Kurz zur Ausgangslage:
Seit kurzem bietet Widex bei seiner Compass GPS Software auch die NAL-NL2 Einstellformel zur Berechnung an.
Nach diversen positiven Berichten zu der NAL-NL2 Formel hat es mich interessiert, was diese für eine Veränderung bei den Widexgeräten (ich habe Widex Dream 330 Passion mit
Dieser These wollte ich unter anderem mit dem Test bezüglich NAL-NL2 auf den Grund gehen.
Im Test haben wir das bisherige Audiogramm beibehalten und einfach auf NAL-NL2 in der Software umgestellt…
Ich werde meine Erfahrungen immer in dieser ersten Post zusätzlich als „Summarum“ ergänzen und überarbeiten, so wird jemand anderes später nicht alles durchlesen müssen um zu einem Gesamtbild zu kommen.
Die Erfahrungen sind subjektiv und können für jemand anderes evt. nicht nachvollzogen werden. Jeder Hörverlust ist sehr individuell. Also bitte mit Vorsicht geniessen…
Aktualisiert 14.12.2015
Klangbild:
Gleich nach der Umstellung empfinde ich das Gesamtbild als heller, klarer und etwas brillanter. Auch bei der Musik sind die Hi-hat nun klarer oder der laufende Wasserhahn macht nun ein noch natürlicheren Eindruck, das Wasser strahlt und läuft in mehr Farbtönen. Das Papiergeräusch ist etwas feiner und auch schneidender.
Das Tippen auf der Tastatur im Geschäft ist etwas leiser geworden. Mein Handy auf Vibration nehme ich nun leider nicht mehr immer bewusst war.
Wenn ich die Frequenzen schätzen müsste, wo sich etwas verändert hat, würde ich sagen, dass zwischen 4000 und 8000 eine starke Anhebung passiert ist (hat sich gemäss Verstärkerkurve bestätigt). Eine vermutete generelle kleinere Verstärkung unter 4000 hat sich nicht bestätigt gemäss der Verstärkungskurve. Siehe mehr Details weiter unten. http://www.schwerhoerigenforum.de/visca ... t&id=75022
Sprachverständlichkeit:
Die S-Laute sind nun viel deutlicher… Die ersten 4 Tagen empfand ich dies teilweise auch als störend, habe mich aber daran gewöhnt und empfinde es nun als Gewinn. Die „F“ Laute nehme ich auch deutlicher war. Flüstern verstehe ich besser.
Die Verständlichkeit der Sprache finde ich bis jetzt in etwa 65% der Situationen verbessert (dies vor allem in Situationen, welche eher als unproblematisch beschrieben werden können). Die Sprache klingt angenehm und etwas akzentuierter. Beim Fernsehen verstehe ich besser.
Bei den restlichen 35% ist es eher schlechter (sind eher schwierigere Situationen). Der Grundklang der Stimme meiner 8 Jahre alten Tochter ist beim Autofahren schlechter wahrnehmbar.
Auch Leisesprecher sind nun gefühlt weniger gut zu verstehen (geht wohl zusammen mit der Stimme meiner Tochter). Ausserdem hatte ich die leisen Töne bei meiner Widexeinstellung, wegen den vielen Leisesprechern im Geschäft, sogar noch etwas anheben lassen. Diese Einstellungen sind bei NAL-NL2 noch nicht vorgenommen.
In Räumen die stark hallen, scheint sich ebenfalls eher eine Verschlechterung ergeben zu haben.
Dafür ist mein 2 jähriger Sohn nicht mehr sooo laut wenn er schreit

Kompression:
Mir scheint es, als würden die Geräte nun bei lauten Geräuschen/Umgebung schneller runter regeln. Dies ist zwar zu Beginn der lauten Stelle angenehm (nicht zu laut), generell finde ich es aber eher schade, da es nach einem lauten Geräusch (z.B. das Weinen vom Sohn) es immer ein paar Sekunden braucht, bis ich die restliche Sprache wieder normal laut verstehe.
Mir ist dies zuvor noch nie so deutlich aufgefallen. Evt. wird dies ausgelöst durch die stärkere Verstärkung und deren Wahrnehmung der sehr hohen Töne, oder die Kompression ist generell anders. Evt. verträgt sich hier auch die Automatik der Widex etwas schlechter mit der NAL-NL2?
Meine Vermutung ist, dass alle drei Punkte hier wohl etwas rein spielen. Am deutlichsten aber offenbarte ein Vergleich der Anpasskurven eine viel stärkere Kompression der lauten hohen Töne bei NAL-NL2. Dieser Umstand wäre wohl relativ einfach mit der Anpasssoftware zu korrigieren.
Pfeifverhalten:
Das Pfeifverhalten der Geräte hat sich insofern geändert, dass diese nun beim durchstreichen durch das Haar oder bei Verstärkung einzelner Geräusche in sehr leiser Umgebung und nahe einer Wand (Rückstrahlung) weniger schnell pfeifen.
