Eingliederungshilfe im Kindergarten

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rhae
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Eingliederungshilfe im Kindergarten

#1

Beitrag von rhae »

Hallo,

wir haben mal wieder bzw. immer noch Probleme mit dem Kindergarten unserer Marlene. Seit 1.9. geht sie endlich in den Kiga, in den schon länger auch ihr Bruder geht, nur die Gruppe ist eine andere. Mittlerweile geht sie auch recht gerne hin und hat sich, wie ich finde, recht gut eingelebt.

Der einzige Unterschied zu den übrigen Kindern ist jedoch, dass sie nur morgens bis 10:30 Uhr bleiben darf, Mittags darf sie überhaupt nicht kommen! Begründet wird das von der Kiga-Leiterin damit, dass mittags nur eine Erzieherin in der Gruppe ist, die sich somit nicht mit Marlene beschäftigen kann und sie hätten Angst, dass Marlene für die Erzieherin zuviel Zeit beansprucht. Morgens ist ab 11 Uhr der "Stuhlkreis", bei dem Marlene auch nicht dabei sein soll, weil sie vermutlich stören würde, bzw. nicht alles versteht. Das Ganze haben wir sogar schriftlich wie in diesem Schreiben zu sehen ist!

Die Leiterin hat deshalb schon einige Male nach der (vor ca. 4 Wochen) beantragten Eingliederungshilfe gefragt, denn mit diesem Geld (ca. 460 EUR) möchte sie eine Hilfskraft einstellen, die Marlene speziell beaufsichtigen soll und ohne diese Hilfe bzw. dem Geld bleibt es weiterhin bei den gekürzten Kiga-Zeiten. Eigentlich hatten wir erwartet die Eingliederungshilfe nach dem Attest der Kinderärztin und einem Schreiben der Frühförderstelle recht schnell genehmigt zu bekommen, doch nach ettlichen Telefonaten mit den Behörden in Stadt und Kreis heist es jetzt, dass wir noch einen "Sozialhilfeantrag" stellen sollen, damit die Eingliederungshilfe gewährt werden kann. - Und jetzt platzt mir langsam der Kragen, denn Sozialhilfe werden wir wohl nie genehmigt bekommen (falls ich da nicht langsam mit den Begriffen durcheinander gekommen bin) und die 460 EUR aus eigener Tasche zu bezahlen sehe ich auch nicht ein!

Hat jemand von Euch Erfahrung mit dieser Eingliederungshilfe und könnte uns ein paar Tipps geben - wir sind mit unserem Latein bald am Ende. Die Konsequenz, zu der uns die Kiga-Leiterin aber auch viele Bekannte und Verwandte drängen, wäre Marlene in den Karlsruher SH-Kindergarten zu geben, bei dem wir uns aber nach langer Abwägung der Pro- und Kontras dagegen entschieden haben.

Viele Grüße Ralph :fred:
Andrea Heiker
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Re: Eingliederungshilfe im Kindergarten

#2

Beitrag von Andrea Heiker »

Lieber Ralph,

mir bleibt die Spucke weg.

Soweit ich mich erinnere, ist Marlene mittel- bis hochgradig schwerhörig und hat eine fast altersgemäße Sprachentwicklung. Ist das richtig?

Braucht Marlene tatsächlich eine Erzieherin für sich alleine? Kann ich ich mir nicht vorstellen. Ich bin vor mehr als 25 Jahren als an Taubheit grenzend Schwerhörige in einen Regelkindergarten gegangen. Die Mehrarbeit aufgrund meiner Hörbehinderung war gering. Ich durfte im Stuhlkreis immer neben der Erzieherin sitzen, so habe ich zumindest alles verstanden, was die Erzieherin gesagt hat. Wenn die anderen Kindern etwas sagten, dann habe ich nicht immer alles verstanden. So Spiele wie: "Ich packe meinen Koffer" waren daher schwieriger. Damit ich bei den Liedern mitsingen konnte, hat die Erzieherin mir den Zettel mit den Liedtext mit nach Hause gegeben und meine Mutter hat das Lied dann zu Hause mit mir geübt.

