Das gehörlose Mädchen in einer Regelschule

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Momo
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Re: Das gehörlose Mädchen in einer Regelschule

#26

Beitrag von Momo »

MadameBovary hat geschrieben:Oben links kann jeder lesen: schwerhörigenforum.de für Eltern UND
Betroffene. Ich finde es traurig und enttäuschend, dass manche Eltern
einigen von hier das Gefühl vermitteln (vielleicht aus Versehen?), dass
manche Betroffene nicht gerne gesehen werden.
Warum ist es so? Weil manche Tatsachen hart sind? Weil manches einfach
nicht schön geredet wird?
Also so habe ich das nicht gemeint, falls du oder irgendjemand das so sieht!
Ich kann schon gut beide Argumentationen vertragen: pro DGS und "Kontra".

Was mich an den immer wiederkehrenden Diskussionen stört ist, dass man sich als betroffenen Eltern sowohl von der einen als auch von der anderen Seite irgendwie als "Spielball" benutzt vorkommt. Und egal wie ich mich entscheide irgendwer hat immer was zu meckern. Ich finde es gut verschiedene Meinungen und vor allem Erfahrungen zu lesen und mir mit Hilfe dieser Berichte von Personen mit verschiedenen Lebenswegen eine eigene Meinung zu bilden welcher Weg für meinen Sohn und für uns der richtige ist. Das kann für jemand anderen in anderer Konstellation oder Umgebung ganz anders sein. Deshalb ist aber doch weder das eine noch das andere richtig oder falsch, nur eben anders! Jeder muss doch für sich oder sein Kind entscheiden dürfen was ihm wichtiger ist.

Natürlich steht es dann jedem frei zu sagen, dieser Weg wäre nichts für mich/ mein Kind aus den und den Gründen. Aber deshalb kann er ja für jemand anderen ok sein. Jeder legt dann eben fest was ihm wichtig erscheint.

Vielleicht ziemlich wirr, aber ich wollte niemanden aus dem Forum vertreiben unhd freue mich weiter aus Eurem Erfahrungsschatz zu schöpfen!
LG
Zuletzt geändert von Momo am 10. Apr 2008, 22:26, insgesamt 1-mal geändert.
Wiebke und Sohn (fast 21 Jahre) mit 1 HG und 1 CI
Gudrun
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Re: Das gehörlose Mädchen in einer Regelschule

#27

Beitrag von Gudrun »

O.k., nach einem kurzen PN-Wechsel habe ich mich entschlossen, mich doch wieder einzuklinken.

Hallo Madame Bovary, deine Sachlichkeit ist richtig wohltuend. Ich möchte nur keinen Beitrag dazu leisten, einen derart diskriminierenden Artikel als Diskussionsgrundlage zu verwenden. Aber Vieles von dem, was du schreibst, spricht mir aus der Seele.
Mia Madeleine hat geschrieben:Kann mir mal jemand erklären was es für eine Alternative für Gehörlose gibt, als die GEBÄRDENSPRACHE????????????????
Ganz einfach: Lautsprache. ;)

Ich bin ohne CI und mit qualitativ sehr schlechten Taschenhörgeräten aufgewachsen. Meine Mutter hat sehr viel Energie darin investiert, mir die Lautsprache beizubringen und mein Restgehör zu schulen. Und außer mir gibt es noch andere solche Hörgeschädigte - und es werden immer mehr.
MadameBovary hat geschrieben:Wieso werden die lautsprachlich orientierte Gehörlosen auch schlecht gemacht? Das ist keine Vision, sondern Tatsache.
Mit dieser Bemerkung sprichst du mir sehr aus der Seele. In der Hörgeschädigtenszene muss man sich schon fast rechtfertigen, wenn man als Gehörlose z.B. keine Gebärdensprache verwendet oder man Anspruch auf Schreibdolmetscher und andere Hilfen erhebt. Man sagt uns auch gern nach, dass wir behaupten würden, nicht auf Hilfen angewiesen zu sein, statt genau und vor allem kontextbezogen zuzuhören.
Viele Leute nehmen leider nur das wahr, was sie wahrnehmen wollen, und sind zu sehr voreingenommen, um sich auf das, was das Gegenüber sagen will, einzulassen. So entstehen dann Vor-Urteile und Fehleinschätzungen.
MadameBovary
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Re: Das gehörlose Mädchen in einer Regelschule

#28

Beitrag von MadameBovary »

Hallo Momo,

ich habe hier schon mitbekommen, dass ihr und besonders dein Sohn sich auf der SH-Schule sich wohlfühlt.
Darüber freue ich mich echt und find das toll!

Leider ist das kein Normalfall. Nicht jeder hörgeschädigte wird auf solchen Schulen akzeptiert (von den Mitschülern
und sogar auch von den Pädagogen, wenn man kein "ja-und-amen" Hörgeschädigter ist und sehr selbstständig ist.

Mir ging es auch darum, einen Threat mit einem ganz anderen Thema zu eröffnen, hier gehts so ziemlich oft das
gleiche. Okay, mein Link zu dem Thema war wohl ungeschickt ausgewählt, aber es ist mir eben spontan eingefallen
und leider stimme ich dem Autor in einigen Punkten zu. Aber ich verfolge nicht das Ziel einer Hirnwäsche oder ein
Patentrezept aufzudrücken.

M.B.
Viele Grüße
MB
Ted Stubbingfield
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Re: Das gehörlose Mädchen in einer Regelschule

#29

Beitrag von Ted Stubbingfield »

Alternativen für Gehörlose zu der Gebärdensprache? Lautsprache! Es gibt genug Gehörlose die dies beweisen. Siehe der LKHD und vergleichbare Organisationen in anderen Ländern. Und genügend CI-Träger die vor ihrem CI nichts hörten und trotzdem lautsprachlich kommunizieren.

Ich streite auch gar nicht ab, dass Gebärdensprache nützlich sein kann, aber so wie sie derzeit genutzt und "weiterentwickelt" wird, ist das nur noch eine Katastrophe. Wer dem Autor der kritisierten Artikeln Gebärdenfeindlichkeit vorwirft, der hat die nicht richtig gelesen. Es wird immer wieder die LBG erwähnt. Es ist ein Witz da dem Autor, mir und sonstwem Gebärdenfeindlichkeit vorzuwerfen. Oder sind in der Schule alle Schüler die gezwungenermaßen Fremdsprachen lernen müssen, die sie eigentlich nicht mögen, stets Feinde des jeweiligen Landes?!

