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Re: Technologischer "Genozid" an Gehörlosen?

Verfasst: 25. Aug 2013, 23:07
von fast-foot
Hallo Voyagefromsilence,
Voyagefromsilence hat geschrieben:@fast-foot : Ich habe in der CI Klinik sehr klar aufgezeigt bekommen, was möglich ist und was nicht. Fakt ist, dass man immer noch eine Hörbehinderung hat. Auch dann wenn man den Prozessor ablegt. Das ist etwas, was immer bleiben wird. Von Schönfärberei habe ich nichts erlebt.
Hat man Dir gesagt, dass es sein könnte, dass Du eventuell nur sehr wenig oder gar nichts verstehen würdest etc. ?

Und falls Du im Vorfeld angemessen informiert worden warst: Schliesst Du hieraus, dass dies für alle CI-implantierenden Klinken gilt?
Voyagefromsilence hat geschrieben:Wieso sollten sich die User mal nicht einigen können ? Vielleicht könnten wir zusammen so einen Weg für die Kinder finden ?
Das macht doch überhaupt keinen Sinn. Jeder soll doch seine eigene Meinung haben, und die Eltern werden für ihr Kind sorgen, so gut sie können und wie sie es für richtig befinden (egal, was sie nun entscheiden etc.).

Ich kann nur versuchen, für den individuellen "Fall" spezifische Informationen von möglichst hoher Qualität anzubieten.

Gruss fast-foot

Re: Technologischer "Genozid" an Gehörlosen?

Verfasst: 26. Aug 2013, 00:24
von Voyagefromsilence
Mir wurde klar gesagt, was möglich sein könnte, auch das, dass ich vielleicht sehr wenig, oder gar nichts verstehen könnte. Sie haben mir die Möglichkeiten genau geschildert. Auch eventuelle Risiken wurden mir sehr klar aufgezeigt. Von Schönfärberei war da nichts. Es war auch klar, dass nicht jeder etwas verstehen kann.Ich wurde also sehr gut über die Folgen, mögliche Gefahren, und mögliche Situationen die eintreten könnten informieren. Und keins von den möglichen Szenarien sind eingetreten, bis auf diese eine : Ich höre mit dem Cochlear-Implantat gut. Gut hören ist aber relativ. Für mich heisst Gut hören so wie zu Hörgerätezeiten - vor meiner Ertaubung. Ich konnte telefonieren, und hatte das, was man ein offenes Sprachverstehen nennt. Heute habe ich offenes Sprachverstehen, am Telefon verstehe ich meine Familie und Freunde, bei Fremden wird es schwierig, und ist je nach Sprecher mal einfach, mal schwierig. Namen sind auch so ein Punkt, wo es schwierig werden kann am Telefon. Am Fernsehen selbst verstehe ich die Leute, wenn sie Hochdeutsch sprechen, aber wenn sie Dialekt reden, dann verstehe ich sie nicht mehr gut.

Das Fazit, das ich ziehe aufgrund meiner Erfahrung mit dem CI : Es war eine sehr gute Entscheidung. Und : Da ich damals auf beiden Ohren nach Hörsturz ertaubt bin, war es für mich genau die Möglichkeit die mir blieb. Gebärdensprache konnte ich schon. Aber : Ich wäre nur noch in der Welt der Gehörlosen geblieben. Zwar eine schöne Welt. Doch : Es gibt auch meine Familie, meine Freunde. Und etwas was mir besonders wichtig war : Die Musik.
Und mich störte die Abhängigkeit von Dolmetschern, von Diensten wie Procom, Telesign etc.. Mir war auch klar, dass die Hörenden das nicht unbedingt akzeptieren würden. Es war für beide Seiten schwierig. Ich hätte vielleicht auch sagen können : Ok, ich bleibe taub und fertig. Der Methodenstreit war einer der Gründe, weshalb ich das CI genommen hatte.. Immer die Befürworter, pro Lautsprache, pro Gebärden.. Und dazwischen meine Eltern. Die hätten niemals die Gebärdensprache akzeptiert, um es mir leichter zu machen. Meine Eltern standen auf dem Standpunkt : Pro Lautsprache.
Deshalb bin ich persönlich auf diesem Standpunkt : Beides ist gleichwertig. Ich kann das so für mich nicht akzeptieren, dass man auf dem Rücken der Kinder damit herumstreitet. Ich bin ich, und ich lebe in beiden Welten. Und wer mich so nicht akzeptieren kann, wie ich bin mit CI, mit meiner Art von Hörbehinderung, tja, dann ist das nicht mehr mein Problem. Dass es aber Gehörlose gibt, die mich damit nicht akzeptieren können, das finde ich nicht ok. Es ist ein Gerät, eben wie das Hörgerät. Und wie beim Hörgerät auch kann man nicht sagen, ob es Erfolg bringt. Ich hatte da nicht viel zu verlieren. Wenn es nicht geklappt hätte, hätte ich gesagt : Ok, nun ist klar, dass das nicht geht. Also auch kein Grund ein Drama daraus zu machen.