Ich kenne mich mit den rechtlichen Dingen nicht so sehr aus. Ich glaube aber, dass die Eingliederungshilfe (auf die der Kindergarten so scharf ist, warum wohl?) unabhängig vom Einkommen ist. Ich empfehle Dir, Dich an Maryanne Becker im Schwerhörigennetz zu wenden. Sie kennt sich mit rechtlichen Dingen viel besser aus. Vielleicht kann sie Dir ein paar Tips geben. Es gibt auch hier im web Netzseiten, die besondere Kinder etc. heißen. Diese Kinder sind zum Teile schwer behindert und deren Eltern kennen sich mit der Eingliederungshilfe auch besser aus.

Hat Marlene eigentlich eine FM-Anlage, diese Anlage kann im Stuhlkreis auch Wunder wirken, da Marlene dann die Stimme der Erzieherin sauber direkt ins Ohr gesprochen kommt. Dann ist sie unabhängiger vom Sitzplatz.

Das Argument Sprachförderung im Kiga ist Quatsch. Es geht doch viel mehr darum, dass Marlene mit anderen Kindern zusammen kommt und sich lernt von zu Hause etwas zu lösen. Es geht doch nicht darum, dass die anderen Kinder Sprachtherapeuten für Marlene sind.

Gruß
Andrea
seit Geburt an Taubheit grenzend schwerhörig, im Alter von zwei Jahren mit zwei Hörgeräten versorgt, seit 2002 ein CI
rhae
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Re: Eingliederungshilfe im Kindergarten

#3

Beitrag von rhae »

Andrea Heiker Soweit ich mich erinnere, ist Marlene mittel- bis hochgradig schwerhörig und hat eine fast altersgemäße Sprachentwicklung. Ist das richtig?
Ja, Marlene ist mit ihren 3 1/2 Jahren sehr fitt, groß gewachsen, lebhaft, sportlich, fährt Fahrrad ohne Stützräder, malt mit Wasserfarben und Pinsel schöne Bilder und überhaupt merkt im täglichen Umgang kein Mensch etwas von ihrem Handikap. Einzig ihre Aussprache hinkt der sonstigen Entwicklung um ca. ein Jahr hinterher. Dafür haben wir jetzt einen festen Terminplatz bei einer guten Logopädin bekommen (zuvor waren die Logo-Besuche nur unregelmäßig).

Das ist auch der Punkt was mich bei vielen Leuten derzeit aufregt - nur allein die Tatsache, dass Marlene Hörgeräte trägt reicht schon um standhaft zu behaupten sie wäre in einem SH-Kindergarten so viel besser aufgehoben als im Regel-Kiga. Keiner fragt nach ihrer Hörkurve, nach ihren Fähigkeiten, ihrer Entwicklung usw. Na wenn das keine "Abstemplung" ist, was dann?

Viele Grüße Ralph :mad:
Sabine
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Re: Eingliederungshilfe im Kindergarten

#4

Beitrag von Sabine »

Hallo Ralph,

hilfreich kann ich nicht sein, weil wir solche Erfahrungen bisher noch nicht machen mussten.
Wollte mich nur auch komplett inhaltlich bei Andrea dranhängen.
Mir stockte der Atem, als ich Deinen Beitrag las, und das Schreiben ist der Gipfel, vor allem, weil es noch so hingestellt wird, als sei alles ja nur zum Wohle des Kindes.
Und natürlich können auch hörgeschädigte Kinder von der Sprache gleichaltriger Kinder profitieren. Das ist ein Teil der normalen Sprachentwicklung, sonst müssten hörende Kinder ja auch alle einzeln betreut werden, damit sie voneinander nix Falsches lernen.
Ich hoffe, Ihr könnt zu einer guten Einigung finden, denn so ist das Vertrauensverhältnis ja wohl doch arg gestört, oder?