Überhaupt die ständige Unterstellung ich sei Ahnungslos und total inkompentent in Bezug auf DGS von Leuten die nur den Hauch einer Ahnung von Gebärdensprache haben ist ein Witz.

Das Beste ist noch, dass die angeblichen Verteidiger der jetzigen Zustände und der angeblich angegriffenen Ehre der Gehörlosen selbst Dinge äußern, die von anderen nie gesagt wurden, aber so verachtend sind, dass man es nicht begreifen kann.

Madame Bovary spricht mir da aus dem Herzen. Sie hat absolut recht in ihren Äußerungen!

Außerdem fällt auf, dass sich hier niemand fragt, wie es innen in einem Hörgeschädigten aussieht. Da wird die Xenia isoliert auf die Regelschule geschickt mit Dolmetscher, äußert sich schon im Interview dass sie nicht wüsste wie sie mit ihren Mitschülern kommunizieren solle, außer mit ihrer Freundin. Wie soll das als Jugendliche aussehen? Denkt ihr etwa Jugendliche nehmen Rücksicht auf Dolmetscher, oder lassen sich davon beeindrucken?! Das allein zeigt schon, dass dieses Projekt auf töneren Füßen gebaut ist und niemals ein Langzeitprojekt werden kann.
MadameBovary
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Re: Das gehörlose Mädchen in einer Regelschule

#30

Beitrag von MadameBovary »

Jetzt ist Gudruns Beitrag dazwischen gekommen und ich freue mich, dass sie sich wieder einklinkt :-)
Zitat von MadameBovary:
Wieso werden die lautsprachlich orientierte Gehörlosen auch schlecht gemacht? Das ist keine Vision, sondern Tatsache.

Mit dieser Bemerkung sprichst du mir sehr aus der Seele. In der Hörgeschädigtenszene muss man sich schon fast rechtfertigen, wenn man als Gehörlose z.B. keine Gebärdensprache verwendet oder man Anspruch auf Schreibdolmetscher und andere Hilfen erhebt. Man sagt uns auch gern nach, dass wir behaupten würden, nicht auf Hilfen angewiesen zu sein, statt genau und vor allem kontextbezogen zuzuhören.
Viele Leute nehmen leider nur das wahr, was sie wahrnehmen wollen, und sind zu sehr voreingenommen, um sich auf das, was das Gegenüber sagen will, einzulassen. So entstehen dann Vor-Urteile und Fehleinschätzungen.
Genau diese Erfahrungen habe ich gemacht. Ich wurde von Ihnen als Hörende bezeichnet, weil ich ziemlich problemlos
mit Hörenden kommunizieren konnte (Face-to-Face Gespräch, super Licht) - obwohl ich kein CI habe. Eine DGS-Dolmi
hat mich sozusagen zusammenstauchen wollen, weil ich in der Lage war, mit einer Journalistin in Lautsprache über
die Gehörlosenveranstaltung, als sie persönlich erschien, zu reden. Denn sie wollte einen Artikel schreiben. Ich solle sie unbedingt holen und die Unterhaltung dolmetschen lassen. Ich solle meine Einstellung ändern.
Ja hallo. Wieso soll ich mich verstellen? Ich mag es, wenn ich hörenden direkt und deutlich vermitteln kann, was ich sagen möchte. Gerade das störte mich immer. Auch wenn ich viel mit Hörende mache und auch
vieles kann, bin und bleibe ich hörgeschädigt. Ich kenne meine Grenzen. Gruppengespräche, Gespräche ohne Mundbild,
bestimmte Telefonate, miserable Sprachqualität, Störlärm usw.
Aber ich bin froh, dass es Dolmetscher gibt, entweder Schreib- oder Gebärdendolmetscher, es gibt doch Situationen, die
mir manches erleichtert haben.

M.B.

Viele Grüße
MB
andrea2002

Re: Das gehörlose Mädchen in einer Regelschule

#31

Beitrag von andrea2002 »

Hallo,

jetzt scheint die Sachlichkeit wieder zurückzukehren und so will ich mich auch gern beteiligt. Vorweg ich habe SsH nicht gesehen, und kann selbst auch nicht gebärden. Aber prinzipiell finde ich eine integrative Beschulung gl Kinder gut, auch wenn es 40 000 Euro im Jahr kostet. Geld sollte da nicht der Maßstab sein. EIne gute Schiftsprachkompetenz bei von Geburt an DGS-GL kommt vermutlich genauso oft vor, wie eine gute Lautprache bei von Geburt an audiologischen GL. D.h. sooooo einfach ist das nicht, das eine oder andere zu erlangen.

Aber abgesehen von den prinizipiellen Debatten (Lautsprache kontra DGS). Mich interessiert da viel mehr das Wohl des Kindes. Lernen Xenias Mitschüler wirklich DGS nebenbei mit? Ist es wirklich nur die eine Freundin, oder gibt es noch mehr Kinder, die gut DGS können. Auf weiterführenden Schulen (da werden die Klasse ja auch noch mal neu gemischt, stelle ich es mir aber als niicht praktikabel vor, dass ein gl DGS-Jugendlicher in einer hörenden Klasse integriert werden kann. Jugendliche löernen DGS nicht so nebenbei, indem sie dem Dometscher in der Klasse zuschauen, mal abgesehen davon dass oft und gerne die Leute die anders sind, ausgegrenzt werden.

Gruß
Andrea
Günter Kissmann
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Re: Das gehörlose Mädchen in einer Regelschule

#32

Beitrag von Günter Kissmann »

Hi Andrea,

ich denke, wer sich verstehen will der Findet Wege auch über sprachliche Barrieren hinweg.

Kinder kompensieren sowas deutlich besser als Erwachsene.

Ich bin ja selbst erst mit 45 mit DGS in Berührung gekommen. Meine DGS Kurse habe ich bei LINGS gemacht (Landesinstitut für Gebärdensprache NRW) in Essen. Die haben damals (1999) auch sehr großen Wert auf Mundbild gelegt und gebärden immer mit zusätzlichem Mundbild.