Dafür jedoch beim Aufsetzen von Kopfhörern oder einer Kapuzen um einiges schneller!
Kapuze konnte ich früher ohne Pfeifen anhaben… ist nun nicht mehr möglich. Bin gespannt ob man da noch etwas machen kann, ohne den ganzen Vorteil wieder zunichte zu machen oder auf eher geschlossen zu wechseln.
Fazit:
Vor 2 Jahren habe ich noch Phonak getestet… Wenn Widex mit der eigenen Anpassformel auf einer Skala 1 und Phonak 10 ist, würde ich die Widexgeräte nun mit einer 4 angeben. Sie sind vom Klangbild also eher richtig Phonak gerutscht (neue Phonakgeräte sind heute allerdings auch nicht mehr so schneidend-hell in der Wiedergabe wie noch vor 2 Jahren - sagte mein Akustiker).
Das neue Klangbild gefällt mir eher besser, da weniger aufdringlich und etwas akzentuierter. An die eher überbetont empfundenen S-Lauten habe ich mich innerhalb von 4 Tagen gewöhnt und stören nun nicht mehr.
Detail zu meiner Verstärkung siehe auch http://www.schwerhoerigenforum.de/visca ... t&id=75022
Nach meinem Höreindruck und dem Einbezug der Verstärkerkurven in meine Überlegungen, tendierte ich dazu wieder auf die Widexformel zurück zu wechseln und mit der Anhebung der Töne über 4000Hz der Hauptgewinn durch NAL-NL2 nachzubauen.
Diese Entscheidung hat mehreren Gründen:
- Wie es sich bei den Verstärkerkurven rausgestellt hat, war meine Widex-Einstellung nicht stark widextypisch in den Mitten betont. Der Höreindruck hat dies bestätigt. Somit war der klarste Unterschied der beiden Formeln nur in den sehr hohen Tönen auszumachen.
- Die Töne über 4000Hz sollten relativ einfach anzuheben sein, somit könnte ich der Hauptgewinn von NAL-NL2 - feineres und differenzierteres Klangbild in den hohen Tönen - übernehmen.
- Auf die herstellereigene Formel zu setzen ist wohl immer etwas sicherer, da die Automatismen und Techniken wohl immer am Besten auf die hauseigene Formel abgestimmt sind.
Durch eine ähnliche Verstärkung der Frequenz um 6K wie bei NAL-NL2, wären die Frequenzen mit 4K sehr stark überbetont worden.
Aus diesem Grund habe ich die Einstellung auf NAL-NL2 belassen und die Kompression der lautesten Töne weniger stark eingestellt sowie die Töne unter 1K merklich abgesenkt.
Dadurch ergab sich der Effekt, dass der anschliessende dumpfe Höreindruck bei lauten Geräuschen sich nicht mehr so schnell einstellte (ähnlicher der Widex-Einstellung). Allerdings passiert es immer noch, dass z.B. bei Applaus die Hörgeräte für etwa 5 sec. nach dem Abklingen des Applaus noch praktisch stumm bleiben. Dies ist bei der Widexeinstellung nicht so und damit auch der grösste Nachteil.
Ausserdem unterbricht die Übertragung der Hörgeräte bei manchen lauten und sonoren Geräuschen (Wasserkocher) die Übertragung alle 5-10sec. ganz kurz (ca. eine einzehntel Sekunde) - weshalb weiss ich auch nicht. Dies war bei der Widexeinstellung auch nicht feststellbar.
Die Hall-Problematik hat sich aber abgeschwächt mit der Absenkung der tiefen Töne.
Grundsätzlich bin ich sehr froh, das Experiment gemacht zu haben, sonst hätte ich das feinere Klangbild in den hohen Tönen nicht kennengelernt. Auch sonst habe ich, z.B. durch die Auseinandersetzung mit meiner Verstärkerkurve, ein viel besseres Verständnis dafür bekommen, wie die Technik überhaupt funktioniert und was man damit alles machen kann.
Nachtrag vom 14.12.2015
Nach etwa eine halben Jahr mit der NAL-NL2 Einstellung bin ich bei der nächsten regulären Nachstellung der Hörgeräte wieder zu der Widexformel zurückgekehrt. Auch wenn der Klang eindeutig besser war unter NAL-NL2 (durch die höchsten Töne oberhalb von 4K), so waren doch die schon angesprochenen Negativpunkte (Kompression) zu oft nervend oder hinderlich.
Wenn man ein Widex Dream 440 hat oder ein Unique, so kann man den Negativpunkt der höchsten Töne einfach kompensieren (mit dem Boost für die höchsten Töne oder der Anhebung der Frequenzen oberhalb 4K).
Gruss Tinu