Zum Thema "Eingliederungshilfe":
Die wurde uns vor über einem Jahr (in Zusammenhang mit einer Therapie) einkommensunabhängig gewährt (wir sind ansonsten auch Lichtjahre von Sozialhilfe entfernt).
Es war ein zäher Kampf, aber nach Androhung von Presse und sonstigen Maßnamen kamen wir dann zu unserem Recht.
Zuständig war dann das Integrationsamt (über's Gesundheitsamt).
Wir haben damals mit Hilfe der Durchführungsverordnungen zum BSHG argumentiert (speziell: § 47, glaube ich, habe aber den Ordner gerade nicht hier).

Kannst mich gerne anmailen, wenn Du meinst, ich könnte irgendwie weiterhelfen.

Ansonsten: alles Gute, vor allem für Marlene!

joern
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Re: Eingliederungshilfe im Kindergarten

#5

Beitrag von joern »

Helmut
Karin
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Re: Eingliederungshilfe im Kindergarten

#6

Beitrag von Karin »

Hi, kann mich auch nur Andrea und Sabine anschließen.

Die ISL (Interessenvertretung-Selbstbestimmt-Leben)sucht im Moment konkrete Beispiele für Diskriminierung Behinderter. Ziel ist ein bundesweites Antidiskriminierungsgesetz!
Darf ich den Brief und auch die Antworten an den Ausschuss weitergeben?

Der Link von Helmut sagt eigentlich alles. Die Eingliederungshilfe ist einkommensabhängig.
Ein ärztliches Gutachten könnte man auch noch vom Gesundheitsamt machen lassen.
Mit einer zusätzlichen Stützkraft oder weiteren Erzieherin würde aber der Lärm, dem deine Tochter nicht ausgesetzt werden soll auch nicht weniger.... so was blödes hab ich selten gelesen.
Ich kann euch aber versichern, dass ihr euch nicht allein mit so einem Mist rumschlagen müsst. Es gibt weitere Fälle, mit immer neuen Ideen, um es Eltern mit schwerhörigen und gehörlosen Kindern noch ein bisschen schwerer zu machen, als es sowieso schon ist.

Gruß Karin

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Sabine
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Re: Eingliederungshilfe im Kindergarten

#7

Beitrag von Sabine »

Bei uns war es so, dass die ärztliche Untersuchung von einem Amtsarzt am Gesundheitsamt vorgenommen werden musste.
Daraus ergab sich dann ein sehr unerfreuliches Spektakel, aber wir konnten es halt nicht umgehen.
Wir mussten wirklich bis ans Äußerste gehen, um zu unserem Recht zu kommen, es war unglaublich.
Und in der Tat wurde uns auch erst vorgegaukelt, dass wir aufgrund des Einkommens nicht für die Eingliederungshilfe in Frage kämen.
Es ist schon traurig, wie mit betroffenen Familien zum Teil umgegangen wird.

Viel Glück!

Karin
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Re: Eingliederungshilfe im Kindergarten

#8

Beitrag von Karin »

Hab mich gerade eines Besseren belehren lassen müssen. Die Eingliederungshilfe ist Einkommensabhängig. (hab es oben jetzt geändert) Aber es gibt da noch andere Wege.
Ein mir bekannter Jurist formuliert noch was dazu, ich setze es dann später hier rein.

Ein bisschen Geduld bitte.
Gruß Karin
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Sabine
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Re: Eingliederungshilfe im Kindergarten

#9

Beitrag von Sabine »

Hallo nochmal zu diesem Thema, das mich heute den ganzen Tag beschäftigt hat -

Ich bin mir sehr sicher, dass die Eingliederungshilfe einkommensunabhängig gewährt wird, wenn es um Kinder geht. Das wurde uns damals (2001/02) von der Verwaltungsstelle des Integrationsamtes auch genauso bestätigt.

Karin, wo hast Du das gefunden, dass sie einkommensabhängig ist? Hat sich kürzlich vielleicht etwas geändert?