Meine spätere GL Mitschülerin war auch in der Lage abzusehen. Was nötig war, weil ich ganz erhebliche Probleme mit der Umsetzung DGS und Lautsprache hatte. Aber ich bin halt auch ein alter Sack :lol:

Was Freundschaften angeht denke ich mal ist es eben auch so, dass auch höchgradig sh Kinder sich da auf wenige beschränken. Das wird aber auch auf SH Schulen so sein, allein weil die meist einen riesen Einzugsbereich haben.

LG und ein schönes Wochenende

Günter

PS Ich fahre gleich zu meiner SHG und da finden sich auch ABI und Mittelhirnimplantatträger ein die von ihrer Technik leider nicht profitieren. Man verständigt sich trotzdem.

Es gibt immer einen Weg!
Zuletzt geändert von Günter Kissmann am 11. Apr 2008, 15:45, insgesamt 2-mal geändert.
Günter, 1956 von Kind auf sh seit 2003 Ci, Jan-Derk 1983 normalh. Nina 1985 mittelgr, sh. Mathis 1986 mittelgr.sh, Janna 1991 normh. und Malte 1998 hochgr. sh
Momo
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Re: Das gehörlose Mädchen in einer Regelschule

#33

Beitrag von Momo »

MadameBovary hat geschrieben:ich habe hier schon mitbekommen, dass ihr und besonders dein Sohn sich auf der SH-Schule sich wohlfühlt......Leider ist das kein Normalfall. Nicht jeder hörgeschädigte wird auf solchen Schulen akzeptiert (von den Mitschülern
und sogar auch von den Pädagogen, wenn man kein "ja-und-amen" Hörgeschädigter ist und sehr selbstständig ist.
Hallo
das verstehe ich nicht wie du das meinst.
Meinst du man wird nicht akzeptiert, wenn man nicht gebärdet oder andersherum?

Bei uns an der SH Schule sind Gebärden eher die grosse Ausnahme. Der Schulleiter äußert sich ganz deutlich Pro Lautsprache.

Gruß
Zuletzt geändert von Momo am 11. Apr 2008, 15:25, insgesamt 1-mal geändert.
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Günter Kissmann
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Re: Das gehörlose Mädchen in einer Regelschule

#34

Beitrag von Günter Kissmann »

,gelöscht
Zuletzt geändert von Günter Kissmann am 13. Apr 2008, 07:59, insgesamt 2-mal geändert.
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MadameBovary
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Re: Das gehörlose Mädchen in einer Regelschule

#35

Beitrag von MadameBovary »

Liebe Leser,

ich habe nach einem anderen Link gesucht, in der man die Geschichte Xenjas, die von Sehen statt Hören gezeigt wurde, schriftlich nachlesen kann. Leider hat Sehen statt Hören es noch nicht veröffentlicht. Sollte das über die Homepage Taubenschlag.de erfolgt sein, werde ich es nachtäglich hier einfügen. Jemand anderes kann es auch gerne machen, wenn er den Link zuvor entdeckt.

Hallo Momo,

meine persönliche Erfahrungen mit SH-Schulen liegen über 20 Jahren zurück. Deswegen kann ich nicht exakt genau sagen, wie es heute ist. Deswegen sind aktuellere Erfahrungen eher durch die meiner Freunde und Bekannten geprägt.
Ich freue mich, wenn schwerhörige/gehörlose Kinder heute dort glücklich sind. Dies ist aber leider nicht die Regel, und war auch früher nicht.
Deswegen ist gerade Xenja doch ein Beispiel. Warum möchte sie nicht auf eine solche Schule? In SsH (Sehen statt Hören) sagt sie selbst,
dass sie es nicht möchte. Warum? Weil DGS in solchen Schulen zu wenig zum Einsatz kommt?

Früher war es erschreckend, wie uneinheitlich der Unterricht ablief. In einer kleinen Klasse waren ganz unterschiedliche
Hörgeschädigte, jeder war auf seine Art und Weise anders. Die einen wollten Sprechen, die anderen nur gebärden, die anderen beides.
So, was macht nun der Pädagoge? Er unterrichtet meistens, wie er es selbst für richtig hält. Ziemlich schnell passiert, dass ein Teil vernachlässigt wird. Nehmen wir an, der Unterricht läuft in reiner Lautsprache ab, so können die lautsprachlich orientierte ziemlich gut folgen.
Umgekehrt ist es auch der Fall, wenn der Lehrer gebärdet. Nicht umsonst gibt es doch manchmal Grabenskämpfe zwischen den beiden
Parteien. Ist das nicht frag- und denkwürdig? Ich bedauere es, dass der Hörgeschädigte, egal welcher, doch manchmal darunter zu leiden hat.
Es ist manchmal keine einheitliche, aussagekräftige Bildung gewährleistet. Ein kleiner Teil hat es schwerer als der andere. Nehmen wir ein
Beipiel: Wie kann ein Gehörloser, der die Gebärdensprache als Muttersprache bezeichnet, Biologie in Lautsprache in einer SH/GL-Schule
ausreichend verfolgen? Nicht umsonst haben manche Gehörlosen in einer hiesigen hörgeschädigten Schule gewünscht, dass so ein
Unterricht auch mit Gebärdensprache durch Gebärdendolmetscher unterstützt wird.
Außerdem habe ich oft den Eindruck, dass man in den 12 Jahren Regelschule weit viel mehr lernt als ca. 15 Jahre hörgechädigte Schule.
Zuletzt geändert von MadameBovary am 13. Apr 2008, 19:47, insgesamt 1-mal geändert.
Viele Grüße
MB
MadameBovary
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Re: Das gehörlose Mädchen in einer Regelschule

#36

Beitrag von MadameBovary »

Hallo,

jetzt ist der Text von Sehen statt Hören unter
http://www.taubenschlag.de/html/ssh/1361.pdf
einsehbar.

M.B.
Viele Grüße
MB
LB_
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Re: Das gehörlose Mädchen in einer Regelschule

#37

Beitrag von LB_ »

Hallo Leute,
bin durch einen Hinweis auf eure Webseite gekommen.

