Hi allerseits,
ich (22) weiß nicht recht, ob ich hier richtig reingehöre, aber ich weiß einfach nicht mehr weiter. Ich muss etwas weiter ausholen, weil ich denke, dass man es dann viel besser verstehen kann, warum ich hier bin. Vielleicht findet sich jemand in meiner Lebensgeschichte wieder...
Ich habe mir schon in Kindertagen nie hohe Ziele gesetzt, weil ich früh durch meine Eltern lernte, dass das Leben es selten gut mit einem meint- ob nun finanziell oder auch gesundheitlich.
Mit 1 Jahr hatte ich eine sehr schwere HNO Erkrankung. Es war so schlimm, dass ich regelmäßig danach erkrankte (wie heute auch), kaum noch Atmen konnte, meine linke Mandel komplett abstarb und die Ärzte nicht drumherum kamen mir Röhrchen implanieren zu lassen, damit bei mir alles abfließen konnte.
Leider stellte mein HNO Arzt fest, dass mein Gehör sehr darunter gelitten hatte. Ich litt ebenso unter Sprachstörungen. Ob es wegen dem schlechten Hören kam oder nicht, dass weiß ich bis heute nicht. Der Arzt meinte nur, dass ich einfach nicht reden wolle, aber für mein Alter ziemlich clever war....warum auch immer, den ich war eigentlich ein kontaktfreudiges und lebensfrohes Mädchen...bis ich in die KITA und in die Schule kam.
Hänseleien von den Kindern habe ich keine in Erinnerung, nur das stetige Gemecker einiger Kindergärtnerinnen, die mich Zwangen volle Sätze zu bilden, bis meine Eltern ein Machtwort sprachen, weil ich immer verstimmter und ruhiger wurde.
Als ich in die 2. Klasse kam und meine Eltern beschlossen umzuziehen, war Musik für mich ein Trostpflaster, den so schön wie ich dachte, war es nicht.
In den Schulen wurde ich nicht nur wegen meinen unmodernen Klamotten und Aussprache jahrelang aufgezogen, sondern auch wegen meiner Andersartigkeit (Aussehen und gesund. Defizite). Natürlich wurde es schlimmer, als meine Eltern sich jedes Mal einmischten. Von den Lehrern wurde ich dann meist durch meine häufigen Fehlzeiten in Schutz genommen, was meine (neidischen) Mitschüler an mir hassten...
Egal wie oft ich die Schule auch wechselte, in Kürze war ich immer der Buma. Ich entwickelte mich zu einem bockigen, unnahbaren und aggressiven Kind mit erheblichen Selbsthass, als mich kein gutes Gymnasium übernehmen wollte, obwohl ich meine letzten Kräfte mobilisierte, nur noch am Lernen war, Möchtegernfreundschaften kündigte, aus Vereinen austrat, um meinen Traum zu studieren zu erfüllen. Zum Einen weil meine Eltern nicht mehr wirklich mit mir/miteinander zurechtkamen (Ich lernte schnell das Gesundheit, ein guter Abschluss und Finanzen im Erwachsenenleben wichtig sind.) und zum Anderen weil sie mir immer mit ihrer Übervorsichtigkeit Ärger einhandelten. Ich weigerte mich sodann (uncoole) Mützen und meine Brille zu tragen, obwohl es meine HNO Erkrankungen und schlechte Sehkraft immer schön weiter förderte. Folge waren Erkältungen/Grippe = ganzer HNO Bereich entzündet = noch schlechteres Gehör.
Ich bereue es bis heute, aber ich kann nun nichts mehr daran ändern. Mein Gehör wurde immer schlechter, weil ich zum Einen auch dazu beigetragen habe: hörte immer mehr laute Musik über Kopfhörer (Sucht!), weil ich meine Einsamkeit, den Streit meiner Eltern übertönen wollte, zum Anderen, weil ich ständig irgendwelche Erkrankungen unterlag, die mein Selbstwertgefühl und meine Andersartigkeit zu gesunden Kindern deutlicher werden ließ und meine Lernschwächen verarbeiten wollte. Ich konnte nicht mehr die Leistungen bringen, die ich früher erbracht hatte. Ich wiederholte die 10 Klasse, brach mein Fachabi und danach Ausbildung ab, weil ich ins Krankenhaus musste, und....