Die Zeit bis zu der Entscheidung war eine schwierige, denn ich prüfte verschiedene Möglichkeiten, dachte darüber nach, informierte mich, las ziemlich viel darüber, auch über die Misserfolge. Diese Entscheidung kann man niemandem abnehmen. Sie geht langsam vor sich hin, alles formt sich. Dazu kommt auch das Erleben der Stille, die Welt in Stille. Ich wusste dass ich das auch konnte. Aber wenn es da noch etwas gibt, was einem diesen Weg mies macht, dann ist es das : der Tinnitus. Er war einer der Gründe dafür.
Heute hat sich der Tinnitus so eingestellt, dass es akzeptabel ist, und mich nicht mehr stört. Die Frage nach Alternativen ? Ja, die habe ich auch ausgetestet. Yoga, progressive Muskelrelaxation nach Dr.Jacobs.. Zahnart, Orthopäde.. eine ganze Menge habe ich deswegen unternommen. Tinnitusmasker kann man bei beidseitiger Taubheit leider auch gar nicht nutzen.

Zu der Frage, ob ich daraus schlösse, dass das für alle CI implantierenden Kliniken gilt : Nein. Ich denke, dass in der Hinsicht mich meine CI-Klinik sehr gut informiert hat. Was dort ist, muss nicht auch zwangsläufig bedeuten, dass andere Kliniken ähnlich gut informieren. Aber ich finde, dass so etwas Standard sein muss. Und das finde ich wichtig.

Warum es wichtig ist, dass man sich einig ist : Wenn das in ein Gesetz gegossen ist, kann man einfacher darauf bestehen, dass der Dolmi für das Kind bezahlt werden muss von Krankenkasse, Invalidenversicherung.. oder sonstigen Trägern. Denn : Hören ist relativ individuell . Es kann auch sein, dass ein CI-Träger nicht so gut hört mit dem CI. Was dann ? Da hilft es auch nicht, wenn man demjenigen einen DGS-Dolmi, Schriftdolmi, oder FM-Anlage verweigert..nur weil dieser ein CI trägt. Ein CI, und das sage ich nochmal ganz klar : Es macht einen nicht automatisch zu einem der gut hört. Wenn man sich gegenseitig mehr hilft, und sich verbündet, dann hat man mehr Macht. Und mehr Macht bedeutet, dass die diversen Interessen gut vertreten werden. Hörbehinderung ist eben nicht einheitlich. Den typischen Gehörlosen, oder den typischen Schwerhörigen ..bzw. CI-Träger gibt es nicht.
Sondern eine Hörbehinderung ist in vielen Schattierungen vorhanden. Und ich möchte dass es für den einzelnen leichter wird, genau das zu bekommen, was er bzw. sie braucht. Aus genau diesem Grund soll man sich organisieren.

Re: Technologischer "Genozid" an Gehörlosen?