Da hier über meinen Artikel (und auch über mich) gesprochen wird: Falls ihr Fragen habt - nur zu.

Gruß
LB
frogdesign gluehbirne
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Re: Das gehörlose Mädchen in einer Regelschule

#38

Beitrag von frogdesign gluehbirne »

Hallo zusammen,

also mich triftt schon der Schlag, wie ein gehörloses Mädchen permanent an die hörende Welt Schulunterricht erhält und man ihr auch noch vorwirft - sie schreibe falsch - nur weil Sie die DGS hat. Eigentlich müsste die Erwachsenen um sie ihr die besseren Rahmenedingungen geben: eine Gehörlosenschule - ist doch klar!
Ich kann zumindest Ted in weiten Teilen zustimmen, wenn ich mit gehörlosen Freunden kommuniziere, was leider zu selten passiert, weil die deutschlandweit verteilt sind, dann ist es für mich von Geburt an schlechthörenden mit Lautsprachewortschatz entsprechend meiner Hörkurve völlig selbstverständlich mich anzupassen und einen einfachereren Wortschatz anzuwenden - schliesslich bemühen die Gehörlosen sich auch mit mir zu sprechen!
Aber wie man Kleinkinder so falsch integrieren kann bleibt mir beim besten Willen schleierhaft - ich frage mich allen ernstes wer diesen Bockmist gebaut hat. :help: :help: :help:

Ich wünsche Xenia bessere Rahmenbedingungen und ich persönlich finde es völlig falsch von Gehörlosen zu erwarten, dass sie die Quantensprünge und die exzellente Vielfältigkeit der deutschen Sprache so gut zu beherrschen zu haben wie die hörende Welt.
:-))) never give up. Von Geburt an Schwerhörig - immer schlechter werdend. (li) OP CI seit 31.07.2009 :angel: , (re) Perseo 211
CI seit 07.09.09 NICHT EAS, sondern OPUS 2 :} Toll
Hartmut1
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Re: Das gehörlose Mädchen in einer Regelschule

#39

Beitrag von Hartmut1 »

Von MiaMadeleine:
Kann mir mal jemand erklären was es für eine Alternative für Gehörlose gibt, als die GEBÄRDENSPRACHE? Wenn bei Mia das CI nicht so wunderbar helfen würde, wäre ich die erste, die die DGS lernen würde, um mit meinem Kind zu kommunizieren.
Daraufhin von Gudrun: "Ganz einfach: Lautsprache"

Warum diese Gegensaetzlichkeit? Warum dieses Entweder - Oder? Warum nicht beides? Es hat niemanden geschadet. Eher wird vielen die doppelte Halbsprachigkeit erspart, wenn die erste Wahl, die monolinguale Anbahnung einer Lautsprache, dem Kind nicht vollsprachig macht und es wegen dem spaeten GS-Einstieg auch unvollkommen GS beherrscht und kommunikative Maengel aufweist.

Hier zeigt weiter wie gefaehrlich die Strategie "Zuerst probiere dies, wenn es nicht klappt, dann nehme das andere" ist. Wenn eine monolinguale lautsprachliche Sprachanbahnung nach einigen Jahren scheitert, dann ist es vieles unwiderbringlich verloren. Der Erwerb von GS wird immer als das SICHERSTE anerkannt und wird sehr schnell vonstatten gehen. Die Lautsprache kann zugleich oder ein bisschen spaeter beigebracht werden. Die Methode dafuer kann individuell angepasst werden. Der Ersterwerb von GS hat die drauffolgende Erlernung von LS nie geschadet.

Sabine
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Re: Das gehörlose Mädchen in einer Regelschule

#40

Beitrag von Sabine »

Hallo Carole,

habe jetzt den Fall nicht mehr genau im Kopf, aber war diese Art der Beschulung mit DGS-Dolmetscher nicht ausdrücklicher Elternwunsch? Ich meine mich zu erinnern, dass sie alle Hebel in Bewegung gesetzt haben, um die Bezahlung des Dolmetschers zu sichern.

Viele Grüße,
andrea2002

Re: Das gehörlose Mädchen in einer Regelschule

#41

Beitrag von andrea2002 »

Hallo,

bist Du Du "der" Hartmut?
Der Erwerb von GS wird immer als das SICHERSTE anerkannt
Das möchte ich mal doch stark bezweifeln. Die meisten gl oder hochgradig sh Kidner haben hörende Eltern, die meistens mit der GS noch nie zuvor in Berührung gekommen sind. Das würde wiederum bedeuten, dass GS nicht deren Muttersprache ist und mühsam erlernt werden muss. Und da Kinder ihre Sprache nun mal von den Eltern lernen, denke ich nicht dass GS per se die Garantie für einen Spracherwerb ist. Ich finde es schön, dass Du auch die Notwendigkeit von LS anerkennst, aber auch das geht nicht einfach so. Das kostet ebenfalls Zeit und Resourcen. Wenn man dann bedenkt, dass viele Familien darauf angewiesen sind, dass beide arbeiten, sind Kompromisse unvermeidlich :( .

Gruß
Andrea
Hartmut1
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Re: Das gehörlose Mädchen in einer Regelschule

#42

Beitrag von Hartmut1 »

Schenkt LB keine Beachtung. Er verdreht nur Tatsachen und macht macht irrsinnige Schlussfolgerungen. Er versteht von der zweisprachigen Paedagogik null.

Wie ich aus den Berichten von dritter Hand beurteile, moechte ich zwei Punkte vorbringen:

Die Grundschullehrerin und der Dolmetscher (m./w.) sind ueberfordert, was am besten beim Leseunterricht zu bewerkstelligen sei, um den bilingualen Beduerfnissen der Schuelerin anzupassen, ohne die Dynamik der Klasse sonderlich zu veraendern. Der Lesetext sollte lieber an die Leinwand projiziert werden. Der Dolmetscher steht neben der Leinwand. Die Lehrerin konnte beim Vorlesen die betreffenden Worte zeigen und nach jedem Satz eine kurze Pause einlegen, um den Dolmetscher den Satz in die DGS uebersetzen zu lassen. Natuerlich sollte der Dolmetscher vorher die beste DGS-Uebersetzung des Textes erarbeiten. Die taube Schuelerin sieht den Deutsch-Satz zuerst und dann dessen DGS-Uebersetzung. Und so weiter fuer jeden Satz des Textes. Somit lernt die Schuelerin Deutsch durch Lesen und Gegenueberstellung von DGS. Spaeter kann die Schuelerin manche Texte ohne Uebersetzung visuell aufnehmen und darueber Erklaerungen oder Uebersetung auf DGS abgeben.

