Hier meine Sichtweise:
Ich persönlich würde
Hörgeräte nach Möglichkeit selektiv tragen, die Verstärkung und insbesondere die Begrenzung tendentiell tief halten und Lärm nach Möglichkeit meiden.
Bezüglich Aussagen wie "wenn Sie wieder hören wollen, müssen Sie..." würde ich mir folgendes überlegen:
1. ist es gar nicht möglich, wieder so zu hören wie ein Normalhörender (was mir "wieder hören" wohl suggeriert werden soll).
2- wie stelle ich mir denn das Hören mit Hörgeräten vor? Will ich das, was mich nur stört und eigentlich gar nicht interessiert, jetzt viel zu laut hören müssen, oder will ich
3. in erster Linie gut verstehen? Wenn ja, würde ich mich fragen, woher der Akustiker denn wissen will, dass mit der Einstellung, bei welcher man vor allem das, was man gar nicht hören will, "viel zu laut mitbekommt", besser versteht.
Wenn er dies nämlich nicht durch Sprachtests nach jeder Aenderung verifiziert, bleibt es reine Spekulation. Also würde ich vor allem selbst beurteilen, wie sich das Verstehen insbesondere in schwierigen Situationen verändert und das Hörgerät gemäss der eigenen subjektiven Empfindung (gut verstehen in schwierigen Situationen, angenehmer Klang, möglichst keine STOERENDEN Nebengeräusche etc.) einstellen lassen. Der Akustiker hat sich danach zu richten (Stichwort "Akzeptanz").
4. ist es aus pathophysiologischer Sicht nicht gut, wenn hohe Lärmdosen an das Gehör abgegeben werden (I). Wenn der Akustiker das Gefühl hat, man verstehe wieder besser, wenn man nur mehr verstärke, wobei der Kunde das eigentlich nicht will, finde ich diese Vorgehensweise problematisch. Der Akustiker weiss nicht, bei welchen Frequenzen er wie viel mehr oder weniger verstärken, komprimieren etc. muss, damit sich das Sprachverstehen verbessert. Durch eine allmähliche Erhöhung der abgegebenen Lärmdosen werden jedoch (unbegründeterweise) die Unbehaglichkeitsschwellen nach oben verschoben, was die mit (I) bezeichnete Problematik verschärft.
Es gibt Hörgeräte, welche bspw. bei durch Störgeräusche in die Höhe getriebenen Eingangspegeln langfristig "den Gesamtpegel herunter regeln", um die Sprachanteile dynamisch gesehen im optimalen Bereich zu halten, was einerseits das Sprachverstehen verbessert, andererseits die Belastung für das Gehör reduziert. Auch kann eine geringe Kompression der Sprachanteile insbesondere bei stark Hörgeschädigten dafür sorgen, dass die zeitliche Information besser genutzt wird. Hierdurch kann mit der selben (oder gar einer geringeren) Lärmdosis ein besseres Sprachverstehen erzielt werden (bei entsprechender Einstellung).
Auch würde ich nicht eine möglichst frühe Versorgung anstreben, sondern zuwarten, insbesondere, wenn durch das Tragen ein nicht all zu hoher Gewinn an Sprachverstehen resultiert (heisst, man auch noch gut ohne auskommt - natürlich muss man hierbei berücksichtigen, dass sich ein möglichst optimales Sprachverstehen erst nach einer gewissen Zeit einstellt).
Ausserdem würde ich darauf auchten, den optimalen Zeitpunkt für eine
CI-Versorgung nicht zu verpassen, da möglicherweise durch ein "zu langes Tragen von Hörgeräten" das Sprachverstehen zu sehr geschädigt werden kann.
Zu weiteren Lösungsansätzen; Vorgehensweisen etc. möchte ich mich nicht äussern.
lazygirl hat geschrieben:welchen Vorschlag würdest Du denn anstelle der HG-Versorgung machen. Ich arbeite im Büro... Dauerkrankschreibung oder Rente???
Möglichwerweise wird Dein Arbeitsplatz durch das Tragen von Hörgeräten in einen Lärmarbeitsplatz verwandelt. Richtet man sich nach den in diesem Falle geltenden Vorschriften, ist ein entsprechendes Hörgerät zu tragen oder aber jedes andere Hörgerät entsprechend ein zu richten (Pegel auf 85 dB begrenzen - mittels in-Situ-Messung verifizieren).
Ist so kein ausreichend gutes Verstehen möglich, so stellt sich - nimmst Du/man Deine Gesundheit ernst* - wirklich die Frage nach einer Alternative.
Und wenn man sich nicht nach den oben erwähnten Vorschriften richtet (sondern so vorgeht, wie es üblich ist), wird der Mitarbeiter meiner Ansicht nach um seine Rechte betrogen.
Ich möchte dies mit einem anderen Beispiel vergleichen. Nehmen wir an, jemand schleife Turbinen, welche aus asbesthaltigem Material bestehen, wobei der hierbei entstehende Staub das Risiko für Lungenkrebs stark erhöhe. Gleichzeitig müsse er riechen können, damit er wisse, wann er (wegen der thermischen Belastung) eine Pause einlegen muss, weshalb die Verwendung von Atemschutzgeräten nicht möglich sei. Er fragt nun, was er tun solle. Geht es um den rein gesundheitlichen Aspekt, ist der Fall klar. Alles andere hat jedoch nichts mehr damit zu tun (bspw. kann er für seine Rechte als Arbeiter kämpfen); wenn er den Job behalten will, weil er auf das Einkommen angewiesen ist, ändert dies nichts an den beschriebenen Sachverhalten. Logischerweise gilt dies entsprechend auch für das Tragen von Hörgeräten.
*) bezüglich Gehör ist das Verhalten meiner Ansicht nach geradezu schizophren:
Jeder (auch Taube) soll möglichst gut hören, "alles" ist lautsprachlich orientiert. Wenn es jedoch um die Prävention von Gehörschäden geht bzw. um eine Versorgung, welche die Fähigkeit des Hörens möglichst nicht weiter vermindert, so kümmert man sich einen Deut um diese Fragen.
Gruss fast-foot