...das Ende von der Geschicht': zurzeit mache ich in einem Berufsförderungswerk eine Umschulung als Bürokauffrau, die ganz und gar nicht mein Fall ist, aber das Einzige, was ich wohl nur noch tun kann. Die Lehrer und Mitschüler wissen, dass ich eine Hörminderung habe, nur trage ich (noch) kein Hörgerät. Ich bin mir sicher, dass ich mittlerweile eins brauche, nur kann ich mir keins leisten, selbst wenn ich nun zum HNO rennen würde und er es mir bestätigt, dass ich mittlerweile eins brauche. Ratenzahlung ist auch so eine Sache. Zurzeit bezahle ich so viele gesundheitliche Notwendigkeiten (auf Raten), dass mir kaum noch etwas fürs Leben und zum Sparen für eine eigene Wohnung nach den 2 Jahren Umschulung übrig bleibt. Meine Eltern können mir da auch nicht weiterhelfen.
Ich weiß einfach nicht damit umzugehen. Bin auch schon jahrelang deswegen in Behandlung (mit 19 Jahren das 1. Mal), doch kommt immer etwas Neues hinzu, was mich wieder zurück ins Loch meiner Ängste wirft.
Seit meinem 18 Lebensjahr gehe ich nun alle 2 Wochen bzw. 1 Mal in der Woche mit Hörschutz in Discotheken, habe dort auch Bekannte und Freunde gefunden. Ich brauche diese Art von Abwechslung auch mittlerweile. Es ist schön zu Tanzen, im dortigen Biergarten zu sitzen und sich einmal als Teil eines Ganzen zu fühlen, doch merke ich immer wieder, dass ich nicht mithalten kann und mit meinen Defiziten oft vor den Kopf gestoßen bekomme. Einen Partner z.B. zu finden ist immens schwer. Ich versuche es zu akzeptieren und mittlerweile gehe ich sogar selbstbewusster damit um als früher, doch es ist sehr schwer und verletzend, wenn man abgewissen wird und so hört was sie alles erreicht haben, in einer Band sind, welches Hobby sie nachgehen, was sie studieren oder was sie beruflich machen und wieviel Spaß er ihnen doch macht. Besonders wenn man damalige Schulkameraden über den Weg läuft, ist mir zum Heulen zumute. Sie studieren oder sind erfolgreich und machen genau das, wovon sie immer geträumt haben. Ob sie nun ewig ihren Job machen werden, das liegt in den Sternen, aber sie haben (noch) alle Wege offen. Keine Hindernisse, keine Grenzen, außer vielleicht den nicht ausreichenden Schulabschluss. Ich hatte nie hohe Ziele im Leben gesetzt...wie ich schon oben erwähnte, doch wenigstens eine Sache wollte ich bis jetzt erreichen. Ich weiß, es ist irgendwo lächerlich, aber ich komme mir so unglaublich ausgebrannt und alt vor...
Ich wollte soweit selbstbewusster werden, dass ich mich mit all meinen Defiziten und Makeln selber ganz und gar bzw. einigermassen akzeptieren kann, mein Abitur machen/nachholen, in wenigstens einer Sache einmal wirklich sogut sein, dass ich mich nicht wie das 5 Rad am Wagen fühle, wenn ich selber Geld verdiene ein Musikinstrument spielen, einen Beruf lernen, mit dem ich auf eigenen Beinen stehen kann (will von keinem anderen Menschen (selbst eigenen Mann) abhängig sein) und der mir (einigermaßen) Spaß macht/ Geld einbringt...weil ich schon von Anfang an wusste, dass meine Gesundheit mir so einiges an Finanzen abnehmen würde. An Heiraten und Kinder kriegen kann ich ganz und gar nicht einmal denken. Ich will es auch gar nicht (mehr). Eine viel zu große Angst besteht darin von der Person abhängig/benutzt oder verlassen zu werden (und mit den Kindern alleine dazustehen).
Mir schwirren so viele Fragen zum Thema Schwerhörigkeit und Folgen durch den Kopf herum, dass ich nicht weiß, wo ich anfangen soll.
