Gebärden/Lautsprache? Förderung in der Kita?

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Anosk
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Re: Gebärden/Lautsprache? Förderung in der Kita?

#76

Beitrag von Anosk »

Vielleicht komme ich noch einmal zum Ausgangspunkt dieses Threats zurück. Vor garnicht allzulanger Zeit stand ich vor der gleichen Entscheidung ob ich es richtig finde dass meine beiden Kinder mit Gebärdensprache anfangen. Einfache Alltagsgebärden haben wir von Anfang an intergiert (so wie es vielleicht jeder mit seinen Kindern unbewusst macht).
Anfangs bin ich davon ausgegangen - die Kinder sollen Lautsprache lernen- warum also Gebärdensprache?
Durch eine (für mich so empfundene, wahrscheinlich aber garnicht so gemeinte) provokante Aussage hier im Forum dass das Erlernen von Lautsprache ohne Gebärdensprache schwer möglich ist kam ich doch ins Nachdenken.

Dazu kam dass wir im Rehazentrum in Hannover einen (spät)CI-versorgten Jungen kennenlernten der sich schon sooo toll mit Gebärden mit seinen Eltern kommunizieren konnte. Soweit waren meine mit Lautsprache noch lange nicht! Diese Familie nahm mir auch den ersten Grund, es nicht zu tun: Mir war nie wirklich klar wie ich es zeitlich und finanziell leiten solle meinen Kindern das zu ermöglichen, denn ICH kann keine Gebärdensprache!

Gesagt getan, wir haben einen Heimgebärdenkurs im Landkreis beantragt und tatsächlich (urgs) nach einem halben Jahr bewilligt bekommen.

Und nun sind wir ungefähr seid einem halben Jahr dabei und ich finde es total spannend!

Den Kindern macht es rieisig Spaß, beide nehmen die Gebärden unterschiedlich an. Und sie bringt uns im Alltag schon gut weiter, mein Sohn hat über die Gebärden die Farben (auch in der Lautsprache gelernt!)

Meine Tochter liebt vor allem alle Tiergebärden, die sie IMMER lausprachlich begleitet.

Die Vermutung dass Kinder faul werden und keine Lautsprache mehr lernen wollen kann ich absolut nicht teilen.

Es ist eh vermessen zu glauben dass ich respektive die Lehrerin die zweimal die Woche kommt den Kindern die ganze Gebärdensprache beibringen kann.
Hier leben sie in einem hörenden und sprechendem Umfeld.
Und die paar Stunden sind viel zu wenig um es wirklich zu erlernen.

ABER

Wir haben eine Kommunikationsmöglichkeit wenn die Geräte mal ab sind.
Die Kinder haben einen Grundstock der DGS gelernt auf dem sie später (wenn sie wollen oder müssen oder was auch immer)aufbauen können.
Ich finde es toll Kontakt zu dem Gesellschaftskreis der DGS Sprechenden zu haben, das erweitert meinen Horizont und ich lerne viel für meine Kinder. Und sie ebenso! Denn ich glaube dass sie später sicher mehr Kontakt mit Tauben haben werden als es ein "Normalo" wahrscheinlich haben wird.

Ich persönlich mag so "Absolut" Aussagen so garnicht. Vor allem finde ich es furchtbar wenn Kindern zu Hause Gebärdenverbot erteilt wird...ohje...umso erstaunlicher dass sie es dann später in der Schule noch toll gelernt haben!
Also ich finde jeder sollte nach allen Seiten offen sein um zu gucken was für sein Kind das Beste ist.

Ich kann CI Gegner genauso wenig verstehen wir Leute die andere dazu zwingen wollen Kinder mit CI´s zu versorgen. Ich kann Gebärdengegner genauso wenig verstehen wir Menschen die meinen es ginge nicht ohne (dafür habe ich einfach schon zu viele Kinder/Teenies erlebt die toll ohne Gebärdensprache sprechen lernten).