Viele Grüße,

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[Editiert von Sabine am: Freitag, September 12, 2003 @ 11:13 PM][/size]
Karin
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Re: Eingliederungshilfe im Kindergarten

#10

Beitrag von Karin »

Hallo Sabine, ich hab es telefonisch erfahren von einem Mitglied des Forums der Behinderten Juristen, die am SGBIX mit mitgeschrieben haben. Bin dann auch noch mal auf Suche gegangen.

http://www.blja.bayern.de/Aufgaben/Kost ... eitrag.htm

Nun muss man aber erst mal keine Angst haben, denn die Bemessungsgrenze ist hoch.

Ich bekomme noch Infos dazu und werde es hier rein setzen.

Grundsätzlich solltest du Ralph mal
A) den Vertrag, den du mit dem Kiga hast nachlesen.
B) Dein Kind hat Anspruch auf einen Kigaplatz, ihr zahlt wohl auch dafür, und zwar für die volle Zeit,
C) der Kiga hat kein Gutachten, wo mit er begründen könnte, was er schreibt, (das sind doch reine Vermutungen) nämlich, dass es eine Belastung für deine Tochter darstellt mit vielen Kindern im Stuhlkreis zu sitzen.

Grundsätzliche Frage noch mal an dich: ist das ein Integrationskiga oder ein Regelkiga, jeder Regelkiga kann bei der Landesjugendhilfe eine Kraft für Kinder mit besonderem Förderbedarf stellen.

Dazu oben auch noch mal der Link.

Ich hoffe mein Bekannter beeilt sich mit dem Formulieren seines Ansatzes, der euch dann hoffentlich hilft!

Karin
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waldfee
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Re: Eingliederungshilfe im Kindergarten

#11

Beitrag von waldfee »

Hallo Ihr!
Laura´s Internatsplatz läuft auch über die Eingliederungshilfe und ich bin mir ziemlich Sicher, dass die von unsren Einkommensverhältnissen nichts wissen wollten.
Der Kinderarzt vom Gesundheitsamt hat lange mit mir gesprochen und den Platz bewilligt , und das wars (so lief das auch bei dem Platz im Intrigationskindergarten meines Sohnes;auch über die Eingliederungshilfe)).
Bei uns ist das eigentlich immer nur von diesem Artz abhängig. Letztes Jahr wurde Laura für ein
Jahr bewilligt und dieses Jahr für 2 Jahre.
Bei meinem Sohn musste der Antrag jedes Jahr für den Kindergarten gestellt werde.
Aber wirklich noch nie ging es um das Einkommen.
Ob das von Bundesland zu Bundesland verschieden ist, weiss ich natürlich nicht!
Viele Liebe....
Uta
Karin
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Re: Eingliederungshilfe im Kindergarten

#12

Beitrag von Karin »

Hier die Antwort von Alexander Drewes.