Der Aufsatz ueber Weihnachtsgeschenke musste als ein DGS-Aufsatz aufgefasst werden, geschrieben mit Deutsch-Glossen (ein Wort steht fuer jede Gebaerde). Hier nuetzt kein Korrigieren mit dem sprichwoertlichen Rotstift. Die Lehrerin, wenn sie nicht schon DGS-Deutsch bilingual befaehigt ist, kann diesen Teil des Deutschunterrichts nur an einen Lehrer mit dieser Befaehigung abgeben. Der kann die kindlichen DGS-Saetze ins Deutsch-Saetze schriftlich umwandeln und die dazugehoerige Grammatik in DGS erklaeren. Je nach erworbener Faehigkeit im Deutschen kann er die Schuelerin die Bildung deutscher Saetze ermuntern und besondere Uebungen einsetzen, z.B. von ihr die erstellten Saetzen aussprechen oder in gebaerdetem Deutsch oder via Manualalphabet zitieren lassen. Das Korrigieren kann spaeter erfolgen, wenn die Schuelerin bewusst Deutsch schreibt.

Was der geschriebene DGS-Aufsatz in Wirklichkeit anzeigt, ist dass die Schuelerin die Deutsch-Vokabeln entsprechend der Gebaerden weiss. Also nur auf der Wortebene. Das kann paedagogisch als Zwischenziel fuer die erste Klasse angenommen werden. Diese Wort-fuer-Gebaerde Gegenueberstellungen darf nicht zu lange dauern.
Zuletzt geändert von Hartmut1 am 11. Jun 2008, 19:10, insgesamt 1-mal geändert.
Hartmut1
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Re: Das gehörlose Mädchen in einer Regelschule

#43

Beitrag von Hartmut1 »

Andrea,
ich sehe, du vertrittst also das alte Prinzip "Zuerst versuch LS, und wenn das nicht klappt, dann GS". Dies hat vielen tauben und schwerhoerigen Kindern Schaden angerichtet. Du kannst nicht deine Spracherwerbsbiographie als Modell generell fuer alle andere Kindern verallgemeinern, denn dein Erfolg betrifft nur die oberste 5-10% der tauben und schwerhoerigen Bevoelkerung.

Ich bin absolut sicher, dass die Erstanbahnung der GS das Sicherste sei, um vollsprachig in zwei Sprachen werden zu lassen. Sogar fuer die Kinder hoerender Eltern, die eine GS noch lernen muessen. Das taube Kind lernt eine GS sehr schnell. Das ist sicherer als bruchstueckshaft LS durchs imperfektes Gehoer und Mundablesen zu erwerben. Man sieht Agrammatismus im Deutschen bei vielen Schwerhoerigen und Tauben. Halbsprachigkeit gibt es nur bei denen, die nur eine LS-Sprachanbahnung erfahren haben. Keine Halbsprachigkeit bei denen, die eine GS zuerst erworben haben. Deutsch als Erstsprache ungenau durchs Ohr und Auge zu erwerben ist daher unsicher und ein Wagnis

Man muss die noetigen Ressourcen schaffen: GS-Kiga, DGS-Immersionsklassen fuer Eltern und Geschwister, GS-Wanderlehrer, Begegnungen mit Gebaerdenden usw. Eine Sprache erlernt man nicht nur von den Eltern, sondern vom Dorf.

Du mit deinem Fachwissen musstest schon wissen, dass niemand die monolinguale Spracherziehung in GS vertritt. Wir waren immer pro Zweisprachigkeit und zwar ununterbrochen seit etwa 1775. Erstaunt/Erfreut festzustellen, dass ich auch pro LS sei, ist eine unwahre Unterstellung von Monolingualismus oder Anti-LS-Erlernung, die ich nicht stehen lassen kann.

Zuletzt geändert von Hartmut1 am 11. Jun 2008, 20:34, insgesamt 1-mal geändert.
andrea2002

Re: Das gehörlose Mädchen in einer Regelschule

#44

Beitrag von andrea2002 »

Hallo Hartmut:

1.) ich habe nicht gesagt, dass man GS erst dann dazu nehmen soll, wenn das Kind sozusagen in den Brunnen gefallen ist. Heutzutage werden die Kinder schon im Alter von wenigen Wochen diagnostiziert und da hat man die Zeit abzuwarten, ob eine natürlich LS-Entwicklung einsetzt oder mit GS nachgeholfen werden muss. Außerdem ermutige ich die ELtern durchaus parallelen Erwerb der GS. Meine Anmerkung bezog sich darauf, dass ein gl Kind zwar die GS schnell erlernt, die Eltern jedoch nicht! Und für Eltern ist eine Halbkommunikation wegen unzurecheneden Deutschkenntnissen beim Kind und unzureichenden DGS Kenntnissen bei den Eltern auch nicht zumutbar. Ich habe nirgends geschrieben, dass ausschließlich in LS gefördert werden soll, aber sie sollte ein starkes GEwicht haben. Wenn jedoch die Resourcen begrenzt sind (Das ist Realität in vielen Familien) haben die Eltern aber das Recht Schwerpunkte zu setzen. Und auch Xenjas Familie scheint sich nicht darum gekümmert zu haben, dass das Kind Deutsch lernt und die Schwerpunkte einseitig halt in andere Richtung gesetzt. Das das Kind kein Deutsch kann, finde ich ehrlich gesagt eine Katastrophe, die dem Kind noch sehr zum Nachteil gereichen wird, wenn sie es nicht bald lernt.

2.) Dass deutsche Eltern den Wunsch haben, dass ihre Kinder Deutsch als Erstsprache lernen ist nur zu natürlich! Außerdem verschafft nur eine volle Kenntnisse der deutschen Sprache die Möglichkeit auf angemessenen berufliche Positionen und was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr.