Also ich würde der Threaterstellerin dazu raten dem Kind mehr Gebärden für den Alltag zu ermöglichen, und vielleicht kommt die Lautsprache dann nach? Die Eltern sind doch Muttersprachlich der Lautsprache mächtig, das wird das Kind also immer als Vorbild haben!

Ich wünsche dem Kind alles Gute und dass es eine Sprache sprechen lernt, mit dem es sich ausdrücken kann, natürlich wäre lautsprache toll, aber Gebärdensprache ist auch ein Weg!
Liebe Grüße Anne mit
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rabenschwinge
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Re: Gebärden/Lautsprache? Förderung in der Kita?

#77

Beitrag von rabenschwinge »

Anosk, das ist ein wunderschöner Beitrag, der alles umfasst, was ich sagen wollte und wofür mir die Worte fehlten. Hab Dank dafür!
EinOhrHase
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Re: Gebärden/Lautsprache? Förderung in der Kita?

#78

Beitrag von EinOhrHase »

Etwas vom Thema abschweifend, ergänze ich noch meine eigene Erfahrung diesbezüglich:
Da ich eine "gesonderte" Ausbildung mit Gehörlosen absolvieren durfte, kam ich auch gezwungenermaßen in den Gebrauch der Gebärdensprache. Nicht perfekt, aber doch gut genug, um mich mit Kollegen unterhalten zu können (ohne Lehrer oä gelernt).
Da mein Gehör zwischenzeitlich langsam aber sicher (weiter) nachlässt, bin ich im Grunde froh darüber, die Gebärdensprache erlernt zu haben - sollte ich diese den Umständen entsprechend brauchen (müssen).

Grundsätzlich würde ich sagen:
Es ist kein Fehler, den (Klein-)Kindern DGS beizubringen, egal ob erkennbare Schwerhörigkeit oder nicht - wer weiss, vielleicht brauchen sie es eines Tages. Wenn nicht - ist es dann schlimm ?

Finanziell / zeitlich gesehn ist das sicher ein Faktor, der "unnötig" vorkommt, wenn man "andere Sorgen" hat. Lernen kann nie früh genug beginnen..........

Von meiner Seite aus würde ich es empfehlen...... egal ob Lautsprachgebärden (oder wie sich das nennt) oder DGS.
Wie Anosk es ja schon schrieb, sind da Kinder ganz begeistert - vielleicht nicht alle, aber doch einige :) :)

Gruss
Zuletzt geändert von EinOhrHase am 11. Feb 2018, 19:51, insgesamt 1-mal geändert.
Wer nicht (gut) hören kann, sollte genauer hinsehen ;)
Körper(sprache) lügt niemals :!:

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uninteressant
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Re: Gebärden/Lautsprache? Förderung in der Kita?

#79

Beitrag von uninteressant »

Jo,

dann bringen wir ihnen noch Waffenkunde bei, Feuermachen, Survivaltraining, Autofahren vor 18 etc. Wir wissen ja nie was alles passieren könnte und das Kind sollte bestmöglich vorbereitet werden....

Das ist jetzt reichlich sarkastisch, weil man kann nicht dem Kind für jede Eventualität etwas beibringen.
Anosk
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Re: Gebärden/Lautsprache? Förderung in der Kita?

#80

Beitrag von Anosk »

Das finde ich tatsächlich reichlich übertrieben. Ich kenne zwei junge Menschen die sich im Jungerwachsenenalter gegen ihre Hörgeräte bzw. CI´s entschieden haben, natürlich können Sie auch sprechen aber halt auch Gebärdensprache.

Und ich erlebe es doch im Alltag, es ist so toll wenn ich direkt nach dem Aufstehen, auf dem Wickeltisch, in der Badewanne mit den beiden auch ohne ihre Geräte kommunizieren kann.

Wo fehlt dir da der Alltagsbezug zur Gebärdensprache? Wir brauchen im Alltag eher keine Waffenkunde...zumindest nicht in unserem Alltag mit zwei faktisch tauben Kindern!
Liebe Grüße Anne mit
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uninteressant
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Re: Gebärden/Lautsprache? Förderung in der Kita?