Eine Vereinbarung ist eine zweiseitige Angelegenheit, schon allein die Wortwahl "muss" lässt darauf schließen, dass es sich hierbei um eine einseitige Entscheidung der Kindergartenleitung handelt. Ich halte das Schriftstück für einen geradezu evidenten Fall einer zivilrechtlichen Diskriminierung eines behinderten Menschen und würde ihn gerne für die Kampagne für ein Antidiskriminierungsgesetz verwenden.
Marlene hat, wie jedes Kind in der Bundesrepublik, einen Anspruch auf einen Kindergartenplatz (vgl. § 24 SGB VIII). Die entsprechende Satzung der Stadt Bruchsal setzt mit relativer Sicherheit auch die Mindeststandards fest, unter denen der Kindergartenbesuch stattfinden kann (regelmäßig handelt es sich hierbei um Teil- und Vollzeitplätze, wobei die Satzungen eigentlich nie von einer Abstufung danach ausgehen, ob seitens der Kinder eine Behinderung vorliegt oder nicht).
Zuständig ist folglich der Jugendhilfeträger für den Kindergarten (also das städtische Jugendamt, sofern Bruchsal kreisfrei ist, ansonsten das Kreisjugendamt).
Unproblematisch erscheint, dass für Marlene augrund ihrer Hörbehinderung ein Förderbedarf als Frühförderbedarf besteht. Dabei sind heilpädagogische Maßnahmen (insbesondere wohl logopädischer Natur) nach hiesiger Lesart wohl notwendig. Heilpädagogische Maßnahmen in der Form der Frühforderung sind von der Frühforderungsverordnung (FrühV) umfasst (§ 6 FrühV). Frühförderung wird regelmäßig in ambulanter, einschließlich mobiler Form erbracht (§ 3 Satz 2 FrühV). Für die Frühförderung notwendig ist ein Förder- und Behandlungsplan, der von einer Frühförderstelle unter Einbeziehung des oder der Erziehungsberechtigten erstellt worden sein muss (§ 7 FrühV; geht aber analog der Regelung des § 3 Satz 2 FrühV natürlich auch ambulant, will heißen, im Bedarfsfall zuhause). Es handelt sich auch im vorliegenden Falle um eine medizinische Leistung, obwohl der nicht ärztliche Anteil an der Fördermaßnahme überwiegt (vgl. §§ 1 FrühV, 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX i.V.m. § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX). Es spricht einiges für die Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers (vgl. §§ 6 Abs. 1 Nr. 6, 5 Nr. 1 SGB IX), genauso gut kann jedoch der Träger der Sozialhilfe angegangen werden (vgl. §§ 6 Abs. 1 Nr. 7, 5 Nr. 1 SGB IX). Eine Heranziehung von Einkommen und Vermögen zur Kostenbeteiligung, die eigentlich nach § 28 Abs. 1 Satz 1 BSHG bei Eltern von Minderjährigen im Falle der Hilfe in besonderen Lebenslagen gegeben ist (hierzu zählt die Frühförderung in der Form der Eingliederungshilfe; vgl. § 40 Abs. 1 Nr. 1 BSHG i.V.m. § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX), entfällt, weil § 43 Abs. 1 Nr. 1 BSHG die Kostentragung auf die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt beschränkt (die aber nur bei einem Aufenthalt in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung, einer Tageseinrichtung für behinderte Menschen oder bei ärztlichen oder ärztlich verordneten Maßnahmen gegeben sein kann, also gerade nicht bei einer ambulanten Maßnahme, wie sie hier vorliegt).
Kurz zusammengefasst: Es besteht sowohl ein Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz zu den allgemeinen Bedingungen als auch darauf, Frühförderung zu erhalten. Gleichzeitig dürfen Eltern zur Kostentragung für die Frühförderung selbst dann nicht herangezogen werden, wenn die Frühförderung als Hilfeleistung in besonderen Lebenslagen (also hier: als Eingliederungshilfemaßnahme) erbracht wird.
Noch ein Tipp: Der angegangene Rehabilitationsträger - gleichgültig ob es der Träger der Jugend- oder der der Sozialhilfe ist - muss binnen zwei Wochen nach Vorliegen des Förder- und Behandlungsplanes entscheiden, ob er die Leistung erbringt oder nicht (§ 8 Abs. 1 Satz 3 FrühV). Das geht sogar noch über die Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hinaus, wonach der zuständige Leistungsträger regelmäßig binnen drei Wochen nach Antragseingang entscheiden muss.

--
Netzwerk Artikel 3 e.V., - Rechtsreferat -,
c/o Alexander Drewes, Tischbeinstraße 15, 34 121 Kassel
Fon: +49 (5 61) 2 86 10 20 - 0 oder 9 85 63 68, +49 (1 79) 3 20 84 42
Fax: +49 (5 61) 2 86 10 20 - 1
e-Mail: Alexander.Drewes@t-online.de, Alexander.Drewes@freenet.de

Gruß Karin

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Birgit
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Re: Eingliederungshilfe im Kindergarten

#13

Beitrag von Birgit »

