte Menschen nicht einfach so gekündigt werden können

Gruß
sven
Ein Schwerbehinderter ist nur besser geschützt bei einer Kündigung, kann genauso gekündigt werden wie jeder andere Arbeitnehmer.
Der Arbeitgeber hat nur mehrere Hürden zu überwinden, bis er einem Schwerbehinderten def. kündigen kann.

Wenn bestimmte Sachverhalte wie zB (nachgewiesener) Diebstahl vorliegen, kann auch einem Schwerbehinderten fristlos gekündigt werden, ohne dass das Integrationsamt durch den Arbeitgeber informiert werden muss........

Das rein zur Info bezüglich "Kündigungsshutz", der von vielen Schwerbehinderten (immer noch) falsch verstanden wird.....

Also, nix für ungut ;)
Wer nicht (gut) hören kann, sollte genauer hinsehen ;)
Körper(sprache) lügt niemals :!:

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axelsh
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Re: Schwerbehindertenausweis?

#9

Beitrag von axelsh »

Hallo Zusammen,

vielen Dank für Eure Antworten, ich werde einen Schwerbehindertenausweis beantragen, es kann ja nicht schaden..
Bin gespannt welchen Behinderungsgrad ich bekomme und wie lange es dauert.

Viele Grüße
Axel
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Re: Schwerbehindertenausweis?

#10

Beitrag von Kaja »

Hallo Axel,

wenn du bisher Steuern gezahlt und Einkommensteuererklärungen eingereicht hast, wäre es sinnvoll, die rückwirkende Feststellung der Schwerbehinderung zu beantragen, da der Schwerbehindertenpauschbetrag (auch bei bestandskräftigen Steuerbescheiden) vom Finanzamt innerhalb der vierjährigen Festsetzungsverjährung rückwirkend berücksichtigt werden muss.

Viele Grüße
Kaja mit Sohn (hochgradige Schwerhörigkeit bds.)
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