Verfasst: 26. Aug 2013, 07:36
von Momo
Warum ist es eigentlich nicht möglich -und das gilt für beide Seiten: CI
-Verfechter/ Befürworter und CI Gegner/ Kritiker- die Entscheidungen von Eltern für ihre Kinder zu akzeptieren, egal wie diese ausfällt. Ich bin davon überzeugt, dass die meisten Eltern für ihre Entscheidung gute Gründe haben und das Beste für ihr jeweiliges Kind wollen.
Meiner Meinung nach gibt es natürlich auch überall "Idioten", aber ist es nicht genauso verantwortungslos sein Kind implantieren zu lassen und dann nicht zu fördern, wie es nicht implantieren zu lassen und nicht zu fördern?
Ich glaube Verantwortungsbewusstsein ist mehr als die Entscheidung CI
ja oder nein. Vielmehr ist es zu dem zu stehen, was man für sein Kind entschieden hat und es dann entsprechend zu begleiten, unterstützen und zu fördern!
Leider aber rauben diese ständigen Anfeindungen vielen Eltern ganz viel Kraft, die sie dann nicht mehr zur Verfügung haben.
D.h. konkret, wenn wir wirklich etwas für gehörlose Kinder, ob mit oder ohne CI, tun wollen, dann sollten wir mal anfangen toleranter zu sein und die Entscheidungen anderer zu respektieren. Es sollten entsprechende Förderangebote geschaffen werden, so dass Eltern nicht in eine Richtung gedrängt werden durch einseitige Angebote. Leider sind wir davon (und damit auch von wirklich gelebter Inklusion) in Deutschland noch weit entfernt. Und das gegenseitige „Zerfleischen“ Betroffener trägt nicht dazu bei, dass die Nicht-Betroffenen uns respektieren und selber Toleranz ausüben….

Re: Technologischer "Genozid" an Gehörlosen?

Verfasst: 26. Aug 2013, 11:01
von Voyagefromsilence
Momo, so denke ich auch. Toleranz finde ich wichtig. Es ist doch egal, ob ein Kind Hörgeräte, CI oder sonst was hat. Es geht eher darum zu respektieren, was jemand ist. Dass Eltern aber in eine Richtung gedrängt werden, ist häufig zu beobachten. Und das ist das traurige daran. Denn die Eltern brauchen auch viel Kraft, um so vieles zu verarbeiten.. für diese ist es ein Schock, dass das Kind gehörlos ist. Wir könnten aber alle gemeinsam ihnen helfen. Und nicht einfach nur da stehen und sagen : dies ist schlecht, dies ist gut. Damit ist keinem geholfen. Aber neutral und sachlich sagen, was es gibt. Möglichkeiten aufzeigen, und dann die Eltern unterstützen. Aber auch das Kind. Denn es ist das Kind, das damit leben muss. So wie es aktuell ist, ist es überhaupt nicht gut. CI-Befürworter und Ci-Gegner streiten miteinander. Das bindet Kräfte, und zwar auf Kosten der Betroffenen, also den Kindern. Ich wünsche mir, dass damit mal endlich aufgehört wird, und die Kräfte sinnvoll gebündelt werden.
Denn wenn man nicht zusammensteht, dann haben es Krankenkassen und andere leichter uns hinzuhalten. Viele Probleme mit Krankenkassen wären nicht, wenn man zusammenhalten würden. Mit dieser Macht die wir zusammen alle darstellen, könnten wir viel mehr bewirken für die Kinder. Und so ist es auch möglich, dass auch Kinder sich wohler fühlen mit ihrer Hörbehinderung, egal welche Schattierung.

Re: Technologischer "Genozid" an Gehörlosen?

Verfasst: 26. Aug 2013, 12:58
von Irina Haun
Danke das ist auch meine meinung

Re: Technologischer "Genozid" an Gehörlosen?

Verfasst: 26. Aug 2013, 22:31
von smallhexi79
Man darf auch nicht vergessen, dass die ersten Gehörlosen mit HG versorgt wurden. Bei den Gehörlosen war noch ein kleines minimales Restgehör vorhanden. Ich kannte viele Gehörlose, die mit HG versorg worden sind, leider habe ich kein Kontakt zu den GL.

Ich habe in Youtube ein Doku-Film gesehen, dass ein Mädchen (Vorschulalter) ein CI erhalten hat. Das war Anfang der 80er Jahre im Amerika. Leider ist der Doku-Film auf Englisch und das UT auch.

Was ist aus der jungen Dame geworden? Leider hört man von ihr nicht mehr.

mehr zu diesem link aus den 80er Jahren. Es handelt sich um die vor und nach der CI -OP und die Klinik.

http://www.youtube.com/watch?v=dWJNXEeE0Vw

http://www.youtube.com/watch?v=bUJoUiPWYrA

Re: Technologischer "Genozid" an Gehörlosen?

Verfasst: 27. Aug 2013, 15:24
von fast-foot
Also, hier waren gewisse Leute schockiert über den respektlosen Umgang in diesem Forum. Mir ist mitunter nicht ganz klar, auf welche Aeusserungen sich diese Unmutsbekundungen beziehen.