Hallo Ralph,
schreib einen brief an Dr. Uttenweiler, damit er eine Stellungnahme abgibt. Schließlich ist er Landesarzt für Hörbehinderte und ein Fan der Integration, wo immer sinnvoll und möglich. Und bisher hatte ich den Eindruck nach deinen Berichten, dass Marlene sehr wohl integriert werden kann! Übrigens war für Claudia der Stuhlkreis einfacher als das rein freie Spiel, allerdings natürlich wie bei jedem Kigakind erst nach einer gewissen Anlaufzeit.
Üblicherweise sitzen die kleineren Kinder das erste halbe jahr im Stuhlkreis einfach nur "dabei", bis sie von sich aus mitmachen. Vorher eben nur auf direkte Aufforderung, aber das ist normal. Mit Mikroport oder ähnlicher Anlage dürfte der Stuhlkreis eher kein Problem sein! Und nachmittags..sind da bei euch mehr Kinder?? Bei uns im Regelkiga sind nachmittags prinzipiell weniger Kinder gewesen (Cornelia ist grad in die Schule gekommen), zwar auch weniger Erzieher, aber der Lärmpegel war nachmittags VIEL niedriger. Übrigens arbeite ich zur Zeit wieder in bruchsal, also meld dich mal, dann können wir uns endlich direkt kennenlernen!
tschüss, Birgit
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Claudia 10/92, an Taubheit grenzend,fast blind und....
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Gudrun
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Re: Eingliederungshilfe im Kindergarten

#14

Beitrag von Gudrun »

Puh, wenn ich das lese, kommt mir die Galle hoch, das ist ja Diskriminierung! Bzgl. der Eingliederungshilfe kenne ich mich leider nicht aus.

Aber ihr könnt gegenüber der Kindergartenleiterin argumentieren, dass schon viele stark (stärker!) hörgeschädigte Kinder erfolgreich einen Regelkiga besucht haben, ohne eine Erzieherin für sich allein zu beanspruchen. Auf den Homepages http://www.schwerhoerigen-netz.de, http://www.ci-kids.de und http://www.lkhd.de findet man zahlreiche Beispiele.

Sonst würde ich der Kindergartenleiterin eine Probezeit vorschlagen, in der Marlene probeweise länger im Kiga bleiben kann.

Im Extremfall (!) kann man mit der Presse drohen (das sollte dann allerdings keine leere Drohung sein), natürlich nur dann, wenn dann keine negativen Konsequenzen für euch zu befürchten sind. Wie gesagt, das muss die allerletzte Lösung bleiben, denn letztendlich kann man damit auch mehr kaputtmachen als verbessern.

Sonst ist es im Allgemeinen ja viel besser, es erst im Guten zu versuchen und sich kooperativ zu zeigen.

Gudrun[size=small]

[Editiert von Gudrun am: Freitag, September 12, 2003 @ 11:15 PM][/size]
Maike
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Re: Eingliederungshilfe im Kindergarten

#15

Beitrag von Maike »

Hallo Ralph,

ich komme zwar sehr spät, die Diskussion ist ja schon im "vollen" Gange,
aber ich möchte Dir wenigstens sagen, dass ich wirklich entsetzt bin über
die Verhaltensweise Eurer Kiga-Leiterin...

Ehrlich gesagt, würde ich an Eurer Stelle ganz rausgehen aus diesem Kiga.
Die Leute sind es nicht wert, ein Kind wie Marlene zu haben.
Eingliederungshilfe hin oder her, das Kind soll völlig normal an- udn
aufgenommen werden. Erst WENN sich rausstellen sollte, dass Marlene
zusätzliche Unterstützung braucht, dann würde ich die Eingliederungshilfe
versuchen.

Ich selber bin 1972, also vor 32 Jahren, in den Regelkiga gekommen, war
"stocktaub", hatte zwar diese damals riesigen Kastenhörgeräte, die ich aber
ständig abgerissen hatte, aber trotzdem tragen musste... - und meine
Sprachkompetenz entsprach zu dem Zeitpunkt zwar bereits der hörender
Gleichaltriger, allerdings verstanden mich damals akustisch nur die Leute,
die mir sehr nahe standen, weil ich noch viel zu sehr undeutlich sprach. Das
verbesserte sich dann im Kiga dann sehr. Verstanden habe ich dort nicht viel
(= Mikroportanlagen gabs damals noch keine - und außerdem hätten sie mir
auch nichts gebracht), weshalb meine Mutter die Geschichten alle mit mir im
Vorfeld erarbeitete etc. Trotzdem hab ich die Kiga-zeit in sehr guter
Erinnerung behalten...