3.) Wenn Du schon vom Dorf sprichst, viele ELtern haben nicht die Möglichkeit in ausreichenden Umfang DGS zu lernen eben weil sie auf dem Dorf leben.

Gruß
Andrea
FinnsMama
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Re: Das gehörlose Mädchen in einer Regelschule

#45

Beitrag von FinnsMama »

Hartmut,
ich muss Andrea zustimmen. Ich denke, es sollte generell Ziel sein, dass das Kind in der Gesellschaft zurecht kommt und das kann es nun mal mit der Lautsprache in erster Linie. Somit sollte es auch das Ziel sein, dass das Kind Deutsch so früh wie möglich lernt.
Ich denke, GS ist dazu sinnvoll, sollte aber nicht als einzige Sprache gelernt werden. Das geht auch in den wenigsten Fällen. Das Kind lernt zwar nicht nur von den Eltern, aber primär sind diese die ersten Bezugspersonen und somit auch die wichtigsten für den Spracherwerb und glaube mir, wenn die Eltern eine Sprache (egal ob GS, Spanisch, Chinesisch oder Tagalog) nicht richtig beherrschen, kann das Kind diese Sprache nicht lernen. Dabei geht es nicht um eine korrekte Hochsprache, aber man muss wenigstens flexible in der Sprache sein. Und das kann man von den Eltern nicht verlangen. Ich könnte nicht von heute auf morgen so fit in GS sein, dass ich mit meinem Kind mich nur darüber verständigen könnte.
Natürlich, je älter das Kind, desto mehr Kontakt zur Umwelt hat es. Aber auch die sekundären Bezugspersonen wie Großeltern und andere Verwandte können in der Regel keine GS. Später kommt dann der Kiga und mehr. Aber ich denke, Grundlagen für den Spracherwerb (und das belegen Studien und die Spracherwerbsforschung sowieso) kommen von den ersten Bezugspersonen und werden nicht erst mit 3 oder 4 Jahren im Kiga gelegt.

Außerdem denke ich auch nicht, dass man nicht von Andreas Spracherwerbsbiographie lernen kann. Warum denn nicht? Ich glaube nicht, dass alle schwerhörigen und tauben Kindern, die zuerst LS gelernt haben oder gar nicht mit GS zu tun bekommen, unglücklich sind oder werden. So wenig wie man Andreas Erfahrungen verallgemeinern kann, kann man deine Erfahrungen verallgemeinern.

Ich kenne mich wirklich nicht mit dem GS aus, möchte da auch keineswegs auf einer Seite (pro oder kontra) stehen. Das maße ich mir nicht an. Aber ich denke doch, man sollte das zu allererst den Eltern überlassen, denn die wissen am besten, was für das Kind gut ist. Und wenn das Kind das geeignete Alter hat, kann es auch selbst Wünsch äußern.
Die kritische Phase zum Spracherwerb ist übrigens erst in der Zeit um die Pubertät, sprich auch mit 7 oder 8 sind Kinder generell noch in der Lage "leicht" eine Sprache zu lernen.
Janina mit Finn (2/2004) mit beidseitiger Schallempfindungsschwerhörigkeit
Karin
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Re: Das gehörlose Mädchen in einer Regelschule

#46

Beitrag von Karin »

Liebe Andrea,

Xenja ist bald 7 Jahre. Sie geht in die 1. Klasse. Sie hat eine vollständige Sprache. Sie ist fast taub. Sie kann die Grammatik der Deutschen Sprache noch nicht. Das Kind ist bestens gefördert.

Und nun sag mir warum du das schreibst:
Und auch Xenjas Familie scheint sich nicht darum gekümmert zu haben, dass das Kind Deutsch lernt und die Schwerpunkte einseitig halt in andere Richtung gesetzt. Das das Kind kein Deutsch kann, finde ich ehrlich gesagt eine Katastrophe, die dem Kind noch sehr zum Nachteil gereichen wird, wenn sie es nicht bald lernt.
Weißt du eigentlich wie viele Kinder mit CI in die erste Klasse kommen und überhaupt keine Sprache haben? Sie wird deutsch lernen, vielleicht nicht so gut wie du und ich, aber sie hat eine andere vollständige Sprache, und das Kind ist eins der wenigen, die super gefördert wurden. Den Eltern zu unterstellen, dass sie sich nicht um Xenjas Wohl gekümmert haben ist nun nicht gerade die feine englische Art. Wie soll ein fast taubes Kind in 6 Jahren deutsch lernen?

Wenn ein Kind aus England hierher nachDeutschland kommt und in die 1. Kalsse eingeschult wird und noch nie duetsch gehört und geölesen hat, wie soll es so schnell eine Fremdsprache lernen.

Wie soll das bitte ein gl Kind?

Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass Xenja blitzgescheit ist und ihren Weg gehen wird.

Viele Grüße
KArin

Ich kenne Xenja recht gut. Und ich kenne ihre Eltern

http://www.kestner.de/ - alles rund um die Gebärdensprache
Momo
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Re: Das gehörlose Mädchen in einer Regelschule

#47

Beitrag von Momo »

Hallo
eigentlich wollte ich zu diesem Theam gar nichts mehr schreiben, da es von beiden Seiten recht emotionsgeladen ist. Aber gerne würde ich mal als betroffene Mutter, sowohl eines sh als auch eines normalhörenden (wie ja die Mitschüler von z.B. Xenja) Kindes, dazu Stellung nehmen!
Ich denke man muss zu allererst mal unterscheiden in was für einer Familei ein gl Kind aufwächst und ob es CI versorgt ist oder nicht.
In Xenjas Fall ist es ja, meines Wissens, so dass sie gl Kind gl Eltern ist und daher die GS ihre natürliche Muttersprache. Von daher ist es in meinen Augen klar, dass sie in DGS kommunizieert und dies ihre erste Sprache ist.
Anders sieht es doch z.B. bei vielen unserer, damit meine ich mal normalhörende Eltern, Kinder aus. Mein Sohn z.B. wächst inmitten einer hörenden und LS kommunizierenden Familie und Umgebung auf. Wir hatten bisher keinerlei Kontakte zu gl Menschen. Daher ist es für mich klar, dass LS seine Muttersprache ist. In unserem Fall war es nun so, dass er anfangs noch so gut hörte, dass der LS Erwerb kaum Probleme bereitet hat, aber ich kenne viele andere Fälle in denen gl Kinder in hörender Umgebung aufwachsen. Und da kann ich schon verstehen, dass die Eltern zunächst den Wunsch haben ihr Kind soll die LS lernen, und falls erforderlich mit CI.
Ich für meinen Teil habe das Bedürfnis mit meinem Kind zu kommunizieren und zwar über die einfache Kleinkindsprache hinaus. Das wäre mir aber mit DGS son nicht möglich, weil ich sie einfach nicht gut genug dafür kann und sicher auch so schnell nicht lernen kann.
Ein weiter Punkt ist natürlich auch die (berufliche) Zukunft. Ich glaube einfach, dass man keine Chance hat in unserer Gesellschaft "was zu werden" wenn man die deutsche Grammatik und Sprache nicht gut beherrscht oder womöglich gar nicht. Da würde ich mir dann schon Gedanken machen, wenn mein Kind "nur" DGS kann und LS schlecht/ rudimentär.