#81

Beitrag von uninteressant »

Anosk,

solche Sätze lösen bei mir Kopfschütteln aus. Den Gehörlosen spreche ich ja nicht die DGS ab, aber dieser Satz ist einfach nur ....
Es ist kein Fehler, den (Klein-)Kindern DGS beizubringen, egal ob erkennbare Schwerhörigkeit oder nicht - wer weiss, vielleicht brauchen sie es eines Tages. Wenn nicht - ist es dann schlimm ?
Im normalen Alltag brauchen wir (bis mittelgradig Schwerhörige) keine DGS (ohne Gehörlosenbezug im Leben).
Zuletzt geändert von uninteressant am 12. Feb 2018, 09:21, insgesamt 2-mal geändert.
Anosk
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Re: Gebärden/Lautsprache? Förderung in der Kita?

#82

Beitrag von Anosk »

Warum?
Ein Fehler ist es doch tatsächlich nicht?! Das ist für mich die Hauptaussage dieses Satzes. Es gibt mittlerweile sogar eine bewegung die nennt sich Babysigns oder so, die setzt tatsächlich bei ganz normal-hörenden Babys und Kleinkindern mit Gebärden an, und diese Kinder (scheinen -ob es konkrete Studien gibt weiss ich nicht) früher in die Kommunikation zu kommen als andere Kinder. Und diese Kinder sind dann später auch nicht zu faul die Lautsprache zu erwerben.

Es geht hier vornehmlich darum die Gebärden als Unterstützung wahrzunehmen.

Selbst wenn das Kind um das es in diesem Threat geht nicht taub ist sondern "nur" schwerhörig so scheint es ja doch (noch) Probleme mit der Lautsprache zu haben.

Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich berichten wie unzufrieden mein Sohn war als er sich (egal ob Laut oder Gebärdensprachlich) noch nicht richtig ausdrücken konnte. Er wollte verstanden werden und konnte es nicht. Und ich glaube das ist für einen 4,5 jähriges Kind sicher noch ärger als für meinen damals 1,5 Jährigen...

Deswegen fände ich es furchtbar diesem Kind die Möglichkeit der Kommunikation nicht geben zu wollen die ihm scheinbar (zur Zeit) mehr liegt. Die Erfolgserlebnisse die er dann mit Gebärden hat kann er doch dann schön auf die Lautsprache ableiten. Das ist natürlich Aufgabe der Eltern etc., aber welche Eltern würden die Lautsprache vernachlässigen die sie selber sprechen nur weil das Kind sich vielleicht leichter mit Gebärden tut?

Und auch wenn ich das dem Kind (was hier ja mittelgradig schwerhörig ist) ganz sicher nicht wünsche - es gibt viele Fälle wo das Hören im laufe der Zeit schlechter wird. Dann haben wir es vielleicht auf einmal mit einem tauben Kind zu tun. Und schadet es dann schonmal ein bischen DGS zu können?

Ich finde es schwierig zu sagen "WIR" brauchen keine Gebärden im Alltag. Das mag für dich und vielleicht auch viele anderen bis mittelgradig schwerhörigen zutreffen, und das ist auch vollkommen in Ordnung so.

Nur in diesem speziellen Fall glaube ich dass es dem Kind helfen kann.
Zuletzt geändert von Anosk am 12. Feb 2018, 14:38, insgesamt 1-mal geändert.
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uninteressant
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Re: Gebärden/Lautsprache? Förderung in der Kita?

#83

Beitrag von uninteressant »

Mit WIR habe ich das genaustens spezifiziert und du hast mir zugestimmt, danke. Dem Rest habe ich die DGS nicht abgesprochen.

Babysigns geht in eine völlig andere Richtung. Hier gehts um Bedürfnisäusserung vor Lautsprachlicher Entwicklung bei normalhörenden Kindern. Wenn mir jetzt jemand mit Tierzeichensprache ankommt - ja, auch das geht in eine andere Richtung. Grad im Trailer vom Film RAMPAGE übrigens zu sehen. Auf den ich mich übrigens freue.