Was für berufliche Möglichkeiten habe ich noch? Ich möchte wirklich nicht diesen Beruf, den ich zurzeit erlerne, bis zum Ende meines Lebens ausüben und wollte immer etwas Medizinsches, Naturbezogenes oder Künstlerisches lernen.
Kann man mit einer leichten bzw. mittleren Schwerhörigkeit noch ein Instrument, z.B. Keyboard/Klavier erlernen?
Wie weit ist man im Alltags- und Berufsleben eingeschränkt?
Wie sehen meine beruflichen Chancen als Gehörgeschädigter aus? Häufiger arbeitslos?
Wie kann ich mit meinen Defiziten umgehen?
Auf was muss ich danach verzichten, bzw. sogut wie meiden, z.B. Kino, Konzerte Discothek usw.?
Ich schäme mich ein wenig, dass hier niederzuschreiben, aber es tut einerseits auch gut das loszulassen, was einem auf der Seele liegt. Ich habe gelesen, dass es weitaus schwierige Lebensgeschichten hier gibt und es tut mir im Herzen weh zu lesen, wie so kleine Würmchen schon von Anfang an mit so etwas zu kämpfen haben.
LG, ReA
Eine weitere Lebensgeschichte
Eine weitere Lebensgeschichte
Zuletzt geändert von ReA am 9. Mär 2010, 17:36, insgesamt 1-mal geändert.
Re: Eine weitere Lebensgeschichte
Hallo ReA,
herzlich willkommen hier im Forum!
Ich möchte auf zwei Fragen eine Antwort geben.
Musik machen ist trotz Schwerhörigkeit vielfach möglich. Ich weiss allerdings überhaupt nicht, wie Deine Schwerhörigkeit aussieht. Je nachdem kann das eine oder andere Instrument geeigneter sein. Wenn Dein Gehör schädigungsanfälliger ist als ein normales, sind laute Instrumente allenfalls weniger geeignet. Aber auch Geige etc. ist vielleicht nur schon durch die direkte Uebertragung des Schalls via Knochenleitung nicht zu unterschätzen. In den meisten Fällen vertragen aber fachmännisch mitHGs versorgte Ohren die üblichen Pegel. Man muss allerdings schon wissen, dass die gehörschädigende Wirkung von Musik machen nicht zu unterschätzen ist (vor Allem bei elektrisch verstärkten Instrumenten, aber auch bei Blasinstrumenten, Schlagzeug, ja selbst bei Geige etc.). Wenn Du eine bestimmte Vorstellung von einem Instrument hast, kannst Du dies ja mitteilen.
Zu einem Beruf im medizinischen Bereich: Hier wäre vielleicht Akustikerin noch etwas. Du müsstest allerdings zumindest mitHGs so gut hören, dass die Kommunikation mit Kunden einigermassen problemlos ist (schätze ich jetzt mal. Wie das mit dem Durchführen eines Sprachtests aussieht, weiss ich jetzt auch nicht; dort muss man jedenfalls zu 100 % verstehen, was der Kunde sagt). Jedenfalls gibt es schwerhörige Akustiker. Das sich Hineinfühlen in die Kunden könnte leichter sein.
Das ist nur so eine Idee von mir.
Ich hoffe, dass sich noch viele andere Leute melden.
Gruss fast-foot
herzlich willkommen hier im Forum!
Ich möchte auf zwei Fragen eine Antwort geben.
Musik machen ist trotz Schwerhörigkeit vielfach möglich. Ich weiss allerdings überhaupt nicht, wie Deine Schwerhörigkeit aussieht. Je nachdem kann das eine oder andere Instrument geeigneter sein. Wenn Dein Gehör schädigungsanfälliger ist als ein normales, sind laute Instrumente allenfalls weniger geeignet. Aber auch Geige etc. ist vielleicht nur schon durch die direkte Uebertragung des Schalls via Knochenleitung nicht zu unterschätzen. In den meisten Fällen vertragen aber fachmännisch mit
Zu einem Beruf im medizinischen Bereich: Hier wäre vielleicht Akustikerin noch etwas. Du müsstest allerdings zumindest mit
Das ist nur so eine Idee von mir.
Ich hoffe, dass sich noch viele andere Leute melden.