Ich stelle ein paar Statements ein:

- Die ungebildeten GL verweigern den Kindern das CI.

- Ich verstehe sehr wohl die Zurückhaltung gl Eltern gegenüber CI; die entsprechende Zurückhaltung hörender Eltern nachzuvollziehen, fällt mir schwer.

- Was ist denn ein guter Grund seine Kinder nicht implantieren zu lassen?

- Nur wenn einem Kind das CI verweigert wird (weil die Eltern eben meinen es sei ein "Recht"), verliert es einfach den Anschluss an die "normale" Gesellschaft bzw. wird den Anschluss einfach nicht finden.

- Eigentlich ist es doch kein Recht zum Verweigern der Eltern [gemeint ist das CI], sondern die Pflicht die bestmöglichste Versorgung für mein Kind zu verlangen, durchzusetzen und zu fördern.

- Ich sage nur das Eltern die ihren Kindern die bestmöglichste technische Versorgung (unabhängig davon was dann möglich ist) verwehren, etwas falsch machen.

- Ich kann verstehen das gehörlose eltern angst haben ihr kind zu an die hörende Welt zu"verlieren" aber man sollte es seinem kind nicht schwerer machen als nötig.
Sicher ist ein Ci kein wundermittel, aber eine Chance.

Meine Frage (an die gerichtet, welche sich an dem respektlosen Umgang stören):

Haben Euch solche Aeusserungen (welche genau) gestört?

Wenn ja, weshalb?

Wenn nein*, welche dann? *) optional: Warum nicht?

Weshalb?

Vielen Dank.

Gruss fast-foot

Re: Technologischer "Genozid" an Gehörlosen?

Verfasst: 8. Sep 2013, 20:36
von smallhexi79
Hallo,

Um 22:20 Uhr kommt bei Spiegel TV Magazin auf RTL ein Bericht über CI.

das ist nur eine Info.

Re: Technologischer "Genozid" an Gehörlosen?

Verfasst: 8. Sep 2013, 20:54
von smallhexi79
Nachtrag.

ich wollte kein extra Thema aufmachen.
Falls doch das Thema von Spiegel TV Magazin hier geschrieben wird. Dann wäre es besser ein neues Thema zu erstellen. ;)

Re: Technologischer "Genozid" an Gehörlosen?

Verfasst: 9. Sep 2013, 00:26
von smallhexi79
Sorry, dass ich vergessen habe, wann der Bericht kam. Leider finde ich hier im Internet keinen Bericht von Spiegel TV Magazin.

Ich habe den Bericht vor Stunden gesehen. Für die Betroffenen war der Bericht nicht untertitelt gewesen. RTL hat bei diesem Thema am Untertitel gespart und hat es ohne UT gezeigt. Das war sicher für viele Hörgeschädigte ärgerlich gewesen.

Re: Technologischer "Genozid" an Gehörlosen?

Verfasst: 9. Sep 2013, 00:41
von Maximilian
Um was ging es denn genau? Gibt es ein Video davon?

Re: Technologischer "Genozid" an Gehörlosen?

Verfasst: 9. Sep 2013, 08:28
von franzi
http://rtl-now.rtl.de/spiegel-tv/thema- ... 1&season=0

da musst man etwas suchen, also den beitrag. Es wird eine kind bei der OP gezeigt, und diese Kind dann bei der EA. Eine SChülerin die auf der einen seite NH und auf der anderen taub ist wird auch noch gezeigt bei der EA.

Re: Technologischer "Genozid" an Gehörlosen?

Verfasst: 9. Sep 2013, 08:31
von smallhexi79
hallo Maximilian,

es waren nur zwei CI-Patienten zusehen. Eine junge Dame (noch Schülerin) und ein Kleinkind. Bei der Dame wurde die Anpassung gemacht und bei den Jungen der Weg zum und nach dem CI.

Leider suche ich vergeben nach dem Video. Die Internetseite von Spiegel TV Magazin finde ich etwas unübersichtlich.

Re: Technologischer "Genozid" an Gehörlosen?

Verfasst: 9. Sep 2013, 08:42
von franzi
den link den ich gepostet habe da ist das Video drauf. Es geht bei 4:50min los.