Also, da wird Deine Tochter jedenfalls viel viel leichter was mitbekommen
können als ich damals - und daher würde ich wirklich raus gehen aus diesem
Kiga und woanders hingehen, ich würde da auch Euren Sohn rausnehmen. Die
Leute sind Euch nicht wert... - selbst wenn Euch doch noch eine
Eingliederungshilfe für den betreffenden Kiga genehmigt werden würde, würdet
Ihr immer nur mit einem schalen Nachgeschmack Marlene hinbringen können...

Und ich würde diesen Fall publik machen!

Euch viel Kraft und Weisheit für die richtigen Entscheidungen und Wege, die
vor Euch liegen...

Grüßle von Maike
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Re: Eingliederungshilfe im Kindergarten

#16

Beitrag von Maike »

oh, tschuldige, 1972 war vor 31, nicht vor 32 Jahren... *binschonganzrot*

Maike
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Re: Eingliederungshilfe im Kindergarten

#17

Beitrag von Karin »

Mein erster Gedanke war auch, "Marlene rausnehmen"! ; aber nun denke ich: erst alles durchsetzen und dann...
Und Maike du hast Recht, es muss öffentlich werden. Das wird es! Deswegen sammeln wir ja solche "Fälle".
Gruß Karin
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Re: Eingliederungshilfe im Kindergarten

#18

Beitrag von Gudrun »

Hallo Maike,

ich bin auch dafür, Kinder nur in Kigas zu geben, wo sie auch erwünscht sind, aber manchmal gibt es einfach keine Alternative, da heißt es dann, eine Lösung zu finden, mit der alle gut leben können.

Publik machen will überlegt sein, denn der Schuss kann auch nach hinten gehen. Meine Mutter hat auch schon mal bei einer Behörde in einer Sache mit einer Veröffentlichung in der Zeitung gedroht - mit Erfolg. Sie hat es erst mal im Guten versucht und als das nichts half, wandte sie eben dieses Druckmittel an.

Gudrun
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Re: Eingliederungshilfe im Kindergarten

#19

Beitrag von rhae »

Hallo,

ich möchte Euch erstmal für Euren Beistand in unserer Kindergartengeschichte danken und dann gleich über die aktuelle Entwicklung berichten.

Wir bekamen wegen der Sache mit der Eingliederungshilfe von der zuständigen Behörde einen Sozialhilfeantrag zugeschickt, den wir auch ausfüllten und mit einem Begleitschreiben bezüglich dem Unsinn des Antrags (danke an Karins Anwalt mit den treffenden Paragraphen) wieder abgaben. Darauf kam ein Schreiben mit dem Termin zur Untersuchung beim Amtsarzt. Also die Eingliederungshilfe scheint ihren Weg zu gehen ;)