Des weiteren, an die Grenze zu stossen ist für ein 4-5Jähriges Kind völlig normal, der eine ist sprachlich langsamer, der andere motorisch. Der Frust daraus ist auch Teil der Persönlichkeitsentwicklung, der uns zu neuen Höchstleistungen anspornt.

Jeder kann es mit seinem Kind machen wie er will. Mir ist es am Ende absolut gleichgültig, wirklich. Bis zu dem Punkt, an dem Forderungen nach DGS als Pflichtfach für Schulen gestellt werden. Da kann ich wirklich nur den Kopf schütteln, aber im Prinzip ist mir auch das egal weil ich noch ein klein wenig an die Vernunft des Bildungssystemes glaube, solchen Forderungen nicht stattzugeben.
rabenschwinge
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Re: Gebärden/Lautsprache? Förderung in der Kita?

#84

Beitrag von rabenschwinge »

hmm, uninteressant, ich bin ( noch ) mittelgradig schwerhörig und wäre froh, wenn ich DGS könnte.

Und ganz ehrlich? Einen Bezug zu Gehörlosen bekommt man ganz schnell. Auf dem Amt bspw aber auch beim Arzt, im Rettung- sowie Polizeidienst, im KH, im Einzelhandel etc.pp.
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Re: Gebärden/Lautsprache? Förderung in der Kita?

#85

Beitrag von uninteressant »

rabenschwinge hat geschrieben:hmm, uninteressant, ich bin ( noch ) mittelgradig schwerhörig und wäre froh, wenn ich DGS könnte.
Dann lerne es doch?

Jo, und was ist mit ganzen anderen Behinderungsgruppen? Auf derartig viele Fassetten kannst du gar nicht adäquat vorbereitet sein.
rabenschwinge
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Re: Gebärden/Lautsprache? Förderung in der Kita?

#86

Beitrag von rabenschwinge »

uninteressant schau Dich mal ganz in Ruhe um und sieh mal, wo wir was schon wie auf andere Behindertenbereiche angepaßt haben und anpassen.

Und wo sich überall schon Widerspruch regt und der Ruf nach Barrierefreiheit und Inklusion laut wird.

Du sagst, dann lern es doch. Joah, Katja und ich hatten dazu schon ein Gespräch und geschaut. VHS wäre für mich das vernünftigste und diese Kurse sind auf lange Sicht ausgebucht, kleine Gesprächskreise selten.

Und es ist nicht mal eben so finanziert. Ist also auch ein nicht ganz kleiner Kostenfaktor.
Anosk
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Re: Gebärden/Lautsprache? Förderung in der Kita?

#87

Beitrag von Anosk »

Nur kurz am Rande...was meinst du was unsere ersten Gebärden waren? Natürlich um Bedürfnisse zu Äussern...Trinken, Essen, Schlafen,...
Ich habe das Buch da, und da geht es um weit mehr als nur Bedürfnisse zu äußern :o)

Aber jeder kann seine eigene Meinung dazu haben.

Ich wünsche dem Kind aus diesem Threat nur dass es lernt zu kommunizieren, und wenn es erstmal auf dem Weg der Gebärde ist es das auch ok.
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Re: Gebärden/Lautsprache? Förderung in der Kita?

#88

Beitrag von EinOhrHase »

"Abschliessend" bleibt mir zu sagen:

In anderen Länder (Schweiz und / oder Schweden) wird das in einigen Kitas bereits so gehandhabt, während wir in Deutschland immer noch diskutieren.......

Macht es einfach und gut ist....... ob die Kinder das später weiter verwenden wollen oder müssen, soll dann gemeinsam mit den Eltern entschieden werden, wenn sie nicht "schon" im entsprechenden Alter sind wo sie das Für und Wieder selber abwägen können.......

Kopfschütteln muss ich eher über die Sachverhalte, wenn Gegenargumente kommen, obwohl mans noch nicht / nie ausprobiert hat.

"Probieren geht über Studieren"

Gruss
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