Gruss fast-foot
Ausgewiesener Spezialist* / Name: Wechselhaft** / Wohnsitz: Dauer-Haft (Strafanstalt Tegel) / *) zwecks Vermeidung weiterer Kollateralschäden des Landes verwiesen / **) Name fest seit Festnahme
Re: Eine weitere Lebensgeschichte
Hallo ReA,
auch von uns ein liebes Willkommen im Club. Wir sind selber neu hier, ich kann daher noch nicht so viel zum Thema Schwerhörigkeit beitragen. Ich möchte Dir trotzdem schreiben, weil mich Deine Geschichte sehr bewegt hat. Ich finde es mutig, alles so niederzuschreiben. Mein Sohn ist 5 Jahre und hat beidseitigHGs seit ca. 4 Wochen. Und es läuft ganz gut. Du erwähntest die kleinen Würmchen, die sich schon mit der Schwerhörigkeit rumplagen. Ich glaube, Kinder stecken das echt besser weg, als Erwachsene. Kinder, die z.B. seit Geburt schlecht hören, kennen es nicht anders. Während ein Erwachsener sicher mehr zu kämpfen hat, wenn ihm sein Gehör langsam verloren geht.
Zum Thema Berufsausbildung möchte ich Dir sagen, sieh Deine Berufswahl Bürokauffrau nicht so schwarz. Es gibt im kaufmännischen Bereich so viele Möglichkeiten z.B. in einem Unternehmen im med. Bereich o. ä. Vielleicht kannst Du später in einen anderen Bereich/Abteilung wechseln. Wichtig ist aber, das Du etwas lernst.
Wie schwerwiegend ist denn Deine Hörminderung? Übernimmt Deine Krankenkasse nicht einem bestimmten Teil desHGs ? Hast Du Dich schon mal erkundigt, was finanziell auf Dich zukäme? Ich bin sicher zu diesem Thema bekommst Du hier im Forum noch einige Antworten.
Liebe Grüße Linika
auch von uns ein liebes Willkommen im Club. Wir sind selber neu hier, ich kann daher noch nicht so viel zum Thema Schwerhörigkeit beitragen. Ich möchte Dir trotzdem schreiben, weil mich Deine Geschichte sehr bewegt hat. Ich finde es mutig, alles so niederzuschreiben. Mein Sohn ist 5 Jahre und hat beidseitig
Zum Thema Berufsausbildung möchte ich Dir sagen, sieh Deine Berufswahl Bürokauffrau nicht so schwarz. Es gibt im kaufmännischen Bereich so viele Möglichkeiten z.B. in einem Unternehmen im med. Bereich o. ä. Vielleicht kannst Du später in einen anderen Bereich/Abteilung wechseln. Wichtig ist aber, das Du etwas lernst.
Wie schwerwiegend ist denn Deine Hörminderung? Übernimmt Deine Krankenkasse nicht einem bestimmten Teil des
Liebe Grüße Linika
Re: Eine weitere Lebensgeschichte
Wenn du sagst du bist leicht- bis mittelgradig schwerhörig, dann sehe ich durch die Hörschädigung keine so großen Einschränkungen. Spontan würde mir der Beruf der Fotografin als künstlerisch und u.u. auch naturbezogen einfallenReA hat geschrieben:Was für berufliche Möglichkeiten habe ich noch? Ich möchte wirklich nicht diesen Beruf, den ich zurzeit erlerne, bis zum Ende meines Lebens ausüben und wollte immer etwas Medizinsches, Naturbezogenes oder Künstlerisches lernen.

Klar, habe selber Klavier gespielt (es aber nicht weit gebracht weil ich "keine Zeit" zum Üben hatte).ReA hat geschrieben:Kann man mit einer leichten bzw. mittleren Schwerhörigkeit noch ein Instrument, z.B. Keyboard/Klavier erlernen?
Nach was denn? Mit einemReA hat geschrieben:Auf was muss ich danach verzichten, bzw. sogut wie meiden, z.B. Kino, Konzerte Discothek usw.?
Achja: Bist du nicht krankenversichert? Dann sollten doch zumindest günstige Geräte drin sein, was vermutlich noch besser als garkeine ist.
Und schämen sollten sich ganz andere Leute

Zuletzt geändert von info am 9. Mär 2010, 20:53, insgesamt 1-mal geändert.