Ich habe vor ein paar Jahren eine Mutter (hörend) kennengelernt, deren Sohn gl ist und kein CI hatte. Da er kaum in die LS kam haben die ihm auch DGS ermöglicht und sie selbst hat auch DGS gelernt. Aber für mich war es nicht schön zu sehen wie oberflächlich sie nur mit ihrem dann 16 jährigen Sohn kommunizieren konnte. Sicher liegt es vielleicht auch an der Sprachbegabung und natürlich lernt man als Erwachsener auch nicht so leicht und schnell, aber bitte bedentk doch auch mal wo man DGS lernen kann. Über normale VHS Kurse geht es hier jedenfalls nicht hinaus und was lernt man schon in 1,5 Stunden pro Woche abzüglich der Ferien. Meiner Meinung nicht genug, um eine zufriedenstellende Kommunikation innerhalb der Familei sicher zu stellen.

Ich bin absolut dafür den Kindern auf jeden Fall auch Gebärde anzubieten. Das tue ich bei meinem Sohn auch (LBG), denn es gibt ja immer wieder Situationen wo er nicht hört (Schwimmbad usw.). Aber auch da geht es um oberflächliche Kommunikation wie z.B. wir gehen jetzt, denk daran, zieh dich an, hast du Hunger usw. Und mein Sohn z.B. nutzt die Gebärde gar nicht, wenn er mit mir kommuniziert, auch ohne HGS. Er spricht LS auch wenn ich gebärde! Und das ist für mich eine klare Entscheidung!

Ein anderer Punkt sind natürlich die Kinder, die warum auch immer nicht in die LS kommen. Denen muss man natürlich schon die GS anbieten und man soll natürlich auch nicht so lange warten wie es leider in vielen Fällen getan wird. So kenne ich z.B. 2 spätimplantierte Jungen (mit 5 Jahren), die gar nicht sprachen und auch jetzt nicht sprechen. Das ist natürlich zu spät. Man muss sich (leider) schon sehr früh für einen Weg entscheiden.

Und es gibt kein richtig und kein falsch. Es ist und bleibt eine sehr individuelle Entscheidung jeder einzelnen Familie mit ihren Mögichkeiten, Vorstellungen, Umfeld und Erwartungen. Ich würde mir einfach nur wünschen, dass wir alle (ich schließe mich ein) beide Wege akzeptieren. Nur unterliegen wir natürlich schon auch gesellschaftlichen Zwängen. Und die Sprache unserer Gesellschaft ist numal die deutsche LS und ohne habe ich numal Einschränkungen hinzunehmen. Kann ich meinem Kind diese Einschränkung "ersparen" tue ich das natürlich auch.

Außerdem möchte ich mal -aus Sicht der Eltern einer gl Mitschülerin- anmerken, dass ich als Mutter eines normalhörenden Kindes (meine Tochter) an der Regelschule auch schon darauf bedacht wäre, dass die normalhörenden Kinder keine Nachteile erleiden durch das gl Kind in der Klasse. Das mag jetzt für Empörung sorgen, aber dass was Hartmut oben beschreibt zum Ablauf des Unterrichts (wie da so individuell und zeitaufwendig auf das gl Kind eingegangen wird) ist in einer normalen Regelschulklasse nicht machbar und (ich weiss klingt doof) für die "normalen" Schüler, von denen der ein oder andere auch Probleme hat, ungerecht und auch vor deren Problemen nicht vertretbar, denn dann muss ja gelten Gelcihes Recht/ Aufmerksamkeit für alle...Und es ist numal so, dass in der Grundschule ein gewisses Pensum/ Leistung erbracht werden muss, um die Chance auf eine gute Schulbildung zu haben und damit auf einen Ausbildungsplatz usw. Die Schüler müssen ja im Vergleich zu anderen Klassen auch konkurrenzfähig bleiben. Zumindest aus Sicht der anderen (normalhörenden) Schüler ist dieser Ansprch durchasu auch nachvollziehbar und zu berücksichtigen. Aber wie es wirklich in Xenjas Klasse abläuft kann ich ja nicht beurteilen. Aber man kann wohl kaum verlangen, dass jeder Lehrer DGS lernt oder jeder Schulträger Dolmetscher zahlt (müsste er dann ja auch für alle ausländischen Kinder), wenn es GL Schulen als Alternative gibt....wobei ich auch da Verbesserungsbdarf sehe (unter anderem was den Einsatz von Gebärden angeht)!

Gruß
Zuletzt geändert von Momo am 12. Jun 2008, 09:20, insgesamt 1-mal geändert.
Wiebke und Sohn (fast 21 Jahre) mit 1 HG und 1 CI
andrea2002

Re: Das gehörlose Mädchen in einer Regelschule

#48

Beitrag von andrea2002 »

Liebe Karin,

mir ist klar, dass überhaupt schon mal eine Sprache richtig zu können, extrem wichtig für die kindliche Entwicklung ist. Wir sind uns auch einig, dass gar keine Sprache zu haben, für die Entwicklung fatal ist.