Weil wir mit den gekürzten Kindergartenzeiten (es blieb weiterhin beim Ende um 10:30) nicht weiter kamen, informierten wir unseren zuständigen Pfarrer der auch der Chef dieses und dreier weiterer Kindergärten ist. Er war auch sehr angagiert und telefonierte mit der Kindergartenleiterin (die leider zur Zeit krank ist), mit der Gruppenleiterin von Marlenes Gruppe, mit dem Leiter der SH-Schule in Karlsruhe und mit unserer Frau von der Frühförderung. Er kam dann zum Ergebnis, dass Marlene wohl doch sehr vorsichtig in die Gruppe aufgenommen werden sollte aber das die Eingewöhnungsphase wohl bald zu Ende sei. Ich wollte dann von der Gruppenleiterin wissen, wann die Propephase denn nun erweitert werden kann, zumindest auf den ganzen Morgen und bekam zur Antwort, dass das sehr bald der Fall sei, nämlich wenn das Geld der Eingliederungshilfe da sei! Einige Tage später kam dann ein zweiter Brief der immer noch kranken Kiga-Leiterin, in dem sie uns wieder vorhielt mit der Entscheidung gegen den SH-Kiga und für ihren Regel-Kiga gegen das Wohl unserer Tochter gehandelt zu haben und wollte nochmals ein Gespräch mit einem anderen Therapeuten (wohl der Dame der Frühförderung) anregen. Nun ja, am nächsten Tag machte ich mich mit unseren Kindern auf den Weg einen neuen Kindergartenplatz (für beide) zu suchen. Insgesamt waren wir in 4 Kindergärten, wovon uns einer nicht aufnehmen konnte, da nur Kinder des eigenen Ortsviertels genommen werden, bei einem haben wir uns auf die Warteliste schreiben lassen und die beiden anderen nahmen uns ohne zu Zögern auf - nach der ersten festen Zusage hatte ich noch weitergesucht, da wir gerne einen Platz mit Mittagessen haben wollten. Keiner der Kiga-Leiterinnen hatte Vorbehalte wegen Marlenes Schwerhörigkeit und überall war es selbstverständlich sie ganz normal in die Gruppen aufzunehmen. Natürlich fragte man nach wie man sich einen schwerhörigen Kind gegenüber zu verhalten hätte und ich erklärte das Übliche mit Ansehen beim Sprechen, deutliche Aussprache und natürlich Wiederholungen usw. Letztendlich bin ich froh den Schritt getan zu haben, auch wenn der neue Kindergarten ca. 4 km entfernt liegt, der alte war nur 100 m weit weg.

Viele Grüße Ralph
Karin
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Re: Eingliederungshilfe im Kindergarten

#20

Beitrag von Karin »

Lieber Ralph, ich freue mich für euch, das ihr einen Weg gefunden habt. Ich verstehe auch, dass man manchmal einfach nicht mehr kämpfen mag! Spart eure Kräfte für später, denn es wird noch genügend Kämpfe geben. Ich hoffe, dass sie sich gut einlebt im neuen Kiga.
Die Grüße und den Dank gebe ich gern weiter.
Alles GUte für euch
Karin
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Re: Eingliederungshilfe im Kindergarten

#21

Beitrag von PetraInes »

:eek:
An alle, habe endlich einmal weider ein bisschen Zeit ein paar Beiträge zu sichten. Bei diesem hier standen auch mir die Haare zu Berge. Ich möchte allen nur noch einmal zusätzlich Mut machen: Für Marlene ist so ein normaler Kindergarten, wo sie ohne viel Tamtam mit den anderen Kindern mitläuft bestimmt auch das Beste. Ines (4, hochgradig bis an Taubheit grenzend schwerhörig, erst von 2 1/4 Hörgerät-versorgt, Leukämiebehandlung hinter sich und in zwei Lautsprachen erzogen) ist in einer völlig normalen Kindergartengruppe in Belgien. Letztes Jahr war sie nach dem Vormittag völlig fertig und schlief noch regelmässig, jetzt geht sie vor- und nachmittags. Die Wochenenden sind beinahe ein Problem, da sie da nicht in den Kiga darf...
Wir haben eine Logopädin organisiert, die während der Kigazeiten dreimal kommt und Ines mit einem anderen Kind oder alleine für eine Stunde herauspickt, um den aktuellen Wortschatz zu vertiefen. Jede Woche ein Thema: Herbst, àpfel u. Birnen, bunte Blätter, etc. ... da ich leider die "falsche" Sprache spreche, nämlich deutsch. Neue Wörter, Lieder usw. lernt sie natürlich mühsamer - aber sie ist so glücklich zwischen den anderen Kindern. Alle anderen normalhörend. Jeder kennt ihre blauen HG und sie hat eine FM-Anlage für den Stuhlkreis. Akustik im Kiga ist fürchterlich schlecht, grosse Gruppe, kleiner Raum ... und trotzdem! Glückliches Kind, da sie sich einfach wohl fühlt.
Darum Mut an alle, es lohnt sich!!!

Petra (die manchmal fassungslos von der endlosen Bürokratie in D ist...) und Ines
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