Aber offenbar ist es so, dass Xenja einige deutsche Wörter schreiben, vielleicht sogar laut sprechen kann: Sie schafft es aber nicht, diese Wörter in eine Reihenfolge zu bringen, so dass man es als Nicht-Gebärdensprachler versteht. Und ich bin mir nicht so sicher, ob man allein aus Bücher lesen jetzt eine gute deutsche Grammatik lernen kann. Einige können das sicherlich; genauso wie einige auch ohne Gehör die Lautsprache lernen. Aber schafft das auch die Mehrzahl? Wenn ich da an Normal hörende Kinder denke, ist es so, dass sie grammatikalisch schon fit sind und sich beim Lesen nur darum kümmern müssen, die Buchstaben zu erkennen und zu Wörtern zusammen zu fügen. Xenja muss sich den Satz auch noch innerlich in DGS übersetzen. Wenn nromalhörende Kinder plötzlich in ein anderes Land kommen, umgibt sie die Sprache überall und sie lernen es einfach. Und auch da gibt unter Einwandererkindern ausreichend Beispiele für eine schlechte deutsche Sprache. Diese Kinder sind im Übrigen die Verlierer in den Schulen und am Ausbildungsmarkt. Für ein gl Kind in einer ähnlichen Situation wie Xenja ist es einfach, die deutschen Sprache zu ignorieren. In der Schule wird alles übersetzt und Bücher muss man ja nicht aufschlagen. (Das unterstelle ich Xenjas Familien nicht sondern spreche allgemein von gl Kinder, die mit Dolmetscher Regelschulen besuchen!)

Zurück zu Xenjas Familie: Irgendwie hatte ich bei dem Aufsatz das Gefühl, dass die Eltern gar nicht realisiert haben, dass das Deutsch katastrophal war. Es wurde viel mehr Unverständnis darüber geäußert, dass so viel verbessert wurde.

Gruß
Andrea

Günter Kissmann
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Re: Das gehörlose Mädchen in einer Regelschule

#49

Beitrag von Günter Kissmann »

Hallo,

wer auch immer meint Integration von gl oder hochgradig sh Kindern in der Regelschule ginge ohne jegliches Zutun der Eltern bzw anderer Personen befindet sich auf dem Holzweg. Hier ist aktive Mithilfe gefragt . Hartmut, was du da schreibst ist nicht durchfürbar. Es giibt Nachteilsausgleiche die man verlangen kann und sollte. Etwa eine andere Bewertung der Arbeiten und Zeitgutschriften bei Arbeiten aber es ist nicht alles Grenzenlos.

Fehler sollten schon Fehler genannt werden dürfen, denn der Mensch lernt aus Fehlern ganz bestimmt.

Günter
Zuletzt geändert von Günter Kissmann am 12. Jun 2008, 15:17, insgesamt 2-mal geändert.
Günter, 1956 von Kind auf sh seit 2003 Ci, Jan-Derk 1983 normalh. Nina 1985 mittelgr, sh. Mathis 1986 mittelgr.sh, Janna 1991 normh. und Malte 1998 hochgr. sh
Karin
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Re: Das gehörlose Mädchen in einer Regelschule

#50

Beitrag von Karin »

Liebe Momo, liebe Andrea, es ist für mich wichtig die Beiträge von euch zu vorliegen zu haben, denn daran kann man gut einige Fehl-Vorstellungen (nicht böse gemeint) sehen.

Also zuerst mal - doch, natürlich haben die gl Kinder einen Anspruch auf Dolmetscher in der Schule! Sie müssen dann aber auch den Dolmi verstehen, das geht nur, wenn sie die Sprache beherrschen. Es gibt die Bundes- und Landesgleichstellungsgesetze in denen das Recht verankert ist. Für Ausländer gilt dies nicht, wenn sie nicht gehörlos sind. Das gilt eben nur für behinderte Kinder und Erwachsene, das haben wir bzw die Behindertenverbände erstritten!

Ja, wenn Kinder schlecht deutsch schreiben, ist es von Nachteil, doch es ist nun mal so, wenn man ein gehörlose Kind hat, dass es Schwierigkeiten in der Schriftsparche hat, zumindest ist es schwieriger dort reinzukommen. Aber ich bin positiv gestimmt, was Xenja angeht. In der GL schule wird es leider auch nicht besser, wenn es keinen Bilingualen Unterricht gibt.

Dieses Kind ist gehörlos. Und beim Drehen, war sie gerade mal ein paar Monate in der Schule.
Wenn man sich in GL Schulen umtut, wird man schnell merken, dass die Kinder sich dort in der ersten Klasse mit Bildermalen beschäftigen - schaut es euch mal an. Alles ist besser als in solch einer Schule zu sein. (nicht alle sind so!) Es bessert sich auch was. Also was fordert oder wollt ihr, hörend kann man das Kind nicht zaubern.

Momo, bei deinem Sohn ist es anders, er ist leichtschwerhörig geboren, er ist auf Lautsprache konditioniert.

Ich glaube auch nicht, liebe Momo, dass die anderen Kinder bei einer anderen Art des Unterrichts Nachteile haben, eher würde ich von mehr Verständlichkeit ausgehen und so mit hätten alle einen Nutzen.

Iich denke auch, dass man die Verhältnisse (Integration und Inklusion) aus den USA hierher nicht übertragen kann, wir sind da noch weit entfernt.

Aber es wird Zeiten geben, wo INKLUSION groß geschrieben wird, das bedeutet, dass Kinder aller Couleur in der gleichen Kalsse sind und die Lehrer sich auf alle einzustellen haben, DGS brauchen die wenigsten zu lernen, dafür gibt es dann Schuldolmetscher, aber das dauert wahrscheinlich noch 20 Jahre.
Xenja ignoriert keinneswegs die Deutsche Sprache - sie lernt sie gerade. Und wenn ich die "Aufsätze" meiner Kleinen anschaue - von früher - dann ist das nicht weit weg von Xenja :-)

Ich kämpfe darum, dass die Gesellschaft akzeptiert, dass es unterschiedliche Menschen gibt, jeder hat seinen Platz, jeder das Recht auf Bildung, und das geht nur mit Inklusion.

Liebe Grüße
Karin (überhaupt nicht emotional)

Zuletzt geändert von Karin am 12. Jun 2008, 16:04, insgesamt 1-mal geändert.
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